Günter Brus 27 September 1938 in Ardning in der Steiermark 10 Februar 2024 in Graz war ein österreichischer Aktionskünst
Günter Brus

Günter Brus (* 27. September 1938 in Ardning in der Steiermark; † 10. Februar 2024 in Graz) war ein österreichischer Aktionskünstler, Maler und Schriftsteller.
Günter Brus war einer der radikalsten Vertreter des Wiener Aktionismus. 1970 wurde er wegen „Herabwürdigung der österreichischen Staatssymbole“ zu sechs Monaten verschärften Arrests verurteilt. Auf dem Katheder im Auditorium maximum der Universität Wien stehend urinierte und defäkierte er unter Absingen der österreichischen Bundeshymne. Das Urteil liegt im mumok Wien auf. Er lebte längere Zeit in West-Berlin im Exil, um der Haftstrafe zu entgehen. Während er in den 1960er Jahren vor allem mit seinen Aktionen Aufsehen erregte, wandte er sich ab Beginn der 1970er Jahre wieder der Zeichnung zu.
Leben und Werk
Günter Brus wuchs in Mureck auf, besuchte die Kunstgewerbeschule Graz und ging 1956 nach Wien, wo er Malerei studierte und seinen in den nächsten Jahren engsten Freund Alfons Schilling kennenlernte.
Beeindruckt vom deutschen Expressionismus der Jahrhundertwende, von Edvard Munch und Vincent van Gogh, dann auch vom abstrakten Expressionismus und von Künstlern wie z. B. Emilio Vedova, begann er im Herbst 1960 mit einer radikal gestischen, das Bildformat sprengenden Malerei. Brusens Werke aus dieser Zeit sind Versuche, aus dem klassischen Tafelbild auszubrechen. Sein späterer Weggefährte Otto Muehl, der ihn damals kennenlernte, erinnert sich: „Die Farbe war beim Aufschlag aufs Bild manchmal wie eine Bombe explodiert. Das war totaler schöpferischer Exzess. […] Das gesamte Zimmer war mit Farbspritzern bedeckt, auf dem Boden lag der eingetrocknete Farbschlamm zentimeterhoch.“ Noch kurz vor seiner ersten großen Ausstellung zusammen mit Schilling musste er im Mai 1961 zum Militär. Nach Ableistung des Militärdienstes geriet er in eine psychische Krise und begann erst Ende 1962 wieder mit der Arbeit. Brusens Streben aus dem Medium ‚Bild‘ auszubrechen wird deutlicher. Im Folgenden entstehen ‚Raumbilder‘, bei denen die formalen Grenzen der Leinwand keine Rolle mehr spielen.
1964 führte Brus seine erste Performance, Arbeitstitel Ana, durch. Von Beginn an war es für ihn wesentlich, den eigenen Körper ins Zentrum der Aktion zu stellen, und bei der dreiteiligen zweiten Aktion, Handbemalung. Kopfbemalung. Kopfzumalung, einem sich über mehrere Stunden hinziehenden Selbstbemalungsprozess, war er auch mit dem Ablauf zufrieden. Er wandte sich von der Malerei ab und führt zahlreiche Aktionen (Selbstbemalung II, Selbstverstümmelung, Starrkrampf, Transfusion, Tortur) durch. All diese „Aktionen“ sind als Weiterentwicklung der informellen Malerei zu sehen und das Bemalen und Hantieren mit Farben spielen weiterhin eine zentrale Rolle.
1966 entwarfen Brus und Muehl die Idee der Totalaktion als Verbindung der Materialaktion Muehls und der Brus’schen Selbstverstümmelungen. Eine erste Probe wurde beim Destruction in Art Symposium in London gegeben.
1967 setzte er sich in der Arbeit Osmose, Pullover, Einatmen – Ausatmen körpersprachlich mit dem Thema Geburt auseinander und integrierte in seine 23. Aktion seine kleine Tochter Diana. Die Arbeiten von Brus gingen weiter in Richtung totaler Körperanalyse: Er urinierte und defäkierte während der Aktionen, ritzte sich mit Rasierklingen die Haut und masturbierte. Spätestens bei der Aktion Der Staatsbürger Brus betrachtet seinen Körper (1968) wird deutlich, dass die Aktionen auch als Staatskritik gedacht sind. Im selben Jahr kommt es zum Eklat durch eine in die Kunstgeschichte eingehende Veranstaltung, die von den Medien als „Uni-Ferkelei“ tituliert wurde und in deren Folge er gerichtlich verfolgt und verurteilt worden ist und schließlich ins Exil ging. Seine letzte Aktion (Juni 1970), mit der er noch einmal bis an alle körperlichen Grenzen zu gehen versuchte, hieß sinnigerweise Zerreißprobe.
