Dieser Artikel behandelt Begründung und Rechtfertigung im Sinne der Philosophie zur theologischen Rechtfertigungslehre s
Begründung

Als Begründung oder Rechtfertigung (altgriechisch λόγον διδόναι logon didonai, engl.: justification) wird in der Philosophie die Darlegung von Gründen für eine These verstanden. In der strengen logischen Form spricht man von einem Beweis. Im 20. Jahrhundert sehr prominent ist der Versuch, Begründung durch wissenschaftliche Erklärung zu erreichen. Ein jüngerer Sonderfall sind Argumentationen, die im rationalen Dialog zur Zustimmung gebracht werden können. Begründungsversuche, die zu einem letzten, unumstößlichen Grund gelangen wollen, wurden zuletzt vor allem unter dem Stichwort Letztbegründung diskutiert.
Begriffsklärungen
Nach dem üblichen Sprachgebrauch können vor allem Urteile und Entscheidungen begründet werden. Begründen kann nach Wolfgang Kuhlmann dabei als ein fünfstelliges Prädikat aufgefasst werden: Person A begründet das Urteil U oder Entscheidung E im Hinblick auf den Geltungsanspruch G durch das Argument Z für den Adressaten B. Das Zustandekommen einer Begründung ist an folgende Bedingungen gebunden:
- A hat ein Urteil U gefällt bzw. eine Entscheidung E getroffen.
- Bei A oder anderen erheben sich Zweifel, ob das Urteil U wahr bzw. die Entscheidung E richtig ist.
Die Funktion von Begründung wird oft bestimmt als ein Mittel, wahre Meinungen oder richtige Entscheidungen zu ermöglichen. An dieser Auffassung wird kritisiert, dass Aussagen oder Entscheidungen durch Begründungen nicht wahrer bzw. richtiger werden als sie sind. Bei Begründungen gehe es daher eher um Sicherheit und Kontrolle. Sie verschaffen uns größere Gewissheit, dass eine Aussage wahr oder eine Handlung richtig ist.
Begründungen erfolgen durch Rekurs auf etwas anderes als das zu Begründende. Zu unterscheiden sind dabei nach Kuhlmann die Begründung durch Ableitung und die reflexive Begründung (durch transzendentale Argumente).
Die Begründung durch Ableitung stellt den Standardtyp der Begründung dar. Er liegt vor, wenn ein problematisches x (Urteil oder Entscheidung) durch ein oder mehrere unproblematische y (deduktiv oder induktiv) gefolgert wird. Dabei kann zwischen linearen und kohärentistischen Begründungen unterschieden werden. Lineare Begründungen sind durch eine Begründungsrichtung ausgezeichnet: ein bestimmtes y soll als Fundament für x dienen und nicht umgekehrt. Bei kohärentistischen Begründungen fällt die Auszeichnung der Begründungsrichtung fort: x gilt als begründet, wenn es als Knotenpunkt in einem Netzwerk von wechselseitigen Beziehungen von mehreren y verstanden werden kann.
Bei linearen Begründungen wird unterstellt, dass es Sicherheit unabhängig von Begründung durch Ableitung schon gibt (in Prinzipien, Basissätzen etc.). Diese wird dann durch eine Ableitung an das zu begründende x „transportiert“. Die Kraft der Begründung ist dabei abhängig von der Gewissheit der verfügbaren Prämissen sowie von der Zuverlässigkeit des Ableitungsverfahrens. Lineare Begründungen sind erkenntnistheoretisch insofern problematisch als ihre Basis nicht ihrerseits sinnvoll durch Ableitung begründet werden kann, um nicht in das Regressproblem verwickelt zu werden.
Kohärentistische Begründungen transportieren dagegen nicht nur schon vorhandene Sicherheit, sondern erzeugen auch selbst Sicherheit. Je stabiler sich das Netz von wechselseitigen Begründungsbeziehungen zwischen Aussagen über einen Gegenstandsbereich erweist, desto größer wird die Sicherheit. Problematisch sind hier allerdings die Prinzipien der Kohärenz selbst, die das wechselseitige Sich-Stützen der Aussagen ermöglichen sollen, da sie nicht selbst kohärentistisch begründet werden können.
