Das LVR Industriemuseum Tuchfabrik Müller ist ein Museumsstandort des dezentralen LVR Industriemuseums in Euskirchen Kuc
Tuchfabrik Müller

Das LVR-Industriemuseum Tuchfabrik Müller ist ein Museumsstandort des dezentralen LVR-Industriemuseums in Euskirchen-Kuchenheim. Das Museum zeigt eine vollständig erhaltene Volltuchfabrik mit einem Maschinenpark aus dem frühen 20. Jahrhundert. Wesentliche Produktionsschritte werden mit den historischen Maschinen im Vorführbetrieb gezeigt.
Die Tuchfabrik Müller ist Ankerpunkt der Europäischen Route der Industriekultur sowie zentraler Punkt der Wollroute.
Geschichte
Die Tuchfabrik Müller arbeitete mit einem Maschinenbestand aus der Zeit um 1900 bis zur Schließung 1961. Der Besitzer Kurt Müller sah sich Anfang der 1960er Jahre gezwungen, die Produktion einzustellen, weil er nicht mehr genügend Aufträge bekam. Er hegte aber die Hoffnung, dass er die Fabrikation wieder aufnehmen könne, und erhielt die gesamte Fabrikeinrichtung – so wie sie am letzten Betriebstag verlassen wurde. Die folgende Zeit verfiel die Anlage in einen „Dornröschenschlaf“, der gut 20 Jahre dauerte.
Anfang der 1980er Jahre entdeckten Denkmalpfleger das Ensemble als Zeugnis der Technik- und Sozialgeschichte. Auf Grund der authentischen Überlieferung des gesamten Fabrikensembles wurde die Tuchfabrik schon bald als „Glücksfall der (…) rheinisch-westfälischen Industriegeschichte“ und als „Denkmal von nationalem Rang“ bezeichnet und unter Denkmalschutz gestellt. 1988 übernahm der Landschaftsverband Rheinland die Fabrik, um aus ihr einen Schauplatz des damals im Aufbau befindlichen dezentralen Rheinischen Industriemuseums (heute LVR-Industriemuseum) zu machern.
Auf diese Weise blieb das gesamte Gebäudeensemble der Tuchfabrik der Nachwelt nahezu unberührt erhalten: der Fabrikbau von 1801, das Maschinen- und Kesselhaus, das Unternehmerwohnhaus, das Woll- und Tuchlager, das Kontor, der Dampfkessel, die Dampfmaschine, die Kraftübertragung über Transmissionswellen und -riemen und die ca. 60 Großmaschinen zur Wolltuchherstellung. Auch der Nutzgarten und die Obstwiese, die unmittelbar an das Fabrikensemble angrenzen und von der Unternehmerfamilie bestellt wurden, sind erhalten.
Der Maschinenpark spiegelt „nahezu lexikalisch die … Textilmaschinenproduktion der ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts“. Bemerkenswert ist zudem die komplette Überlieferung. „Eine so vollständig erhaltene Fabrik (…) der Jahrhundertwende gibt es nirgendwo in Europa. Erhalten ist alles.“ Neben den Maschinen blieb „nahezu das komplette Arbeitsplatzinventar“ überliefert: Materialien, Garnrollen, Werkzeuge, selbstgebastelte Hilfsmittel, Ersatzteile, Hinweisschilder, Notizen der Arbeiter, Arbeitsanleitungen an den Wänden. Auch persönliche Habseligkeiten der Arbeiter wurden an den Arbeitsplätzen und in den Spinden gefunden: zum Beispiel Kaffeetassen, Kämme, Handbürsten, Spiegelscherben, Kopfschmerztabellen, Zigarettenschachteln, ein durchgetretener Schuh. Alle diese Inventarteile tragen wesentlich zur besonderen Anmutung und Denkmalqualität der Tuchfabrik bei, die sich nicht allein aus den Gebäuden und den großen Maschinen, sondern aus dem gesamten Ensemble mit insgesamt über 5000 Inventarteilen nährt. In dieser dichten Überlieferung bekommen gerade die einfachen und vermeintlich unwichtigen Alltagsgegenstände eine besondere Bedeutung, weil sie einen „Zeugniswert für historisch verschwundene Arbeitsweisen“ besitzen und damit wesentlich zur Aussagekraft des Objektes beitragen.
Die Geschichte der Tuchfabrik wurde zunächst im Rahmen eines Forschungsprojekts in Bezug auf die Technik, die Arbeit und das Inventar minutiös dokumentiert. Im Jahr 2000 öffnete das Museum nach der umfangreichen aber behutsamen Restaurierung als letzter Schauplatz des dezentralen LVR-Industriemuseums die Fabrik für Museumsbesucher. Ziel der musealen Präsentation war es, „die Fabrik in ihrem einzigartigen Gesamtzusammenhang vollständig zu erhalten und den historischen Bestand nur sehr zurückhaltend und unmittelbar objektbezogen zu erläutern und zu ergänzen.“:31–51, 39 f Bautechnisch und restauratorisch war das Museum bestrebt, den Zustand des letzten Betriebsjahres 1961 zu konservieren und gegebenenfalls wiederherzustellen. Die Maschinen und sämtliche Inventarteile präsentieren sich an dem Platz und in dem Zustand des letzten Betriebstages. Die „Sammlung der Ausstellungsstücke und ihre Anordnung hat gewissermaßen die Geschichte selbst vorgenommen.“ Im Ergebnis bietet die Tuchfabrik nicht den Eindruck eines klassischen, nach wissenschaftlichen Kriterien geordneten Museums, sondern eher einer lebensnahen und komplexen Fabrikwelt.
Technik der Tuchfabrik
Die Tuchfabrik Müller war eine typische kleine Volltuchfabrik. Sie bezog gewaschene Wolle und stellte daraus Streichgarntücher für den Zivilbedarf, aber auch für Uniformen her. Streichgarntücher sind robuste, loden- oder tweedartige Wolltücher, die nach dem Weben noch gewalkt werden. Dadurch wird das Tuch dichter. Die Wollfasern verbinden sich dabei zu einer besonders robusten und strapazierfähigen Oberfläche. Die Tuchfabrik versandte das fertige Tuch an Tuchhändler, Kaufhäuser und Kleidungsfabriken.
Die um 1900 beschaffte Produktionstechnik wurde kaum modernisiert. Der Versuch der Elektrifizierung der Fabrik scheiterte in den 1920er Jahren. Daher hatten auch der Antrieb über die Dampfmaschine und die Wellen und Riemen der Transmission bis zur Fabrikschließung 1961 Bestand.
Folgende Produktionseinheiten und Einrichtungen zur Streichgarnherstellung sind bis heute erhalten und zu besichtigen:
- Maschinenhaus (Dampfkessel und Dampfmaschine)
- Färberei (Färben der Wolle)
- Wolferei (Lockerung, Reinigung und Vermischung der Wolle)
- Krempelei (Herstellung von Vorgarn)
- Spinnerei (Garnherstellung aus dem Vorgarn)
- Webvorbereitung (Zwirnen, Kettschären Schären (Herstellen der Webkette), Leimen der Kette)
- Weberei (Herstellen des Gewebes)
- Nassappretur (Waschen, Walken, Rauhen des Tuchs)
- Stückfärberei (Färben des Tuches, zur Erzielung einer gleichmäßigen Färbung, z. B. für Uniformtuche)
- Trockenapparatur (Finish oder Endbehandlung des Tuches: Noppen, Dämpfen, Scheren, Pressen, Dekatieren)
- Endkontrolle mit Hängevorrichtungen und Nopperei-Tischen.
- Kontor und Tuchlager
Reaktivierung historischer Maschinen und Vorführbetrieb
Einige der zentralen Maschinen sind wieder funktionsfähig hergerichtet worden und laufen regelmäßig im Rahmen des Vorführbetriebs:
- die „Dampfmaschine“ (Fa. Otto Recke, Rheydt, 1903)
- der „Krempelwolf“ (Fa. & Co. A. G., Chemnitz, 1898)
- ein „Krempelsatz“ (Fa. C. E. Schwalbe, Werdau, 1913)
- ein „Selfaktor“ zum Spinnen (Fa. Oscar Schimmel, Chemnitz, 1897)
- vier „Webstühle“ (u. a. Fa. Sächsische Webstuhlfabrik, vorm. Louis Schönherr, Chemnitz, Fa. Großenhainer Webstuhl- und Maschinenfabrik, Großenhain)
Im Vorführbetrieb an den reaktivierten Maschinen werden Produkte hergestellt, die verkauft oder weiter verarbeitet werden: Wollvließ, Wollgarne, Wolltücher. Aus diesem „Müller-Tuch“ werden z. B. Wolldecken, Mützen, Mäntel und Sakkos hergestellt. Folgende Maschinen funktionieren ebenfalls wieder, werden aber in der Regel nicht bei den öffentlichen Führungen vorgeführt: die Zwirnmaschine (Fa. Peter Thieron Sohn, Eupen, 1919) und die Kettschärmaschine (Fa. Sächsische Webstuhlfabrik, vorm. Louis Schönherr, Chemnitz, 1907).