Günter Brus war Teilnehmer der Documenta 5 in Kassel im Jahr 1972 in der Abteilung Individuelle Mythologien und auf der Documenta 6 (1977) und der Documenta 7 im Jahr 1982 als Künstler vertreten.
Brus hatte schon sein gesamtes aktionistisches Werk mit Zeichnungen und Malereien begleitet. Ab 1970 begann er mit dem Roman Irrwisch, der durch zahlreiche Zeichnungen untermauert war und entwickelte daraus neue Möglichkeiten einer Kombination von Literatur und bildender Kunst. Es entstanden Arbeiten, die er Bild-Dichtungen nennt und die einen neuen Abschnitt in Brusens Schaffen eröffnen, deren Frucht das reiche zeichnerische und literarische Werk der 70er und 80er Jahre ist. Für sein Lebenswerk erhielt er 1996 den Großen Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst.
Ab Sommer 2005 war Brus Kolumnist und Zeichner beim österreichischen Monatsmagazin Datum. Er lebte und arbeitete in Graz und auf den Kanarischen Inseln.
Mit einem Sammlungsankauf für die Neue Galerie Graz legte der damalige Kulturreferent der Steiermark, Kurt Flecker, 2008 den Grundstein für ein eigenes Brus-Museum. Das „BRUSEUM“, das am 26. November 2011 am neuen Standort der Neuen Galerie Graz im Joanneumsviertel eröffnete, ist als permanent öffentlichkeitswirksame Ausstellungsstätte konzipiert. Es widmet sich der Bewahrung zentraler Werke des Künstlers sowie der wissenschaftlichen Bearbeitung seines Schaffens.
Eine wesentliche Rolle im Schaffen von Brus hatte seine Ehefrau Anna (1943–2025). In einem Zeitungsinterview erzählte sie 2018, dass sie bei der Aktion „Hochzeit“ von Rudolf Schwarzkogler mitgemacht habe, weil Schwarzkoglers Freundin niemals bereit gewesen wäre, ihre Brüste zu zeigen, und Schwarzkogler zu schüchtern war, um eine Frau zu fragen. Außerdem habe sie einmal in einer Apotheke 40 Präservative für eine Aktion von Hermann Nitsch besorgt, weil Nitsch sich nicht getraut habe, sie selbst zu kaufen. Auch die Apothekenverkäuferin habe es damals nicht gewagt, das Produkt beim Namen zu nennen.
Brus starb am 10. Februar 2024 in Graz im Alter von 85 Jahren.
Ausstellungen
- 1986: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Günter brus – Der Überblick, 9. April – 1. Juni 1986
- 1999: Kunsthalle Tübingen, Günter Brus. Leuchtstoffpoesie, 16. Oktober – 12. Dezember 1999.
- 2004: 1Blick. Kunst im Vorhaus, Kratzspuren [1], 1. Februar – 29. Februar 2004. Hallein, Österreich
- 2016: Martin-Gropius-Bau, Berlin: Günter Brus. Störungszonen. Katalog.
- 2018: Österreichische Galerie Belvedere, Günter Brus. Unruhe nach dem Sturm, 2. Februar – 12. August 2018.
- 2019: W&K – Wienerroither & Kohlbacher, Palais Schönborn-Batthyány: Günter Brus. Die Einsamkeit des Spätklassikers, 24. September – 22. November 2019.
- Dauerhaft: Joanneum, Graz: Bruseum (mit wechselnden Themen).
- 2023: Galerie Petra Seiser, 16. Juni – 10. Juli 2023
- 2023: W&K – Wienerroither & Kohlbacher, Palais Schönborn-Batthyány: Günter Brus. Hommage zum 85. Geburtstag, 21. September – 6. Oktober 2023.
