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Kulturelle Identität

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Kulturelle Identität
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Unter kultureller Identität versteht man das Zugehörigkeitsgefühl eines Individuums oder einer sozialen Gruppe zu einem bestimmten kulturellen Kollektiv.

Dies kann eine Gesellschaft, ein bestimmtes kulturelles Milieu oder auch eine Subkultur sein. Identität stiftend ist dabei die Vorstellung, sich von anderen Individuen oder Gruppen kulturell zu unterscheiden, das heißt in einer bestimmten Anzahl gesellschaftlich oder geschichtlich erworbener Aspekte wie Sprache, Religion, Nation, Wertvorstellungen, Sitten und Gebräuchen oder in sonstigen Aspekten der Lebenswelt. Die individuellen Weltanschauungen, die eine kulturelle Orientierung prägen, sind heterogen und können durchaus auch zueinander im Widerspruch stehen.

Kulturelle Identität entsteht also aus der diskursiven Konstruktion des „Eigenen“, die durch den Gegensatz zu einem wirklichen oder bloß vorgestellten „Anderen“ hervorgerufen wird. Dieser Vorgang ist stark von Gefühlen geprägt, wobei das Eigene ein Sicherheits-, Geborgenheits- und Heimatgefühl vermittelt.

Gegenüber dem „Anderen“ oder dem „Fremden“, das oft erst im Prozess der Bildung von Identität als solches definiert wird (Othering), kann sich Nichtwahrnehmung, Verunsicherung, Abneigung und sogar Hass entwickeln. Wenn eine Gruppe Unterdrückung, Ausbeutung, Ausgrenzung oder Diskriminierung erleidet, kann ihr die kollektive Identität ein Potenzial zur Selbstbehauptung verschaffen. Dagegen drückt sich vor allem in traditionalen Gesellschaften die kulturelle Identität in einer unhinterfragten Identifikation mit der bestehenden Ordnung aus.

Kulturelle Identität setzt nach George Herbert Mead die Bereitschaft voraus, die Haltung der eigenen Gruppe zu verinnerlichen, die Normen und Werte der Gemeinschaft auch gegen sich selbst zu richten und eine Verantwortung, die das Kollektiv formuliert, „auf seine eigenen Schultern zu laden“ und sich gegenüber den anderen Gemeinschaftsmitgliedern zu verpflichten. In diese kulturelle Identität wird das Individuum durch Sozialisation bzw. Enkulturation eingebunden.

Alle Konzepte kultureller Identität sind zwangsläufig mit Inkohärenzen verbunden, je nachdem ob nationale, regionale, ethnische, sprachliche, religiöse, sexuelle oder ästhetisch-lebenspraktische Komponenten (der Lifestyle) im Vordergrund stehen. Durch das Internet und die sozialen Medien öffnen sich kulturelle Identitäten nach außen und können somit auch sekundär erlernt, übernommen oder konstruiert werden.

Politisierung des Begriffs durch den Cultural Turn

Verstärkt in Gebrauch kam der Begriff der kulturellen Identität seit der „kulturellen Wende“, der anthropologischen Neufassung und Erweiterung des früher rein geisteswissenschaftlichen Kulturbegriffs in den Sozialwissenschaften in den 1990er Jahren. Er wird sowohl von den Vertretern einer Pluralisierung von Identitäten und Lebensformen im Rahmen der Globalisierung als auch von den Befürwortern der Bewahrung nationaler oder religiöser Identitäten und Traditionen benutzt, was zu seiner Unschärfe beiträgt. Ein Beispiel dafür ist die deutsche Debatte um eine Leitkultur im Jahr 2000.

Wahrnehmbar wird kulturelle Identität erst, wenn sie in Frage gestellt wird, also wenn kulturelle Unterschiede relevant werden. Dies geschieht vor allem durch Migration, also in komplexen Zivilisationen, im Kolonialismus, in Großstädten und Industriezentren und ganz allgemein unter Bedingungen sozialen Wandels. Daher ist der Begriff oft mit Konflikten zwischen Trägern verschiedener kultureller Identitäten konnotiert, etwa der Abwehr von Versuchen einer Mehrheitskultur, eine Minderheit kulturell zu dominieren oder zu assimilieren. Bestrebungen traditioneller Gesellschaften zur Stärkung der kulturellen Identität trotz Übernahme moderner Kulturelemente werden als Indigenisierung bezeichnet. Wenn bereits weitgehend assimilierte Ethnien traditionelle Elemente und ihre ethnische Identität wiederbeleben und in modifizierter Form erneut in ihre Kultur integrieren, spricht man von Re-Indigenisierung.