Eine wesentliche Aufgabe sieht das Museum neben der Erhaltung der Maschinen auch in der Bewahrung des (nicht gegenständlichen) Wissens, das erforderlich ist, um die historischen Textil-Technik in Betrieb zu behalten. Zunächst wurden die ehemaligen Arbeitskräfte ausführlich zu den historischen Arbeitsprozessen, Arbeitsbedingungen und Arbeitsumständen befragt.
Das praktische Wissen für den Betrieb der historischen Maschinen (Betrieb, Einstellung, Wartung, Reparatur) wurde zudem – fast vergleichbar dem Verfahren der experimentellen Archäologie – durch die Museumstechniker an den Maschinen erarbeitet. Diese Kenntnisse werden ständig in einem „learning-by-doing“-Prozess erweitert und im Museumsbetrieb an neue Mitarbeiter weitergegeben.
Durch die regelmäßige Vorführung und Erläuterung der Maschinen für Besucher wird die Funktionsweise dieser Maschinen dem Publikum vor Ort nahegebracht.
Ein weiterer Schritt der Vermittlung des Wissens um die Funktion der historischen Technik besteht in der filmischen Dokumentation zentraler Schritte der Wolltuch-Herstellung und des Antriebssystems. Diese Filme sind ortunspezifisch angelegt und zeigen idealtypisch wesentliche Techniken einer historischen Tuchfabrik.
- Dampfmaschine
- Transmissionsanlage im Original- und Museums-Modell
- Krempelei/Vorgarnherstellung
- Spinnmaschine/Selfaktor
- Mechanischer Webstuhl
Restaurierungskonzept
Ziel der Restaurierung des Gebäudes und des Inventars war es, die Tuchfabrik wieder in den Zustand zum Zeitpunkt ihrer Schließung 1961 zu versetzen. Es sollten also nur Veränderungen und Verfallserscheinungen, die nach 1961 eingetreten waren, zurückgeführt werden. Wenn Reparaturen oder Erneuerungen notwendig waren, wurden diese in Bezug auf Material und Machart streng nach historischem Vorbild durchgeführt. Wo moderne Einbauten und Ergänzungen für den Vorführbetrieb und die Sicherheit der Besucher unerlässlich waren, wurden sie farblich abgesetzt, um sie als Eingriff erkennbar zu machen.
Für die Restaurierung der Maschinen ergaben sich aus dem Restaurierungskonzept drei Zustände, in die die Maschinen versetzt wurden
- Stillstands-Zustand: vor 1961 stillgelegte Maschinen, die beispielsweise nur noch als Ersatzteillager dienten, wurden von Bauschmutz gereinigt, nicht aber von Rost und Zerfall. Die Restauratoren hatten in diesem Fall den Auftrag, Schäden oder fehlende Teile zu ignorieren, gerade weil diese auch den Zustand der Nichtbenutzung dokumentieren.
- Betriebs-Zustand: Bis zur Stilllegung benutzte Objekte wurden hingegen wieder in einen gepflegten Gebrauchszustand versetzt. Dies bedeutete eine gründliche Reinigung und Entrostung, insbesondere der während des Betriebs sauberen und blanken Stellen. Alte Oberflächen und Lacke, Improvisationen und Behelfslösungen wurden belassen. Schäden durch die Zeit des langen Stillstands wie morsches Holz oder Mottenfraß wurden behutsam behoben.
- Reaktivierter Zustand: Einige zentrale Maschinen wurden wieder in Funktion genommen. Dabei werden so wenig wie möglich Eingriffe in die Maschinen vorgenommen. Der Anteil der ausgetauschten Teile, die als Dokumente der Betriebsgeschichte aufbewahrt werden, beträgt zwischen zwei und fünf Prozent und beschränkt sich zumeist auf Verschleißteile.:43–46
Museumskonzept
Da es Absicht des Museums war, den „Fabrikkosmos“ in den Mittelpunkt einer lebensnahen Präsentation zu stellen, wurden alle musealen Eingriffe zurückhaltend konzipiert. Das wichtigste Informationsmedium ist die mündliche Führung, die ergänzt wird durch Vorführbetrieb an den historischen Maschinen, der Bestandteil jedes Besuchs der Tuchfabrik ist.
Texttafeln, Vitrinen und moderne Medien spielen in der Tuchfabrik nur eine untergeordnete und unterstützende Rolle: Knappe Auszüge aus Interviews mit ehemaligen Arbeitern zu einzelnen Maschinen und Inventarteilen geben Informationen zum Arbeitsablauf und dem Betriebsleben. Hölzerne Hände mit Werkzeugen und Arbeitsmaterial am Krempelsatz versinnbildlichen zum Beispiel die alltäglich notwendigen Handgriffe und Verrichtungen an dieser Maschine. Ein Modell der komplexen Transmissionsanlage veranschaulicht die historische Kraftübertragung von der Dampfmaschine zu den Produktionsmaschinen über Wellen und Riemen.
Die Einordnung in den wirtschafts- und sozialhistorischen Kontext geschieht mit einer kleinen Ausstellung in den gegenüber liegenden ehemaligen Wohnräumen der Familie Müller, in der Bilder und Objekte zur Firmengeschichte, aus dem Alltagsleben der Beschäftigten und zur Geschichte und Krise der rheinischen Tuchindustrie gezeigt werden. Dort kann man erfahren, wie es in anderen, größeren, moderneren Tuchfabriken aussah, dort werden die Gründe und Folgen des Sterbens vieler Tuchfabriken in der Region analysiert.
Im Jahr 2017 erfuhr die museale Einrichtung der Tuchfabrik Müller aus dem Jahr 2000 eine mediale Ergänzung. Im Fabrikgebäude unterstützen seither Ton- und Bildeinspielungen die Wirkung des historischen Maschinenparks. Im Nebengebäude erklärt ein Architekturmodell der Gesamtanlage. Zwei Hörstationen bieten dort Erzählungen und Informationen zum Fabrik-Alltag und zur Geschichte der regionalen Tuchindustrie.
Aus der Grundsatz-Entscheidung, die Tuchfabrik in einem möglichst authentischen Zustand zu erhalten, erwuchs der Bedarf nach einem ergänzenden Museumsneubau für die modernen Museumsfunktionen. Im vorgeschalteten Neubau – auf dem Areal der ehemaligen Tuchfabrik Jacob Koenen (1808 bis 1982) – sind wechselnde Sonderausstellungen des Museums zu kulturgeschichtlichen Themen zu sehen. Dort sind auch Räumlichkeiten für die modernen Museumsfunktionen von der Museumspädagogik, über die Museumskasse, den Museumsladen, die Cafeteria bis hin zur Haustechnik und Verwaltung.
Historische Entwicklung
Von der Papiermühle (1801) zur Textilverarbeitung
Die ältesten der heute noch existierenden Gebäude des Ensembles stammen aus dem Jahr 1801. Damals ließen die Gebrüder Fingerhut eine Getreidemühle am Kuchenheimer Erftmühlenbach abreißen, um dort eine Papiermühle zu errichten. Sie errichteten ein großzügiges Fabrikgebäude mit Mansardwalmdach – unter der geräumigen Dachkonstruktion ließen sich die Papierbögen zum Trocknen aufhängen. 1843 mussten die Gebr. Fingerhut die Produktion angesichts des für Papierproduktion zu verschmutzten Wassers und der Konkurrenz moderner Maschinen aufgeben.
Die Anlage wurde daraufhin als Wollspinnerei und Wollwäscherei genutzt. Schritt für Schritt bauten verschiedene Inhaber die Spinnerei zu einer Volltuchfabrik aus, in der alle Abläufe der Tuchherstellung unter einem Dach stattfanden: vom Vorbereiten der losen Wolle bis zum Versand des fertigen Stoffs. 1860 wurde die erste Dampfmaschine installiert, da für die Produktion von Tüchern die Wasserkraft des Baches nicht mehr ausreichte. Mit der Ausdehnung der Produktion wurden ein Kontor und ein Tuchlager notwendig, das 1867 gegenüber der Tuchfabrik errichtet und alsbald um ein Wohnhaus erweitert wurde. Gemeinsam mit dem L-förmigen Fabrikgebäude bilden die Gebäude den heute noch charakteristischen Innenhof der Tuchfabrik.:32 f.
Die Ära Müller (1894–1961)
1894 ersteigerte Ludwig Müller die Tuchfabrik und modernisierte den gesamten Maschinenpark. 1903 erstand Müller eine neue Dampfmaschine, 1913 eine neue Francis-Turbine, die von nun an gemeinsam die Transmission antrieben. Der letzte Anbau war 1922/23 der Bau einer Shedhalle, in der die Spinnerei ihren Platz hatte.
Müller stellte ausschließlich Streichgarn her, einen sehr langlebigen und robusten Wollstoff. Bis zum Ersten Weltkrieg erfreute sich die Tuchfabrik eines stabilen Aufschwungs und belieferte Tuchhandlungen und Kaufhäuser in ganz Deutschland, darunter Wertheim, Karstadt und Peek & Cloppenburg. Gleichzeitig gelang Müller der Einstieg in die Uniformtuchproduktion, indem er zunächst Marine und Heer mit Tüchern versorgte. Mit der Zeit verstärkte sich die Spezialisierung der Tuchfabrik Müller auf Uniformstoffe.
