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Kollektive Identität von lateinisch collectivus angesammelt und identitas Einheit bezeichnet in der Soziologie eine sozi

Kollektive Identität

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Kollektive Identität (von lateinisch collectivus ‚angesammelt‘ und identitas ‚Einheit‘) bezeichnet in der Soziologie eine soziale Wir-Identität oder das Empfinden von Individuen, gemeinsam einer bestimmten kollektiven Einheit oder sozialen Lebensgemeinschaft anzugehören, die durch spezifische Merkmale gekennzeichnet ist und sich dadurch von anderen Kollektiven unterscheidet.

Begriffliche Annäherung

Kollektive Identität besteht aus Eigenschaften, die einem Kollektiv (Volk, Nation, Glaubensgemeinschaft) zugerechnet werden. Es sind nicht die tatsächlichen Gruppeneigenschaften, welche die kollektive Identität ausmachen, sondern Eigenschaften, von denen angenommen wird, dass sie existieren. Diese Eigenschaften können sich auf die Kultur, Sprache, Geschichte, Religion oder Ethnie beziehen. Ein Kollektivbewusstsein wird nicht natürlich erzeugt, sondern sozial konstruiert. Es resultiert bewusst oder unbewusst aus Interaktionen, die nach sozialen Mustern und Strukturen verlaufen. Die kollektive Identität kann sich auf eine gemeinsame Vergangenheit oder eine gemeinsame Vorstellung von Zukunft gründen. Sie muss in das Selbstkonzept der einzelnen Person eingebaut werden, um so im Denken und Handeln wirksam zu werden. Das bedeutet, dass die kollektive Identität für das Individuum dann als relevant erachtet wird, wenn die Person bereit ist, sich für eine Gruppenidentität einzusetzen und ihr Handeln und Denken danach auszurichten. Wenn sich demnach zum Beispiel jemand als Europäer fühlt, ist er auch bereit, sich für Europa einzusetzen.

Zum Begriff der Identität

In der Alltagssprache wie auch in lexikalischen Definitionen wird Identität häufig als „vollkommene Gleichheit“ bezeichnet. In der Definition von Knaurs Fremdwörterlexikon bezeichnet ‚Identität‘ (von lateinisch idem: eben der, ein und derselbe) „vollkommene Gleichheit“ bzw. „Übereinstimmung“. Sind Objekte gleich, so handelt es sich um zwei oder mehrere, also nicht identische Objekte. Sind sie dagegen identisch, existieren sie nur einmal. Anstelle des Begriffs der Gleichheit treffen Begriffe wie Einheit, Unverwechselbarkeit oder Authentizität den Identitätsbegriff in diesem Kontext eher. Die individuelle Identität einer Person und die kollektive Identität einer Gemeinschaft weisen eine ähnliche Struktur auf: Menschen sind sich vollkommen sicher, dass sie existieren; jedoch sind sie nicht in der Lage, ihre Identität oder die Identität einer Nation, einer Familie oder ethnischer Gruppen gänzlich zu beschreiben. Nach Giesen und Seyfert stellt niemand, der sich einer Gemeinschaft zurechnet, dabei kritische Fragen. Wenn dies doch der Fall ist, deutet das darauf hin, dass ein Individuum Zweifel am Bestehen einer Identität äußert. Ziel einer kollektiven Identität sollte es jedoch sein, Fraglosigkeit zu konstruieren.

Kollektive Identität beruht vermeintlich auf einem Wertekonsens und geteilten Normen. Diese sind jedoch so grundsätzlich und abstrakt, dass sie völlig gegensätzliche Schlussfolgerungen zulassen. Die kollektive Identität ist also eine Materie, die nicht immer konkret ist, sondern der, aufgrund ihrer Unbestimmtheit, jeglicher mögliche Sinn zugeschrieben werden kann.

Unterscheidung von kollektiver Identität in der Soziologie und Psychologie

Der Begriff der Identität hat seinen Ursprung sowohl in der Soziologie der Chicago-Schule als auch in der Psychoanalyse Sigmund Freuds. Die Sozialwissenschaftler Lutz Niethammer und Bernhard Giesen als auch Jürgen Straub und Dieter Rucht verweisen auf die Schlüsselrolle des Psychologen Erik H. Eriksons bei der Erklärung der Ich-Identität. Eriksons Konzept der Ich-Identität baut auf Theorien der Psychoanalyse nach Sigmund Freud auf. Sie beschreibt die subjektive, in einer Selbstreflexion wahrgenommene Identität des Individuums, welche mit Formulierungen wie „Ich bin …“, „Ich bin Teil von …“ nach außen ausgedrückt wird.

Dieter Rucht kritisiert in seinem Beitrag die vernachlässigte konzeptionelle Analyse der kollektiven Identität und versucht sich an einer begrifflichen Annäherung an diese. Er unterscheidet kollektive Identität von den in der Ich-Psychologie verwendeten Konzepten personaler und sozialer Identität. Als Referenzpunkt der kollektiven Identität sieht er die Gruppe, nicht aber die Person oder Rolle. Die Identität der Gruppe wird durch das Auftreten als Gruppe charakterisiert, während die Verbundenheit physisch, symbolisch oder rhetorisch, sowohl nach innen als auch nach außen ausgedrückt werden kann. Rucht bezeichnet kollektive Identität auch als „Syndrom von Bewusstseins- und Ausdrucksformen von mindestens zwei Personen, welche um ihre Zusammengehörigkeit (als Paar, Gruppe, Klasse, Ethnie, Nation usw.) wissen, diese – im Regelfall – handlungspraktisch demonstrieren und insofern auch von ihrer Umwelt als zusammengehörig wahrgenommen werden“. Er setzt damit zum einen ein subjektives „Wir-sind-…-Gefühl“, zum anderen eine gewisse Vergemeinschaftung voraus. Die Vergemeinschaftung wird durch kontinuierliche Interaktion bzw. Organisation gefestigt und symbolisch nach außen getragen bzw. nach innen vermittelt.

