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Als Gründerkrach bezeichnet man den Börsenkrach des Jahres 1873 wobei im Speziellen der Einbruch der Finanzmärkte gemein

Gründerkrach

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Gründerkrach
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Als Gründerkrach bezeichnet man den Börsenkrach des Jahres 1873, wobei im Speziellen der Einbruch der Finanzmärkte gemeint ist. Dieser Börsenkrach, von dem Österreich-Ungarn stärker betroffen war als Deutschland, beendete die Gründerzeit im Sinne einer Phase nicht selten spekulativer Firmengründungen. Vorausgegangen war eine Überhitzung der Konjunktur, die von verschiedenen Faktoren begünstigt worden war – in Deutschland vor allem durch den gewonnenen Krieg 1870/1871 gegen Frankreich, die daraus erworbenen Reparationszahlungen Frankreichs und die Reichsgründung. Der Begriff Gründerkrach wurde bereits im Jahr 1873 verwendet, so etwa am 26. September 1873 in einem Artikel der Tageszeitung Das Vaterland.

Die nachfolgende Deflationsphase ist als Gründerkrise bekannt. Die Volkswirtschaften der sich industrialisierenden Staaten gingen in eine Phase des verlangsamten Wachstums und der Deflation über, die bis in die 1890er Jahre anhielt. Wirtschaftstheoretiker der 1920er Jahre prägten dafür den Begriff „Große Depression“.

Wiener Börsenkrach von 1873

Euphorie vor der Weltausstellung

Den unmittelbaren Ausgang nahm der Gründerkrach in Österreich-Ungarn mit dem Wiener Börsenkrach. Obwohl das Ende der Annäherung an den Deutschen Zollverein und die Silberdeckung des Österreichischen Guldens die österreichische Wirtschaft belasteten, erholte sich Österreich wirtschaftlich von der Niederlage im Deutschen Krieg, und schnell wuchs die Wirtschaft wieder, verbunden mit einer großen Fortschrittseuphorie. Diese heizte noch die Planung der Weltausstellung an, die am 1. Mai 1873 in Wien eröffnet wurde. Das Kaiserreich wollte sich sieben Jahre nach der Niederlage von Königgrätz international als fortschrittliches Land mit einer starken Wirtschaft präsentieren, wofür keine Kosten und Mühen gescheut wurden. Die Presse war angehalten, im Vorfeld der Weltausstellung nur positiv zu berichten, und die Politik der Regierung zeichnete sich in dieser Zeit durch eine ausgesprochen liberale Haltung (Laissez-faire) gegenüber den neu gegründeten Banken und Industriebetrieben aus. Nur bei großen Skandalen wurde zaghaft in die Wirtschaft eingegriffen. So wurde etwa 1872 die k. k. priv. Lemberg-Czernowitz-Jassy-Eisenbahngesellschaft unter staatliche Kuratel gestellt, nachdem es zu untragbaren Mängeln und Eisenbahnunfällen gekommen war.

Spekulationsblase

Aufgrund des vorherrschenden Optimismus, der mit allgemeiner Sorglosigkeit und staatlicher Zurückhaltung bis zum Verzicht auf Regulierung (Laissez-faire) einherging, entstand eine große Spekulationsblase. In den Monaten vor der Weltausstellung stiegen die Aktienkurse an der Wiener Börse in astronomische Höhen. Ebenso stiegen die Immobilienpreise in Wien und anderen Städten der Habsburgermonarchie. Zur Finanzierung von Bauprojekten wurden von den Hypothekenbanken leichtfertig Pfandbriefe ausgegeben, denen als Sicherheit oft nur halbfertige Häuser, später gar nur geplante Häuser dienten. Aktien konnten damals bereits durch Hinterlegung einer Teilsumme (heute Margin genannt) erworben werden, mit erst später erfolgender Zahlung des Restbetrages. Selbst liquiditätsschwache Personen konnten so große Aktienpositionen aufbauen, ausgegangen wurde schließlich von stetig steigenden Kursen. Der später fällige Restkaufpreis sollte aus den erhofften Kursgewinnen beglichen werden.

Der Zufluss von deutschem Kapital heizte die Wiener Börse weiter an. Die französischen Reparationszahlungen wurden im neu gegründeten Deutschen Reich von der Regierung Bismarck hauptsächlich zur Tilgung von Staatsanleihen verwendet. Dadurch mussten sich private Investoren andere, risikoreichere Anlageformen suchen. Der hauptsächlich auf Anleihen konzentrierte Börsenplatz Frankfurt verlor in diesen Jahren zusehends an Bedeutung, und deutsches Privatkapital floss nach Wien. Dabei waren schon damals die größeren Aktienwerte (heute würde man Standardwerte sagen) an mehreren Börsen gelistet. Durch die Einführung der Telegraphie konnten die Kurse und Kauforders zwischen diesen Handelsplätzen rasch übermittelt werden, und so wurden etwa die k. k. privilegierte Österreichische Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe, die k. k. privilegierte österreichische Staatseisenbahn-Gesellschaft und die Vereinigte Südösterreichische, Lombardische und Central-Italienische Eisenbahngesellschaft nicht nur in Wien, sondern auch in Berlin, Frankfurt und Paris, letztere auch noch in London gehandelt.

Der Wirtschaftsoptimismus dieser Zeit und die Aussicht auf rasche Gewinne vermischten sich zu einem verhängnisvollen Gründungsfieber. Nahezu alle Bereiche der Wirtschaft entfalteten eine rege Gründungstätigkeit. Dies traf auch auf Finanzdienstleistungen zu. Während im Jahr 1867 beispielsweise in der österreichischen Reichshälfte lediglich elf Aktienbanken, einschließlich der Nationalbank existierten, stieg die Zahl bis Mai 1873 auf 141 an. Bei den sogenannten Maklerbanken handelte es sich zumeist um Spekulations- und Schwindelbanken, die Eduard März als „ureigenste Kinder der neuen Gründungsperiode“ bezeichnete.

Schwarzer Freitag

Am 1. Mai 1873 eröffnete Kaiser Franz Joseph I. die Weltausstellung mit den Worten, dass „Österreich-Ungarn nach allen Richtungen in erfreulichem Aufschwunge begriffen“ sei. Dabei war die Spekulationsblase zu dieser Zeit bereits am Platzen. Kurz zuvor hatte die größte Bank, die k. k. privilegierte Österreichische Kredit-Anstalt für Handel und Gewerbe, wegen Gerüchten über eine bevorstehende Börsenpanik in Paris alle Börsendepots gekündigt, ihre Kontokorrentkredite eingeschränkt und Anleihen im Wert von 20 Millionen Gulden verkauft. Dies führte zu fallenden Kursen und Liquiditätsengpässen vor allem bei den Maklerbanken.

