Günter Dux 23 Juni 1933 in Blomberg ist ein deutscher Soziologe und Gesellschaftstheoretiker Günter DuxLebenGünter Dux s
Günter Dux

Günter Dux (* 23. Juni 1933 in Blomberg) ist ein deutscher Soziologe und Gesellschaftstheoretiker.
Leben
Günter Dux studierte von 1954 bis 1959 Rechtswissenschaft in Heidelberg und Bonn und promovierte 1962 an der Universität Bonn zum Dr. jur. Von 1965 bis 1968 schloss sich das Studium der Soziologie und Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main an; 1972 erfolgte die Habilitation für den Bereich Soziologie und Sozialphilosophie an der Universität Konstanz. Von 1973 bis 1974 war er Ordentlicher Professor an der Universität Linz (Österreich), bevor er 1974 als Professor für Soziologie an das Institut für Soziologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg berufen wurde, wo er dann auch die Funktion des Institutsdirektors ausübte. Im Jahre 1997 wurde er emeritiert, seitdem widmet er sich verstärkt der weiteren Ausarbeitung der „historisch-genetischen Theorie“. Im Studienjahr 1997/98 leitete er am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld die von ihm initiierte Forschungsgruppe „Theorie des sozialen Wandels“. Im akademischen Jahr 1994 hatte Dux die Leibnizprofessur der Universität Leipzig inne.
Werkcharakterisierung
Zwei Fragestellungen durchziehen das gesamte Werk von Günter Dux. Zum einen geht es ihm um eine Konstitutionstheorie des Sozialen, das heißt um die für jedwede historisch und sozial-evolutionär orientierte Soziologie des sozialen Wandels entscheidende Frage, wie die sinnhaft-intentionale soziokulturelle Lebensweise des Menschen (seine „Kultur“) aus einer sinnfreien biologisch-anthropologischen Ausgangslage (der „Natur“) entstehen konnte. Hierfür entwickelte Dux in Auseinandersetzung mit und der Kritik an der Philosophischen Anthropologie, hierbei insbesondere auf Helmuth Plessner bezugnehmend, eine anthropologisch fundierte Wissenssoziologie als Kern einer Gesellschaftstheorie. Er knüpft hierbei eng an Jean Piagets genetische Epistemologie an, indem er systematisch an der ontogenetischen Entwicklung der empirischen Subjekte, d. h. an der Individualentwicklung der neugeborenen Menschen aus einer kulturellen Nulllage ansetzt, sie aber um die sozialen Bedingungen der Kognitionsgenese erweitert. Das bedeutet, dass der primären aus sozialen Wesen bestehenden Umwelt, in die Menschen hineingeboren werden, für deren ontogenetische Entwicklung ein zentraler Stellenwert zugewiesen wird. In einfachen Worten: Die kognitive wie emotionale Individualentwicklung ist auf das soziale Umfeld angewiesen; sie wird durch diese aber auch strukturiert, weil die sozialen Bedingungen des Aufbaus in die kognitiven Strukturen eingehen.
Zum zweiten geht es ihm um die Entwicklung einer soziologischen Theorie der Geschichte und des sozialen Wandels. Für diese rekonstruiert Dux die historische Entwicklung von den frühesten, noch relativ einfachen gesellschaftlichen Organisationsformen, über deren unterschiedliche zivilisatorische wie kulturelle Ausdrucksformen in der Geschichte bis hin zu deren komplexen modernen, systemisch ausdifferenzierten Gestaltung. Der Entwicklungsprozess wird dabei als ein sequentieller, keineswegs aber an „Fortschritt“ orientierter Aufbauprozess verstanden, und zwar im Sinne eines zeitversetzten Ineinandergreifens von sozialstrukturellen Entwicklungen und der Aus- und Fortbildung der sinnhaften Strukturen des Wissens. Wie in anderen soziologischen Theorien auch (z. B. Pierre Bourdieus oder Niklas Luhmanns), wird auf den weder deterministischen noch einfach zu parallelisierenden Zusammenhang von sozialen und kognitiven Strukturen fokussiert.