Herausbildung kollektiver Identitäten

Mehrere Theoretiker sozialer Bewegungen haben kollektive Identitäten als ein konstitutives Merkmal sozialer Bewegungen hervorgehoben. Die gemeinsamen Merkmale, die als Kriterien der Gruppenzugehörigkeit oder der Ausgrenzung dienen, lassen sich wie folgt differenzieren. Zum einen in Unterschiede, Gegensätze oder Widersprüche der objektiven Lebenslage, womit vor allem positionale Ungleichheiten, wie Klassenlagen und Elitepositionen gemeint sind; zum anderen in Unterschiede des Verhaltens in Lebensstilen und Kulturen. Zu den Dimensionen kollektiver Identität zählen also auch gemeinsame Sitten und Bräuche, geteilte Werte, gemeinsame Interessen und Solidarität. Kollektive Identität erfordert immer ein Mindestmaß von Bewusstsein und Selbstbewusstsein innerhalb der Gruppe.

Spezifische Faktoren, welche die Herausbildung kollektiver Identitäten beeinflussen

  1. Relativ hohe Homogenität der objektiven Lebenslage innerhalb potentieller Handlungskollektive sowie Dichotomie der Lebenslagen zwischen ihnen
  2. Homogenität des Habitus und der Lebensstile
  3. Alle unbewussten und bewussten Aspekte von Gruppenkulturen
  4. Der Charakter der sozialen Organisiertheit
  5. Die Herausbildung selbständiger Bewegungs- und Konfliktorganisationen
  6. Der Charakter der Mobilisierung

Die Herausbildung stabiler gemeinsamer Lebensstile und Sitten entsteht nicht innerhalb kurzer Zeit – sie brauchen Zeit, um sich in einem Habitus zu verkörpern. Bei einer hohen geographischen Mobilität ist beispielsweise die Entstehung neuer regionaler Sitten selten, ebenso bei inter- und intragenerationeller Mobilität zwischen Klassen die Erhaltung von Klassenkulturen unwahrscheinlich. Hohe Mobilitäten üben allerdings einen gewissen Druck auf bereits bestehende Kollektive aus, was oftmals die Grundlage für Neu- und Umformungen bildet.

Abgrenzung zwischen nicht-organisierten und organisierten kollektiven Identitäten

Mit Blick auf soziale Bewegungen und mit Bezug auf Gemeinschaften ist es ein wesentliches Merkmal kollektiver Akteure (gemeinsam ein Kollektiv), dass sie sich durch spezifische Formen des Organisierens auszeichnen. Sowohl soziale Bewegungen als auch Gemeinschaften beruhen auf impliziten und expliziten Regeln und ihre Mitglieder teilen ein bewusstes Zusammengehörigkeitsgefühl. Organisierte kollektive Identitäten werden auch als kollektive Akteure bezeichnet. Der Unterschied zu den nicht- bzw. unorganisierten Kollektiven liegt im Vorhandensein einer Interaktion innerhalb der Kollektive bzw. einem Zielgedanken. Menschen, welche z. B. aus Ekel keine tierischen Produkte zu sich nehmen und sich damit vegan ernähren, kann man als nicht-organisierte kollektive Identität sehen, da ihr Veganismus nur auf dem Vorhandensein des gemeinsamen Ekels beruht, jedoch nicht auf einem gemeinsamen Zielgedanken. Im Gegensatz dazu existieren die kollektiven Akteure, welche sich offiziell als Veganer, mit dem Ziel den Tierschutz oder Umweltaspekte zu verbessern, bezeichnen.

Idealtypische Eigenschaften von Individuen, Organisationen und Kollektiven

Nach Ulrich Dolata und Jan-Felix Schrape lassen sich folgende Idealtypen sozialer Akteure nach ihren grundsätzlichen Eigenschaften unterscheiden:

Individuelle Akteure

z. B. Nutzer

Nicht-organisierte Kollektive

z. B. Masse, Menge

Kollektive Akteure

z. B. Bewegungen, Gemeinschaften

Korporative Akteure

z. B. Unternehmen, staatliche Organisationen, NGOs

Handlungsfähigkeit Auf individueller Ebene Keine eigenständige Strategiefähigkeit Fähigkeit zum überindividuellen strategischen Handeln Fähigkeit zum überindividuellen strategischen Handeln
Handlungsressourcen Individuelle Ressourcen Situative Aggregation individueller Ressourcen Kollektive Ressourcen Organisationale Ressourcen
Aktivitätsmuster Individuelles Verhalten und Handeln Kollektives Verhalten als Aggregation individueller Handlungen Kollektives Handeln auf Basis von Konsens, Verhandlung, Abstammung Korporatives Handeln auf Basis formal-hierarchischer Strukturen
Entscheidungsmodus Individuelle Entscheidungen entlang individueller Präferenzen und Zielsetzungen keine kollektive Entscheidungsfähigkeit Strategische Entscheidungen abhängig von individuellen Präferenzen der Teilnehmer Strategische Entscheidungen abgekoppelt von individuellen Präferenzen der Mitglieder
Stabilität – Gering Kontextabhängig Hoch

Die Basis der Tabelle bilden Typen sozialer Akteure, die sowohl in der Realität moderner Gesellschaften auftreten als auch im Internet: Individuen, Organisationen und Kollektive. Sie zeichnen sich durch jeweils spezifische Handlungsorientierungen, Wirklichkeitswahrnehmungen und Entscheidungsweisen sowie materielle und immaterielle Handlungsressourcen aus.

Ursachen der Entstehung und Entwicklung von kollektiver Identität

Es existieren mehrere Ansätze, wie sich kollektive Identitäten bilden und welche spezifischen Faktoren in diesem Prozess eine bedeutende Rolle spielen. Es gibt sowohl soziobiologische, psychologische als auch symbolisch-interaktionistische Erklärungen für die Herausbildung kollektiver Identitäten. Der soziobiologische Ansatz geht davon aus, dass Gruppenidentitäten genetisch übertragbar sowie instinktiv verankert sein können. In psychologischen Erklärungen werden kollektive Identitäten als „Gruppenzugehörigkeitsgefühl“ beschrieben. Die symbolisch-interaktionistischen Ansätze sehen Kollektive Identitäten als notwendige Voraussetzungen aller gesellschaftlicher Beziehungen. Unterscheidungen zwischen „wir“ und „sie“ oder „ingroup“ und „outgroup“ entstehen aus sozialen Interaktionen, welche wiederum immer mit Stereotypenbildung, Herausbildung, Stilisierung und Homogenisierung verknüpft sind.