In den Morgenstunden des 9. Mai 1873 brach der Damm. Als erster musste Adolf Petschek seine Zahlungsunfähigkeit bekanntgeben, der als „König der Maklergeschäfte“ galt. Die Insolvenz seines Bank- und Kommissionshauses erzwang die zeitweilige Aussetzung des Börsenverkehrs und gab das Signal zum allgemeinen Zusammenbruch. Noch am gleichen Vormittag folgten 120 weitere Bankeninsolvenzen. Um 13 Uhr wurde die Börse polizeilich geschlossen. Dieser Tag ist auch als „Schwarzer Freitag“ in die Geschichte der Wiener Börse eingegangen.

Ausweitung der Krise

Danach setzte eine Prolongationskrise ein, das heißt, kurzfristige Kredite wurden nicht mehr verlängert, was weitere Anleger zahlungsunfähig machte. Immer mehr Anleger und Bankkunden wurden misstrauisch, verkauften ihre Wertpapiere und „räumten ihre Konten“ aus Angst vor Wertverlusten. Dadurch wurde dem Kapitalmarkt viel Geld entzogen, was die Krise auf immer mehr europäische und US-amerikanische Börsenplätze ausweitete.

Am 19. September 1873 erreichte die Krise New York, wo der Bankrott des vor allem in Eisenbahnen und Immobilien investierenden Bankhauses Jay Cooke & Company Panik auslöste. Die New Yorker Börse wurde daraufhin zum ersten Mal in ihrer Geschichte geschlossen – bis zum 29. September.

Im Oktober 1873 war mit dem Zusammenbruch der Quistorp’schen Vereinsbank auch Berlin betroffen. In der Folge brachen weitere Börsen-, Aktien- und Spekulationsunternehmen zusammen. Zur gleichen Zeit erging an Deutschland die letzte Kriegskontributionszahlung aus Frankreich. Diese Art von Kapitalquelle fiel für die deutsche Industrie also in Zukunft aus.

In Österreich-Ungarn verschwand durch den Gründerkrach ein Großteil der Banken und etwa die Hälfte der in den Jahren zuvor gegründeten Aktiengesellschaften.

Eine Wirtschaftskrise folgte. Ende 1873 stiegen die Zinsen für Kredite stark an, was besonders Eisenbahngesellschaften in Bedrängnis brachte. In der Industrie ging die Produktion zurück, es kam zu umfangreichen Entlassungen und Lohnkürzungen. Ein allgemeiner Rückgang der Nachfrage, der Kaufkraft, des Konsums, der Investitionen und der Preise (Deflation) war zu verzeichnen. Der Kurswert von 444 deutschen Aktiengesellschaften sank vom Dezember 1872 bis zum Dezember 1874 um ca. zwei Milliarden Mark.Offenbarungseide, Suizide und Familientragödien häuften sich.

Aus heutiger Sicht gilt die „Gründerkrise“ als eine Stagnation und nicht als eine Depression, da in dieser Zeit die – in den vorhergehenden Jahren überhöhten – Wachstumsraten ausgeglichen wurden. Auch die gesamte Zeit von ca. 1873–1890 war nicht, wie von vielen Zeitgenossen wahrgenommen, eine große Depression, sondern vielmehr eine Zeit des schwankenden Wirtschaftswachstums. Die unmittelbare Krise dauerte in den USA etwa vier Jahre, in den betroffenen europäischen Ländern sechs. Ab 1879 kam es wieder zu leichtem Wirtschaftswachstum.

Gründerjahre und Deflation in Deutschland

Die Zeit ab 1870 war in Deutschland geprägt durch zahlreiche Unternehmensgründungen und insbesondere Aktiengesellschaften, die starke Erweiterung der Industrieproduktion und die Ausdehnung des Eisenbahnnetzes, die im Deutschen Reich maßgeblich durch den Eisenbahnpionier Bethel Henry Strousberg betrieben wurde. Dieses Wachstum wurde durch mehrere Faktoren hervorgerufen und von einer allgemeinen Euphorie im Zusammenhang mit der Reichsgründung begünstigt.

Französische Reparationszahlungen

Ein Faktor war der Sieg im Deutsch-Französischen Krieg, der sich in mehrerlei Hinsicht auswirkte. Zunächst flossen durch den Frieden von Frankfurt französische Reparationszahlungen in Höhe von etwa fünf Milliarden Francs (was etwa 4,5 Milliarden Mark entsprach) nach Deutschland, von denen etwa 2,5 bis 3 Milliarden Francs direkt dem deutschen Kapitalmarkt (Kreditinstitute und Börsenplätze) zugutekamen. Dies wird vielfach als eine Ursache für die konjunkturelle Überhitzung angesehen, die durch den Gründerkrach bereinigt wurde.Hans-Ulrich Wehler betont dagegen, dass die Wirkung der Reparationen in erster Linie psychologisch war. Auf die Geldmenge, die bereits seit 1867 erheblich gestiegen war, habe sie keinen großen Einfluss gehabt, zumal ein erheblicher Teil als „Kriegsschatz“ im Juliusturm thesauriert, als Notendeckung für die neu eingeführte Mark oder zur Schuldentilgung verwendet wurde. Das Geld sei zudem nur verhältnismäßig langsam in den deutschen Wirtschaftskreislauf eingespeist worden, sodass seine Wirkung 1873 womöglich sogar antizyklisch war, gleichwohl ohne die Wirtschaftskrise aufhalten zu können.

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Während der Einigungskriege (1864 bis 1870/71) war ein erheblicher Teil der Industrieproduktion auf den Krieg ausgerichtet; dank der Reparationszahlungen konnten nach Kriegsende aufgeschobene zivile Vorhaben realisiert werden. Der Aufschwung glich lediglich die Reduzierung der Industrieproduktion in den vorherigen Jahren aus. Die intensivere Verknüpfung der meisten Staaten des Deutschen Zollvereins durch die Reichsgründung hatte ebenfalls einen belebenden Einfluss auf die Konjunktur.