1929 verstarb Ludwig Müller, die Fabrik übernahm sein Sohn Kurt Müller. Weitere Modernisierungen der Fabrik fanden von nun an kaum noch statt; auch Versuche einer Elektrifizierung scheiterten. 1942 musste die Tuchfabrik Müller schließen, da das NS-Regime eine Rationalisierung und Konzentration der Tuchproduktion in Kriegszeiten anstrebte.
Im Jahr 1947 nahm die Produktion wieder Fahrt auf; zunächst mit Garn-, ein Jahr später wieder mit Tuchproduktion. Allerdings erreichte das Unternehmen nicht mehr die Blüte früherer Jahre; den Großteil der Produktion machten kleinere Uniformaufträge (beispielsweise für Nahverkehrsbetriebe, Deutsches Rotes Kreuz und Bundesgrenzschutz) aus.
Schließung der Fabrik (1961)
Bereits in der Nachkriegszeit zeichneten sich Probleme für den weiteren Erhalt der Fabrik ab. Letztlich lassen sich für die Schließung vieler kleiner Wolltuchfabriken um 1960 verschiedene Gründe ausmachen.
- Neue Konkurrenz durch EWG: In der Nachkriegszeit fand unter Wirtschaftsminister Ludwig Erhard eine Liberalisierung der Märkte statt, die mit dem Inkrafttreten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1958 ihren deutlichsten Ausdruck fand. Die deutschen Tuchfabriken mussten sich nun nicht nur einer ungewohnten nationalen, sondern auch einer europäischen Konkurrenz stellen. Der Versuch einiger Euskirchener Tuchfabrikanten durch Eingaben bei Bundeskanzler, Finanzminister und Wirtschaftsausschuss auf Strafzölle für italienische Wollwaren hinzuwirken, blieb erfolglos. Die Tuchindustrie wurde zugunsten anderer Industrien, die vom freien Wirtschaftsraum profitierten, „geopfert“.
- Verändertes Konsumverhalten: In Zeiten des Wirtschaftswunders waren die langlebigen Streichgarntuche in gedeckten Farben, die die Tuchfabrik Müller herstellte, nicht mehr gefragt. Die Konsumenten verlangten nach preiswerten, modischen, bunten Stoffen. Besonders die Tuchindustrie des italienischen Prato wuchs zur stärksten Konkurrenz heran: sie verwandte statt der teuren Schurwolle die günstigere und qualitativ minderwertigere Reißwolle, die in modischen Mustern und Farben verwebt wurde. Zudem kam der Rohstoff Wolle aus der Mode und Baumwolle und Chemiefasern eroberten zunehmend den Bekleidungsmarkt. Statt Tuchhosen und Wollmänteln trug man nun Jeans und Parka.
- Billiglöhne in anderen Staaten: In Italien arbeitete man in einem Verlagssystem, in dem der Großteil der Arbeit von Heimarbeitern geleistet wurde. Diese arbeiteten als selbständige Kleinunternehmer, somit waren keine Sozialabgaben abzuführen und Tarifverträge einzuhalten. Durch dieses „Sozialdumping“ war die Arbeitsstunde dort um rund ein Viertel günstiger. Die deutsche Tuchindustrie wehrte sich dagegen, indem sie den Qualitätssinn des Verbrauchers zu schärfen suchte (zum Beispiel mit dem Wollsiegel ) und die Verarbeitungsschritte mit neuen Maschinen modernisierte.
- Fehlende Modernisierung: Kleine Firmen konnten sich die finanzielle Anstrengung einer Modernisierung nicht leisten. Bei der Tuchfabrik Müller erschwerte zudem das Fabrikgebäude, das für die Anforderungen einer Papiermühle erbaut worden war, eine Modernisierung. Hinzu kam die fehlende Elektrifizierung der Fabrik – bis zum letzten Arbeitstag wurden alle Maschinen über die Dampfmaschine und die Transmissionsanlage angetrieben.
1961 schloss Kurt Müller die Tore der Fabrik wegen Auftragsmangels, bevor große Verluste auf das Unternehmen zukamen. In der Hoffnung, die Fabrik irgendwann nochmals in Betrieb nehmen zu können, pflegte Müller die Maschinen und beließ die Fabrik in ihrem alten Zustand, bis in den 1980er Jahren der Landschaftsverband Rheinland die Tuchfabrik Müller entdeckte, diese übernahm und sich für deren Bewahrung und museale Präsentation einsetzte.:34
Museumsaktivitäten
Sonderausstellungen
Das LVR-Industriemuseum Euskirchen zeigt regelmäßig Sonderausstellungen, insbesondere zur Sozial- und Kulturgeschichte. Ein Ausstellungsschwerpunkt ist (gemeinsam mit dem LVR-Industriemuseum Ratingen) die Kulturgeschichte der Kleidung. Bisherige Sonderausstellungen
- Leute machen Kleider (2002)
- Kleider machen Leute (2003)
- Euskirchener Wirtschaftsgeschichte (2003/2004)
- Essens-Zeiten (2004/2005)
- Die Frau in Weiß (2005/2006)
- Körper und Kleider seit 1850 (2006/2007)
- Schlafenszeit. (Zur Kulturgeschichte von Schlaf und Traum) (2007/2008):31–60
- Im Zauber der Nacht – Abendkleider aus zwei Jahrhunderten (2008/2009):96–123
- Dessous – 150 Jahre Kulturgeschichte der Unterwäsche (2009/2010)
- Hauptsache Hut. 150 Jahre Hutgeschichte(n) (2010–2012)
- Glanz und Grauen. Mode im „Dritten Reich“ (10/2013–12/2014)
- Das Pepita-Virus. Herstellung und Verbreitung eines Stoffmusters. (21. Juni 2015–3. April 2016)
- Stadt, Land, Garten. Zur Kulturgeschichte des Nutzgartens. (8. Mai–18. Dezember 2016)
- Ist das möglich? (5. Februar – 17. Dezember 2017)
- Die Welt im Kleinen – Baukästen aus der Sammlung Griebel. (13. Mai – 2. Dezember 2018)
- Mythos Neue Frau. Mode zwischen Kaiserreich, Weltkrieg und Republik. (17. Februar – 17. November 2019)
- Mode 68. Mini, sexy, provokant. (28. Juni 2020 – 15. August 2021)
- Must-Have. Geschichte, Gegenwart, Zukunft des Konsums (14. November 2021 – 18. Dezember 2022)
- Modische Raubzüge. Von Luxus, Lust und Leid. 1800 bis heute (5. März 2023 – 7. Januar 2024)
- Probiert? Kapiert! Die Mitmach-Ausstellung für Kinder, Jugendliche und Familien (26. April 2024 – 24. August 2025)
Museumspädagogik
Das Museum bietet in Kooperation mit freien Museumspädagogen Angebote für Kinder und Jugendliche aller Schulformen und Altersklassen. Dabei reicht das Spektrum von Filz-Workshops und der Inbetriebnahme von Modell-Dampfmaschinen über Entdeckungstouren durch die Fabrik bis hin zu ökologischen Projekten am Erftmühlenbach. Für Erwachsene finden täglich öffentliche Führungen durch die Fabrik statt, bei denen die historischen Textilmaschinen vorgeführt werden.
Museumsgästehaus Mottenburg
Ebenfalls zum LVR-Industriemuseum gehört das Museumsgästehaus „Mottenburg“, das aus Backsteinen (Feldbrandsteinen) der ehemaligen Tuchfabrik Jacob Koenen neben den Überresten der mittelalterlichen Oberen Burg in Kuchenheim und Überresten einer Motte errichtet ist. Als außerschulischer Lernort bietet er Kindern und Jugendlichen einen intensiven Einblick in die Industrie- und Sozialgeschichte und die Möglichkeit zu mehrtägigen Aufenthalten.
Rheinischer Wollmarkt
Kurz nach Übernahme der Fabrikgebäude durch den LVR entstand 1990 der Wollmarkt. Er findet jährlich am ersten Sonntag im Juni auf dem Gelände des Museums, des angrenzenden Museumsgästehauses Mottenburg und rund um die Kuchenheimer Kirche statt. Der Markt mit jährlich knapp 10.000 Besuchern, bietet neben einer Tierschau der Rheinischen Schafzüchter in erster Linie textiles Kunstgewerbe, handgefertigte Waren mit nachhaltigem Charakter und vielfältige Produkte aus Wolle, Schafsmilch etc.
Literatur
- Andreas Dix: Industrialisierung und Wassernutzung. Eine historisch-geographische Umweltgeschichte der Tuchfabrik Ludwig Müller in Kuchenheim (= Rheinisches Industriemuseum, Beiträge zur Industrie- und Sozialgeschichte. Band 7). Rheinland-Verlag, Köln 1997, ISBN 3-7927-1600-3.
- Bettina Bab: Tuchfabrik Müller. Arbeitsort – Denkmal – Museum. Hrsg.: Landschaftsverband Rheinland/Rheinisches Industriemuseum (= Rheinisches Industriemuseum, Kleine Reihe. Heft 17). Rheinland-Verlag, Köln 1997, ISBN 3-7927-1624-0.