Beide Fragestellungen lassen sich nur im Rahmen einer rekonstruktiv und prozessual verfahrenden Methodologie verfolgen, die Dux konzipiert und im Laufe der Jahre verfeinert hat. Seine diesbezüglich zentrale Formulierung lautet (Dux 2000, S. 28):
„Ich verbinde die Strategie, die Konstruktivität des menschlichen Geistes über seinen Bildungsprozeß einsichtig zu machen und dabei die konstruktiven Formen, in denen wir Gesellschaften und Kulturen in der Geschichte vorfinden, transparent werden zu lassen, mit dem Begriff einer „historisch-genetischen Theorie“.“
Die Implikationen dieser Erkenntnisstrategie lassen sich mit den Begriffen Naturalismus, Konstruktivität, Prozessualität und Historizität darstellen. Die historisch-genetische Theorie ist insofern eine naturalistisch rückgebundene Theorie, als sie davon ausgeht, dass die auf Sinnstrukturen basierende soziokulturelle Lebensform als Anschlussorganisation aus einem phylogenetischen Vorlauf heraus argumentiert werden muss. Sie findet ihren Ausgangspunkt also in einer empirisch bestimmbaren biologischen Ausgangslage, die aber als noch sinnfrei verstanden wird. Die historisch vorfindlichen, verschiedenartigen Wissens-, Lebens- und Organisationsformen verdanken sich der Emergenz eines konstruktiven Vermögens, das seinerseits nur unter den spezifischen sozialen Formen ausgebildet werden konnte, in denen die Humanentwicklung jeweils in Gang gesetzt wird. Dabei geht Dux im Einklang mit der Philosophischen Anthropologie davon aus, dass bei Menschen die Instinktsteuerung in den Hintergrund getreten ist und die überlebenssichernden Verhaltensmuster über kulturelle Lernprozesse erst aufgebaut werden müssen. Die einmal ausgebildeten Formen müssen dementsprechend sachhaltig sein und stellen je historisch gebundene Umsetzungsformen der die Menschen auszeichnenden konstruktiven Autonomie dar. Zur Kennzeichnung dieser Erkenntnisstrategie für die Erklärung des sinnhaften Aufbaus menschlicher Welten lässt sich deshalb auch von einem „realistischen Konstruktivismus“ bzw. „konstruktivem Realismus“ sprechen. Schließlich verweisen Prozessualität und Historizität an die Soziologie zu einer empirisch rückgebundenen, radikal historisch-genetischen Methodologie, die den (sozialstrukturellen wie den kognitiven) Bedingungen, unter denen Aufbauprozesse stattfinden, systematisch ebenso Rechnung trägt wie diesen selbst.
Werkgeschichte
Das Programm der historisch-genetischen Theorie deutet sich bereits früh im Aufsatz „Anthropologie und Soziologie“ (1972) sowie in der Habilitationsschrift „Strukturwandel der Legitimation“ (1976) an, um dann eine erste systematische Darlegung in „Logik der Weltbilder“ (1982) zu erfahren, wo die Entwicklung der Sinnstrukturen rekonstruiert wird. Ähnlich ist die Studie „Die Zeit in der Geschichte“ (1989) angelegt, dort aber geht es um die Logik in der Entwicklung des Zeitverständnisses. Die thematisch zusammenhängenden Bände „Die Spur der Macht im Verhältnis der Geschlechter“ (1992) und „Geschlecht und Gesellschaft. Warum wir lieben“ (1994) können als beispielhaft angesehen werden, wie genuin soziologische Kategorien (Macht und Herrschaft, soziale Ungleichheit, Geschlechterverhältnis, Subjektbildung, Normativität, Moralität) aus naturalen und historischen Bedingungslagen in ihrem Bildungsprozess rekonstruiert werden und damit die Bedingungen der Möglichkeit von Gesellschaft aufgezeigt werden.