Reflexive Begründungen werden im Gegensatz zu den beiden anderen Begründungs-Typen praktisch nur in der Philosophie zur Begründung letzter Prinzipien verwendet. Sie sind nur anwendbar, wenn das zu begründende x eine reflexive Struktur aufweist, d. h. zugleich vom Untersuchenden subjektiv zur Untersuchung in Anspruch genommen werden muss. Die bei der reflexiven Begründung hergestellte Sicherheit wird dabei nicht transportiert, sondern erzeugt und soll ihrem Anspruch nach eine absolute Sicherheit gewährleisten; siehe auch Absolutheitsanspruch. Das Hauptproblem dieses Begründungstyps liegt nach Kuhlmann darin, dass mit ihm nur sehr wenig materialer Gehalt begründet werden kann und die hermeneutischen Verfahren, mit denen diese weiter expliziert werden können, nicht als sehr zuverlässig gelten.
Epistemische Rechtfertigung
Als epistemische Rechtfertigung wird in der Erkenntnistheorie eine Bedingung verstanden, die eine wahre Überzeugung erfüllen muss, um Wissen zu sein. Dabei wird auf die klassische Definition des Wissens als gerechtfertigte und wahre Meinung zurückgegriffen. Eine Analyse dieses Wissensbegriffs führt jedoch zu Problemen, die bekanntesten sind die als Gettier-Probleme bezeichneten Gegenbeispiele. Grob gesagt bezeichnet Rechtfertigung dabei das Vorliegen guter Gründe dafür, dass ein Erkenntnissubjekt eine Meinung hat und mit Gewissheit an sie glaubt. Es existieren zahlreiche Ansätze, die Definition der Rechtfertigung zu vervollständigen, dass die Probleme des Wissensbegriffs vermieden werden. Dabei lassen sich externalistische und internalistische Ansätze unterscheiden. Durch die Benennung der Probleme des Erkenntnistheoretischen Fundamentalismus hat die Debatte um die Rechtfertigung eine Richtung genommen, die die Ansprüche eines harten realistischen Externalismus wie den auf einer bewusstseinstheoretischen Letztbegründung zurückweist.
Argumentationstheoretische Ansätze
Stephen Toulmin, einer der Pioniere der Argumentationstheorie, hat ein Begründungsschema entwickelt, in dem ein Verbindungsgrund (der 'Warrant', eine Art Übergangsregel) die eigentliche Begründung in einer Argumentation ausmacht. Diese Übergangsregel bildet den Zusammenhang zwischen der Prämisse (Ground, Evidence, Data) und der Konklusion (Claim).
In etlichen Richtungen der Argumentationstheorie wird versucht die deduktive Struktur der Logik mit quasilogischen Inferenzen zu erweitern, die geeignet sind, Übergänge in Begründungen zu bilden. Christoph Lumer entwickelt Argumentationsschemata, die durch Gültigkeitsbedingungen definiert und durch Adäquatheitsbedingungen angegeben werden. Die Wahrheitsanforderungen werden dadurch erfüllt, dass die praktische Begründung zugleich eine triftige epistemische Begründung für eine bestimmte These ist; die epistemische Begründung und diese These zusammen bilden dann eine gültige und adäquate Argumentation.
Um dem Relativismus bei einer Begründung zu entgehen, wird von Josef Kopperschmidt vorgeschlagen, die Argumentationstheorie mit dem Universalisierungsansatz von Jürgen Habermas anzureichern. Das „Universelle Auditorium“ verschaffe einer Begründung das Gültigkeitskriterium „überzeugend“.
Für Harald Wohlrapp ist das Begründungsprinzip eins von vier Prinzipien der Argumentation:
„Behauptungen weisen ihren Orientierungsgehalt in Begründungen aus. Begründungen sind Konstruktionen, mit denen neue Theorie an epistemische Theorie (bewährte Orientierungen) rückgebunden wird.“
Begründung im rationalen Dialog
Der Good Reasons Approach (Position der guten Gründe) ist eine Richtung der Moralphilosophie im angelsächsischen Bereich die unter anderem der Frage nachgeht, warum man moralisch sein soll. Gegen positivische und emotivische Verständnisse wird eine rationale Begründung zu erweisen versucht. Vertreter dieser Richtung sind Kurt Baier, Kai Nielsen, Marcus George Singer, Patrick H. Nowell-Smith, Paul W. Taylor und Stephen Toulmin.
Aus Ansätzen der „vernünftigen Beratung“ bei Wilhelm Kamlah, Paul Lorenzen und Oswald Schwemmer und der „idealen Sprechsituation“ bei Jürgen Habermas entwickelte Friedrich Kambartel Eigenschaften für eine Begründung im rationalen Dialog.