- Landschaftsverband Rheinland / Rheinisches Industriemuseum Euskirchen (Hrsg.): Erinnerungsstücke einer Fabrikwelt. Die Tuchfabrik Müller. Katalog des Rheinischen Industriemuseums Euskirchen (= Rheinisches Industriemuseum, Schriften. Band 19). Klartext Verlag, Essen 2000, ISBN 3-88474-900-5.
- Landschaftsverband Rheinland / LVR-Industriemuseum (Hrsg.): Tuchfabrik Müller. Ein Rundgang. Eigenverlag, Euskirchen 2013, ISBN 978-3-945060-00-1 (mit dem Comic Jakob rockt die Tuchfabrik).
- Detlef Stender: Am Ende einer Epoche. Die Betriebsschließung der Tuchfabrik Müller im Strukturwandel der Branche. In: Rainer Wirtz (Hrsg.): Industrialisierung, Ent-Industrialisierung, Musealisierung? (= Rheinisches Industriemuseum, Beiträge zur Industrie- und Sozialgeschichte. Band 8). Rheinland-Verlag, Köln 1998, ISBN 3-7927-1702-6, S. 98–126. , online
- Detlef Stender: Tuchfabrik Müller, Euskirchen. Arbeit an einer Fabrikwelt. In: Industriedenkmäler präsentieren sich: Drei Standorte des Rheinischen Industriemuseums (= Rheinisches Industriemuseum, Schriften. Band 18). Klartext Verlag, Essen 2000, ISBN 3-88474-902-1, S. 31–51. , online
- Detlef Stender: Den Schornstein im Dorf lassen. Denkmalpflege als Museumskonzept: Die Tuchfabrik Müller in Euskirchen. In: Hartmut John, Ira Manzoni (Hrsg.): Industrie- und Technikmuseen im Wandel. Perspektiven und Standortbestimmungen. Bielefeld 2005, ISBN 3-89942-268-6, S. 53–70. , online
- Clemens Frhr. v. Fürstenberg: 150 Jahre Tuchfabrik Jacob Koenen in Kuchenheim. In: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1961. Euskirchen 1960, S. 167–169 (wisoveg.de).
Weblinks
- Tuchfabrik Müller. Website LVR-Museum
- Filme über die Tuchfabrik und einzelne Themenbereiche: Spinnen, Krempeln, Weben, Dampfmaschine, Transmission
- Tuchfabrik Müller als Ankerpunkt auf der Europäischen Route der Industriekultur (ERIH)
- Freunde und Förderer des LVR-Industriemuseums Euskirchen e. V.
- Tuchfabrik Müller auf der Wollroute
- Tuchfabrik Jacob Koenen in Kuchenheim – Geschichte (PDF)
Einzelnachweise
- Hermann Eckstein: Ein Denkmal von nationalem Rang. In: Kölnische Rundschau. 26. Februar 1985.
- Karl Goebel: Am Erftmühlenbach blieb die Zeit stehen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 23. März 1985.
- Landschaftsverband Rheinland/Rheinisches Industriemuseum Euskirchen (Hrsg.): Erinnerungsstücke einer Fabrikwelt. Die Tuchfabrik Müller. Katalog des Rheinischen Industriemuseums Euskirchen. Essen 2000.
- Axel Föhl: Bauten der Industrie und Technik in Nordrheinwestfalen. Berlin 2000, S. 134.
- Roland Günter: Besichtigung eines Zeitalters. Industriekultur in Nordrhein-Westfalen. Essen 2001, S. 161.
- Norbert Lambert: Der Stoff, aus dem Traditionen sind. Die Tuchfabrik Müller in Euskirchen-Kuchenheim. Fabrik, Denkmal, Museum? In: Kultur & Technik. Nr. 2, 1993, S. 52–56.
- Erinnerungsstücke einer Fabrikwelt. 2000.
- Lambert: Der Stoff, aus dem Traditionen sind. S. 53.
- Detlef Stender: Tuchfabrik Müller, Euskirchen. Arbeit an einer Fabrikwelt. In: Industriedenkmäler präsentieren sich: Drei Standorte des Rheinischen Industriemuseums (= Rheinisches Industriemuseum, Schriften. Band 18). Essen 2000.
- Detlef Stender: Den Schornstein im Dorf lassen. Denkmalpflege als Museumskonzept: Die Tuchfabrik Müller in Euskirchen. In: Hartmut John, Ira Manzoni (Hrsg.): Industrie- und Technikmuseen im Wandel. Perspektiven und Standortbestimmungen. Bielefeld 2005, S. 53–70, 63.
- Andreas Dix: Industrialisierung und Wassernutzung. Eine historisch-geographische Umweltgeschichte der Tuchfabrik Ludwig Müller in Kuchenheim. Köln 1997.
- Norbert Lambert, Bettina Bouresh, Martina Wirtz: Arbeit in der Erinnerung. Erfahrungen mit der Oral History bei der Rekonstruktion einer alten Fabrik. Eine Methode und ihre Grenzen. In: Archivberatungsstelle des Landschaftsverbands Rheinland (Hrsg.): Mündliche Geschichte im Rheinland (= Archivhefte. Band 22). Köln 1991, S. 173–187 (lvr.de [PDF]).
- Kornelius Götz: On the Art of Conserving a Factory. In: Tokyo National Research Institute of Cultural Properties (Hrsg.): Conservation of Industrial Collections. S. 77–89.
- Markus Krause: Das Industriedenkmal zum „Sprechen“ bringen. Grundzüge des Museumskonzepts. In: Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.): Tuchfabrik Müller. Arbeitsort – Denkmal – Museum. S. 100–111, hier S. 100.
- Detlef Stender: Kommunikation statt Text. Zur Informationsvermittlung im Industriemuseum und -denkmal „Tuchfabrik Müller“. In: Stiftung Zollverein (Hrsg.): Welche Zukunft haben Museen der Arbeit? Darstellung von Geschichte der Arbeit im Museum. Essen 2002, S. 71–75.
- Vision 2000 für die Tuchfabrik Müller. Führungen im LVR-Industriemuseum werden mit neuen Medien lebendiger gestaltet. In: industriemuseum.lvr.de/. LVR-Industriemuseum, 10. März 2017, abgerufen am 20. Januar 2023.
- Detlef Stender: Papiermanufaktur – Tuchfabrik – Industriemuseum. Die Fabrikgeschichte im Zeitraffer. In: Tuchfabrik Müller. Arbeitsort – Denkmal – Museum. S. 24–31, hier S. 28 f.
- Monika Wilhelm: Mit einem Steinwurf acht Tuchfabriken getroffen. Zur Geschichte der Euskirchener Tuchindustrie. In: Tuchfabrik Müller. Arbeitsort – Denkmal – Museum. S. 14–23.
- Detlef Stender: Am Ende einer Epoche, Die Betriebsschließung der Tuchfabrik Müller im Strukturwandel der Branche. In: Rainer Wirtz (Hrsg.): Industrialisierung, Ent-Industrialisierung, Musealisierung? (= Rheinisches Industriemuseum, Beiträge zur Industrie- und Sozialgeschichte. Band 8). Köln 1998, S. 98–126, S. 98 f.
- Landschaftsverband Rheinland. Rheinisches Industriemuseum (Hrsg.): Leute machen Kleider. Lebensgeschichten, Arbeitsplätze, „gute Stücke“ / Kleider machen Leute. Bürgerliche Moden des 19. Jahrhunderts. Euskirchen/Ratingen (Ausstellungskatalog).
- „Essenszeiten“. Eifeler Tisch-Szenen aus 100 Jahren. Begleitbuch zur Wanderausstellung des Arbeitskreises Eifeler Museen. Köln 2002.
- Landschaftsverband Rheinland. Rheinisches Industriemuseum (Hrsg.): Wacholder, Kartoffeln und Flusskrebse. Vom Essen und Trinken in der Eifel. Begleitbuch in sechs Bänden zur Verbundausstellung „Geschmackssachen“. Band 5. Essen 2004.
- Freunde und Förderer des Industriemuseums Cromford e. V. (Hrsg.): Die Frau in Weiß. Ausstellungskatalog. Ratingen 1999.
- Landschaftsverband Rheinland. Rheinisches Industriemuseum (Hrsg.): Reiz und Scham. Eine Ausstellung an zwei Schauplätzen des Rheinischen Industriemuseums: Dessous. 150 Jahre Kulturgeschichte der Unterwäsche (Schauplatz Ratingen) / Kleider und Körper seit 1850 (Schauplatz Euskirchen). Euskirchen/Ratingen 2006.
- Landschaftsverband Rheinland, Rheinisches Industriemuseum (Hrsg.): nacht.aktiv. Zwischen Tag und Traum. Begleitbuch zur Verbundausstellung an sechs Schauplätzen. Essen 2007.
- Landschaftsverband Westfalen-Lippe/Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.): Hut & Co. 150 Jahre Hutgeschichte(n). Bocholt 2007.
- Landschaftsverband Rheinland/LVR-Industriemuseum Ratingen (Hrsg.): Glanz und Grauen. Mode im „Dritten Reich“. Ratingen 2012.
- Tuchmacher Museum Bramsche (Hrsg.): Das Pepita-Virus. Herstellung & Verbreitung eines Stoffmusters. Bramsche 2012.