In seinem Hauptwerk „Historisch-genetische Theorie der Kultur“ (deutsch 2000; englisch 2011) führt Dux die verschiedenen Bausteine (die soziologische Erkenntniskritik, den strukturellen, aber nicht gleichsinnigen Zusammenhang von Ontogenese und Geschichte, die Entwicklungslogik der soziokulturellen Organisations- und Wissensformen sowie seine strukturgenetische Theorie des sozialen Wandels) noch einmal systematisch zusammen. In „Die Moral in der prozessualen Logik der Moderne“ (2004) knüpft er an frühere Untersuchungen zum Themenkreis Moral – Norm – Recht („Rechtssoziologie“, 1978) an.
Die jüngst entstandenen Werke „Warum denn Gerechtigkeit. Die Logik des Kapitals“ (2008), „Von allem Anfang an: Macht, nicht Gerechtigkeit“ (2009), sowie „Demokratie als Lebensform. Die Welt nach der Krise des Kapitalismus“ (2013) widmen sich aus historisch-genetischer Perspektive der Analyse und der Kritik der kapitalistischen Organisationsform der Marktgesellschaft.
Verdienste erwarb sich Dux schließlich auch durch die Herausgabe von Helmuth Plessner: „Gesammelte Schriften“ (10 Bände, 1981–1985), durch die dieser als bedeutender Philosoph und Soziologe in gewisser Weise wiederentdeckt werden konnte.
Wirkungsgeschichte
Die Rezeption des Duxschen Werkes erfolgt nur zögerlich. Das zeigt, dass sich die erkenntniskritischen Grundlagen seiner Theoriekonstruktion nur schwer in die zeitgenössische Theorielandschaft und den herrschenden soziologischen Diskurs einfügen. So liegen bisher nur einige wenige Auseinandersetzungen mit der Theoriearchitektur oder mit Teilfragen vor.
Schriften (Auswahl)
- Anthropologie und Soziologie. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. 24, 3, 1972, S. 425–454.
- Strukturwandel der Legitimation. Alber, Freiburg u. a. 1976, ISBN 3-495-47325-4. (= Gesammelte Schriften. Band 7, Springer VS, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-658-17376-0)
- Rechtssoziologie. Kohlhammer, Stuttgart / Berlin / Köln / Mainz 1978, ISBN 3-17-002032-3.
- Die Logik der Weltbilder. Sinnstrukturen im Wandel der Geschichte. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-518-07970-0. (= Gesammelte Schriften. Band 3, Springer VS, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-17354-8).
- Die Zeit in der Geschichte. Ihre Entwicklungslogik vom Mythos zur Weltzeit. Mit kulturvergleichenden Untersuchungen in Brasilien (J. Mensing), Indien (G. Dux, K. Kälble, J. Meßmer) und Deutschland (B. Kiesel). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-518-58000-0. (= Gesammelte Werke. Band 4, Springer VS, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-17439-2).
- Die Spur der Macht im Verhältnis der Geschlechter. Über den Ursprung der Ungleichheit zwischen Frau und Mann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-518-58123-6.
- Geschlecht und Gesellschaft. Warum wir lieben. Die romantische Liebe nach dem Verlust der Welt. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-518-58169-4.
- Historisch-genetische Theorie der Kultur. Instabile Welten. Zur prozessualen Logik im kulturellen Wandel. Velbrück, Weilerswist 2000, ISBN 3-934730-11-6. (Studienausgabe: 2005, ISBN 3-934730-96-5. (= Gesammelte Schriften. Band 2, Springer VS, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-16417-1))
- Die Moral in der prozessualen Logik der Moderne. Warum wir sollen, was wir sollen. Velbrück, Weilerswist 2004, ISBN 3-934730-84-1. (= Gesammelte Schriften. Band 5, Springer VS, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-658-17370-8)
- Warum denn Gerechtigkeit. Die Logik des Kapitals. Die Politik im Widerstreit mit der Ökonomie. Velbrück, Weilerswist 2008, ISBN 978-3-938808-40-5.
- Von allem Anfang an: Macht, nicht Gerechtigkeit. Studien zur Genese und historischen Entwicklung des Postulats der Gerechtigkeit. Velbrück, Weilerswist 2009, ISBN 978-3-938808-49-8.
- Historico-genetic theory of culture. On the processual logic of cultural change. Transcript-Verlag, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-8376-1513-5.