Literarische Arbeiten
- Irrwisch, Kohlkunst Verlag, Frankfurt am Main 1971; Faksimilierter Reprint der Erstauflage, Ritter Verlag, Klagenfurt/Wien 2000, ISBN 3-85415-267-1.
- Die Geheimnisträger. Roman, Residenz Verlag, Salzburg/Wien 1984, ISBN 3-7017-0379-5.
- Amor und Amok, Residenz Verlag, Salzburg/Wien 1987, ISBN 3-7017-0486-4.
- Morgen des Gehirns, Mittag des Mundes, Abend der Sprache. Schriften 1984–1988, Das Hohe Gebrechen, Hohengebraching 1993, ISBN 3-930112-08-6.
- Die gute alte Zeit, Jung und Jung, Salzburg/Wien 2002, ISBN 3-902144-28-9.
- Nach uns die Malflut! Theoretische Poesien, Ritter Verlag, Klagenfurt/Wien 2003, ISBN 978-3-85415-335-1.
- Das gute alte Wien, Jung und Jung, Salzburg/Wien 2007, ISBN 978-3-902497-21-5.
- Das gute alte West-Berlin, Jung und Jung, Salzburg/Wien 2010, ISBN 978-3-902497-64-2.
- Essigsaure Tonerde. Zartbittere Humoresken, Jung und Jung, Salzburg/Wien 2013, ISBN 978-3-99027-043-1.
- Gedankenblicke. Lyrik nach alter Weise, Jung und Jung, Salzburg/Wien 2016, ISBN 978-3-99027-084-4.
- Von nirgendwo her bis irgendwo hin, Jung und Jung, Salzburg/Wien 2018, ISBN 978-3-99027-221-3.
Tonträger
- Selten gehörte Musik. Münchner Konzert Mai 1974. 3-LP-Set, Edition Hansjörg Mayer, Stuttgart/London/Reykjavík 1975 (Günter Brus, Hermann Nitsch, Dieter Roth, Gerhard Rühm, Oswald Wiener)
- Selten gehörte Musik. Streichquartett 558171 (Romenthalquartett). 3-LP-Set, Edition Hansjörg Mayer, Stuttgart/London/Reykjavík 1976 (Günter Brus, Hermann Nitsch, Dieter Roth, Gerhard Rühm)
- Selten gehörte Musik. Musica Che Si Ascolta Raramente. Das Berliner Konzert November 1974. 3-LP-Set, Edizioni Morra/Pari e Dispari/Edition Hj Mayer, Reggio Emilia/Neapel/Stuttgart 1977 (Christian Ludwig Attersee, Günter Brus, Hermann Nitsch, Arnulf Rainer, Gerhard Rühm, Dominik Steiger, Oswald Wiener)
Veröffentlichungen
- Ausstellungskatalog: Günter Brus – Störungszonen.
- VESCON Kunstkatalog 2007 – Kratzspuren. Günter Brus.
- Günter Brus: Leuchtstoff-Poesie und Zeichen-Chirurgie. erschienen anlässlich der Ausstellung „Leuchtstoff-Poesie“ – Bild-Dichtungen 1970–1998; Kunsthalle Tübingen, 16. Oktober – 12. Dezember 1999, Kunsthalle Kiel, 16. Januar – 21. März 2000, Neue Galerie der Stadt Linz, 13. April – 4. Juni 2000 / Günter Brus [Ill.] ISBN 3-7701-5059-7.
Auszeichnungen
- 1981: Österreichischer Kunstpreis für Bildende Kunst
- 1992: Würdigungspreis des Landes Steiermark für bildende Kunst
- 1996: Großer Österreichischer Staatspreis für Bildende Kunst
- 2004: Oskar-Kokoschka-Preis
- 2013: Großes Goldenes Ehrenzeichen des Landes Steiermark mit dem Stern
- 2018: Ehrenzeichen des Landes Steiermark für Wissenschaft, Forschung und Kunst
- 2023: Ehrenring der Stadt Graz
Literatur
- Roman Grabner, Günter Brus: Die Einsamkeit des Spätklassikers. Ausstellungskatalog. Ebi Kohlbacher, Lui Wienerroither (Hrsg.). W&K-Edition, Wien 2019, ISBN 978-3-200-06557-4.