Aufschwung der Aktiengesellschaften

Ein weiterer Grund für das wirtschaftliche Wachstum war, dass in Deutschland 1870 die Konzessionspflicht für Aktiengesellschaften aufgehoben und die Gründung von Unternehmen von strengen gesetzlichen Einschränkungen befreit wurde (vgl. Gewerbefreiheit). Die Folge war die Gründung von 928 Aktiengesellschaften im Zeitraum von 1871 bis 1873 allein im Königreich Preußen. Dadurch wurde immer mehr privates Kapital in die Wirtschaft investiert. Es etablierten sich 61 neue Banken. Die Wirtschaft wuchs rasant; ebenso stiegen die Kurse der Aktien. Das schuf Vertrauen in den Markt und veranlasste weitere Aktionäre zu Aktienkäufen.

Spekulation und Überproduktion

Die Börse wurde zu diesem Zeitpunkt zum Schauplatz zügelloser Spekulationen, wobei die Wertsteigerungen zusätzlich die Spekulationslust steigerten. Dies führte dazu, dass schon bald die Grundsätze seriöser Finanzierung außer Acht gelassen und auch Kredite langfristig vergeben wurden, die de facto durch kurzfristiges Kapital finanziert und infolgedessen nicht mehr gedeckt waren. Allgemein herrschte oft die naive Denkweise vor, die Banken könnten immer mehr Kapital zur Verfügung stellen. Viele Aktien waren überbewertet.

Folgen des rasanten wirtschaftlichen Aufstiegs waren unter anderem Überproduktion und die Schaffung von Überkapazitäten, die die Nachfrage überstiegen. Ab Mai 1873 sanken die Aktienkurse.

Deflation

Das neugegründete Deutsche Reich profitierte (im Gegensatz etwa zu Österreich-Ungarn) weiterhin von den erhaltenen französischen Reparationen, so dass trotz Deflation die Produktion weiter anstieg.

Einwohner, Produktion, Handelswert 1872 1878 Änderung
Einwohnerzahl 41.228.000 44.211.000 0+7,2 %
Kohle- und Erzförderung [t] 49.904 58.288 +16,8 %
Handelswert der Bergwerksproduktion [Mark] 415.668.000 324.267.000 −21,9 %
Hüttenproduktion [t] 2.178 2.458 +12,8 %
Handelswert der Hüttenproduktion [Mark] 314.814.000 224.879.000 −28,8 %

Der Wohnungsbau hielt mit dem schnellen Bevölkerungswachstum in Deutschland schritt. Die spätere Zunahme der Wohnungen pro 1000 Einwohner ist in Verbindung mit der Abnahme der Kinderzahlen zu sehen.

Zehnjahresvergleiche 1871 1880 1890 1900 1910
Wohnungen 8.732 9.652 10.618 12.126 14.347
Whg. pro 1000 Einw. 213 214 215,6 218,7 322,2
Eisenbahnnetz [km] 21.482 33.838 41.818 49.878 59.013
Netzzuwachs [km / 10 Jahre] 11.356 7.980 8.060 9.135

Die Verkehrsinfrastruktur wurde massiv ausgebaut; das Eisenbahnnetz in Deutschland wuchs von 1872 bis 1879 stärker als je zuvor.

Jahresvergleiche 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890
Bahnstrecken [km] 21.482 22.437 23.901 25.498 27.981 29.316 30.729 31.504 33.322 33.838 34.382 35.081 35.993 36.779 37.572 37.967 39.082 40.008 40.920 41.818
jährlicher Zuwachs [km] 955 1.464 1.587 2.487 2.335 1.413 1.787 1.818 514 544 701 912 786 793 395 1.115 926 912 898

Unter anderem wegen der im internationalen Vergleich günstigen Wirtschaftslage ging die deutsche Auswanderung nach Übersee stark zurück.

Auswanderung aus dem Deutschen Reich
über Hamburg, Bremen, Antwerpen und (erst ab 1874 statistisch erfasst) Stettin
1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879
75.912 125.650 103.638 45.112 30.773 28.368 21.964 24.217 33.327

Folgen der Gründerkrise

Die Schutzzollpolitik und ihre Auswirkungen

Die Gründerkrise hatte zur Folge, dass der Staat wieder mehr in die Wirtschaftsabläufe eingriff und sich somit vom Wirtschaftsliberalismus verabschiedete. Konkret bedeutete dies die Abkehr von der Idee des Freihandels. Es war auch gleichzeitig der Beginn des Neo-Merkantilismus und von Bismarcks Schutzzollpolitik: Der Staat sollte jetzt, im Gegensatz zum Wirtschaftsliberalismus, wieder bedingt in die eingreifen. So führte man Schutzzölle auf ausländische Importe ein, um den deutschen Markt zu schützen. Im Deutschen Reich wurde das Preisniveau künstlich über dem des Weltmarktes gehalten. Diese Zölle wurden sowohl auf Rohstoffe und Fertigwaren als auch auf landwirtschaftliche Erzeugnisse erhoben.

Tatsächlich stiegen dadurch die Preise für Industriewaren; es gab aber keine lang anhaltende Aufwärtsbewegung. Die während der Gründerjahre geschaffenen Überkapazitäten existierten schließlich immer noch und konnten auch jetzt noch nicht im Ausland abgesetzt werden, weil viele andere europäische Staaten ebenfalls protektionistische Maßnahmen ergriffen.

Aufgrund der Einfuhrzölle stiegen die Lebenshaltungskosten in der Folgezeit an; besonders Lebensmittel und Industriewaren wurden teurer. Bevor die Importzölle auf Getreide erhoben worden waren, war es erheblich günstiger, dieses aus dem Ausland zu importieren. Durch die steigenden Zölle gingen die Importe zurück. Um die Jahrhundertwende lagen die Preise für Brot und andere Getreideprodukte bei etwa 130 % des Weltmarktniveaus, während in der Landwirtschaft Vollbeschäftigung erreicht wurde.

Zwar sanken auch im Deutschen Reich die Preise für Industriewaren. Allerdings waren die Preissenkungen auf dem Weltmarkt wesentlich höher, sodass man relativ zum Weltmarktniveau von einer Preissteigerung sprechen kann. Gleichwohl wurde für Industriewaren 1886 im Vergleich zu 1871 etwa 80 % mehr ausgegeben. Dies hing damit zusammen, dass solche Güter immer häufiger konsumiert wurden und die Bevölkerung gewachsen war, wozu der Geburtenüberschuss und das Nachlassen der Auswanderung beitrugen. Ab 1879/1880 entwickelte sich die Wirtschaft auch gemessen an der Wertschöpfung in Industrie und Handwerk, dem Kapitalstock und dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum wieder positiv.