- Demokratie als Lebensform. Die Welt nach der Krise des Kapitalismus. Velbrück, Weilerswist 2013, ISBN 978-3-942393-43-0.
- Die Evolution der humanen Lebensform als geistige Lebensform. Handeln. Denken. Sprechen. (= Gesammelte Schriften. Band 1). Springer VS, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-15451-6.
- Die Logik der Weltbilder - Sinnstrukturen im Wandel der Geschichte. Springer VS, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-17355-5.
- Die Religion in der säkular verstandenen Welt. (= Gesammelte Schriften. Band 6). Springer VS, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-658-17378-4.
Literatur
- Falk Wagner, Michael Murrmann-Kahl (Hrsg.): Ende der Religion – Religion ohne Ende. Zur Theorie der „Geistesgeschichte“ von Günter Dux. Passagen Verlag, Wien 1996, ISBN 3-85165-208-8.
- Christopher Linden: Zur Entwicklung von Welt- und Gottesbildern. Eine fundamentaltheologische Auseinandersetzung mit der Weltbildtheorie von Günter Dux. Lang, Frankfurt am Main / Berlin / Bern / New York / Paris / Wien 1998, ISBN 3-631-33025-1.
- Diskussionseinheit zu Günter Dux – Historisch-genetische Theorie der Moral. Die Moral im Schisma der Logiken. In: Ethik und Sozialwissenschaften. 11, 1, 2000.
- Ulrich Wenzel, Bettina Bretzinger, Klaus Holz (Hrsg.): Subjekte und Gesellschaft – Zur Konstitution von Sozialität. Velbrück, Weilerswist 2003, ISBN 3-934730-65-5.
- Karsten Laudien: Günter Dux, Von allem Anfang an (Gerechtigkeit). Rezension. In: https://www.socialnet.de/rezensionen/8041.php
- Nikos Psarros, Pirmin Stekeler-Weithofer, Georg Vobruba (Hrsg.): Die Entwicklung sozialer Wirklichkeit. Auseinandersetzungen mit der historisch-genetischen Theorie der Gesellschaft. Velbrück, Weilerswist 2003, ISBN 3-934730-65-5.
- Gerda Bohmann, Heinz-Jürgen Niedenzu (Hrsg.): Markt – Inklusion – Gerechtigkeit. Zum Problem der sozialen Gerechtigkeit in der Marktgesellschaft. (= Sonderheft der Österreichischen Zeitschrift für Soziologie. Nr. 11/2012). Springer VS, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-531-18797-6.
- Gerda Bohmann, Heinz-Jürgen Niedenzu: Die historisch-genetische Theorie wird 40 und ihr Autor 80. Zum Geburtstag von Günter Dux. In: Soziologie. 42, 3, 2013, S. 341–346.
- Heinz-Jürgen Niedenzu: Soziogenese der Normativität. Zur Emergenz eines neuen Modus der Sozialorganisation. Velbrück, Weilerswist 2012, ISBN 978-3-942393-27-0.
- Ulrich Bröckling, Axel T. Paul (Hg.): Aufklärung als Aufgabe der Geistes- und Sozialwissenschaften. Beiträge für Günter Dux. Beltz Juventa, Weinheim, Basel 2019. ISBN 978-3-7799-6118-5.
- Heinz-Jürgen Niedenzu, Gerda Bohmann: Zur Aktualität von Günter Dux. Springer, Wiesbaden 2021, ISBN 978-3-531-19217-8.