- Unvoreingenommenheit. Bereitschaft, vorausgesetzte Orientierungen zurückzustellen.
- Zwanglosigkeit. Es treten keine Zustimmungs- oder Ablehnungsakte auf, die auf Zwänge zurückzuführen sind.
- Nicht überredend. Gemeinsamkeit wird nicht aufgrund von Argumentationsschwächen einiger Teilnehmer erschlichen.
Das Gelingen einer Begründung für geäußerte Geltungsansprüche ist an die Durchführung eines solchen rationalen Dialoges gebunden.
Deduktive Begründungen
Man kann die Gründe einer These selbst in Frage stellen und nach deren Begründung fragen. Die dabei zur Begründung verwendeten Aussagen lassen sich ebenfalls hinterfragen.
Zwar beruhen viele Begründungen wie etwa die Axiome der Mathematik auf Übereinstimmung. Entsprechendes gilt für Sätze, die eine unmittelbar zugängliche Wahrnehmung wiedergeben wie „Das Thermometer vor mir zeigt gegenwärtig mehr als 100 Grad Celsius an“. Über eine solche Aussage lässt sich in der Regel ohne Probleme ein intersubjektiver und dauerhafter Konsens herstellen, indem man sagt: „Überzeuge Dich doch mit Deinen eigenen Augen von der Richtigkeit der Aussage!“
Allerdings sind derartige Aussagen nicht unbezweifelbar, wie Karl Popper in seiner Kritik an der Konzeption der „Basissätze“ (oder „Protokollsätze“) der Positivisten gezeigt hat. So könnte man im angeführten Beispiel bezweifeln, dass es sich um ein Thermometer handelt. Es könnte vielleicht auch ein Hygrometer sein.
Die Frage ist, ob man die übereinstimmenden Wahrnehmungen mehrerer Beobachter als hinreichende Begründung gelten lassen will. Hierzu werden unterschiedliche Positionen vertreten. Eine weit verbreitete Position besagt: Solange es keinen konkreten Grund für einen Zweifel gibt, bilden die übereinstimmenden Wahrnehmungen der Individuen eine tragfähige Grundlage für darauf aufbauende empirische Theorien.
Dagegen sehen Vertreter des Fallibilismus wie z. B. Hans Albert hier einen willkürlichen Abbruch der Begründung. Albert verwirft das Konzept der Begründung insgesamt, weil es seiner Ansicht nach dem Münchhausen-Trilemma von Zirkelschluss, infinitem Regress oder willkürlichem Abbruch nicht entkommen kann. Nach Mittelstraß' konstruktivistischer Sicht ist es wiederum unsinnig eine Begründung der Begründungsbasis einzufordern, nicht nur, weil dies den infiniten Regress oder Zirkelschluss zur Folge hätte, sondern weil die Begründung in „lebensweltlichen Herstellungszusammenhängen fundiert ist, die Ihrerseits einer theoretischen Grundlage, sei es nun in Form einer empirisch physikalischen oder formalen Geometrie (im Sinne Hilberts) nicht bedürfen.“Harald Wohlrapp sieht eine Widerlegung des Albertschen Arguments darin, „dass das ganze Szenario völlig abstrakt ist, die Wirklichkeit der [...] thesenbegründenden und -kritisierenden Menschen ignoriert und stattdessen eine künstliche Modellierung wissenschaftlicher Experimentierarbeit verallgemeinert.“
Ablehnung von Begründungskonzepten
Die Gegenposition zum Begründungskonzept ist ‚nicht auf Begründung abzielende Kritik‘ (eine Synthese von Skeptizismus und Absolutismus), die Behauptungen an sich angreift und die hauptsächlich von einigen Vertretern des Kritischen Rationalismus vertreten wird: W. W. Bartley, David Miller und Karl Popper. (Aber nicht alle Befürworter des Kritischen Rationalismus stellen sich radikal gegen die Rechtfertigungsstrategie; sie wird beispielsweise von John W. N. Watkins vertreten). Aus ihrer Sicht gibt es Begründungen nicht; wenn es sie gäbe, wären sie nutzlos; und sie haben mit Vernunft auch nichts zu tun.