- Kalina Kupczynska: Vergeblicher Versuch das Fliegen zu erlernen – Manifeste des Wiener Aktionismus. Würzburg 2012, ISBN 978-3-8260-4708-4.
- Peter Noever (Hrsg.): Günter Brus, aurore de minuit, midnight dawn, Mitternachtsröte. MAK, Wien 2008, ISBN 978-3-900688-89-3, (Ausstellungskatalog: Österreichisches Museum für Angewandte Kunst, Gegenwartskunst, Wien, 10. September 2008 – 25. Januar 2009).
- Rosemarie Brucher: „Durch seine Wunden sind wir geheilt“. Selbstverletzung als stellvertretende Handlung in der Aktionskunst von Günter Brus. Löcker, Wien 2008, ISBN 978-3-85409-499-9.
- Dietmar Haubernhofer (Hrsg.): Günter Brus. Kratzspuren. scratchmarks. (Radierungen und Lithographien, etchings and lithographs, 1971–2007). Springer, Wien u. a. 2008, ISBN 978-3-211-75903-5.
- Oliver Jahrhaus: Die Aktion des Wiener Aktionismus.Subversion und Dispositionierung des Bewußtseins. München 2001. (Das Problempotential der Nachkriegsavantgarden).
- Kerstin Braun: Der Wiener Aktionismus. Positionen und Prinzipien. Wien / Köln / Weimar 1999.
- Hubert Klocker (Hrsg.): Wiener Aktionismus. Band 2: Wien 1960–1971. Günter Brus, Otto Muehl, Hermann Nitsch, Rudolf Schwarzkogler. Ritter, Klagenfurt 1989, ISBN 3-85415-062-8. (Ausstellungskatalog: Graphische Sammlung Albertina, Wien, März/April 1989; Museum Ludwig, Köln, August/September 1989).
- Otto Muehl: Weg aus dem Sumpf. AA-Verlag, Nürnberg 1977, ISBN 3-85386-006-0. (Muehls Autobiographie, der das obige Zitat entnommen ist).
Weblinks
- Literatur von und über Günter Brus im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Porträt von Günter Brus in der Zeitschrift Datum mit Link zu seinen Kolumnen
- Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Günter Brus bei Perlentaucher
- Website des BRUSEUMs
- Günter Brus im O-Ton im Onlinearchiv der Österreichischen Mediathek
Einzelnachweise
- falter.at vom 7. Februar 2018: Interview mit Günter Brus; abgerufen am 11. Februar 2018.
- Otto Muehl: Der Weg aus dem Sumpf. Nürnberg 1977. Zitiert nach: Hubert Klocker (Hrsg.): Wiener Aktionismus. Wien 1960–1971. Der zertrümmerte Spiegel. (= Wiener Aktionismus. Band 2). Klagenfurt 1989.
- Malerei im labyrinthischen Raum. 1964.
- Andrea Schurian: Günter Brus: Wilde Striche und Streiche. Besprechung. In: Der Standard. 26. September 2008, abgerufen am 18. Juli 2012.
- "Meine Eltern waren verzweifelt", Interview mit Günter und Ana Brus in: Die Presse, 4. Februar 2018
- Vielseitiger Grenzensprenger: Günter Brus ist tot. In: ORF.at. 11. Februar 2024, abgerufen am 11. Februar 2024.
Ein Großes Lebenswerk Ist Zu Ende: Aktionist Günter Brus Gestorben. APA auf Relevant.at, 11. Februar 2024, abgerufen am 13. Februar 2024. - Der Mann, der sich für eine Skulptur hielt. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. 10. April 2016, S. 47.
- Würdigungspreis des Landes Steiermark für bildende Kunst: Preisträgerinnen/Preisträger ( vom 17. April 2015 im Internet Archive). Abgerufen am 17. April 2015.
- Brus und Huber mit Ehrenzeichen gewürdigt. ORF. 15. November 2018. Abgerufen am 15. November 2018.
- Günter Brus und styriarte-Intendant Huber gewürdigt. 14. November 2018, abgerufen am 19. November 2018.
- Große Ehrenzeichen des Landes und Ehrenzeichen für Wissenschaft, Forschung und Kunst verliehen. 14. November 2018, abgerufen am 19. November 2018.