Weblinks
- Literatur von und über Günter Dux im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- https://www.soziologie.uni-freiburg.de/personen/dux Publikationsauswahl (bis 2000)
- https://hpd.de/node/9726 Interview mit Günter Dux: „Religion als naturalistisches Phänomen“
- https://www.soziologie.de/nc/aktuell/meldungen-archiv/einzelansicht/archive/2018/06/25/article/guenter-dux-zum-85-geburtstag-von-georg-vobruba/ Georg Vobruba: Günter Dux zum 85. Geburtstag. Über das Denken denken. auf soziologie.de
Personendaten | |
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NAME | Dux, Günter |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Soziologe |
GEBURTSDATUM | 23. Juni 1933 |
GEBURTSORT | Blomberg |
Autor: www.NiNa.Az
Veröffentlichungsdatum:
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Gunter Dux 23 Juni 1933 in Blomberg ist ein deutscher Soziologe und Gesellschaftstheoretiker Gunter DuxLebenGunter Dux studierte von 1954 bis 1959 Rechtswissenschaft in Heidelberg und Bonn und promovierte 1962 an der Universitat Bonn zum Dr jur Von 1965 bis 1968 schloss sich das Studium der Soziologie und Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe Universitat Frankfurt am Main an 1972 erfolgte die Habilitation fur den Bereich Soziologie und Sozialphilosophie an der Universitat Konstanz Von 1973 bis 1974 war er Ordentlicher Professor an der Universitat Linz Osterreich bevor er 1974 als Professor fur Soziologie an das Institut fur Soziologie der Albert Ludwigs Universitat Freiburg berufen wurde wo er dann auch die Funktion des Institutsdirektors ausubte Im Jahre 1997 wurde er emeritiert seitdem widmet er sich verstarkt der weiteren Ausarbeitung der historisch genetischen Theorie Im Studienjahr 1997 98 leitete er am Zentrum fur interdisziplinare Forschung der Universitat Bielefeld die von ihm initiierte Forschungsgruppe Theorie des sozialen Wandels Im akademischen Jahr 1994 hatte Dux die Leibnizprofessur der Universitat Leipzig inne WerkcharakterisierungZwei Fragestellungen durchziehen das gesamte Werk von Gunter Dux Zum einen geht es ihm um eine Konstitutionstheorie des Sozialen das heisst um die fur jedwede historisch und sozial evolutionar orientierte Soziologie des sozialen Wandels entscheidende Frage wie die sinnhaft intentionale soziokulturelle Lebensweise des Menschen seine Kultur aus einer sinnfreien biologisch anthropologischen Ausgangslage der Natur entstehen konnte Hierfur entwickelte Dux in Auseinandersetzung mit und der Kritik an der Philosophischen Anthropologie hierbei insbesondere auf Helmuth Plessner bezugnehmend eine anthropologisch fundierte Wissenssoziologie als Kern einer Gesellschaftstheorie Er knupft hierbei eng an Jean Piagets genetische Epistemologie an indem er systematisch an der ontogenetischen Entwicklung der empirischen Subjekte d h an der Individualentwicklung der neugeborenen Menschen aus einer kulturellen Nulllage ansetzt sie aber um die sozialen Bedingungen der Kognitionsgenese erweitert Das bedeutet dass der primaren aus sozialen Wesen bestehenden Umwelt in die Menschen hineingeboren werden fur deren ontogenetische Entwicklung ein zentraler Stellenwert zugewiesen wird In einfachen Worten Die kognitive wie emotionale Individualentwicklung ist auf das soziale Umfeld angewiesen sie wird durch diese aber auch strukturiert weil die sozialen Bedingungen des Aufbaus in die kognitiven Strukturen eingehen Zum zweiten geht es ihm um die Entwicklung einer soziologischen Theorie der Geschichte und des sozialen Wandels Fur diese rekonstruiert Dux die historische Entwicklung von den fruhesten noch