- LVR-Industriemuseum (Hrsg.): Stadt, Land, Garten, Zur Kulturgeschichte des Nutzgartens. Bergisch Gladbach/Euskirchen 2015.
- Tuchfabrik Jacob Koenen in Kuchenheim – Geschichte (PDF)
Autor: www.NiNa.Az
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Das LVR Industriemuseum Tuchfabrik Muller ist ein Museumsstandort des dezentralen LVR Industriemuseums in Euskirchen Kuchenheim Das Museum zeigt eine vollstandig erhaltene Volltuchfabrik mit einem Maschinenpark aus dem fruhen 20 Jahrhundert Wesentliche Produktionsschritte werden mit den historischen Maschinen im Vorfuhrbetrieb gezeigt LVR Industriemuseum Tuchfabrik Muller Innenhof und Hauptgebaude 1801 der TuchfabrikDatenOrt Euskirchen Deutschland 50 649134 6 823297 Koordinaten 50 38 56 9 N 6 49 23 9 OArt Industriemuseum TextilmuseumEroffnung 2000Besucheranzahl jahrlich ca 28 000Betreiber Landschaftsverband RheinlandWebsite LVR Industriemuseum Tuchfabrik MullerISIL DE MUS 989215 Die Tuchfabrik Muller ist Ankerpunkt der Europaischen Route der Industriekultur sowie zentraler Punkt der Wollroute GeschichteDas historische Ensemble mit dem Lager und Unternehmerwohnhaus vorne links und dem Maschinen und Kesselhaus samt Schornstein vorne rechts Luftbild 2012Dampfmaschine aus dem Jahr 1903Blick in die Weberei Die Tuchfabrik Muller arbeitete mit einem Maschinenbestand aus der Zeit um 1900 bis zur Schliessung 1961 Der Besitzer Kurt Muller sah sich Anfang der 1960er Jahre gezwungen die Produktion einzustellen weil er nicht mehr genugend Auftrage bekam Er hegte aber die Hoffnung dass er die Fabrikation wieder aufnehmen konne und erhielt die gesamte Fabrikeinrichtung so wie sie am letzten Betriebstag verlassen wurde Die folgende Zeit verfiel die Anlage in einen Dornroschenschlaf der gut 20 Jahre dauerte Anfang der 1980er Jahre entdeckten Denkmalpfleger das Ensemble als Zeugnis der Technik und Sozialgeschichte Auf Grund der authentischen Uberlieferung des gesamten Fabrikensembles wurde die Tuchfabrik schon bald als Glucksfall der rheinisch westfalischen Industriegeschichte und als Denkmal von nationalem Rang bezeichnet und unter Denkmalschutz gestellt 1988 ubernahm der Landschaftsverband Rheinland die Fabrik um aus ihr einen Schauplatz des damals im Aufbau befindlichen dezentralen Rheinischen Industriemuseums heute LVR Industriemuseum zu machern Auf diese Weise blieb das gesamte Gebaudeensemble der Tuchfabrik der Nachwelt nahezu unberuhrt erhalten der Fabrikbau von 1801 das Maschinen und Kesselhaus das Unternehmerwohnhaus das Woll und Tuchlager das Kontor der Dampfkessel die Dampfmaschine die Kraftubertragung uber Transmissionswellen und riemen und die ca 60 Grossmaschinen zur Wolltuchherstellung Auch der Nutzgarten und die Obstwiese die unmittelbar an das Fabrikensemble angrenzen und von der Unternehmerfamilie bestellt wurden sind erhalten Der Maschinenpark spiegelt nahezu lexikalisch die Textilmaschinenproduktion der ersten drei Jahrzehnte des 20 Jahrhunderts Bemerkenswert ist zudem die komplette Uberlieferung Eine so vollstandig erhaltene Fabrik der Jahrhundertwende gibt es nirgendwo in Europa Erhalten ist alles Neben den Maschinen blieb nahezu das komplette Arbeitsplatzinventar uberliefert Materialien Garnrollen Werkzeuge selbstgebastelte Hilfsmittel Ersatzteile Hinweisschilder Notizen der Arbeiter Arbeitsanleitungen an den Wanden Auch personliche Habseligkeiten der Arbeiter wurden an den Arbeitsplatzen und in den Spinden gefunden zum Beispiel Kaffeetassen Kamme Handbursten Spiegelscherben Kopfschmerztabellen Zigarettenschachteln ein durchgetretener Schuh Alle diese Inventarteile tragen wesentlich zur besonderen Anmutung und Denkmalqualitat der Tuchfabrik bei die sich nicht allein aus den Gebauden und den grossen Maschinen sondern aus dem gesamten Ensemble mit insgesamt uber 5000 Inventarteilen nahrt In dieser dichten Uberlieferung bekommen gerade die einfachen und vermeintlich unwichtigen Alltagsgegenstande eine besondere Bedeutung weil sie einen Zeugniswert fur historisch verschwundene Arbeitsweisen besitzen und damit wesentlich zur Aussagekraft des Objektes beitragen Die Geschichte der Tuchfabrik wurde zunachst im Rahmen eines Forschungsprojekts in Bezug auf die Technik die Arbeit und das Inventar minutios dokumentiert Im Jahr 2000 offnete das Museum nach der umfangreichen aber behutsamen Restaurierung als letzter Schauplatz des dezentralen LVR Industriemuseums die Fabrik fur Museumsbesucher Ziel der musealen Prasentation war es die Fabrik in ihrem einzigartigen Gesamtzusammenhang vollstandig zu erhalten und den historischen Bestand nur sehr zuruckhaltend und unmittelbar objektbezogen zu erlautern und zu erganzen 31 51 39 f Bautechnisch und restauratorisch war das Museum bestrebt den Zustand des letzten Betriebsjahres 1961 zu konservieren und gegebenenfalls wiederherzustellen Die Maschinen und samtliche Inventarteile prasentieren sich an dem Platz und in dem Zustand des letzten Betriebstages Die Sammlung der Ausstellungsstucke und ihre Anordnung hat gewissermassen die Geschichte selbst vorgenommen Im Ergebnis bietet die Tuchfabrik nicht den Eindruck eines klassischen nach wissenschaftlichen Kriterien geordneten Museums sondern eher einer lebensnahen und komplexen Fabrikwelt Technik der TuchfabrikVorgarnherstellung in der KrempeleiTuchpresse in der Endappretur Die Tuchfabrik Muller war eine typische kleine Volltuchfabrik Sie bezog gewaschene Wolle und stellte daraus Streichgarntucher fur den Zivilbedarf aber auch fur Uniformen her Streichgarntucher sind robuste loden oder tweedartige Wolltucher die nach dem Weben noch gewalkt werden Dadurch wird das Tuch dichter Die Wollfasern verbinden sich dabei zu einer besonders robusten und strapazierfahigen Oberflache Die Tuchfabrik versandte das fertige Tuch an Tuchhandler Kaufhauser und Kleidungsfabriken Die um 1900 beschaffte Produktionstechnik wurde kaum modernisiert Der Versuch der Elektrifizierung der Fabrik scheiterte in den 1920er Jahren Daher hatten auch der Antrieb uber die Dampfmaschine und die Wellen und Riemen der Transmission bis zur Fabrikschliessung 1961 Bestand Folgende Produktionseinheiten und Einrichtungen zur Streichgarnherstellung sind bis heute erhalten und zu besichtigen Maschinenhaus Dampfkessel und Dampfmaschine Farberei Farben der Wolle Wolferei Lockerung Reinigung und Vermischung der Wolle Krempelei Herstellung von Vorgarn Spinnerei Garnherstellung aus dem Vorgarn Webvorbereitung Zwirnen Kettscharen Scharen Herstellen der Webkette Leimen der Kette Weberei Herstellen des Gewebes Nassappretur Waschen Walken Rauhen des Tuchs Stuckfarberei Farben des Tuches zur Erzielung einer gleichmassigen Farbung z B fur Uniformtuche Trockenapparatur Finish oder Endbehandlung des Tuches Noppen Dampfen Scheren Pressen Dekatieren Endkontrolle mit Hangevorrichtungen und Nopperei Tischen Kontor und TuchlagerReaktivierung historischer Maschinen und VorfuhrbetriebReaktivierte Spinnmaschine Einige der zentralen Maschinen sind wieder funktionsfahig hergerichtet worden und laufen regelmassig im Rahmen des Vorfuhrbetriebs die Dampfmaschine Fa Otto Recke Rheydt 1903 der Krempelwolf Fa amp Co A G Chemnitz 1898 ein Krempelsatz Fa C E Schwalbe Werdau 1913 ein Selfaktor zum Spinnen Fa Oscar Schimmel Chemnitz 1897 vier Webstuhle u a Fa Sachsische Webstuhlfabrik vorm Louis Schonherr Chemnitz Fa Grossenhainer Webstuhl und Maschinenfabrik Grossenhain Im Vorfuhrbetrieb an den reaktivierten Maschinen werden Produkte hergestellt die verkauft oder weiter verarbeitet werden Wollvliess Wollgarne Wolltucher Aus diesem Muller Tuch werden z B Wolldecken Mutzen Mantel und Sakkos hergestellt Folgende Maschinen