- Günter Brus und Olga Neuwirth wurden heute mit dem Ehrenring der Stadt Graz ausgezeichnet. Stadt Graz, 25. Mai 2023, abgerufen am 13. Februar 2024.
Personendaten | |
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NAME | Brus, Günter |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Aktionskünstler und Maler |
GEBURTSDATUM | 27. September 1938 |
GEBURTSORT | Ardning, Steiermark |
STERBEDATUM | 10. Februar 2024 |
STERBEORT | Graz |
Autor: www.NiNa.Az
Veröffentlichungsdatum:
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Gunter Brus 27 September 1938 in Ardning in der Steiermark 10 Februar 2024 in Graz war ein osterreichischer Aktionskunstler Maler und Schriftsteller Gunter Brus war einer der radikalsten Vertreter des Wiener Aktionismus 1970 wurde er wegen Herabwurdigung der osterreichischen Staatssymbole zu sechs Monaten verscharften Arrests verurteilt Auf dem Katheder im Auditorium maximum der Universitat Wien stehend urinierte und defakierte er unter Absingen der osterreichischen Bundeshymne Das Urteil liegt im mumok Wien auf Er lebte langere Zeit in West Berlin im Exil um der Haftstrafe zu entgehen Wahrend er in den 1960er Jahren vor allem mit seinen Aktionen Aufsehen erregte wandte er sich ab Beginn der 1970er Jahre wieder der Zeichnung zu Leben und WerkGunter Brus wuchs in Mureck auf besuchte die Kunstgewerbeschule Graz und ging 1956 nach Wien wo er Malerei studierte und seinen in den nachsten Jahren engsten Freund Alfons Schilling kennenlernte Beeindruckt vom deutschen Expressionismus der Jahrhundertwende von Edvard Munch und Vincent van Gogh dann auch vom abstrakten Expressionismus und von Kunstlern wie z B Emilio Vedova begann er im Herbst 1960 mit einer radikal gestischen das Bildformat sprengenden Malerei Brusens Werke aus dieser Zeit sind Versuche aus dem klassischen Tafelbild auszubrechen Sein spaterer Weggefahrte Otto Muehl der ihn damals kennenlernte erinnert sich Die Farbe war beim Aufschlag aufs Bild manchmal wie eine Bombe explodiert Das war totaler schopferischer Exzess Das gesamte Zimmer war mit Farbspritzern bedeckt auf dem Boden lag der eingetrocknete Farbschlamm zentimeterhoch Noch kurz vor seiner ersten grossen Ausstellung zusammen mit Schilling musste er im Mai 1961 zum Militar Nach Ableistung des Militardienstes geriet er in eine psychische Krise und begann erst Ende 1962 wieder mit der Arbeit Brusens Streben aus dem Medium Bild auszubrechen wird deutlicher Im Folgenden entstehen Raumbilder bei denen die formalen Grenzen der Leinwand keine Rolle mehr spielen 1964 fuhrte Brus seine erste Performance Arbeitstitel Ana durch Von Beginn an war es fur ihn wesentlich den eigenen Korper ins Zentrum der Aktion zu stellen und bei der dreiteiligen zweiten Aktion Handbemalung Kopfbemalung Kopfzumalung einem sich uber mehrere Stunden hinziehenden Selbstbemalungsprozess war er auch mit dem Ablauf zufrieden Er wandte sich von der Malerei ab und fuhrt zahlreiche Aktionen Selbstbemalung II Selbstverstummelung Starrkrampf Transfusion Tortur durch All diese Aktionen sind als Weiterentwicklung der informellen Malerei zu sehen und das Bemalen und Hantieren mit Farben spielen weiterhin eine zentrale Rolle 1966 entwarfen Brus und Muehl die Idee der Totalaktion als Verbindung der Materialaktion Muehls und der Brus schen Selbstverstummelungen Eine erste Probe wurde beim