relativ einfachen gesellschaftlichen Organisationsformen uber deren unterschiedliche zivilisatorische wie kulturelle Ausdrucksformen in der Geschichte bis hin zu deren komplexen modernen systemisch ausdifferenzierten Gestaltung Der Entwicklungsprozess wird dabei als ein sequentieller keineswegs aber an Fortschritt orientierter Aufbauprozess verstanden und zwar im Sinne eines zeitversetzten Ineinandergreifens von sozialstrukturellen Entwicklungen und der Aus und Fortbildung der sinnhaften Strukturen des Wissens Wie in anderen soziologischen Theorien auch z B Pierre Bourdieus oder Niklas Luhmanns wird auf den weder deterministischen noch einfach zu parallelisierenden Zusammenhang von sozialen und kognitiven Strukturen fokussiert Beide Fragestellungen lassen sich nur im Rahmen einer rekonstruktiv und prozessual verfahrenden Methodologie verfolgen die Dux konzipiert und im Laufe der Jahre verfeinert hat Seine diesbezuglich zentrale Formulierung lautet Dux 2000 S 28 Ich verbinde die Strategie die Konstruktivitat des menschlichen Geistes uber seinen Bildungsprozess einsichtig zu machen und dabei die konstruktiven Formen in denen wir Gesellschaften und Kulturen in der Geschichte vorfinden transparent werden zu lassen mit dem Begriff einer historisch genetischen Theorie Die Implikationen dieser Erkenntnisstrategie lassen sich mit den Begriffen Naturalismus Konstruktivitat Prozessualitat und Historizitat darstellen Die historisch genetische Theorie ist insofern eine naturalistisch ruckgebundene Theorie als sie davon ausgeht dass die auf Sinnstrukturen basierende soziokulturelle Lebensform als Anschlussorganisation aus einem phylogenetischen Vorlauf heraus argumentiert werden muss Sie findet ihren Ausgangspunkt also in einer empirisch bestimmbaren biologischen Ausgangslage die aber als noch sinnfrei verstanden wird Die historisch vorfindlichen verschiedenartigen Wissens Lebens und Organisationsformen verdanken sich der Emergenz eines konstruktiven Vermogens das seinerseits nur unter den spezifischen sozialen Formen ausgebildet werden konnte in denen die Humanentwicklung jeweils in Gang gesetzt wird Dabei geht Dux im Einklang mit der Philosophischen Anthropologie davon aus dass bei Menschen die Instinktsteuerung in den Hintergrund getreten ist und die uberlebenssichernden Verhaltensmuster uber kulturelle Lernprozesse erst aufgebaut werden mussen Die einmal ausgebildeten Formen mussen dementsprechend sachhaltig sein und stellen je historisch gebundene Umsetzungsformen der die Menschen auszeichnenden konstruktiven Autonomie dar Zur Kennzeichnung dieser Erkenntnisstrategie fur die Erklarung des sinnhaften Aufbaus menschlicher Welten lasst sich deshalb auch von einem realistischen Konstruktivismus bzw konstruktivem Realismus sprechen Schliesslich verweisen Prozessualitat und Historizitat an die Soziologie zu einer empirisch ruckgebundenen radikal historisch genetischen Methodologie die den sozialstrukturellen wie den kognitiven Bedingungen unter denen Aufbauprozesse stattfinden systematisch ebenso Rechnung tragt wie diesen selbst WerkgeschichteDas Programm der historisch genetischen Theorie deutet sich bereits fruh im Aufsatz Anthropologie und Soziologie 1972 sowie in der Habilitationsschrift Strukturwandel der Legitimation 1976 an um dann eine erste systematische Darlegung in Logik der Weltbilder 1982 zu erfahren wo die Entwicklung der Sinnstrukturen rekonstruiert wird Ahnlich ist die Studie Die Zeit in der Geschichte 1989 angelegt dort aber geht es um die Logik in der Entwicklung des Zeitverstandnisses Die thematisch zusammenhangenden Bande Die Spur