Im Gegensatz zu jenen Ansätzen, geht der Soziologe davon aus, dass kollektive Identitäten „in Situationen der Konkurrenz oder des Kampfes um als knapp erfahrene und definierte Ressourcen oder Belohnungen entstehen“. Diese Situationen werden durch die Prozesse der Wahrnehmung und Erfahrung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden bestimmt. Kollektive Identitäten werden also in Konflikten konstituiert. Sie haben daher immer eine wirkliche gemeinsame Grundlage. Diese wirkliche Gemeinsamkeit des Habitus und der Sitten, ist die Grundlage für ein Gemeinschaftsgefühl.

Zu den spezifischen Faktoren, die im Prozess der kollektiven Identitätsbildung beteiligt sind, gehören jene, die unter „Herausbildung kollektiver Identitäten“ genannt wurden: Homogenität der objektiven Lebenslage, Homogenität des Habitus und der Lebensstile, bewusste und unbewusste Gruppenkulturen (Sitten, Bräuche, Rituale), soziale Organisiertheit, Herausbildung selbständiger Bewegungs- und Konfliktorganisationen sowie intern rekrutierte oppositionelle Eliten.

Kollektive Identitäten und gemeinsame Interessen

Kollektive Identitäten entstehen in strategischen Handlungssituationen der Konkurrenz. In Konflikten werden neben positionalen Ungleichheiten, auch Lebensstile, Sitten und Werte zu „Interessen“; jene Interessen fungieren als Basis aller kollektiven Identitäten. Das Bestehen kollektiver Identitäten lässt sich jedoch nicht nur auf strategisch variable Interessen reduzieren. Bader unterscheidet zwischen vier verschiedenen Möglichkeiten sich am Bestand kollektiver Identitäten zu orientieren:

  • affektiv auf die Gemeinschaft vertrauen
  • traditional an kollektiver Identität orientieren
  • wertrational an kollektiver Identität orientieren
  • strategisch an kollektiver Identität orientieren

Die verschiedenen Aspekte kollektiver Identität haben für verschiedene Konfliktgruppen und Strategietypen wechselnde Bedeutungen. Sie sind vom Thema der Konflikte, von den Phasen der Mobilisierung, von der Eskalation der Konflikte und insbesondere von den jeweiligen Machtpositionen der Konfliktfraktionen abhängig. Manche Parteien (negativ Privilegierte) sind z. B. mehr auf kollektive Strategien angewiesen als andere (positiv Privilegierte).

Kollektive Identität am Beispiel der Bewegungsforschung

Menschen, die einmal Teil einer sozialen Bewegung sind, welche mehr als einige hundert Personen umfasst und über einen längeren Zeitraum existiert, erleben ein Gefühl der Solidarität und Gemeinschaft untereinander. Teilweise entstehen kennzeichnende Subkulturen, die durch die soziale Bewegung gebildet werden. Diese Verbindung zwischen den Akteuren spielt eine entscheidende Rolle bei der Analyse des Prozesses kollektiver Identität bzw. wenn es darum geht zu verstehen, was kollektive Identität bedeutet.

Der Sozialpsychologe Gustave Le Bon bezeichnete in den 1920er und -30er Jahren jene Identifikationen des Individuums mit der Gruppe als irrationalen, unbewussten Vorgang sowie als Folge gesellschaftlichen Zusammenbruchs. Arbeiten der 1960er Jahre dagegen, vor allem die der Chicagoer Schule, sprachen sich für das rationale Handeln kollektiver Akteure aus. Bis in die Mitte der 1980er Jahre diktierte der Ressourcen-Mobilisierungs-Ansatz die Forschung in Anlehnung an die Arbeiten der Chicago-Schule, der sich hauptsächlich mit politischen Austauschprozessen und Gelegenheitsstrukturen auseinandersetzte bzw. wie Aktivisten und Organisationen diese Strukturen nutzten. Die Identifikationsprozesse der vorherigen Forschungsansätze ließ dieser weitestgehend unbeachtet. Aus diesem Grund beschäftigten sich Forscher in den folgenden Jahren wieder vermehrt mit kulturellen Aspekten und Konstruktionsprozessen sozialer Bewegungen bzw. kollektiver Identitäten. In den 1990er Jahren wandte sich die Forschung vermehrt identitätsorientierten Bewegungen wie zum Beispiel der Schwulen- und Lesbenbewegung, nationalistischen Bewegungen und Selbsthilfegruppen zu. Deren politische, kulturelle und lebensweltliche Konstruktion traten ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Hier zeigte sich, dass Individuen sich mit Gemeinschaften, wie beispielsweise der Schwulen- und Lesbenbewegung identifizieren und Teil von ihnen werden. Dennoch darf, trotz identitätsorientierter Bewegungen wie dieser, der Prozess kollektiver Identität nicht mit der Identität der einzelnen Individuen gleichgesetzt werden. Die individuellen Identitäten müssen nicht mit der kollektiven Identität, welche in der Bewegung gebildet wurde, übereinstimmen. Anstatt die Selbstdefinition einzelner Akteure zu betrachten, muss man Konstruktionsprozesse, wie Kollektivität, Solidarität und Ausgrenzung innerhalb der kollektiven Identität ansehen.