Destruction in Art Symposium in London gegeben 1967 setzte er sich in der Arbeit Osmose Pullover Einatmen Ausatmen korpersprachlich mit dem Thema Geburt auseinander und integrierte in seine 23 Aktion seine kleine Tochter Diana Die Arbeiten von Brus gingen weiter in Richtung totaler Korperanalyse Er urinierte und defakierte wahrend der Aktionen ritzte sich mit Rasierklingen die Haut und masturbierte Spatestens bei der Aktion Der Staatsburger Brus betrachtet seinen Korper 1968 wird deutlich dass die Aktionen auch als Staatskritik gedacht sind Im selben Jahr kommt es zum Eklat durch eine in die Kunstgeschichte eingehende Veranstaltung die von den Medien als Uni Ferkelei tituliert wurde und in deren Folge er gerichtlich verfolgt und verurteilt worden ist und schliesslich ins Exil ging Seine letzte Aktion Juni 1970 mit der er noch einmal bis an alle korperlichen Grenzen zu gehen versuchte hiess sinnigerweise Zerreissprobe Gunter Brus war Teilnehmer der Documenta 5 in Kassel im Jahr 1972 in der Abteilung Individuelle Mythologien und auf der Documenta 6 1977 und der Documenta 7 im Jahr 1982 als Kunstler vertreten Brus hatte schon sein gesamtes aktionistisches Werk mit Zeichnungen und Malereien begleitet Ab 1970 begann er mit dem Roman Irrwisch der durch zahlreiche Zeichnungen untermauert war und entwickelte daraus neue Moglichkeiten einer Kombination von Literatur und bildender Kunst Es entstanden Arbeiten die er Bild Dichtungen nennt und die einen neuen Abschnitt in Brusens Schaffen eroffnen deren Frucht das reiche zeichnerische und literarische Werk der 70er und 80er Jahre ist Fur sein Lebenswerk erhielt er 1996 den Grossen Osterreichischen Staatspreis fur Bildende Kunst Ab Sommer 2005 war Brus Kolumnist und Zeichner beim osterreichischen Monatsmagazin Datum Er lebte und arbeitete in Graz und auf den Kanarischen Inseln Mit einem Sammlungsankauf fur die Neue Galerie Graz legte der damalige Kulturreferent der Steiermark Kurt Flecker 2008 den Grundstein fur ein eigenes Brus Museum Das BRUSEUM das am 26 November 2011 am neuen Standort der Neuen Galerie Graz im Joanneumsviertel eroffnete ist als permanent offentlichkeitswirksame Ausstellungsstatte konzipiert Es widmet sich der Bewahrung zentraler Werke des Kunstlers sowie der wissenschaftlichen Bearbeitung seines Schaffens Eine wesentliche Rolle im Schaffen von Brus hatte seine Ehefrau Anna 1943 2025 In einem Zeitungsinterview erzahlte sie 2018 dass sie bei der Aktion Hochzeit von Rudolf Schwarzkogler mitgemacht habe weil Schwarzkoglers Freundin niemals bereit gewesen ware ihre Bruste zu zeigen und Schwarzkogler zu schuchtern war um eine Frau zu fragen Ausserdem habe sie einmal in einer Apotheke 40 Praservative fur eine Aktion von Hermann Nitsch besorgt weil Nitsch sich nicht getraut habe sie selbst zu kaufen Auch die Apothekenverkauferin habe es damals nicht gewagt das Produkt beim Namen zu nennen Brus starb am 10 Februar 2024 in Graz im Alter von 85 Jahren Ausstellungen1986 Stadtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau Munchen Gunter brus Der Uberblick 9 April 1 Juni 1986 1999 Kunsthalle Tubingen Gunter Brus Leuchtstoffpoesie 16 Oktober 12 Dezember 1999 2004 1Blick Kunst im Vorhaus Kratzspuren 1 1 Februar 29 Februar 2004 Hallein Osterreich 2016 Martin Gropius Bau Berlin Gunter Brus Storungszonen Katalog 2018 Osterreichische Galerie