der Macht im Verhaltnis der Geschlechter 1992 und Geschlecht und Gesellschaft Warum wir lieben 1994 konnen als beispielhaft angesehen werden wie genuin soziologische Kategorien Macht und Herrschaft soziale Ungleichheit Geschlechterverhaltnis Subjektbildung Normativitat Moralitat aus naturalen und historischen Bedingungslagen in ihrem Bildungsprozess rekonstruiert werden und damit die Bedingungen der Moglichkeit von Gesellschaft aufgezeigt werden In seinem Hauptwerk Historisch genetische Theorie der Kultur deutsch 2000 englisch 2011 fuhrt Dux die verschiedenen Bausteine die soziologische Erkenntniskritik den strukturellen aber nicht gleichsinnigen Zusammenhang von Ontogenese und Geschichte die Entwicklungslogik der soziokulturellen Organisations und Wissensformen sowie seine strukturgenetische Theorie des sozialen Wandels noch einmal systematisch zusammen In Die Moral in der prozessualen Logik der Moderne 2004 knupft er an fruhere Untersuchungen zum Themenkreis Moral Norm Recht Rechtssoziologie 1978 an Die jungst entstandenen Werke Warum denn Gerechtigkeit Die Logik des Kapitals 2008 Von allem Anfang an Macht nicht Gerechtigkeit 2009 sowie Demokratie als Lebensform Die Welt nach der Krise des Kapitalismus 2013 widmen sich aus historisch genetischer Perspektive der Analyse und der Kritik der kapitalistischen Organisationsform der Marktgesellschaft Verdienste erwarb sich Dux schliesslich auch durch die Herausgabe von Helmuth Plessner Gesammelte Schriften 10 Bande 1981 1985 durch die dieser als bedeutender Philosoph und Soziologe in gewisser Weise wiederentdeckt werden konnte WirkungsgeschichteDie Rezeption des Duxschen Werkes erfolgt nur zogerlich Das zeigt dass sich die erkenntniskritischen Grundlagen seiner Theoriekonstruktion nur schwer in die zeitgenossische Theorielandschaft und den herrschenden soziologischen Diskurs einfugen So liegen bisher nur einige wenige Auseinandersetzungen mit der Theoriearchitektur oder mit Teilfragen vor Schriften Auswahl Anthropologie und Soziologie In Kolner Zeitschrift fur Soziologie und Sozialpsychologie 24 3 1972 S 425 454 Strukturwandel der Legitimation Alber Freiburg u a 1976 ISBN 3 495 47325 4 Gesammelte Schriften Band 7 Springer VS Wiesbaden 2018 ISBN 978 3 658 17376 0 Rechtssoziologie Kohlhammer Stuttgart Berlin Koln Mainz 1978 ISBN 3 17 002032 3 Die Logik der Weltbilder Sinnstrukturen im Wandel der Geschichte Suhrkamp Frankfurt am Main 1982 ISBN 3 518 07970 0 Gesammelte Schriften Band 3 Springer VS Wiesbaden 2017 ISBN 978 3 658 17354 8 Die Zeit in der Geschichte Ihre Entwicklungslogik vom Mythos zur Weltzeit Mit kulturvergleichenden Untersuchungen in Brasilien J Mensing Indien G Dux K Kalble J Messmer und Deutschland B Kiesel Suhrkamp Frankfurt am Main 1989 ISBN 3 518 58000 0 Gesammelte Werke Band 4 Springer VS Wiesbaden 2017 ISBN 978 3 658 17439 2 Die Spur der Macht im Verhaltnis der Geschlechter Uber den Ursprung der Ungleichheit zwischen Frau und Mann Suhrkamp Frankfurt am Main 1992 ISBN 3 518 58123 6 Geschlecht und Gesellschaft Warum wir lieben Die romantische Liebe nach dem Verlust der Welt Suhrkamp Frankfurt am Main 1994 ISBN 3 518 58169 4 Historisch genetische Theorie der Kultur Instabile Welten Zur prozessualen Logik im kulturellen Wandel Velbruck Weilerswist 2000 ISBN 3 934730 11 6 Studienausgabe 2005 ISBN 3 934730 96 5 Gesammelte Schriften Band 2 Springer VS Wiesbaden 2017 ISBN 978 3 658 16417 1 Die Moral in der prozessualen Logik der Moderne Warum wir sollen was wir sollen Velbruck Weilerswist 2004 ISBN 3 934730 84 1 Gesammelte Schriften Band 5 Springer VS Wiesbaden 2018 ISBN 978 3 