Weitere Folgen

Die von der Krise betroffenen Wirtschaftsbereiche ergänzten die staatlichen Maßnahmen durch eigene Kartelle und ähnliche Zusammenschlüsse wurden gegründet, um wettbewerbsbehindernde Absprachen zu treffen, die vor einem weiteren Preisverfall schützen sollten. Preise von Produkten, Produktionszahlen und Absatzgebiete wurden unter den Firmen ausgehandelt. Es schlossen sich Interessenverbände zusammen, um Forderungen gegenüber der Regierung durchzusetzen. Arbeitgeberverbände wurden gegründet; auf der anderen Seite entstanden immer mehr Gewerkschaften.

Der verlorene Glaube an die liberale Wirtschaftspolitik drückte sich auch darin aus, dass die Nationalliberale Partei 1871 im deutschen Reichstag mit 125 Sitzen (etwa 31 %) vertreten war, 1881 aber mit 47 Sitzen nur noch einen Anteil von etwa 12 % hatte.

Ebenfalls eine Folge des Börsenkrachs war der „Theaterkrach“ bzw. die im gesamten deutschsprachigen Raum – der Zusammenbruch der Theaterszene als Folge ausbleibender Besucher.

Antisemitismus

Die Gründerkrise führt nicht zuletzt zu Verschwörungstheorien, die mit Kritik an der Hochfinanz verbunden wurden und somit zu einer weiten Ausbreitung und Radikalisierung des Antisemitismus, der in den 1880er Jahren zu einer breiten Unterströmung wurde. In dieser Wahrnehmung erfolgte eine Trennung in einerseits das „raffende“ Finanzkapital und das „schaffende“ Produktionskapital. Der „gute“, „bodenständige“, „deutsche“ Fabrikbesitzer wurde von antisemitischen Agitatoren (z. B. von oder Theodor Fritsch) in diesem Stereotyp dem „raffenden“, „gierigen“, „blutsaugenden“, „jüdischen“ Finanzkapitalisten in Form des „Plutokraten“ und „Wucherers“ entgegengestellt. In der öffentlichen Debatte in Deutschland kam es zum Berliner Antisemitismusstreit von 1879 bis 1881, bei dem die sogenannte „Judenfrage“ gestellt wurde und um „den Einfluss des Judentums“ gestritten wurde. Die auch in Österreich weitverbreitete katholische Zeitschrift Deutscher Hausschatz schrieb 1910:

„1886 enstand in Wien aus dem dumpfen Unmut, der seit dem furchtbaren Börsenkrache von 1873 gegen die Juden herrschte, eine Bewegung antisemitischen Charakters und schlug rasch Wurzeln.“

Der Gründerkrach in der Literatur

Die Ereignisse fanden vereinzelt auch Eingang in die Literatur, etwa im Falle von E. Marlitts Roman Im Hause des Kommerzienrates (1876), wo sie für die Handlung eine zentrale Rolle spielen.

Literatur

  • Lino Schneider-Bertenburg: Der Gründerkrach und die Krisenwahrnehmung der deutschen Sozialdemokratie. Kohlhammer, Stuttgart 2022, ISBN 978-3-17-042033-5.

Einzelnachweise

  1. Politische Übersicht. In: Das Vaterland, 26. September 1873, S. 1 (online bei ANNO). (Im Artikel heißt es: „Die ‚Politik‘ bespricht ‚Blagatinsek’s Glück und Ende‘ und constatirt, daß jetzt mit Schindler, Giskra, Skene, Sturm und Kaiserfeld die fünfte Säule des Decembrismus im Gründerkrach fällt.“)
  2. Finanzkrise: Genau wie damals beim Gründerkrach. Die Presse, 11. Juli 2009.
  3. Markus Baltzer: European financial market integration in the Gründerboom and Gründerkrach. Evidence from European cross-listings. econbiz.de; Österreichische Nationalbank, Working paper 111, Wien 2006.
  4. Peter Eigner, Helmut Falschlehner, Andreas Resch: Geschichte der österreichischen Privatbanken. Springer-Verlag, 2017, S. 66.
  5. 30 ausgewählte Finanzkrisen, vom 16. Jahrhundert bis heute. (PDF; 1,0 MB) MoneyMuseum, S. 10; abgerufen am 25. Juni 2020.
  6. Erwin Christian Lessner: The Danube. The Dramatic History of the Great River and the People Touched by Its Flow. Doubleday, 1961, S. 466.
  7. Siegfried Pressburger: Das Österreichische Noteninstitut. 1816–1966. Österreichische Nationalbank Wien, 1966, S. 1131.
  8. Die privilegierte oesterreichische National-Bank. „Die Bankakte“ von 1862 und der „Große Krach“ von 1873. Oesterreichische Nationalbank; abgerufen am 22. Juni 2020.
  9. Claudio Franzetti: Investmentbanken. Geschäftsfelder, Akteure und Mechanismen. Springer-Verlag, 2018, S. 20 f.
  10. Schwarzer Freitag. aeiou-Lexikon.
  11. Friedrich-Wilhelm Henning: Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands. Band 2: Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte im 19. Jahrhundert. Schöningh, Paderborn u. a. 1996, ISBN 3-506-73862-3.
  12. So zum Beispiel Fritz Stern: Gold und Eisen. Bismarck und sein Bankier Bleichröder. Ullstein, Berlin / Frankfurt am Main 1978, S. 239; Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918. Siedler, Berlin 1994, S. 84. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Band 1: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. C.H. Beck, München 2000, S. 226.
  13. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Band 3: Von der „Deutschen Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1849–1914. C.H. Beck, München 1995, S. 98 f.
  14. Richard Andree: Allgemeiner Handatlas. Velhagen & Klasing, Leipzig 1881, erläuternder Text S. 21/22.
  15. Historische Statistik: Bestand an Gebäuden und Wohnungen gesis.org @1@2 (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  16. Das Eisenbahnnetz im Deutschen Reich 1871–1933. LeMO (DHM und HdG)
  17. Georg Wacks: Die Budapester Orpheumgesellschaft – Ein Varieté in Wien 1889–1919. Verlag Holzhausen, Wien 2002, ISBN 3-85493-054-2, S. 2 f.
  18. Matthias Piefel: Antisemitismus und völkische Bewegung im Königreich Sachsen 1879–1914. V&R unipress, Göttingen 2004, ISBN 3-89971-187-4 (Berichte und Studien des Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e. V. an der Technischen Universität Dresden, Nr. 46).
  19. Gerhard Hanloser: Krise und Antisemitismus. Eine Geschichte in drei Stationen von der Gründerzeit über die Weltwirtschaftskrise bis heute. Unrast, Münster 2004, ISBN 3-89771-423-X.
  20. Deutscher Hausschatz, Heft 13/1910, S. 514. Die Passage findet sich in einem überschwänglich positiven Nachruf auf den umstrittenen Wiener Politiker Karl Lueger. Lueger versuchte, das große Lager der Antisemiten in eine neue Partei aufzunehmen, die er selbst gründete: die Christlich Sozialen (CS).