funktionieren ebenfalls wieder werden aber in der Regel nicht bei den offentlichen Fuhrungen vorgefuhrt die Zwirnmaschine Fa Peter Thieron Sohn Eupen 1919 und die Kettscharmaschine Fa Sachsische Webstuhlfabrik vorm Louis Schonherr Chemnitz 1907 Eine wesentliche Aufgabe sieht das Museum neben der Erhaltung der Maschinen auch in der Bewahrung des nicht gegenstandlichen Wissens das erforderlich ist um die historischen Textil Technik in Betrieb zu behalten Zunachst wurden die ehemaligen Arbeitskrafte ausfuhrlich zu den historischen Arbeitsprozessen Arbeitsbedingungen und Arbeitsumstanden befragt Das praktische Wissen fur den Betrieb der historischen Maschinen Betrieb Einstellung Wartung Reparatur wurde zudem fast vergleichbar dem Verfahren der experimentellen Archaologie durch die Museumstechniker an den Maschinen erarbeitet Diese Kenntnisse werden standig in einem learning by doing Prozess erweitert und im Museumsbetrieb an neue Mitarbeiter weitergegeben Durch die regelmassige Vorfuhrung und Erlauterung der Maschinen fur Besucher wird die Funktionsweise dieser Maschinen dem Publikum vor Ort nahegebracht Ein weiterer Schritt der Vermittlung des Wissens um die Funktion der historischen Technik besteht in der filmischen Dokumentation zentraler Schritte der Wolltuch Herstellung und des Antriebssystems Diese Filme sind ortunspezifisch angelegt und zeigen idealtypisch wesentliche Techniken einer historischen Tuchfabrik source source source source source Dampfmaschine source source source source source Transmissionsanlage im Original und Museums Modell source source source source source source Krempelei Vorgarnherstellung source source source source source Spinnmaschine Selfaktor source source source source source Mechanischer WebstuhlRestaurierungskonzeptAuf einer Tur konnten alte Farberezepte gesichert werden Ziel der Restaurierung des Gebaudes und des Inventars war es die Tuchfabrik wieder in den Zustand zum Zeitpunkt ihrer Schliessung 1961 zu versetzen Es sollten also nur Veranderungen und Verfallserscheinungen die nach 1961 eingetreten waren zuruckgefuhrt werden Wenn Reparaturen oder Erneuerungen notwendig waren wurden diese in Bezug auf Material und Machart streng nach historischem Vorbild durchgefuhrt Wo moderne Einbauten und Erganzungen fur den Vorfuhrbetrieb und die Sicherheit der Besucher unerlasslich waren wurden sie farblich abgesetzt um sie als Eingriff erkennbar zu machen Fur die Restaurierung der Maschinen ergaben sich aus dem Restaurierungskonzept drei Zustande in die die Maschinen versetzt wurden Stillstands Zustand vor 1961 stillgelegte Maschinen die beispielsweise nur noch als Ersatzteillager dienten wurden von Bauschmutz gereinigt nicht aber von Rost und Zerfall Die Restauratoren hatten in diesem Fall den Auftrag Schaden oder fehlende Teile zu ignorieren gerade weil diese auch den Zustand der Nichtbenutzung dokumentieren Betriebs Zustand Bis zur Stilllegung benutzte Objekte wurden hingegen wieder in einen gepflegten Gebrauchszustand versetzt Dies bedeutete eine grundliche Reinigung und Entrostung insbesondere der wahrend des Betriebs sauberen und blanken Stellen Alte Oberflachen und Lacke Improvisationen und Behelfslosungen wurden belassen Schaden durch die Zeit des langen Stillstands wie morsches Holz oder Mottenfrass wurden behutsam behoben Reaktivierter Zustand Einige zentrale Maschinen wurden wieder in Funktion genommen Dabei werden so wenig wie moglich Eingriffe in die Maschinen vorgenommen Der Anteil der ausgetauschten Teile die als Dokumente der Betriebsgeschichte aufbewahrt werden betragt zwischen zwei und funf Prozent und beschrankt sich zumeist auf Verschleissteile 43 46MuseumskonzeptDa es Absicht des Museums war den Fabrikkosmos in den Mittelpunkt einer lebensnahen Prasentation zu stellen wurden alle musealen Eingriffe zuruckhaltend konzipiert Das wichtigste Informationsmedium ist die mundliche Fuhrung die erganzt wird durch Vorfuhrbetrieb an den historischen Maschinen der Bestandteil jedes Besuchs der Tuchfabrik ist Texttafeln Vitrinen und moderne Medien spielen in der Tuchfabrik nur eine untergeordnete und unterstutzende Rolle Knappe Auszuge aus Interviews mit ehemaligen Arbeitern zu einzelnen Maschinen und Inventarteilen geben Informationen zum Arbeitsablauf und dem Betriebsleben Holzerne Hande mit Werkzeugen und Arbeitsmaterial am Krempelsatz versinnbildlichen zum Beispiel die alltaglich notwendigen Handgriffe und Verrichtungen an dieser Maschine Ein Modell der komplexen Transmissionsanlage veranschaulicht die historische Kraftubertragung von der Dampfmaschine zu den Produktionsmaschinen uber Wellen und Riemen Die Einordnung in den wirtschafts und sozialhistorischen Kontext geschieht mit einer kleinen Ausstellung in den gegenuber liegenden ehemaligen Wohnraumen der Familie Muller in der Bilder und Objekte zur Firmengeschichte aus dem Alltagsleben der Beschaftigten und zur Geschichte und Krise der rheinischen Tuchindustrie gezeigt werden Dort kann man erfahren wie es in anderen grosseren moderneren Tuchfabriken aussah dort werden die Grunde und Folgen des Sterbens vieler Tuchfabriken in der Region analysiert Im Jahr 2017 erfuhr die museale Einrichtung der Tuchfabrik Muller aus dem Jahr 2000 eine mediale Erganzung Im Fabrikgebaude unterstutzen seither Ton und Bildeinspielungen die Wirkung des historischen Maschinenparks Im Nebengebaude erklart ein Architekturmodell der Gesamtanlage Zwei Horstationen bieten dort Erzahlungen und Informationen zum Fabrik Alltag und zur Geschichte der regionalen Tuchindustrie Ensemble des LVR Industriemuseums Tuchfabrik Muller Aus der Grundsatz Entscheidung die Tuchfabrik in einem moglichst authentischen Zustand zu erhalten erwuchs der Bedarf nach einem erganzenden Museumsneubau fur die modernen Museumsfunktionen Im vorgeschalteten Neubau auf dem Areal der ehemaligen Tuchfabrik Jacob Koenen 1808 bis 1982 sind wechselnde Sonderausstellungen des Museums zu kulturgeschichtlichen Themen zu sehen Dort sind auch Raumlichkeiten fur die modernen Museumsfunktionen von der Museumspadagogik uber die Museumskasse den Museumsladen die Cafeteria bis hin zur Haustechnik und Verwaltung Historische EntwicklungVon der Papiermuhle 1801 zur Textilverarbeitung Briefkopf der Tuchfabrik Muller um 1910 Die altesten der heute noch existierenden Gebaude des Ensembles stammen aus dem Jahr 1801 Damals liessen die Gebruder Fingerhut eine Getreidemuhle am Kuchenheimer Erftmuhlenbach abreissen um dort eine Papiermuhle zu errichten Sie errichteten ein grosszugiges Fabrikgebaude mit Mansardwalmdach unter der geraumigen Dachkonstruktion liessen sich die Papierbogen zum Trocknen aufhangen 1843 mussten die Gebr Fingerhut die Produktion angesichts des fur Papierproduktion zu verschmutzten Wassers und der Konkurrenz moderner Maschinen aufgeben Die Anlage wurde daraufhin als Wollspinnerei und Wollwascherei genutzt Schritt fur Schritt bauten verschiedene Inhaber die Spinnerei zu einer Volltuchfabrik aus in der alle Ablaufe der Tuchherstellung unter einem Dach stattfanden vom Vorbereiten der losen Wolle bis zum Versand des fertigen Stoffs 1860 wurde die erste Dampfmaschine installiert da fur die Produktion von Tuchern die Wasserkraft des Baches nicht mehr ausreichte Mit der Ausdehnung der Produktion wurden ein Kontor und ein Tuchlager notwendig das 1867 gegenuber der Tuchfabrik errichtet und alsbald um ein Wohnhaus erweitert wurde Gemeinsam mit dem L formigen Fabrikgebaude bilden die Gebaude den heute noch charakteristischen Innenhof der Tuchfabrik 32 f Die Ara Muller 1894 1961 Kiste mit noch erhaltenen Garnen aus der Produktion bis 1961 1894 ersteigerte Ludwig Muller die