Die genannten Philosophen vertreten eine Auffassung, die entgegen dem aristotelischen Wissens-Begriff die Fragen der Wahrheit und der Gewissheit bzw. die Entscheidbarkeit oder Sicherheit der Wahrheit von Aussagen scharf unterscheidet. Da eine Letztbegründung für sie als unerreichbar gilt, orientiert sie sich auf das wechselnde Verfahren von Konstruktion und Kritik. Es werden in diesem Ansatz keine argumentativen Begründungen eingesetzt. Zur Maximierung der Kritisierbarkeit setzt er die Konstruktion und vergleichsweise Bewertung von kritischen Alternativen zu jeglicher vorgeschlagenen Lösung ein. Er ergänzt sich daher um den Theorienpluralismus; das methodische Verfahren, das sich dabei anbietet, ist ein Theorievergleich.
Bartley nennt auch noch eine dritte Position, die er als Kritischen Rationalismus in einem engeren Sinn bezeichnet, und die er Poppers sozialphilosophischem Werk Die offene Gesellschaft und ihre Feinde zuschreibt. Sie hat die Begründung aufgegeben, aber noch nicht zu ‚nicht auf Begründung abzielender Kritik‘ gefunden. Statt sich auf Kriterien und Autoritäten zu berufen, versucht sie, diese zu beschreiben und zu explizieren.
Literatur
- Hans Albert: Traktat über kritische Vernunft. Tübingen 1968.
- Karl-Otto Apel: Begründung in: H. Seiffert/G. Radnitzky (Hrsg.): Handlexikon zur Wissenschaftstheorie. München 1989, S. 14–19.
- Frans van Eemeren, Rob Grootendorst: A systematic theory of argumentation: The pragma-dialectical approach. Cambridge: Cambridge University Press, 2004.
- Friedrich Kambartel: Begründung in: Jürgen Mittelstraß: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Zweite Auflage. Band 1, Metzler 2005, ISBN 978-3-476-01372-9, S. 392ff
- Wolfgang Kuhlmann: Begründung in: Marcus Düwell, Christoph Hübenthal, Micha H. Werner (Hrsg.): Handbuch Ethik. 3. akt. Auflage. Metzler, Stuttgart u. a. 2011, ISBN 3-476-02124-6, S. 319–325
- Christoph Lumer: Begründung in: Hans Jörg Sandkühler Enzyklopädie Philosophie. Bd. 1, Meiner, Hamburg 2005. 149–156
- Christoph Lumer: Praktische Argumentationstheorie, Braunschweig 1990.
- David Miller: Overcoming the Justificationist Addiction. (PDF; 124 kB) 2007.
- Karl Popper: On the sources of knowledge and ignorance. Conjectures and Refutations. 1963.
- Richard Swinburne: Epistemic justification. 2001.
Weblinks
- Jamie Carlin Watson: Epistemic Justification. In: James Fieser, Bradley Dowden (Hrsg.): Internet Encyclopedia of Philosophy.
- Foundationalist Theories of Epistemic Justification. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
- Practical Reason. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
Einzelnachweise
- Vgl. Wolfgang Kuhlmann: Begründung in: Marcus Düwell, Christoph Hübenthal, Micha H. Werner (Hrsg.): Handbuch Ethik.
- Vgl. Wolfgang Kuhlmann: Begründung in: Marcus Düwell, Christoph Hübenthal, Micha H. Werner (Hrsg.): Handbuch Ethik., S. 322
- Hannes Ole Matthiessen, Marcus Willaschek: Rechtfertigung, epistemische ( vom 31. Januar 2012 im Internet Archive; PDF; 114 kB)
- Vgl. Stephen Toulmin: The Uses of Argument. Cambridge Univ. Press, 1958. (deutsch: Der Gebrauch von Argumenten. Beltz Athenäum, Weinheim 1996, ISBN 3-89547-096-1.)
- Harald Wohlrapp: Der Begriff des Arguments. Über die Beziehungen zwischen Wissen, Forschen, Glaube, Subjektivität und Vernunft. Würzburg: Königshausen u. Neumann, 2008, ISBN 978-3-8260-3820-4, S. 30
- Christoph Lumer, 1990
- Christoph Lumer, 2005 S. 258
- Harald Wohlrapp Der Begriff des Arguments. 2008 S. 34
- Reiner Wimmer: Good Reasons Approach in: Jürgen Mittelstraß: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Zweite Auflage. Band 3, Metzler 2008 S. 176
- Friedrich Kambartel: Begründung in: Jürgen Mittelstraß: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Zweite Auflage. Band 1, Metzler 2005, ISBN 978-3-476-01372-9, S. 393
- Carl Friedrich Gethmann: Dialog, rationaler in: Jürgen Mittelstraß: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Zweite Auflage. Band 2, Metzler 2005, ISBN 978-3-476-02101-4, S. 191
- J. Mittelstraß, Möglichkeit von Wissenschaft. Suhrkamp, 1974: S. 89.