Autor: www.NiNa.Az

Veröffentlichungsdatum: 24 Jun 2025 / 03:41

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Als Grunderkrach bezeichnet man den Borsenkrach des Jahres 1873 wobei im Speziellen der Einbruch der Finanzmarkte gemeint ist Dieser Borsenkrach von dem Osterreich Ungarn starker betroffen war als Deutschland beendete die Grunderzeit im Sinne einer Phase nicht selten spekulativer Firmengrundungen Vorausgegangen war eine Uberhitzung der Konjunktur die von verschiedenen Faktoren begunstigt worden war in Deutschland vor allem durch den gewonnenen Krieg 1870 1871 gegen Frankreich die daraus erworbenen Reparationszahlungen Frankreichs und die Reichsgrundung Der Begriff Grunderkrach wurde bereits im Jahr 1873 verwendet so etwa am 26 September 1873 in einem Artikel der Tageszeitung Das Vaterland Ein Bank Run in New York im Jahr 1873 Die nachfolgende Deflationsphase ist als Grunderkrise bekannt Die Volkswirtschaften der sich industrialisierenden Staaten gingen in eine Phase des verlangsamten Wachstums und der Deflation uber die bis in die 1890er Jahre anhielt Wirtschaftstheoretiker der 1920er Jahre pragten dafur den Begriff Grosse Depression Wiener Borsenkrach von 1873Euphorie vor der Weltausstellung Den unmittelbaren Ausgang nahm der Grunderkrach in Osterreich Ungarn mit dem Wiener Borsenkrach Obwohl das Ende der Annaherung an den Deutschen Zollverein und die Silberdeckung des Osterreichischen Guldens die osterreichische Wirtschaft belasteten erholte sich Osterreich wirtschaftlich von der Niederlage im Deutschen Krieg und schnell wuchs die Wirtschaft wieder verbunden mit einer grossen Fortschrittseuphorie Diese heizte noch die Planung der Weltausstellung an die am 1 Mai 1873 in Wien eroffnet wurde Das Kaiserreich wollte sich sieben Jahre nach der Niederlage von Koniggratz international als fortschrittliches Land mit einer starken Wirtschaft prasentieren wofur keine Kosten und Muhen gescheut wurden Die Presse war angehalten im Vorfeld der Weltausstellung nur positiv zu berichten und die Politik der Regierung zeichnete sich in dieser Zeit durch eine ausgesprochen liberale Haltung Laissez faire gegenuber den neu gegrundeten Banken und Industriebetrieben aus Nur bei grossen Skandalen wurde zaghaft in die Wirtschaft eingegriffen So wurde etwa 1872 die k k priv Lemberg Czernowitz Jassy Eisenbahngesellschaft unter staatliche Kuratel gestellt nachdem es zu untragbaren Mangeln und Eisenbahnunfallen gekommen war Spekulationsblase Aufgrund des vorherrschenden Optimismus der mit allgemeiner Sorglosigkeit und staatlicher Zuruckhaltung bis zum Verzicht auf Regulierung Laissez faire einherging entstand eine grosse Spekulationsblase In den Monaten vor der Weltausstellung stiegen die Aktienkurse an der Wiener Borse in astronomische Hohen Ebenso stiegen die Immobilienpreise in Wien und anderen Stadten der Habsburgermonarchie Zur Finanzierung von Bauprojekten wurden von den Hypothekenbanken leichtfertig Pfandbriefe ausgegeben denen als Sicherheit oft nur halbfertige Hauser spater gar nur geplante Hauser dienten Aktien konnten damals bereits durch Hinterlegung einer Teilsumme heute Margin genannt erworben werden mit erst spater erfolgender Zahlung des Restbetrages Selbst liquiditatsschwache Personen konnten so grosse Aktienpositionen aufbauen ausgegangen wurde schliesslich von stetig steigenden Kursen Der spater fallige Restkaufpreis sollte aus den erhofften Kursgewinnen beglichen werden Der Zufluss von deutschem Kapital heizte die Wiener Borse weiter an Die franzosischen Reparationszahlungen wurden im neu gegrundeten Deutschen Reich von der Regierung Bismarck hauptsachlich zur Tilgung von Staatsanleihen verwendet Dadurch mussten sich private Investoren andere risikoreichere Anlageformen suchen Der hauptsachlich auf Anleihen konzentrierte Borsenplatz Frankfurt verlor in diesen Jahren zusehends an Bedeutung und deutsches Privatkapital floss nach Wien Dabei waren schon damals die grosseren Aktienwerte heute wurde man Standardwerte sagen an mehreren Borsen gelistet Durch die Einfuhrung der Telegraphie konnten die Kurse und Kauforders zwischen diesen Handelsplatzen rasch ubermittelt werden und so wurden etwa die k k privilegierte Osterreichische Credit Anstalt fur Handel und Gewerbe die k k privilegierte osterreichische Staatseisenbahn Gesellschaft und die Vereinigte Sudosterreichische Lombardische und Central Italienische Eisenbahngesellschaft nicht nur in Wien sondern auch in Berlin Frankfurt und Paris letztere auch noch in London gehandelt Der Wirtschaftsoptimismus dieser Zeit und die Aussicht auf rasche Gewinne vermischten sich zu einem verhangnisvollen Grundungsfieber Nahezu alle Bereiche der Wirtschaft entfalteten eine rege Grundungstatigkeit Dies traf auch auf Finanzdienstleistungen zu Wahrend im Jahr 1867 beispielsweise in der osterreichischen Reichshalfte lediglich elf Aktienbanken einschliesslich der Nationalbank existierten stieg die Zahl bis Mai 1873 auf 141 an Bei den sogenannten Maklerbanken handelte es sich zumeist um Spekulations und Schwindelbanken die Eduard Marz als ureigenste Kinder der neuen Grundungsperiode bezeichnete Schwarzer Freitag Der Schwarze Freitag an der Wiener Borse 9 Mai 1873 Am 1 Mai 1873 eroffnete Kaiser Franz Joseph I die Weltausstellung mit den Worten dass Osterreich Ungarn nach allen Richtungen in erfreulichem Aufschwunge begriffen sei Dabei war die Spekulationsblase zu dieser Zeit bereits am Platzen Kurz zuvor hatte die grosste Bank die k k privilegierte Osterreichische Kredit Anstalt fur Handel und Gewerbe wegen Geruchten uber eine bevorstehende