In der europäischen Bewegungsforschung (Touraine und Kollegen) beschrieb das Konzept kollektiver Identität die Rolle bestimmter Bewegungen in einer sich verändernden Gesellschaft. In dieser Perspektive ist die einzig mögliche kollektive Identität konzeptionell vorgegeben: sie muss „Beauftragte“ gesellschaftlichen Wandels sein. Laut Touraine deutet der Identitätsbezug sozialer Bewegungen auf die Auflösung traditioneller Rollen in der postindustriellen Gesellschaft hin. In der traditionellen als auch in der industriellen Gesellschaft waren soziale Rollen festgelegt und vorgegeben, in der postindustriellen Gesellschaft dagegen immer instabiler. Indem Individuen den Bezug zu Identitäten herstellen, versuchen sie die eigene unsichere Position neu zu festigen.

versuchte mit seinem Ansatz die Lücke zwischen dem Ressourcen-Mobilisierungs-Paradigma und den handlungsorientierten Ansätzen der Sozialpsychologie zu schließen. Bei Melucci sind kollektive Identitäten Werkzeuge, um die Entstehung, Veränderung und Dauer sozialer Bewegungen zu analysieren.

Kontroverse

Der Begriff der kollektiven Identität ist umstritten. Während die Existenz einer Identität als Person, die sich im Laufe unserer Sozialisation entwickelt, als bestätigt angesehen wird, bleibt die Begriffsdefinition kollektiver Identitäten für manche fraglich. Es steht außer Zweifel, dass eine Person gleichzeitig Teil mehrerer Gemeinschaften sein sowie soziale Grenzen überqueren kann.

Bernhard Giesen spricht von einer paradoxen Situation, in der man den Begriff der Identität nicht definitiv bestimmen kann. Damit ist nicht gemeint, dass es missverständlich ist, was unter dem Begriff der Identität zu verstehen ist, sondern, dass sich Kollektive selbst suspekt sind. Sie verbindet etwas, das nicht greifbar ist; weshalb Menschen dieser Unbestimmtheit einen Sinn geben. Die Intransparenz der Identität, sowohl der individuellen als auch der kollektiven, zwingt die Menschen dazu sie permanent neu zu erfinden. Gemeinschaften gestalten in ihrer Vorstellung eine kollektive Identität, welche sie z. B. durch Bilder, Flaggen, Denkmäler oder Lieder zum Ausdruck bringen.

Siehe auch

  • Kulturelle Identität
  • Multikollektivität
  • Gemeinschaft

Literatur

  • Alain Touraine: Die postindustrielle Gesellschaft. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972, ISBN 3-518-06370-7.
  • Alberto Melucci: Getting Involved: Identity and Mobilization in Social Movements. 1981.
  • Bernhard Giesen: Kollektive Identität. Die Intellektuellen und die Nation. Band 2. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-518-29010-X.
  • David Snow: Collective Identity and Expressive Forms. University of California, 2001; abgerufen am 22. Dezember 2017.
  • Francesca Polletta und James M. Jasper: Collective Identity and Social Movements, Annual Reviews, 2001; abgerufen am 22. Dezember 2017 (PDF).
  • Hank Johnston und Bert Klandermans: Social Movements and Culture. Routledge, London 2003, ISBN 1-85728-499-2 HB, Part 1, Chapter 3.
  • Karl-Heinz Hillmann: Wörterbuch der Soziologie (= Kröners Taschenausgabe. Band 410). 5., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-520-41005-4, S. 431–433.
  • Lutz Niethammer: Kollektive Identität. Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, 2000, ISBN 3-499-55594-8.
  • Ulrich Dolata und Jan-Felix Schrape (Hrsg.): Kollektivität und Macht im Internet. Soziale Bewegungen – Open Source Communities – Internetkonzerne. Springer VS, Wiesbaden 2018, ISBN 3-658-17909-0.
  • Veit Michael Bader: Kollektives Handeln. Protheorie sozialer Ungleichheit und kollektiven Handelns. Band 2. Leske + Budrich, Opladen 1991, ISBN 3-8100-0917-2.

Einzelnachweise

  1. Karl-Heinz Hillmann: Wörterbuch der Soziologie (= Kröners Taschenausgabe. Band 410). 5., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-520-41005-4, S. 431.
  2. Bernhard Giesen, Robert Seyfert: Kollektive Identität. Politik und Zeitgeschichte, 2013, S. 39–43, abgerufen am 23. Dezember 2017 (Heft 63 (13–14); ISSN 0479-611X. eISSN 2194-3621). 
  3. Ursula Hermann: Knaurs Fremdwörterlexikon. Hrsg.: Lexikographischen Institut. Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München 1992, ISBN 3-426-82008-0. 
  4. Erik Erikson: Identität und Lebenszyklus. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Frankfurt a. M. 1993, ISBN 3-518-27616-6. 
  5. Dieter Rucht: Neue Soziale Bewegungen. Soziale Bewegungen und kollektive Identität. (PDF) Forschungsjorunal, 1995, abgerufen am 10. Oktober 2017. 
  6. Veit-Michael Bader: Kollektives Handeln. Protheorie sozialer Ungleichheit und kollektiven Handelns. Band 2. Leske + Budrich, Opladen 1991, ISBN 3-8100-0917-2. 
  7. Veit-Michael Bader: Kollektives Handeln. Protheorie sozialer Ungleichheit und kollektiven Handelns. Band 2. Leske + Budrich, Opladen 1991, ISBN 3-8100-0917-2, S. 114–119. 
  8. Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape: Kollektives Handeln im Internet. Eine akteurtheoretische Fundierung. In: Berliner Journal für Soziologie. Band 24, Nr. 1. Springer VS, 2014, S. 5–30. 
  9. F. W. Scharpf: Games real actors play. Actor-centered institutionalism in policy research. Hrsg.: Westview Press. 1997, ISBN 978-3-531-14005-6, S. 51 ff. 
  10. Veit-Michael Bader: Kollektives Handeln. Protheorie sozialer Ungleichheit und kollektiven Handelns. Band 2. Leske + Budrich, Opladen 1991, ISBN 3-8100-0917-2, S. 112. 
  11. Veit-Michael Bader: Kollektives Handeln. Protheorie sozialer Ungleichheit und kollektiven Handelns. Band 2. Leske + Budrich, Opladen 1991, ISBN 3-8100-0917-2, S. 112–119. 
  12. Veit-Michael Bader: Kollektives Handeln. Protheorie sozialer Ungleichheit und kollektiven Handelns. Hrsg.: Leske + Budrich. Band 2. Opladen 1991, ISBN 3-8100-0917-2. 
  13. Sebastian Haunss: Was in aller Welt ist „kollektive Identität“? Bemerkungen und Vorschläge zu Identität und kollektivem Handeln. (PDF) Gewerkschaftliche Monatshefte 52 (5), 2001, S. 259–262, abgerufen am 29. Dezember 2017. 
  14. Rogers Brubaker: Ethnizität ohne Gruppen. Hamburger Edition, Hamburg 2007, ISBN 978-3-936096-84-2. 