- J. Mittelstraß 1974 S. 95.
- Harald Wohlrapp: Der Begriff des Arguments. 2008 S. 234
Autor: www.NiNa.Az
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Dieser Artikel behandelt Begrundung und Rechtfertigung im Sinne der Philosophie zur theologischen Rechtfertigungslehre siehe Rechtfertigung Theologie zur klassischen Disziplin einer Verteidigung der Rationalitat religiosen Glaubens ferner Apologetik in der Gesetzgebung siehe Amtliche Begrundung Als Begrundung oder Rechtfertigung altgriechisch logon didonai logon didonai engl justification wird in der Philosophie die Darlegung von Grunden fur eine These verstanden In der strengen logischen Form spricht man von einem Beweis Im 20 Jahrhundert sehr prominent ist der Versuch Begrundung durch wissenschaftliche Erklarung zu erreichen Ein jungerer Sonderfall sind Argumentationen die im rationalen Dialog zur Zustimmung gebracht werden konnen Begrundungsversuche die zu einem letzten unumstosslichen Grund gelangen wollen wurden zuletzt vor allem unter dem Stichwort Letztbegrundung diskutiert BegriffsklarungenNach dem ublichen Sprachgebrauch konnen vor allem Urteile und Entscheidungen begrundet werden Begrunden kann nach Wolfgang Kuhlmann dabei als ein funfstelliges Pradikat aufgefasst werden Person A begrundet das Urteil U oder Entscheidung E im Hinblick auf den Geltungsanspruch G durch das Argument Z fur den Adressaten B Das Zustandekommen einer Begrundung ist an folgende Bedingungen gebunden A hat ein Urteil U gefallt bzw eine Entscheidung E getroffen Bei A oder anderen erheben sich Zweifel ob das Urteil U wahr bzw die Entscheidung E richtig ist Die Funktion von Begrundung wird oft bestimmt als ein Mittel wahre Meinungen oder richtige Entscheidungen zu ermoglichen An dieser Auffassung wird kritisiert dass Aussagen oder Entscheidungen durch Begrundungen nicht wahrer bzw richtiger werden als sie sind Bei Begrundungen gehe es daher eher um Sicherheit und Kontrolle Sie verschaffen uns grossere Gewissheit dass eine Aussage wahr oder eine Handlung richtig ist Begrundungen erfolgen durch Rekurs auf etwas anderes als das zu Begrundende Zu unterscheiden sind dabei nach Kuhlmann die Begrundung durch Ableitung und die reflexive Begrundung durch transzendentale Argumente Die Begrundung durch Ableitung stellt den Standardtyp der Begrundung dar Er liegt vor wenn ein problematisches x Urteil oder Entscheidung durch ein oder mehrere unproblematische y deduktiv oder induktiv gefolgert wird Dabei kann zwischen linearen und koharentistischen Begrundungen unterschieden werden Lineare Begrundungen sind durch eine Begrundungsrichtung ausgezeichnet ein bestimmtes y soll als Fundament fur x dienen und nicht umgekehrt Bei koharentistischen Begrundungen fallt die Auszeichnung der Begrundungsrichtung fort x gilt als begrundet wenn es als Knotenpunkt in einem Netzwerk von wechselseitigen Beziehungen von mehreren y verstanden werden kann Bei linearen Begrundungen wird unterstellt dass es Sicherheit unabhangig von Begrundung durch Ableitung schon gibt in Prinzipien Basissatzen etc Diese wird dann durch eine Ableitung an das zu begrundende x transportiert Die Kraft der Begrundung ist dabei abhangig von der Gewissheit der verfugbaren Pramissen sowie von der Zuverlassigkeit des Ableitungsverfahrens Lineare Begrundungen sind erkenntnistheoretisch insofern problematisch als ihre Basis nicht ihrerseits sinnvoll durch Ableitung begrundet werden kann um nicht in das Regressproblem verwickelt zu werden Koharentistische Begrundungen transportieren dagegen nicht nur schon vorhandene Sicherheit sondern erzeugen auch selbst Sicherheit Je stabiler sich das Netz von wechselseitigen Begrundungsbeziehungen zwischen Aussagen uber einen Gegenstandsbereich erweist desto grosser wird die Sicherheit Problematisch sind hier allerdings die Prinzipien der Koharenz selbst die das wechselseitige Sich Stutzen der Aussagen