658 17370 8 Warum denn Gerechtigkeit Die Logik des Kapitals Die Politik im Widerstreit mit der Okonomie Velbruck Weilerswist 2008 ISBN 978 3 938808 40 5 Von allem Anfang an Macht nicht Gerechtigkeit Studien zur Genese und historischen Entwicklung des Postulats der Gerechtigkeit Velbruck Weilerswist 2009 ISBN 978 3 938808 49 8 Historico genetic theory of culture On the processual logic of cultural change Transcript Verlag Bielefeld 2011 ISBN 978 3 8376 1513 5 Demokratie als Lebensform Die Welt nach der Krise des Kapitalismus Velbruck Weilerswist 2013 ISBN 978 3 942393 43 0 Die Evolution der humanen Lebensform als geistige Lebensform Handeln Denken Sprechen Gesammelte Schriften Band 1 Springer VS Wiesbaden 2017 ISBN 978 3 658 15451 6 Die Logik der Weltbilder Sinnstrukturen im Wandel der Geschichte Springer VS Wiesbaden 2017 ISBN 978 3 658 17355 5 Die Religion in der sakular verstandenen Welt Gesammelte Schriften Band 6 Springer VS Wiesbaden 2018 ISBN 978 3 658 17378 4 LiteraturFalk Wagner Michael Murrmann Kahl Hrsg Ende der Religion Religion ohne Ende Zur Theorie der Geistesgeschichte von Gunter Dux Passagen Verlag Wien 1996 ISBN 3 85165 208 8 Christopher Linden Zur Entwicklung von Welt und Gottesbildern Eine fundamentaltheologische Auseinandersetzung mit der Weltbildtheorie von Gunter Dux Lang Frankfurt am Main Berlin Bern New York Paris Wien 1998 ISBN 3 631 33025 1 Diskussionseinheit zu Gunter Dux Historisch genetische Theorie der Moral Die Moral im Schisma der Logiken In Ethik und Sozialwissenschaften 11 1 2000 Ulrich Wenzel Bettina Bretzinger Klaus Holz Hrsg Subjekte und Gesellschaft Zur Konstitution von Sozialitat Velbruck Weilerswist 2003 ISBN 3 934730 65 5 Karsten Laudien Gunter Dux Von allem Anfang an Gerechtigkeit Rezension In https www socialnet de rezensionen 8041 php Nikos Psarros Pirmin Stekeler Weithofer Georg Vobruba Hrsg Die Entwicklung sozialer Wirklichkeit Auseinandersetzungen mit der historisch genetischen Theorie der Gesellschaft Velbruck Weilerswist 2003 ISBN 3 934730 65 5 Gerda Bohmann Heinz Jurgen Niedenzu Hrsg Markt Inklusion Gerechtigkeit Zum Problem der sozialen Gerechtigkeit in der Marktgesellschaft Sonderheft der Osterreichischen Zeitschrift fur Soziologie Nr 11 2012 Springer VS Wiesbaden 2012 ISBN 978 3 531 18797 6 Gerda Bohmann Heinz Jurgen Niedenzu Die historisch genetische Theorie wird 40 und ihr Autor 80 Zum Geburtstag von Gunter Dux In Soziologie 42 3 2013 S 341 346 Heinz Jurgen Niedenzu Soziogenese der Normativitat Zur Emergenz eines neuen Modus der Sozialorganisation Velbruck Weilerswist 2012 ISBN 978 3 942393 27 0 Ulrich Brockling Axel T Paul Hg Aufklarung als Aufgabe der Geistes und Sozialwissenschaften Beitrage fur Gunter Dux Beltz Juventa Weinheim Basel 2019 ISBN 978 3 7799 6118 5 Heinz Jurgen Niedenzu Gerda Bohmann Zur Aktualitat von Gunter Dux Springer Wiesbaden 2021 ISBN 978 3 531 19217 8 WeblinksLiteratur von und uber Gunter Dux im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek https www soziologie uni freiburg de personen dux Publikationsauswahl bis 2000 https hpd de node 9726 Interview mit Gunter Dux Religion als naturalistisches Phanomen https www soziologie de nc aktuell meldungen archiv einzelansicht archive 2018 06 25 article guenter dux zum 85 geburtstag von georg vobruba Georg Vobruba Gunter Dux zum 85 Geburtstag Uber das Denken denken auf soziologie deNormdaten Person GND 119383209 lobid GND Explorer OGND AKS LCCN n81071089 VIAF 44312296 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Dux GunterKURZBESCHREIBUNG deutscher SoziologeGEBURTSDATUM 23 Juni 1933GEBURTSORT Blomberg