Borsenpanik in Paris alle Borsendepots gekundigt ihre Kontokorrentkredite eingeschrankt und Anleihen im Wert von 20 Millionen Gulden verkauft Dies fuhrte zu fallenden Kursen und Liquiditatsengpassen vor allem bei den Maklerbanken In den Morgenstunden des 9 Mai 1873 brach der Damm Als erster musste Adolf Petschek seine Zahlungsunfahigkeit bekanntgeben der als Konig der Maklergeschafte galt Die Insolvenz seines Bank und Kommissionshauses erzwang die zeitweilige Aussetzung des Borsenverkehrs und gab das Signal zum allgemeinen Zusammenbruch Noch am gleichen Vormittag folgten 120 weitere Bankeninsolvenzen Um 13 Uhr wurde die Borse polizeilich geschlossen Dieser Tag ist auch als Schwarzer Freitag in die Geschichte der Wiener Borse eingegangen Ausweitung der KriseDanach setzte eine Prolongationskrise ein das heisst kurzfristige Kredite wurden nicht mehr verlangert was weitere Anleger zahlungsunfahig machte Immer mehr Anleger und Bankkunden wurden misstrauisch verkauften ihre Wertpapiere und raumten ihre Konten aus Angst vor Wertverlusten Dadurch wurde dem Kapitalmarkt viel Geld entzogen was die Krise auf immer mehr europaische und US amerikanische Borsenplatze ausweitete Am 19 September 1873 erreichte die Krise New York wo der Bankrott des vor allem in Eisenbahnen und Immobilien investierenden Bankhauses Jay Cooke amp Company Panik ausloste Die New Yorker Borse wurde daraufhin zum ersten Mal in ihrer Geschichte geschlossen bis zum 29 September Im Oktober 1873 war mit dem Zusammenbruch der Quistorp schen Vereinsbank auch Berlin betroffen In der Folge brachen weitere Borsen Aktien und Spekulationsunternehmen zusammen Zur gleichen Zeit erging an Deutschland die letzte Kriegskontributionszahlung aus Frankreich Diese Art von Kapitalquelle fiel fur die deutsche Industrie also in Zukunft aus In Osterreich Ungarn verschwand durch den Grunderkrach ein Grossteil der Banken und etwa die Halfte der in den Jahren zuvor gegrundeten Aktiengesellschaften Eine Wirtschaftskrise folgte Ende 1873 stiegen die Zinsen fur Kredite stark an was besonders Eisenbahngesellschaften in Bedrangnis brachte In der Industrie ging die Produktion zuruck es kam zu umfangreichen Entlassungen und Lohnkurzungen Ein allgemeiner Ruckgang der Nachfrage der Kaufkraft des Konsums der Investitionen und der Preise Deflation war zu verzeichnen Der Kurswert von 444 deutschen Aktiengesellschaften sank vom Dezember 1872 bis zum Dezember 1874 um ca zwei Milliarden Mark Offenbarungseide Suizide und Familientragodien hauften sich Aus heutiger Sicht gilt die Grunderkrise als eine Stagnation und nicht als eine Depression da in dieser Zeit die in den vorhergehenden Jahren uberhohten Wachstumsraten ausgeglichen wurden Auch die gesamte Zeit von ca 1873 1890 war nicht wie von vielen Zeitgenossen wahrgenommen eine grosse Depression sondern vielmehr eine Zeit des schwankenden Wirtschaftswachstums Die unmittelbare Krise dauerte in den USA etwa vier Jahre in den betroffenen europaischen Landern sechs Ab 1879 kam es wieder zu leichtem Wirtschaftswachstum Grunderjahre und Deflation in DeutschlandDie Zeit ab 1870 war in Deutschland gepragt durch zahlreiche Unternehmensgrundungen und insbesondere Aktiengesellschaften die starke Erweiterung der Industrieproduktion und die Ausdehnung des Eisenbahnnetzes die im Deutschen Reich massgeblich durch den Eisenbahnpionier Bethel Henry Strousberg betrieben wurde Dieses Wachstum wurde durch mehrere Faktoren hervorgerufen und von einer allgemeinen Euphorie im Zusammenhang mit der Reichsgrundung begunstigt Franzosische Reparationszahlungen Ein Faktor war der Sieg im Deutsch Franzosischen Krieg der sich in mehrerlei Hinsicht auswirkte Zunachst flossen durch den Frieden von Frankfurt franzosische Reparationszahlungen in Hohe von etwa funf Milliarden Francs was etwa 4 5 Milliarden Mark entsprach nach Deutschland von denen etwa 2 5 bis 3 Milliarden Francs direkt dem deutschen Kapitalmarkt Kreditinstitute und Borsenplatze zugutekamen Dies wird vielfach als eine Ursache fur die konjunkturelle Uberhitzung angesehen die durch den Grunderkrach bereinigt wurde Hans Ulrich Wehler betont dagegen dass die Wirkung der Reparationen in erster Linie psychologisch war Auf die Geldmenge die bereits seit 1867 erheblich gestiegen war habe sie keinen grossen Einfluss gehabt zumal ein erheblicher Teil als Kriegsschatz im Juliusturm thesauriert als Notendeckung fur die neu eingefuhrte Mark oder zur Schuldentilgung verwendet wurde Das Geld sei zudem nur verhaltnismassig langsam in den deutschen Wirtschaftskreislauf eingespeist worden sodass seine Wirkung 1873 womoglich sogar antizyklisch war gleichwohl ohne die Wirtschaftskrise aufhalten zu konnen Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen beispielsweise Einzelnachweisen ausgestattet Angaben ohne ausreichenden Beleg konnten demnachst entfernt werden Bitte hilf Wikipedia indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfugst Wahrend der Einigungskriege 1864 bis 1870 71 war ein erheblicher Teil der Industrieproduktion auf den Krieg ausgerichtet dank der Reparationszahlungen konnten nach Kriegsende aufgeschobene zivile Vorhaben realisiert werden Der Aufschwung glich lediglich die Reduzierung der Industrieproduktion in den vorherigen Jahren aus Die intensivere Verknupfung der meisten Staaten des Deutschen Zollvereins durch die Reichsgrundung hatte ebenfalls einen belebenden Einfluss auf die Konjunktur Aufschwung der Aktiengesellschaften Ein weiterer Grund fur das wirtschaftliche Wachstum war dass in Deutschland 1870 die Konzessionspflicht fur Aktiengesellschaften aufgehoben