ermoglichen sollen da sie nicht selbst koharentistisch begrundet werden konnen Reflexive Begrundungen werden im Gegensatz zu den beiden anderen Begrundungs Typen praktisch nur in der Philosophie zur Begrundung letzter Prinzipien verwendet Sie sind nur anwendbar wenn das zu begrundende x eine reflexive Struktur aufweist d h zugleich vom Untersuchenden subjektiv zur Untersuchung in Anspruch genommen werden muss Die bei der reflexiven Begrundung hergestellte Sicherheit wird dabei nicht transportiert sondern erzeugt und soll ihrem Anspruch nach eine absolute Sicherheit gewahrleisten siehe auch Absolutheitsanspruch Das Hauptproblem dieses Begrundungstyps liegt nach Kuhlmann darin dass mit ihm nur sehr wenig materialer Gehalt begrundet werden kann und die hermeneutischen Verfahren mit denen diese weiter expliziert werden konnen nicht als sehr zuverlassig gelten Epistemische RechtfertigungAls epistemische Rechtfertigung wird in der Erkenntnistheorie eine Bedingung verstanden die eine wahre Uberzeugung erfullen muss um Wissen zu sein Dabei wird auf die klassische Definition des Wissens als gerechtfertigte und wahre Meinung zuruckgegriffen Eine Analyse dieses Wissensbegriffs fuhrt jedoch zu Problemen die bekanntesten sind die als Gettier Probleme bezeichneten Gegenbeispiele Grob gesagt bezeichnet Rechtfertigung dabei das Vorliegen guter Grunde dafur dass ein Erkenntnissubjekt eine Meinung hat und mit Gewissheit an sie glaubt Es existieren zahlreiche Ansatze die Definition der Rechtfertigung zu vervollstandigen dass die Probleme des Wissensbegriffs vermieden werden Dabei lassen sich externalistische und internalistische Ansatze unterscheiden Durch die Benennung der Probleme des Erkenntnistheoretischen Fundamentalismus hat die Debatte um die Rechtfertigung eine Richtung genommen die die Anspruche eines harten realistischen Externalismus wie den auf einer bewusstseinstheoretischen Letztbegrundung zuruckweist Argumentationstheoretische AnsatzeStephen Toulmin einer der Pioniere der Argumentationstheorie hat ein Begrundungsschema entwickelt in dem ein Verbindungsgrund der Warrant eine Art Ubergangsregel die eigentliche Begrundung in einer Argumentation ausmacht Diese Ubergangsregel bildet den Zusammenhang zwischen der Pramisse Ground Evidence Data und der Konklusion Claim In etlichen Richtungen der Argumentationstheorie wird versucht die deduktive Struktur der Logik mit quasilogischen Inferenzen zu erweitern die geeignet sind Ubergange in Begrundungen zu bilden Christoph Lumer entwickelt Argumentationsschemata die durch Gultigkeitsbedingungen definiert und durch Adaquatheitsbedingungen angegeben werden Die Wahrheitsanforderungen werden dadurch erfullt dass die praktische Begrundung zugleich eine triftige epistemische Begrundung fur eine bestimmte These ist die epistemische Begrundung und diese These zusammen bilden dann eine gultige und adaquate Argumentation Um dem Relativismus bei einer Begrundung zu entgehen wird von Josef Kopperschmidt vorgeschlagen die Argumentationstheorie mit dem Universalisierungsansatz von Jurgen Habermas anzureichern Das Universelle Auditorium verschaffe einer Begrundung das Gultigkeitskriterium uberzeugend Fur Harald Wohlrapp ist das Begrundungsprinzip eins von vier Prinzipien der Argumentation Behauptungen weisen ihren Orientierungsgehalt in Begrundungen aus Begrundungen sind Konstruktionen mit denen neue Theorie an epistemische Theorie bewahrte Orientierungen ruckgebunden wird Harald Wohlrapp Der Begriff des Arguments 2008 S 224Begrundung im rationalen DialogDer Good Reasons Approach Position der guten Grunde ist eine Richtung der Moralphilosophie im angelsachsischen Bereich die unter anderem der Frage nachgeht warum man moralisch sein soll Gegen positivische und emotivische Verstandnisse wird eine rationale Begrundung zu erweisen versucht Vertreter dieser Richtung sind Kurt Baier Kai Nielsen Marcus George