Autor: www.NiNa.Az

Veröffentlichungsdatum: 15 Jul 2025 / 23:59

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Kollektive Identitat von lateinisch collectivus angesammelt und identitas Einheit bezeichnet in der Soziologie eine soziale Wir Identitat oder das Empfinden von Individuen gemeinsam einer bestimmten kollektiven Einheit oder sozialen Lebensgemeinschaft anzugehoren die durch spezifische Merkmale gekennzeichnet ist und sich dadurch von anderen Kollektiven unterscheidet Vertreter der Bayerischen Ethnie in Tracht bei einer Politikveranstaltung in PassauBegriffliche AnnaherungKollektive Identitat besteht aus Eigenschaften die einem Kollektiv Volk Nation Glaubensgemeinschaft zugerechnet werden Es sind nicht die tatsachlichen Gruppeneigenschaften welche die kollektive Identitat ausmachen sondern Eigenschaften von denen angenommen wird dass sie existieren Diese Eigenschaften konnen sich auf die Kultur Sprache Geschichte Religion oder Ethnie beziehen Ein Kollektivbewusstsein wird nicht naturlich erzeugt sondern sozial konstruiert Es resultiert bewusst oder unbewusst aus Interaktionen die nach sozialen Mustern und Strukturen verlaufen Die kollektive Identitat kann sich auf eine gemeinsame Vergangenheit oder eine gemeinsame Vorstellung von Zukunft grunden Sie muss in das Selbstkonzept der einzelnen Person eingebaut werden um so im Denken und Handeln wirksam zu werden Das bedeutet dass die kollektive Identitat fur das Individuum dann als relevant erachtet wird wenn die Person bereit ist sich fur eine Gruppenidentitat einzusetzen und ihr Handeln und Denken danach auszurichten Wenn sich demnach zum Beispiel jemand als Europaer fuhlt ist er auch bereit sich fur Europa einzusetzen Zum Begriff der Identitat In der Alltagssprache wie auch in lexikalischen Definitionen wird Identitat haufig als vollkommene Gleichheit bezeichnet In der Definition von Knaurs Fremdworterlexikon bezeichnet Identitat von lateinisch idem eben der ein und derselbe vollkommene Gleichheit bzw Ubereinstimmung Sind Objekte gleich so handelt es sich um zwei oder mehrere also nicht identische Objekte Sind sie dagegen identisch existieren sie nur einmal Anstelle des Begriffs der Gleichheit treffen Begriffe wie Einheit Unverwechselbarkeit oder Authentizitat den Identitatsbegriff in diesem Kontext eher Die individuelle Identitat einer Person und die kollektive Identitat einer Gemeinschaft weisen eine ahnliche Struktur auf Menschen sind sich vollkommen sicher dass sie existieren jedoch sind sie nicht in der Lage ihre Identitat oder die Identitat einer Nation einer Familie oder ethnischer Gruppen ganzlich zu beschreiben Nach Giesen und Seyfert stellt niemand der sich einer Gemeinschaft zurechnet dabei kritische Fragen Wenn dies doch der Fall ist deutet das darauf hin dass ein Individuum Zweifel am Bestehen einer Identitat aussert Ziel einer kollektiven Identitat sollte es jedoch sein Fraglosigkeit zu konstruieren Kollektive Identitat beruht vermeintlich auf einem Wertekonsens und geteilten Normen Diese sind jedoch so grundsatzlich und abstrakt dass sie vollig gegensatzliche Schlussfolgerungen zulassen Die kollektive Identitat ist also eine Materie die nicht immer konkret ist sondern der aufgrund ihrer Unbestimmtheit jeglicher mogliche Sinn zugeschrieben werden kann Unterscheidung von kollektiver Identitat in der Soziologie und PsychologieDer Begriff der Identitat hat seinen Ursprung sowohl in der Soziologie der Chicago Schule als auch in der Psychoanalyse Sigmund Freuds Die Sozialwissenschaftler Lutz Niethammer und Bernhard Giesen als auch Jurgen Straub und Dieter Rucht verweisen auf die Schlusselrolle des Psychologen Erik H Eriksons bei der Erklarung der Ich Identitat Eriksons Konzept der Ich Identitat baut auf Theorien der Psychoanalyse nach Sigmund Freud auf Sie beschreibt die subjektive in einer Selbstreflexion wahrgenommene Identitat des Individuums welche mit Formulierungen wie Ich bin Ich bin Teil von nach aussen ausgedruckt wird Dieter Rucht kritisiert in seinem Beitrag die vernachlassigte konzeptionelle Analyse der kollektiven Identitat und versucht sich an einer begrifflichen Annaherung an diese Er unterscheidet kollektive Identitat von den in der Ich Psychologie verwendeten Konzepten personaler und sozialer Identitat Als Referenzpunkt der kollektiven Identitat sieht er die Gruppe nicht aber die Person oder Rolle Die Identitat der Gruppe wird durch das Auftreten als Gruppe charakterisiert wahrend die Verbundenheit physisch symbolisch oder rhetorisch sowohl nach innen als auch nach aussen ausgedruckt werden kann Rucht bezeichnet kollektive Identitat auch als Syndrom von Bewusstseins und Ausdrucksformen von mindestens zwei Personen welche um ihre Zusammengehorigkeit als Paar Gruppe Klasse Ethnie Nation usw wissen diese im Regelfall handlungspraktisch demonstrieren und insofern auch von ihrer Umwelt als zusammengehorig wahrgenommen werden Er setzt damit zum einen ein subjektives Wir sind Gefuhl zum anderen eine gewisse Vergemeinschaftung voraus Die Vergemeinschaftung wird durch kontinuierliche Interaktion bzw Organisation gefestigt und symbolisch nach aussen getragen bzw nach innen vermittelt Herausbildung kollektiver IdentitatenMehrere Theoretiker sozialer Bewegungen haben kollektive Identitaten als ein