Tuchfabrik und modernisierte den gesamten Maschinenpark 1903 erstand Muller eine neue Dampfmaschine 1913 eine neue Francis Turbine die von nun an gemeinsam die Transmission antrieben Der letzte Anbau war 1922 23 der Bau einer Shedhalle in der die Spinnerei ihren Platz hatte Muller stellte ausschliesslich Streichgarn her einen sehr langlebigen und robusten Wollstoff Bis zum Ersten Weltkrieg erfreute sich die Tuchfabrik eines stabilen Aufschwungs und belieferte Tuchhandlungen und Kaufhauser in ganz Deutschland darunter Wertheim Karstadt und Peek amp Cloppenburg Gleichzeitig gelang Muller der Einstieg in die Uniformtuchproduktion indem er zunachst Marine und Heer mit Tuchern versorgte Mit der Zeit verstarkte sich die Spezialisierung der Tuchfabrik Muller auf Uniformstoffe 1929 verstarb Ludwig Muller die Fabrik ubernahm sein Sohn Kurt Muller Weitere Modernisierungen der Fabrik fanden von nun an kaum noch statt auch Versuche einer Elektrifizierung scheiterten 1942 musste die Tuchfabrik Muller schliessen da das NS Regime eine Rationalisierung und Konzentration der Tuchproduktion in Kriegszeiten anstrebte Im Jahr 1947 nahm die Produktion wieder Fahrt auf zunachst mit Garn ein Jahr spater wieder mit Tuchproduktion Allerdings erreichte das Unternehmen nicht mehr die Blute fruherer Jahre den Grossteil der Produktion machten kleinere Uniformauftrage beispielsweise fur Nahverkehrsbetriebe Deutsches Rotes Kreuz und Bundesgrenzschutz aus Schliessung der Fabrik 1961 Ein Wandkalender der in Weberei hangt zeigt das Blatt der letzten Betriebswoche im Sommer 1961 an Bereits in der Nachkriegszeit zeichneten sich Probleme fur den weiteren Erhalt der Fabrik ab Letztlich lassen sich fur die Schliessung vieler kleiner Wolltuchfabriken um 1960 verschiedene Grunde ausmachen Neue Konkurrenz durch EWG In der Nachkriegszeit fand unter Wirtschaftsminister Ludwig Erhard eine Liberalisierung der Markte statt die mit dem Inkrafttreten der Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft 1958 ihren deutlichsten Ausdruck fand Die deutschen Tuchfabriken mussten sich nun nicht nur einer ungewohnten nationalen sondern auch einer europaischen Konkurrenz stellen Der Versuch einiger Euskirchener Tuchfabrikanten durch Eingaben bei Bundeskanzler Finanzminister und Wirtschaftsausschuss auf Strafzolle fur italienische Wollwaren hinzuwirken blieb erfolglos Die Tuchindustrie wurde zugunsten anderer Industrien die vom freien Wirtschaftsraum profitierten geopfert Verandertes Konsumverhalten In Zeiten des Wirtschaftswunders waren die langlebigen Streichgarntuche in gedeckten Farben die die Tuchfabrik Muller herstellte nicht mehr gefragt Die Konsumenten verlangten nach preiswerten modischen bunten Stoffen Besonders die Tuchindustrie des italienischen Prato wuchs zur starksten Konkurrenz heran sie verwandte statt der teuren Schurwolle die gunstigere und qualitativ minderwertigere Reisswolle die in modischen Mustern und Farben verwebt wurde Zudem kam der Rohstoff Wolle aus der Mode und Baumwolle und Chemiefasern eroberten zunehmend den Bekleidungsmarkt Statt Tuchhosen und Wollmanteln trug man nun Jeans und Parka Billiglohne in anderen Staaten In Italien arbeitete man in einem Verlagssystem in dem der Grossteil der Arbeit von Heimarbeitern geleistet wurde Diese arbeiteten als selbstandige Kleinunternehmer somit waren keine Sozialabgaben abzufuhren und Tarifvertrage einzuhalten Durch dieses Sozialdumping war die Arbeitsstunde dort um rund ein Viertel gunstiger Die deutsche Tuchindustrie wehrte sich dagegen indem sie den Qualitatssinn des Verbrauchers zu scharfen suchte zum Beispiel mit dem Wollsiegel und die Verarbeitungsschritte mit neuen Maschinen modernisierte Fehlende Modernisierung Kleine Firmen konnten sich die finanzielle Anstrengung einer Modernisierung nicht leisten Bei der Tuchfabrik Muller erschwerte zudem das Fabrikgebaude das fur die Anforderungen einer Papiermuhle erbaut worden war eine Modernisierung Hinzu kam die fehlende Elektrifizierung der Fabrik bis zum letzten Arbeitstag wurden alle Maschinen uber die Dampfmaschine und die Transmissionsanlage angetrieben 1961 schloss Kurt Muller die Tore der Fabrik wegen Auftragsmangels bevor grosse Verluste auf das Unternehmen zukamen In der Hoffnung die Fabrik irgendwann nochmals in Betrieb nehmen zu konnen pflegte Muller die Maschinen und beliess die Fabrik in ihrem alten Zustand bis in den 1980er Jahren der Landschaftsverband Rheinland die Tuchfabrik Muller entdeckte diese ubernahm und sich fur deren Bewahrung und museale Prasentation einsetzte 34MuseumsaktivitatenSonderausstellungen Das LVR Industriemuseum Euskirchen zeigt regelmassig Sonderausstellungen insbesondere zur Sozial und Kulturgeschichte Ein Ausstellungsschwerpunkt ist gemeinsam mit dem LVR Industriemuseum Ratingen die Kulturgeschichte der Kleidung Bisherige Sonderausstellungen Leute machen Kleider 2002 Kleider machen Leute 2003 Euskirchener Wirtschaftsgeschichte 2003 2004 Essens Zeiten 2004 2005 Die Frau in Weiss 2005 2006 Korper und Kleider seit 1850 2006 2007 Schlafenszeit Zur Kulturgeschichte von Schlaf und Traum 2007 2008 31 60 Im Zauber der Nacht Abendkleider aus zwei Jahrhunderten 2008 2009 96 123 Dessous 150 Jahre Kulturgeschichte der Unterwasche 2009 2010 Hauptsache Hut 150 Jahre Hutgeschichte n 2010 2012 Glanz und Grauen Mode im Dritten Reich 10 2013 12 2014 Das Pepita Virus Herstellung und Verbreitung eines Stoffmusters 21 Juni 2015 3 April 2016 Stadt Land Garten Zur Kulturgeschichte des Nutzgartens 8 Mai 18 Dezember 2016 Ist das moglich 5 Februar 17 Dezember 2017 Die Welt im Kleinen Baukasten aus der Sammlung Griebel 13 Mai 2 Dezember 2018 Mythos Neue Frau Mode zwischen Kaiserreich Weltkrieg und Republik 17 Februar 17 November 2019 Mode 68 Mini sexy provokant 28 Juni 2020 15 August 2021 Must Have Geschichte Gegenwart Zukunft des Konsums 14 November 2021 18 Dezember 2022 Modische Raubzuge Von Luxus Lust und Leid 1800 bis heute 5 Marz 2023 7 Januar 2024 Probiert Kapiert Die Mitmach Ausstellung fur Kinder Jugendliche und Familien 26 April 2024 24 August 2025 Museumspadagogik Das Museum bietet in Kooperation mit freien Museumspadagogen Angebote fur Kinder und Jugendliche aller Schulformen und Altersklassen Dabei reicht das Spektrum von Filz Workshops und der Inbetriebnahme von Modell Dampfmaschinen uber Entdeckungstouren durch die Fabrik bis hin zu okologischen Projekten am Erftmuhlenbach Fur Erwachsene finden taglich offentliche Fuhrungen durch die Fabrik statt bei denen die historischen Textilmaschinen vorgefuhrt werden Das Museumsgastehaus Mottenburg und die Reste der Oberen BurgMuseumsgastehaus Mottenburg Ebenfalls zum LVR Industriemuseum gehort das Museumsgastehaus Mottenburg das aus Backsteinen Feldbrandsteinen der ehemaligen Tuchfabrik Jacob Koenen neben den Uberresten der mittelalterlichen Oberen Burg in Kuchenheim und Uberresten einer Motte errichtet ist Als ausserschulischer Lernort bietet er Kindern und Jugendlichen einen intensiven Einblick in die Industrie und Sozialgeschichte und die Moglichkeit zu mehrtagigen Aufenthalten Rheinischer Wollmarkt Kurz nach Ubernahme der Fabrikgebaude durch den LVR entstand 1990 der Wollmarkt Er findet jahrlich am ersten Sonntag im Juni auf dem Gelande des Museums des angrenzenden Museumsgastehauses Mottenburg und rund um die Kuchenheimer Kirche statt Der Markt mit jahrlich knapp 10 000 Besuchern bietet neben einer Tierschau der Rheinischen Schafzuchter in erster Linie textiles Kunstgewerbe handgefertigte Waren mit nachhaltigem Charakter und vielfaltige Produkte aus Wolle Schafsmilch etc LiteraturAndreas Dix Industrialisierung und Wassernutzung Eine