und die Grundung von Unternehmen von strengen gesetzlichen Einschrankungen befreit wurde vgl Gewerbefreiheit Die Folge war die Grundung von 928 Aktiengesellschaften im Zeitraum von 1871 bis 1873 allein im Konigreich Preussen Dadurch wurde immer mehr privates Kapital in die Wirtschaft investiert Es etablierten sich 61 neue Banken Die Wirtschaft wuchs rasant ebenso stiegen die Kurse der Aktien Das schuf Vertrauen in den Markt und veranlasste weitere Aktionare zu Aktienkaufen Spekulation und Uberproduktion Die Borse wurde zu diesem Zeitpunkt zum Schauplatz zugelloser Spekulationen wobei die Wertsteigerungen zusatzlich die Spekulationslust steigerten Dies fuhrte dazu dass schon bald die Grundsatze serioser Finanzierung ausser Acht gelassen und auch Kredite langfristig vergeben wurden die de facto durch kurzfristiges Kapital finanziert und infolgedessen nicht mehr gedeckt waren Allgemein herrschte oft die naive Denkweise vor die Banken konnten immer mehr Kapital zur Verfugung stellen Viele Aktien waren uberbewertet Folgen des rasanten wirtschaftlichen Aufstiegs waren unter anderem Uberproduktion und die Schaffung von Uberkapazitaten die die Nachfrage uberstiegen Ab Mai 1873 sanken die Aktienkurse Deflation Das neugegrundete Deutsche Reich profitierte im Gegensatz etwa zu Osterreich Ungarn weiterhin von den erhaltenen franzosischen Reparationen so dass trotz Deflation die Produktion weiter anstieg Einwohner Produktion Handelswert 1872 1878 AnderungEinwohnerzahl 41 228 000 44 211 000 0 7 2 Kohle und Erzforderung t 49 904 58 288 16 8 Handelswert der Bergwerksproduktion Mark 415 668 000 324 267 000 21 9 Huttenproduktion t 2 178 2 458 12 8 Handelswert der Huttenproduktion Mark 314 814 000 224 879 000 28 8 Der Wohnungsbau hielt mit dem schnellen Bevolkerungswachstum in Deutschland schritt Die spatere Zunahme der Wohnungen pro 1000 Einwohner ist in Verbindung mit der Abnahme der Kinderzahlen zu sehen Zehnjahresvergleiche 1871 1880 1890 1900 1910Wohnungen 8 732 9 652 10 618 12 126 14 347Whg pro 1000 Einw 213 214 215 6 218 7 322 2Eisenbahnnetz km 21 482 33 838 41 818 49 878 59 013Netzzuwachs km 10 Jahre 11 356 7 980 8 060 9 135 Die Verkehrsinfrastruktur wurde massiv ausgebaut das Eisenbahnnetz in Deutschland wuchs von 1872 bis 1879 starker als je zuvor Jahresvergleiche 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890Bahnstrecken km 21 482 22 437 23 901 25 498 27 981 29 316 30 729 31 504 33 322 33 838 34 382 35 081 35 993 36 779 37 572 37 967 39 082 40 008 40 920 41 818jahrlicher Zuwachs km 955 1 464 1 587 2 487 2 335 1 413 1 787 1 818 514 544 701 912 786 793 395 1 115 926 912 898 Unter anderem wegen der im internationalen Vergleich gunstigen Wirtschaftslage ging die deutsche Auswanderung nach Ubersee stark zuruck Auswanderung aus dem Deutschen Reich uber Hamburg Bremen Antwerpen und erst ab 1874 statistisch erfasst Stettin 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 187975 912 125 650 103 638 45 112 30 773 28 368 21 964 24 217 33 327Folgen der GrunderkriseDie Schutzzollpolitik und ihre Auswirkungen Die Grunderkrise hatte zur Folge dass der Staat wieder mehr in die Wirtschaftsablaufe eingriff und sich somit vom Wirtschaftsliberalismus verabschiedete Konkret bedeutete dies die Abkehr von der Idee des Freihandels Es war auch gleichzeitig der Beginn des Neo Merkantilismus und von Bismarcks Schutzzollpolitik Der Staat sollte jetzt im Gegensatz zum Wirtschaftsliberalismus wieder bedingt in die eingreifen So fuhrte man Schutzzolle auf auslandische Importe ein um den deutschen Markt zu schutzen Im Deutschen Reich wurde das Preisniveau kunstlich uber dem des Weltmarktes gehalten Diese Zolle wurden sowohl auf Rohstoffe und Fertigwaren als auch auf landwirtschaftliche Erzeugnisse erhoben Tatsachlich stiegen dadurch die Preise fur Industriewaren es gab aber keine lang anhaltende Aufwartsbewegung Die wahrend der Grunderjahre geschaffenen Uberkapazitaten existierten schliesslich immer noch und konnten auch jetzt noch nicht im Ausland abgesetzt werden weil viele andere europaische Staaten ebenfalls protektionistische Massnahmen ergriffen Aufgrund der Einfuhrzolle stiegen die Lebenshaltungskosten in der Folgezeit an besonders Lebensmittel und Industriewaren wurden teurer Bevor die Importzolle auf Getreide erhoben worden waren war es erheblich gunstiger dieses aus dem Ausland zu importieren Durch die steigenden Zolle gingen die Importe zuruck Um die Jahrhundertwende lagen die Preise fur Brot und andere Getreideprodukte bei etwa 130 des Weltmarktniveaus wahrend in der Landwirtschaft Vollbeschaftigung erreicht wurde Zwar sanken auch im Deutschen Reich die Preise fur Industriewaren Allerdings waren die Preissenkungen auf dem Weltmarkt wesentlich hoher sodass man relativ zum Weltmarktniveau von einer Preissteigerung sprechen kann Gleichwohl wurde fur Industriewaren 1886 im Vergleich zu 1871 etwa 80 mehr ausgegeben Dies hing damit zusammen dass solche Guter immer haufiger konsumiert wurden und die Bevolkerung gewachsen war wozu der Geburtenuberschuss und das Nachlassen der Auswanderung beitrugen Ab 1879 1880 entwickelte sich die Wirtschaft auch gemessen an der Wertschopfung in Industrie und Handwerk dem Kapitalstock und dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum wieder positiv Weitere Folgen Die von der Krise betroffenen Wirtschaftsbereiche erganzten die staatlichen Massnahmen durch eigene Kartelle und ahnliche Zusammenschlusse wurden gegrundet um wettbewerbsbehindernde Absprachen zu treffen die vor einem weiteren Preisverfall schutzen sollten Preise von Produkten Produktionszahlen