konstitutives Merkmal sozialer Bewegungen hervorgehoben Die gemeinsamen Merkmale die als Kriterien der Gruppenzugehorigkeit oder der Ausgrenzung dienen lassen sich wie folgt differenzieren Zum einen in Unterschiede Gegensatze oder Widerspruche der objektiven Lebenslage womit vor allem positionale Ungleichheiten wie Klassenlagen und Elitepositionen gemeint sind zum anderen in Unterschiede des Verhaltens in Lebensstilen und Kulturen Zu den Dimensionen kollektiver Identitat zahlen also auch gemeinsame Sitten und Brauche geteilte Werte gemeinsame Interessen und Solidaritat Kollektive Identitat erfordert immer ein Mindestmass von Bewusstsein und Selbstbewusstsein innerhalb der Gruppe Spezifische Faktoren welche die Herausbildung kollektiver Identitaten beeinflussen Relativ hohe Homogenitat der objektiven Lebenslage innerhalb potentieller Handlungskollektive sowie Dichotomie der Lebenslagen zwischen ihnen Homogenitat des Habitus und der Lebensstile Alle unbewussten und bewussten Aspekte von Gruppenkulturen Der Charakter der sozialen Organisiertheit Die Herausbildung selbstandiger Bewegungs und Konfliktorganisationen Der Charakter der Mobilisierung Die Herausbildung stabiler gemeinsamer Lebensstile und Sitten entsteht nicht innerhalb kurzer Zeit sie brauchen Zeit um sich in einem Habitus zu verkorpern Bei einer hohen geographischen Mobilitat ist beispielsweise die Entstehung neuer regionaler Sitten selten ebenso bei inter und intragenerationeller Mobilitat zwischen Klassen die Erhaltung von Klassenkulturen unwahrscheinlich Hohe Mobilitaten uben allerdings einen gewissen Druck auf bereits bestehende Kollektive aus was oftmals die Grundlage fur Neu und Umformungen bildet Abgrenzung zwischen nicht organisierten und organisierten kollektiven Identitaten Mit Blick auf soziale Bewegungen und mit Bezug auf Gemeinschaften ist es ein wesentliches Merkmal kollektiver Akteure gemeinsam ein Kollektiv dass sie sich durch spezifische Formen des Organisierens auszeichnen Sowohl soziale Bewegungen als auch Gemeinschaften beruhen auf impliziten und expliziten Regeln und ihre Mitglieder teilen ein bewusstes Zusammengehorigkeitsgefuhl Organisierte kollektive Identitaten werden auch als kollektive Akteure bezeichnet Der Unterschied zu den nicht bzw unorganisierten Kollektiven liegt im Vorhandensein einer Interaktion innerhalb der Kollektive bzw einem Zielgedanken Menschen welche z B aus Ekel keine tierischen Produkte zu sich nehmen und sich damit vegan ernahren kann man als nicht organisierte kollektive Identitat sehen da ihr Veganismus nur auf dem Vorhandensein des gemeinsamen Ekels beruht jedoch nicht auf einem gemeinsamen Zielgedanken Im Gegensatz dazu existieren die kollektiven Akteure welche sich offiziell als Veganer mit dem Ziel den Tierschutz oder Umweltaspekte zu verbessern bezeichnen Idealtypische Eigenschaften von Individuen Organisationen und Kollektiven Nach Ulrich Dolata und Jan Felix Schrape lassen sich folgende Idealtypen sozialer Akteure nach ihren grundsatzlichen Eigenschaften unterscheiden Individuelle Akteure z B Nutzer Nicht organisierte Kollektive z B Masse Menge Kollektive Akteure z B Bewegungen Gemeinschaften Korporative Akteure z B Unternehmen staatliche Organisationen NGOsHandlungsfahigkeit Auf individueller Ebene Keine eigenstandige Strategiefahigkeit Fahigkeit zum uberindividuellen strategischen Handeln Fahigkeit zum uberindividuellen strategischen HandelnHandlungsressourcen Individuelle Ressourcen Situative Aggregation individueller Ressourcen Kollektive Ressourcen Organisationale RessourcenAktivitatsmuster Individuelles Verhalten und Handeln Kollektives Verhalten als Aggregation individueller Handlungen Kollektives Handeln auf Basis von Konsens Verhandlung Abstammung Korporatives Handeln auf Basis formal hierarchischer StrukturenEntscheidungsmodus Individuelle Entscheidungen entlang individueller Praferenzen und Zielsetzungen keine kollektive Entscheidungsfahigkeit Strategische Entscheidungen abhangig von individuellen Praferenzen der Teilnehmer Strategische Entscheidungen abgekoppelt von individuellen Praferenzen der MitgliederStabilitat Gering Kontextabhangig Hoch Die Basis der Tabelle bilden Typen sozialer Akteure die sowohl in der Realitat moderner Gesellschaften auftreten als auch im Internet Individuen Organisationen und Kollektive Sie zeichnen sich durch jeweils spezifische Handlungsorientierungen Wirklichkeitswahrnehmungen und Entscheidungsweisen sowie materielle und immaterielle Handlungsressourcen aus Ursachen der Entstehung und Entwicklung von kollektiver IdentitatEs existieren mehrere Ansatze wie sich kollektive Identitaten bilden und welche spezifischen Faktoren in diesem Prozess eine bedeutende Rolle spielen Es gibt sowohl soziobiologische psychologische als auch symbolisch interaktionistische Erklarungen fur die Herausbildung kollektiver Identitaten Der soziobiologische Ansatz geht davon aus dass Gruppenidentitaten genetisch ubertragbar sowie instinktiv verankert sein konnen In psychologischen Erklarungen werden kollektive Identitaten als Gruppenzugehorigkeitsgefuhl beschrieben Die symbolisch interaktionistischen Ansatze sehen Kollektive Identitaten als notwendige Voraussetzungen aller gesellschaftlicher Beziehungen Unterscheidungen zwischen wir und sie