Singer Patrick H Nowell Smith Paul W Taylor und Stephen Toulmin Aus Ansatzen der vernunftigen Beratung bei Wilhelm Kamlah Paul Lorenzen und Oswald Schwemmer und der idealen Sprechsituation bei Jurgen Habermas entwickelte Friedrich Kambartel Eigenschaften fur eine Begrundung im rationalen Dialog Unvoreingenommenheit Bereitschaft vorausgesetzte Orientierungen zuruckzustellen Zwanglosigkeit Es treten keine Zustimmungs oder Ablehnungsakte auf die auf Zwange zuruckzufuhren sind Nicht uberredend Gemeinsamkeit wird nicht aufgrund von Argumentationsschwachen einiger Teilnehmer erschlichen Das Gelingen einer Begrundung fur geausserte Geltungsanspruche ist an die Durchfuhrung eines solchen rationalen Dialoges gebunden Deduktive BegrundungenMan kann die Grunde einer These selbst in Frage stellen und nach deren Begrundung fragen Die dabei zur Begrundung verwendeten Aussagen lassen sich ebenfalls hinterfragen Zwar beruhen viele Begrundungen wie etwa die Axiome der Mathematik auf Ubereinstimmung Entsprechendes gilt fur Satze die eine unmittelbar zugangliche Wahrnehmung wiedergeben wie Das Thermometer vor mir zeigt gegenwartig mehr als 100 Grad Celsius an Uber eine solche Aussage lasst sich in der Regel ohne Probleme ein intersubjektiver und dauerhafter Konsens herstellen indem man sagt Uberzeuge Dich doch mit Deinen eigenen Augen von der Richtigkeit der Aussage Allerdings sind derartige Aussagen nicht unbezweifelbar wie Karl Popper in seiner Kritik an der Konzeption der Basissatze oder Protokollsatze der Positivisten gezeigt hat So konnte man im angefuhrten Beispiel bezweifeln dass es sich um ein Thermometer handelt Es konnte vielleicht auch ein Hygrometer sein Die Frage ist ob man die ubereinstimmenden Wahrnehmungen mehrerer Beobachter als hinreichende Begrundung gelten lassen will Hierzu werden unterschiedliche Positionen vertreten Eine weit verbreitete Position besagt Solange es keinen konkreten Grund fur einen Zweifel gibt bilden die ubereinstimmenden Wahrnehmungen der Individuen eine tragfahige Grundlage fur darauf aufbauende empirische Theorien Dagegen sehen Vertreter des Fallibilismus wie z B Hans Albert hier einen willkurlichen Abbruch der Begrundung Albert verwirft das Konzept der Begrundung insgesamt weil es seiner Ansicht nach dem Munchhausen Trilemma von Zirkelschluss infinitem Regress oder willkurlichem Abbruch nicht entkommen kann Nach Mittelstrass konstruktivistischer Sicht ist es wiederum unsinnig eine Begrundung der Begrundungsbasis einzufordern nicht nur weil dies den infiniten Regress oder Zirkelschluss zur Folge hatte sondern weil die Begrundung in lebensweltlichen Herstellungszusammenhangen fundiert ist die Ihrerseits einer theoretischen Grundlage sei es nun in Form einer empirisch physikalischen oder formalen Geometrie im Sinne Hilberts nicht bedurfen Harald Wohlrapp sieht eine Widerlegung des Albertschen Arguments darin dass das ganze Szenario vollig abstrakt ist die Wirklichkeit der thesenbegrundenden und kritisierenden Menschen ignoriert und stattdessen eine kunstliche Modellierung wissenschaftlicher Experimentierarbeit verallgemeinert Ablehnung von BegrundungskonzeptenDie Gegenposition zum Begrundungskonzept ist nicht auf Begrundung abzielende Kritik eine Synthese von Skeptizismus und Absolutismus die Behauptungen an sich angreift und die hauptsachlich von einigen Vertretern des Kritischen Rationalismus vertreten wird W W Bartley David Miller und Karl Popper Aber nicht alle Befurworter des Kritischen Rationalismus stellen sich radikal gegen die Rechtfertigungsstrategie sie wird beispielsweise von John W N Watkins vertreten Aus ihrer Sicht gibt es Begrundungen nicht wenn es sie gabe waren sie nutzlos und sie haben mit Vernunft auch nichts zu tun Die genannten Philosophen vertreten eine Auffassung die entgegen dem aristotelischen Wissens Begriff die Fragen der Wahrheit und der Gewissheit bzw die Entscheidbarkeit