Belvedere Gunter Brus Unruhe nach dem Sturm 2 Februar 12 August 2018 2019 W amp K Wienerroither amp Kohlbacher Palais Schonborn Batthyany Gunter Brus Die Einsamkeit des Spatklassikers 24 September 22 November 2019 Dauerhaft Joanneum Graz Bruseum mit wechselnden Themen 2023 Galerie Petra Seiser 16 Juni 10 Juli 2023 2023 W amp K Wienerroither amp Kohlbacher Palais Schonborn Batthyany Gunter Brus Hommage zum 85 Geburtstag 21 September 6 Oktober 2023 Literarische ArbeitenIrrwisch Kohlkunst Verlag Frankfurt am Main 1971 Faksimilierter Reprint der Erstauflage Ritter Verlag Klagenfurt Wien 2000 ISBN 3 85415 267 1 Die Geheimnistrager Roman Residenz Verlag Salzburg Wien 1984 ISBN 3 7017 0379 5 Amor und Amok Residenz Verlag Salzburg Wien 1987 ISBN 3 7017 0486 4 Morgen des Gehirns Mittag des Mundes Abend der Sprache Schriften 1984 1988 Das Hohe Gebrechen Hohengebraching 1993 ISBN 3 930112 08 6 Die gute alte Zeit Jung und Jung Salzburg Wien 2002 ISBN 3 902144 28 9 Nach uns die Malflut Theoretische Poesien Ritter Verlag Klagenfurt Wien 2003 ISBN 978 3 85415 335 1 Das gute alte Wien Jung und Jung Salzburg Wien 2007 ISBN 978 3 902497 21 5 Das gute alte West Berlin Jung und Jung Salzburg Wien 2010 ISBN 978 3 902497 64 2 Essigsaure Tonerde Zartbittere Humoresken Jung und Jung Salzburg Wien 2013 ISBN 978 3 99027 043 1 Gedankenblicke Lyrik nach alter Weise Jung und Jung Salzburg Wien 2016 ISBN 978 3 99027 084 4 Von nirgendwo her bis irgendwo hin Jung und Jung Salzburg Wien 2018 ISBN 978 3 99027 221 3 TontragerSelten gehorte Musik Munchner Konzert Mai 1974 3 LP Set Edition Hansjorg Mayer Stuttgart London Reykjavik 1975 Gunter Brus Hermann Nitsch Dieter Roth Gerhard Ruhm Oswald Wiener Selten gehorte Musik Streichquartett 558171 Romenthalquartett 3 LP Set Edition Hansjorg Mayer Stuttgart London Reykjavik 1976 Gunter Brus Hermann Nitsch Dieter Roth Gerhard Ruhm Selten gehorte Musik Musica Che Si Ascolta Raramente Das Berliner Konzert November 1974 3 LP Set Edizioni Morra Pari e Dispari Edition Hj Mayer Reggio Emilia Neapel Stuttgart 1977 Christian Ludwig Attersee Gunter Brus Hermann Nitsch Arnulf Rainer Gerhard Ruhm Dominik Steiger Oswald Wiener VeroffentlichungenAusstellungskatalog Gunter Brus Storungszonen VESCON Kunstkatalog 2007 Kratzspuren Gunter Brus Gunter Brus Leuchtstoff Poesie und Zeichen Chirurgie erschienen anlasslich der Ausstellung Leuchtstoff Poesie Bild Dichtungen 1970 1998 Kunsthalle Tubingen 16 Oktober 12 Dezember 1999 Kunsthalle Kiel 16 Januar 21 Marz 2000 Neue Galerie der Stadt Linz 13 April 4 Juni 2000 Gunter Brus Ill ISBN 3 7701 5059 7 Auszeichnungen1981 Osterreichischer Kunstpreis fur Bildende Kunst 1992 Wurdigungspreis des Landes Steiermark fur bildende Kunst 1996 Grosser Osterreichischer Staatspreis fur Bildende Kunst 2004 Oskar Kokoschka Preis 2013 Grosses Goldenes Ehrenzeichen des Landes Steiermark mit dem Stern 2018 Ehrenzeichen des Landes Steiermark fur Wissenschaft Forschung und Kunst 2023 Ehrenring der Stadt GrazLiteraturRoman Grabner Gunter Brus Die Einsamkeit des Spatklassikers Ausstellungskatalog Ebi Kohlbacher Lui Wienerroither Hrsg W amp K Edition Wien 2019 ISBN 978 3 200 06557 4 Kalina Kupczynska Vergeblicher Versuch das Fliegen zu erlernen Manifeste des Wiener Aktionismus Wurzburg 2012 ISBN 978 3 8260 4708 4 Peter Noever Hrsg Gunter Brus aurore de minuit midnight dawn