historisch geographische Umweltgeschichte der Tuchfabrik Ludwig Muller in Kuchenheim Rheinisches Industriemuseum Beitrage zur Industrie und Sozialgeschichte Band 7 Rheinland Verlag Koln 1997 ISBN 3 7927 1600 3 Bettina Bab Tuchfabrik Muller Arbeitsort Denkmal Museum Hrsg Landschaftsverband Rheinland Rheinisches Industriemuseum Rheinisches Industriemuseum Kleine Reihe Heft 17 Rheinland Verlag Koln 1997 ISBN 3 7927 1624 0 Landschaftsverband Rheinland Rheinisches Industriemuseum Euskirchen Hrsg Erinnerungsstucke einer Fabrikwelt Die Tuchfabrik Muller Katalog des Rheinischen Industriemuseums Euskirchen Rheinisches Industriemuseum Schriften Band 19 Klartext Verlag Essen 2000 ISBN 3 88474 900 5 Landschaftsverband Rheinland LVR Industriemuseum Hrsg Tuchfabrik Muller Ein Rundgang Eigenverlag Euskirchen 2013 ISBN 978 3 945060 00 1 mit dem Comic Jakob rockt die Tuchfabrik Detlef Stender Am Ende einer Epoche Die Betriebsschliessung der Tuchfabrik Muller im Strukturwandel der Branche In Rainer Wirtz Hrsg Industrialisierung Ent Industrialisierung Musealisierung Rheinisches Industriemuseum Beitrage zur Industrie und Sozialgeschichte Band 8 Rheinland Verlag Koln 1998 ISBN 3 7927 1702 6 S 98 126 online Detlef Stender Tuchfabrik Muller Euskirchen Arbeit an einer Fabrikwelt In Industriedenkmaler prasentieren sich Drei Standorte des Rheinischen Industriemuseums Rheinisches Industriemuseum Schriften Band 18 Klartext Verlag Essen 2000 ISBN 3 88474 902 1 S 31 51 online Detlef Stender Den Schornstein im Dorf lassen Denkmalpflege als Museumskonzept Die Tuchfabrik Muller in Euskirchen In Hartmut John Ira Manzoni Hrsg Industrie und Technikmuseen im Wandel Perspektiven und Standortbestimmungen Bielefeld 2005 ISBN 3 89942 268 6 S 53 70 online Clemens Frhr v Furstenberg 150 Jahre Tuchfabrik Jacob Koenen in Kuchenheim In Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1961 Euskirchen 1960 S 167 169 wisoveg de WeblinksCommons Tuchfabrik Mueller Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Tuchfabrik Muller Website LVR Museum Filme uber die Tuchfabrik und einzelne Themenbereiche Spinnen Krempeln Weben Dampfmaschine Transmission Tuchfabrik Muller als Ankerpunkt auf der Europaischen Route der Industriekultur ERIH Freunde und Forderer des LVR Industriemuseums Euskirchen e V Tuchfabrik Muller auf der Wollroute Tuchfabrik Jacob Koenen in Kuchenheim Geschichte PDF EinzelnachweiseHermann Eckstein Ein Denkmal von nationalem Rang In Kolnische Rundschau 26 Februar 1985 Karl Goebel Am Erftmuhlenbach blieb die Zeit stehen In Frankfurter Allgemeine Zeitung 23 Marz 1985 Landschaftsverband Rheinland Rheinisches Industriemuseum Euskirchen Hrsg Erinnerungsstucke einer Fabrikwelt Die Tuchfabrik Muller Katalog des Rheinischen Industriemuseums Euskirchen Essen 2000 Axel Fohl Bauten der Industrie und Technik in Nordrheinwestfalen Berlin 2000 S 134 Roland Gunter Besichtigung eines Zeitalters Industriekultur in Nordrhein Westfalen Essen 2001 S 161 Norbert Lambert Der Stoff aus dem Traditionen sind Die Tuchfabrik Muller in Euskirchen Kuchenheim Fabrik Denkmal Museum In Kultur amp Technik Nr 2 1993 S 52 56 Erinnerungsstucke einer Fabrikwelt 2000 Lambert Der Stoff aus dem Traditionen sind S 53 Detlef Stender Tuchfabrik Muller Euskirchen Arbeit an einer Fabrikwelt In Industriedenkmaler prasentieren sich Drei Standorte des Rheinischen Industriemuseums Rheinisches Industriemuseum Schriften Band 18 Essen 2000 Detlef Stender Den Schornstein im Dorf lassen Denkmalpflege als Museumskonzept Die Tuchfabrik Muller in Euskirchen In Hartmut John Ira Manzoni Hrsg Industrie und Technikmuseen im Wandel Perspektiven und Standortbestimmungen Bielefeld 2005 S 53 70 63 Andreas Dix Industrialisierung und Wassernutzung Eine historisch geographische Umweltgeschichte der Tuchfabrik Ludwig Muller in Kuchenheim Koln 1997 Norbert Lambert Bettina Bouresh Martina Wirtz Arbeit in der Erinnerung Erfahrungen mit der Oral History bei der Rekonstruktion einer alten Fabrik Eine Methode und ihre Grenzen In Archivberatungsstelle des Landschaftsverbands Rheinland Hrsg Mundliche Geschichte im Rheinland Archivhefte Band 22 Koln 1991 S 173 187 lvr de PDF Kornelius Gotz On the Art of Conserving a Factory In Tokyo National Research Institute of Cultural Properties Hrsg Conservation of Industrial Collections S 77 89 Markus Krause Das Industriedenkmal zum Sprechen bringen Grundzuge des Museumskonzepts In Landschaftsverband Rheinland Hrsg Tuchfabrik Muller Arbeitsort Denkmal Museum S 100 111 hier S 100 Detlef Stender Kommunikation statt Text Zur Informationsvermittlung im Industriemuseum und denkmal Tuchfabrik Muller In Stiftung Zollverein Hrsg Welche Zukunft haben Museen der Arbeit Darstellung von Geschichte der Arbeit im Museum Essen 2002 S 71 75 Vision 2000 fur die Tuchfabrik Muller Fuhrungen im LVR Industriemuseum werden mit neuen Medien lebendiger gestaltet In industriemuseum lvr de LVR Industriemuseum 10 Marz 2017 abgerufen am 20 Januar 2023 Detlef Stender Papiermanufaktur Tuchfabrik Industriemuseum Die Fabrikgeschichte im Zeitraffer In Tuchfabrik Muller Arbeitsort Denkmal Museum S 24 31 hier S 28 f Monika Wilhelm Mit einem Steinwurf acht Tuchfabriken getroffen Zur Geschichte der Euskirchener Tuchindustrie In Tuchfabrik Muller Arbeitsort Denkmal Museum S 14 23 Detlef Stender Am Ende einer Epoche Die Betriebsschliessung der Tuchfabrik Muller im Strukturwandel der Branche In Rainer Wirtz Hrsg Industrialisierung Ent Industrialisierung Musealisierung Rheinisches Industriemuseum Beitrage zur Industrie und Sozialgeschichte Band 8 Koln 1998 S 98 126 S 98 f Landschaftsverband Rheinland Rheinisches Industriemuseum Hrsg Leute machen Kleider Lebensgeschichten Arbeitsplatze gute Stucke Kleider machen Leute Burgerliche Moden des 19 Jahrhunderts Euskirchen Ratingen Ausstellungskatalog Essenszeiten Eifeler Tisch Szenen aus 100 Jahren Begleitbuch zur Wanderausstellung des Arbeitskreises Eifeler Museen Koln 2002 Landschaftsverband Rheinland Rheinisches Industriemuseum Hrsg Wacholder Kartoffeln und Flusskrebse Vom Essen und Trinken in der Eifel Begleitbuch in sechs Banden zur Verbundausstellung Geschmackssachen Band 5 Essen 2004 Freunde und Forderer des Industriemuseums Cromford e V Hrsg Die Frau in Weiss Ausstellungskatalog Ratingen 1999 Landschaftsverband Rheinland Rheinisches Industriemuseum Hrsg Reiz und Scham Eine Ausstellung an zwei Schauplatzen des Rheinischen Industriemuseums Dessous 150 Jahre Kulturgeschichte der Unterwasche Schauplatz Ratingen Kleider und Korper seit 1850 Schauplatz Euskirchen Euskirchen Ratingen 2006 Landschaftsverband Rheinland Rheinisches Industriemuseum Hrsg nacht aktiv Zwischen Tag und Traum Begleitbuch zur Verbundausstellung an sechs Schauplatzen Essen 2007 Landschaftsverband Westfalen Lippe Landschaftsverband Rheinland Hrsg Hut amp Co 150 Jahre Hutgeschichte n Bocholt 2007 Landschaftsverband Rheinland LVR Industriemuseum Ratingen Hrsg Glanz und Grauen Mode im Dritten Reich Ratingen 2012 Tuchmacher Museum Bramsche Hrsg Das Pepita Virus Herstellung amp Verbreitung eines Stoffmusters Bramsche 2012 LVR Industriemuseum Hrsg Stadt Land Garten Zur Kulturgeschichte des Nutzgartens Bergisch Gladbach Euskirchen 2015 Tuchfabrik Jacob Koenen in Kuchenheim Geschichte PDF LVR Industriemuseum LVR Industriemuseum Oberhausen Zinkfabrik Altenberg Siedlung Eisenheim mit dem Museum Eisenheim St Antony Hutte Sammlungsdepot Textilfabrik Cromford Gesenkschmiede Hendrichs Papiermuhle Alte Dombach Kraftwerk Ermen amp Engels Oelchenshammer Tuchfabrik Ludwig Muller Normdaten Korperschaft GND 4631766 1 GND Explorer lobid OGND AKS Anmerkung Vorganger Tuchfabrik Muller GND 4455147 2