oder ingroup und outgroup entstehen aus sozialen Interaktionen welche wiederum immer mit Stereotypenbildung Herausbildung Stilisierung und Homogenisierung verknupft sind Im Gegensatz zu jenen Ansatzen geht der Soziologe davon aus dass kollektive Identitaten in Situationen der Konkurrenz oder des Kampfes um als knapp erfahrene und definierte Ressourcen oder Belohnungen entstehen Diese Situationen werden durch die Prozesse der Wahrnehmung und Erfahrung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden bestimmt Kollektive Identitaten werden also in Konflikten konstituiert Sie haben daher immer eine wirkliche gemeinsame Grundlage Diese wirkliche Gemeinsamkeit des Habitus und der Sitten ist die Grundlage fur ein Gemeinschaftsgefuhl Zu den spezifischen Faktoren die im Prozess der kollektiven Identitatsbildung beteiligt sind gehoren jene die unter Herausbildung kollektiver Identitaten genannt wurden Homogenitat der objektiven Lebenslage Homogenitat des Habitus und der Lebensstile bewusste und unbewusste Gruppenkulturen Sitten Brauche Rituale soziale Organisiertheit Herausbildung selbstandiger Bewegungs und Konfliktorganisationen sowie intern rekrutierte oppositionelle Eliten Kollektive Identitaten und gemeinsame InteressenKollektive Identitaten entstehen in strategischen Handlungssituationen der Konkurrenz In Konflikten werden neben positionalen Ungleichheiten auch Lebensstile Sitten und Werte zu Interessen jene Interessen fungieren als Basis aller kollektiven Identitaten Das Bestehen kollektiver Identitaten lasst sich jedoch nicht nur auf strategisch variable Interessen reduzieren Bader unterscheidet zwischen vier verschiedenen Moglichkeiten sich am Bestand kollektiver Identitaten zu orientieren affektiv auf die Gemeinschaft vertrauen traditional an kollektiver Identitat orientieren wertrational an kollektiver Identitat orientieren strategisch an kollektiver Identitat orientieren Die verschiedenen Aspekte kollektiver Identitat haben fur verschiedene Konfliktgruppen und Strategietypen wechselnde Bedeutungen Sie sind vom Thema der Konflikte von den Phasen der Mobilisierung von der Eskalation der Konflikte und insbesondere von den jeweiligen Machtpositionen der Konfliktfraktionen abhangig Manche Parteien negativ Privilegierte sind z B mehr auf kollektive Strategien angewiesen als andere positiv Privilegierte Kollektive Identitat am Beispiel der BewegungsforschungMenschen die einmal Teil einer sozialen Bewegung sind welche mehr als einige hundert Personen umfasst und uber einen langeren Zeitraum existiert erleben ein Gefuhl der Solidaritat und Gemeinschaft untereinander Teilweise entstehen kennzeichnende Subkulturen die durch die soziale Bewegung gebildet werden Diese Verbindung zwischen den Akteuren spielt eine entscheidende Rolle bei der Analyse des Prozesses kollektiver Identitat bzw wenn es darum geht zu verstehen was kollektive Identitat bedeutet Der Sozialpsychologe Gustave Le Bon bezeichnete in den 1920er und 30er Jahren jene Identifikationen des Individuums mit der Gruppe als irrationalen unbewussten Vorgang sowie als Folge gesellschaftlichen Zusammenbruchs Arbeiten der 1960er Jahre dagegen vor allem die der Chicagoer Schule sprachen sich fur das rationale Handeln kollektiver Akteure aus Bis in die Mitte der 1980er Jahre diktierte der Ressourcen Mobilisierungs Ansatz die Forschung in Anlehnung an die Arbeiten der Chicago Schule der sich hauptsachlich mit politischen Austauschprozessen und Gelegenheitsstrukturen auseinandersetzte bzw wie Aktivisten und Organisationen diese Strukturen nutzten Die Identifikationsprozesse der vorherigen Forschungsansatze liess dieser weitestgehend unbeachtet Aus diesem Grund beschaftigten sich Forscher in den folgenden Jahren wieder vermehrt mit kulturellen Aspekten und Konstruktionsprozessen sozialer Bewegungen bzw kollektiver Identitaten In den 1990er Jahren wandte sich die Forschung vermehrt identitatsorientierten Bewegungen wie zum Beispiel der Schwulen und Lesbenbewegung nationalistischen Bewegungen und Selbsthilfegruppen zu Deren politische kulturelle und lebensweltliche Konstruktion traten ins Zentrum der Aufmerksamkeit Hier zeigte sich dass Individuen sich mit Gemeinschaften wie beispielsweise der Schwulen und Lesbenbewegung identifizieren und Teil von ihnen werden Dennoch darf trotz identitatsorientierter Bewegungen wie dieser der Prozess kollektiver Identitat nicht mit der Identitat der einzelnen Individuen gleichgesetzt werden Die individuellen Identitaten mussen nicht mit der kollektiven Identitat welche in der Bewegung gebildet wurde ubereinstimmen Anstatt die Selbstdefinition einzelner Akteure zu betrachten muss man Konstruktionsprozesse wie Kollektivitat Solidaritat und Ausgrenzung innerhalb der kollektiven Identitat ansehen In der europaischen Bewegungsforschung Touraine und Kollegen beschrieb das Konzept kollektiver Identitat die Rolle bestimmter Bewegungen in einer sich verandernden Gesellschaft In dieser Perspektive ist die einzig mogliche kollektive Identitat konzeptionell vorgegeben sie muss Beauftragte gesellschaftlichen Wandels sein Laut Touraine deutet der Identitatsbezug sozialer Bewegungen auf die Auflosung traditioneller Rollen in der postindustriellen Gesellschaft hin In der traditionellen als auch in der