Mitternachtsrote MAK Wien 2008 ISBN 978 3 900688 89 3 Ausstellungskatalog Osterreichisches Museum fur Angewandte Kunst Gegenwartskunst Wien 10 September 2008 25 Januar 2009 Rosemarie Brucher Durch seine Wunden sind wir geheilt Selbstverletzung als stellvertretende Handlung in der Aktionskunst von Gunter Brus Locker Wien 2008 ISBN 978 3 85409 499 9 Dietmar Haubernhofer Hrsg Gunter Brus Kratzspuren scratchmarks Radierungen und Lithographien etchings and lithographs 1971 2007 Springer Wien u a 2008 ISBN 978 3 211 75903 5 Oliver Jahrhaus Die Aktion des Wiener Aktionismus Subversion und Dispositionierung des Bewusstseins Munchen 2001 Das Problempotential der Nachkriegsavantgarden Kerstin Braun Der Wiener Aktionismus Positionen und Prinzipien Wien Koln Weimar 1999 Hubert Klocker Hrsg Wiener Aktionismus Band 2 Wien 1960 1971 Gunter Brus Otto Muehl Hermann Nitsch Rudolf Schwarzkogler Ritter Klagenfurt 1989 ISBN 3 85415 062 8 Ausstellungskatalog Graphische Sammlung Albertina Wien Marz April 1989 Museum Ludwig Koln August September 1989 Otto Muehl Weg aus dem Sumpf AA Verlag Nurnberg 1977 ISBN 3 85386 006 0 Muehls Autobiographie der das obige Zitat entnommen ist WeblinksLiteratur von und uber Gunter Brus im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Portrat von Gunter Brus in der Zeitschrift Datum mit Link zu seinen Kolumnen Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Gunter Brus bei Perlentaucher Website des BRUSEUMs Gunter Brus im O Ton im Onlinearchiv der Osterreichischen MediathekEinzelnachweisefalter at vom 7 Februar 2018 Interview mit Gunter Brus abgerufen am 11 Februar 2018 Otto Muehl Der Weg aus dem Sumpf Nurnberg 1977 Zitiert nach Hubert Klocker Hrsg Wiener Aktionismus Wien 1960 1971 Der zertrummerte Spiegel Wiener Aktionismus Band 2 Klagenfurt 1989 Malerei im labyrinthischen Raum 1964 Andrea Schurian Gunter Brus Wilde Striche und Streiche Besprechung In Der Standard 26 September 2008 abgerufen am 18 Juli 2012 Meine Eltern waren verzweifelt Interview mit Gunter und Ana Brus in Die Presse 4 Februar 2018 Vielseitiger Grenzensprenger Gunter Brus ist tot In ORF at 11 Februar 2024 abgerufen am 11 Februar 2024 Ein Grosses Lebenswerk Ist Zu Ende Aktionist Gunter Brus Gestorben APA auf Relevant at 11 Februar 2024 abgerufen am 13 Februar 2024 Der Mann der sich fur eine Skulptur hielt In Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 10 April 2016 S 47 Wurdigungspreis des Landes Steiermark fur bildende Kunst Preistragerinnen Preistrager Memento vom 17 April 2015 im Internet Archive Abgerufen am 17 April 2015 Brus und Huber mit Ehrenzeichen gewurdigt ORF 15 November 2018 Abgerufen am 15 November 2018 Gunter Brus und styriarte Intendant Huber gewurdigt 14 November 2018 abgerufen am 19 November 2018 Grosse Ehrenzeichen des Landes und Ehrenzeichen fur Wissenschaft Forschung und Kunst verliehen 14 November 2018 abgerufen am 19 November 2018 Gunter Brus und Olga Neuwirth wurden heute mit dem Ehrenring der Stadt Graz ausgezeichnet Stadt Graz 25 Mai 2023 abgerufen am 13 Februar 2024 Normdaten Person GND 118516329 lobid GND Explorer OGND AKS LCCN n84036237 VIAF 107477499 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Brus GunterKURZBESCHREIBUNG osterreichischer Aktionskunstler und MalerGEBURTSDATUM 27 September 1938GEBURTSORT Ardning SteiermarkSTERBEDATUM 10 Februar 2024STERBEORT Graz