und Absatzgebiete wurden unter den Firmen ausgehandelt Es schlossen sich Interessenverbande zusammen um Forderungen gegenuber der Regierung durchzusetzen Arbeitgeberverbande wurden gegrundet auf der anderen Seite entstanden immer mehr Gewerkschaften Der verlorene Glaube an die liberale Wirtschaftspolitik druckte sich auch darin aus dass die Nationalliberale Partei 1871 im deutschen Reichstag mit 125 Sitzen etwa 31 vertreten war 1881 aber mit 47 Sitzen nur noch einen Anteil von etwa 12 hatte Ebenfalls eine Folge des Borsenkrachs war der Theaterkrach bzw die im gesamten deutschsprachigen Raum der Zusammenbruch der Theaterszene als Folge ausbleibender Besucher Antisemitismus Die Grunderkrise fuhrt nicht zuletzt zu Verschworungstheorien die mit Kritik an der Hochfinanz verbunden wurden und somit zu einer weiten Ausbreitung und Radikalisierung des Antisemitismus der in den 1880er Jahren zu einer breiten Unterstromung wurde In dieser Wahrnehmung erfolgte eine Trennung in einerseits das raffende Finanzkapital und das schaffende Produktionskapital Der gute bodenstandige deutsche Fabrikbesitzer wurde von antisemitischen Agitatoren z B von oder Theodor Fritsch in diesem Stereotyp dem raffenden gierigen blutsaugenden judischen Finanzkapitalisten in Form des Plutokraten und Wucherers entgegengestellt In der offentlichen Debatte in Deutschland kam es zum Berliner Antisemitismusstreit von 1879 bis 1881 bei dem die sogenannte Judenfrage gestellt wurde und um den Einfluss des Judentums gestritten wurde Die auch in Osterreich weitverbreitete katholische Zeitschrift Deutscher Hausschatz schrieb 1910 1886 enstand in Wien aus dem dumpfen Unmut der seit dem furchtbaren Borsenkrache von 1873 gegen die Juden herrschte eine Bewegung antisemitischen Charakters und schlug rasch Wurzeln Der Grunderkrach in der LiteraturDie Ereignisse fanden vereinzelt auch Eingang in die Literatur etwa im Falle von E Marlitts Roman Im Hause des Kommerzienrates 1876 wo sie fur die Handlung eine zentrale Rolle spielen LiteraturLino Schneider Bertenburg Der Grunderkrach und die Krisenwahrnehmung der deutschen Sozialdemokratie Kohlhammer Stuttgart 2022 ISBN 978 3 17 042033 5 EinzelnachweisePolitische Ubersicht In Das Vaterland 26 September 1873 S 1 online bei ANNO Im Artikel heisst es Die Politik bespricht Blagatinsek s Gluck und Ende und constatirt dass jetzt mit Schindler Giskra Skene Sturm und Kaiserfeld die funfte Saule des Decembrismus im Grunderkrach fallt Finanzkrise Genau wie damals beim Grunderkrach Die Presse 11 Juli 2009 Markus Baltzer European financial market integration in the Grunderboom and Grunderkrach Evidence from European cross listings econbiz de Osterreichische Nationalbank Working paper 111 Wien 2006 Peter Eigner Helmut Falschlehner Andreas Resch Geschichte der osterreichischen Privatbanken Springer Verlag 2017 S 66 30 ausgewahlte Finanzkrisen vom 16 Jahrhundert bis heute PDF 1 0 MB MoneyMuseum S 10 abgerufen am 25 Juni 2020 Erwin Christian Lessner The Danube The Dramatic History of the Great River and the People Touched by Its Flow Doubleday 1961 S 466 Siegfried Pressburger Das Osterreichische Noteninstitut 1816 1966 Osterreichische Nationalbank Wien 1966 S 1131 Die privilegierte oesterreichische National Bank Die Bankakte von 1862 und der Grosse Krach von 1873 Oesterreichische Nationalbank abgerufen am 22 Juni 2020 Claudio Franzetti Investmentbanken Geschaftsfelder Akteure und Mechanismen Springer Verlag 2018 S 20 f Schwarzer Freitag aeiou Lexikon Friedrich Wilhelm Henning Handbuch der Wirtschafts und Sozialgeschichte Deutschlands Band 2 Deutsche Wirtschafts und Sozialgeschichte im 19 Jahrhundert Schoningh Paderborn u a 1996 ISBN 3 506 73862 3 So zum Beispiel Fritz Stern Gold und Eisen Bismarck und sein Bankier Bleichroder Ullstein Berlin Frankfurt am Main 1978 S 239 Michael Sturmer Das ruhelose Reich Deutschland 1866 1918 Siedler Berlin 1994 S 84 Heinrich August Winkler Der lange Weg nach Westen Band 1 Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik C H Beck Munchen 2000 S 226 Hans Ulrich Wehler Deutsche Gesellschaftsgeschichte Band 3 Von der Deutschen Doppelrevolution bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1849 1914 C H Beck Munchen 1995 S 98 f Richard Andree Allgemeiner Handatlas Velhagen amp Klasing Leipzig 1881 erlauternder Text S 21 22 Historische Statistik Bestand an Gebauden und Wohnungen gesis org 1 2 Seite nicht mehr abrufbar festgestellt im April 2018 Suche in Webarchiven Info Der Link wurde automatisch als defekt markiert Bitte prufe den Link gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis Das Eisenbahnnetz im Deutschen Reich 1871 1933 LeMO DHM und HdG Georg Wacks Die Budapester Orpheumgesellschaft Ein Variete in Wien 1889 1919 Verlag Holzhausen Wien 2002 ISBN 3 85493 054 2 S 2 f Matthias Piefel Antisemitismus und volkische Bewegung im Konigreich Sachsen 1879 1914 V amp R unipress Gottingen 2004 ISBN 3 89971 187 4 Berichte und Studien des Hannah Arendt Institut fur Totalitarismusforschung e V an der Technischen Universitat Dresden Nr 46 Gerhard Hanloser Krise und Antisemitismus Eine Geschichte in drei Stationen von der Grunderzeit uber die Weltwirtschaftskrise bis heute Unrast Munster 2004 ISBN 3 89771 423 X Deutscher Hausschatz Heft 13 1910 S 514 Die Passage findet sich in einem uberschwanglich positiven Nachruf auf den umstrittenen Wiener Politiker Karl Lueger Lueger versuchte das grosse Lager der Antisemiten in eine neue Partei aufzunehmen die er selbst grundete die Christlich Sozialen CS

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