industriellen Gesellschaft waren soziale Rollen festgelegt und vorgegeben in der postindustriellen Gesellschaft dagegen immer instabiler Indem Individuen den Bezug zu Identitaten herstellen versuchen sie die eigene unsichere Position neu zu festigen versuchte mit seinem Ansatz die Lucke zwischen dem Ressourcen Mobilisierungs Paradigma und den handlungsorientierten Ansatzen der Sozialpsychologie zu schliessen Bei Melucci sind kollektive Identitaten Werkzeuge um die Entstehung Veranderung und Dauer sozialer Bewegungen zu analysieren KontroverseDer Begriff der kollektiven Identitat ist umstritten Wahrend die Existenz einer Identitat als Person die sich im Laufe unserer Sozialisation entwickelt als bestatigt angesehen wird bleibt die Begriffsdefinition kollektiver Identitaten fur manche fraglich Es steht ausser Zweifel dass eine Person gleichzeitig Teil mehrerer Gemeinschaften sein sowie soziale Grenzen uberqueren kann Bernhard Giesen spricht von einer paradoxen Situation in der man den Begriff der Identitat nicht definitiv bestimmen kann Damit ist nicht gemeint dass es missverstandlich ist was unter dem Begriff der Identitat zu verstehen ist sondern dass sich Kollektive selbst suspekt sind Sie verbindet etwas das nicht greifbar ist weshalb Menschen dieser Unbestimmtheit einen Sinn geben Die Intransparenz der Identitat sowohl der individuellen als auch der kollektiven zwingt die Menschen dazu sie permanent neu zu erfinden Gemeinschaften gestalten in ihrer Vorstellung eine kollektive Identitat welche sie z B durch Bilder Flaggen Denkmaler oder Lieder zum Ausdruck bringen Siehe auchKulturelle Identitat Multikollektivitat GemeinschaftLiteraturAlain Touraine Die postindustrielle Gesellschaft Suhrkamp Frankfurt am Main 1972 ISBN 3 518 06370 7 Alberto Melucci Getting Involved Identity and Mobilization in Social Movements 1981 Bernhard Giesen Kollektive Identitat Die Intellektuellen und die Nation Band 2 Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft Frankfurt am Main 1999 ISBN 3 518 29010 X David Snow Collective Identity and Expressive Forms University of California 2001 abgerufen am 22 Dezember 2017 Francesca Polletta und James M Jasper Collective Identity and Social Movements Annual Reviews 2001 abgerufen am 22 Dezember 2017 PDF Hank Johnston und Bert Klandermans Social Movements and Culture Routledge London 2003 ISBN 1 85728 499 2 HB Part 1 Chapter 3 Karl Heinz Hillmann Worterbuch der Soziologie Kroners Taschenausgabe Band 410 5 vollig uberarbeitete und erweiterte Auflage Kroner Stuttgart 2007 ISBN 978 3 520 41005 4 S 431 433 Lutz Niethammer Kollektive Identitat Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur Rowohlt Taschenbuch Verlag 2000 ISBN 3 499 55594 8 Ulrich Dolata und Jan Felix Schrape Hrsg Kollektivitat und Macht im Internet Soziale Bewegungen Open Source Communities Internetkonzerne Springer VS Wiesbaden 2018 ISBN 3 658 17909 0 Veit Michael Bader Kollektives Handeln Protheorie sozialer Ungleichheit und kollektiven Handelns Band 2 Leske Budrich Opladen 1991 ISBN 3 8100 0917 2 EinzelnachweiseKarl Heinz Hillmann Worterbuch der Soziologie Kroners Taschenausgabe Band 410 5 vollig uberarbeitete und erweiterte Auflage Kroner Stuttgart 2007 ISBN 978 3 520 41005 4 S 431 Bernhard Giesen Robert Seyfert Kollektive Identitat Politik und Zeitgeschichte 2013 S 39 43 abgerufen am 23 Dezember 2017 Heft 63 13 14 ISSN 0479 611X eISSN 2194 3621 Ursula Hermann Knaurs Fremdworterlexikon Hrsg Lexikographischen Institut Droemersche Verlagsanstalt Th Knaur Nachf Munchen 1992 ISBN 3 426 82008 0 Erik Erikson Identitat und Lebenszyklus Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft Frankfurt a M 1993 ISBN 3 518 27616 6 Dieter Rucht Neue Soziale Bewegungen Soziale Bewegungen und kollektive Identitat PDF Forschungsjorunal 1995 abgerufen am 10 Oktober 2017 Veit Michael Bader Kollektives Handeln Protheorie sozialer Ungleichheit und kollektiven Handelns Band 2 Leske Budrich Opladen 1991 ISBN 3 8100 0917 2 Veit Michael Bader Kollektives Handeln Protheorie sozialer Ungleichheit und kollektiven Handelns Band 2 Leske Budrich Opladen 1991 ISBN 3 8100 0917 2 S 114 119 Ulrich Dolata Jan Felix Schrape Kollektives Handeln im Internet Eine akteurtheoretische Fundierung In Berliner Journal fur Soziologie Band 24 Nr 1 Springer VS 2014 S 5 30 F W Scharpf Games real actors play Actor centered institutionalism in policy research Hrsg Westview Press 1997 ISBN 978 3 531 14005 6 S 51 ff Veit Michael Bader Kollektives Handeln Protheorie sozialer Ungleichheit und kollektiven Handelns Band 2 Leske Budrich Opladen 1991 ISBN 3 8100 0917 2 S 112 Veit Michael Bader Kollektives Handeln Protheorie sozialer Ungleichheit und kollektiven Handelns Band 2 Leske Budrich Opladen 1991 ISBN 3 8100 0917 2 S 112 119 Veit Michael Bader Kollektives Handeln Protheorie sozialer Ungleichheit und kollektiven Handelns Hrsg Leske Budrich Band 2 Opladen 1991 ISBN 3 8100 0917 2 Sebastian Haunss Was in aller Welt ist kollektive Identitat Bemerkungen und Vorschlage zu Identitat und kollektivem Handeln PDF Gewerkschaftliche Monatshefte 52 5 2001 S 259 262 abgerufen am 29 Dezember 2017 Rogers Brubaker Ethnizitat ohne Gruppen Hamburger Edition Hamburg 2007 ISBN 978 3 936096 84 2

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