oder Sicherheit der Wahrheit von Aussagen scharf unterscheidet Da eine Letztbegrundung fur sie als unerreichbar gilt orientiert sie sich auf das wechselnde Verfahren von Konstruktion und Kritik Es werden in diesem Ansatz keine argumentativen Begrundungen eingesetzt Zur Maximierung der Kritisierbarkeit setzt er die Konstruktion und vergleichsweise Bewertung von kritischen Alternativen zu jeglicher vorgeschlagenen Losung ein Er erganzt sich daher um den Theorienpluralismus das methodische Verfahren das sich dabei anbietet ist ein Theorievergleich Bartley nennt auch noch eine dritte Position die er als Kritischen Rationalismus in einem engeren Sinn bezeichnet und die er Poppers sozialphilosophischem Werk Die offene Gesellschaft und ihre Feinde zuschreibt Sie hat die Begrundung aufgegeben aber noch nicht zu nicht auf Begrundung abzielender Kritik gefunden Statt sich auf Kriterien und Autoritaten zu berufen versucht sie diese zu beschreiben und zu explizieren LiteraturHans Albert Traktat uber kritische Vernunft Tubingen 1968 Karl Otto Apel Begrundung in H Seiffert G Radnitzky Hrsg Handlexikon zur Wissenschaftstheorie Munchen 1989 S 14 19 Frans van Eemeren Rob Grootendorst A systematic theory of argumentation The pragma dialectical approach Cambridge Cambridge University Press 2004 Friedrich Kambartel Begrundung in Jurgen Mittelstrass Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie Zweite Auflage Band 1 Metzler 2005 ISBN 978 3 476 01372 9 S 392ff Wolfgang Kuhlmann Begrundung in Marcus Duwell Christoph Hubenthal Micha H Werner Hrsg Handbuch Ethik 3 akt Auflage Metzler Stuttgart u a 2011 ISBN 3 476 02124 6 S 319 325 Christoph Lumer Begrundung in Hans Jorg Sandkuhler Enzyklopadie Philosophie Bd 1 Meiner Hamburg 2005 149 156 Christoph Lumer Praktische Argumentationstheorie Braunschweig 1990 David Miller Overcoming the Justificationist Addiction PDF 124 kB 2007 Karl Popper On the sources of knowledge and ignorance Conjectures and Refutations 1963 Richard Swinburne Epistemic justification 2001 WeblinksWiktionary Begrundung Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Wikiquote Rechtfertigung Zitate Jamie Carlin Watson Epistemic Justification In James Fieser Bradley Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Foundationalist Theories of Epistemic Justification In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Practical Reason In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy EinzelnachweiseVgl Wolfgang Kuhlmann Begrundung in Marcus Duwell Christoph Hubenthal Micha H Werner Hrsg Handbuch Ethik Vgl Wolfgang Kuhlmann Begrundung in Marcus Duwell Christoph Hubenthal Micha H Werner Hrsg Handbuch Ethik S 322 Hannes Ole Matthiessen Marcus Willaschek Rechtfertigung epistemische Memento vom 31 Januar 2012 im Internet Archive PDF 114 kB Vgl Stephen Toulmin The Uses of Argument Cambridge Univ Press 1958 deutsch Der Gebrauch von Argumenten Beltz Athenaum Weinheim 1996 ISBN 3 89547 096 1 Harald Wohlrapp Der Begriff des Arguments Uber die Beziehungen zwischen Wissen Forschen Glaube Subjektivitat und Vernunft Wurzburg Konigshausen u Neumann 2008 ISBN 978 3 8260 3820 4 S 30 Christoph Lumer 1990 Christoph Lumer 2005 S 258 Harald Wohlrapp Der Begriff des Arguments 2008 S 34 Reiner Wimmer Good Reasons Approach in Jurgen Mittelstrass Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie Zweite Auflage Band 3 Metzler 2008 S 176 Friedrich Kambartel Begrundung in Jurgen Mittelstrass Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie Zweite Auflage Band 1 Metzler 2005 ISBN 978 3 476 01372 9 S 393 Carl Friedrich Gethmann Dialog rationaler in Jurgen Mittelstrass Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie Zweite Auflage Band 2 Metzler 2005 ISBN 978 3 476 02101 4 S 191 J Mittelstrass Moglichkeit von Wissenschaft Suhrkamp 1974 S 89 J Mittelstrass 1974 S 95 Harald Wohlrapp Der Begriff des Arguments 2008 S 234