Bildung kultureller Identitäten durch Codes

Der israelische Soziologe Shmuel N. Eisenstadt und sein deutscher Kollege Bernhard Giesen unterscheiden die Bildung kultureller (Gruppen-)Identitäten durch vier Arten von Codes mit zunehmendem Reflexionsniveau:

  • In den ersten, den primordialen Codes, werde die Gruppenzugehörigkeit als naturgegeben betrachtet.
  • In der zweiten Gruppe von Codes werde die kulturelle Identität durch Traditionen und Ursprungsmythen begründet.
  • Die dritte Gruppe, die Delanty kulturelle Codes nennt, beziehe sich auf religiöse oder transzendentale Bezugsgrößen wie Gott, die Vernunft oder die Idee des Fortschritts.
  • In der vierten Gruppe würden die vorher genannten Codes kritisiert und gebrochen; statt Mythen, Traditionen oder metaphysischen Ideen würden soziale und kulturelle Inhalte des Alltagslebens wie Geschmack, materielle Werte oder Privilegien in den Vordergrund rücken.

Der britische Soziologe Gerard Delanty ergänzt eine fünfte und letzte Gruppe von identitätsbildenden Codes, die er Diskursivität nennt. Hier würden die starken Exklusionen, die mit den zuvor genannten Codes einhergegangen seien, im Sinne eines demokratischen Bewusstseins zurückgenommen, der Prozess der Identitätsschaffung werde transparent und reflektiert.

Dimensionen und Ebenen kultureller Identität

Der Dortmunder Politologe Thomas Meyer stellte 2002 ein Modell auf, wie sich kulturelle Identitäten strukturell voneinander unterscheiden und empirisch untersuchen lassen. Er unterscheidet drei „basale Zivilisationsstile“, nämlich

  • den Traditionalismus, der hierarchisch und patriarchalisch die überkommenen kulturellen und sozialen Traditionsbestände gegen Veränderungen zu verteidigen trachtet
  • die Modernisierung oder Liberalisierung, die sich durch das Bestreben auszeichnet, Individualismus, Säkularismus, Rationalismus und Pluralismus gegen die überkommenen Traditionsbestände durchzusetzen
  • den Fundamentalismus, der die defensive Abwehrhaltung des Traditionalismus zu einem offensiven Kampf gegen die Modernisierung radikalisiert.

Meyer lässt dabei die Frage offen, ob es so etwas wie ein Existenzrecht traditioneller Kulturen mit ihren Clans, Familien, Ahnen, Mythen und Göttern gibt oder nur ein Recht der Individuen auf kulturelle Selbstbestimmung.

Quer zu diesen Zivilisationsstilen diagnostiziert er drei verschiedene Ebenen von möglichen Werthaltungen und Gewohnheiten, die sich zu kulturellen Identitäten zusammenfügen können:

  • die Ebene der persönlichen Glaubenswahrheiten und metaphysischen Sinngebungen (ways of believing)
  • die Ebene der alltagskulturellen Lebensweisen, von Tischsitten über Wohnformen bis zu Arbeitsethiken (ways of life)
  • die Ebene der soziopolitischen Gemeinschaftswerte, etwa zur Frage, wie Gerechtigkeit, Freiheit oder Sicherheit in einer Kultur definiert werden und welchen Stellenwert sie haben („ways of living together“).

Theorien zum Kulturkontakt

Da kulturelle Identität nur in der Kontrastierung mit anderen kulturellen Identitäten wahrnehmbar wird, sind für sie Kulturkontakte von großer Bedeutung. Diese Kontakte, die oft konflikthaft ablaufen, lassen sich in drei Gruppen einteilen:

Kulturkontakt innerhalb einer Gesellschaft

Hier ist häufig eine Dominanz der majoritären Kultur über die der Minderheit zu beobachten, in der die minoritäre Kultur diskriminiert wird. Diese Benachteiligung kann zum einen in Ausgrenzung oder Marginalisierung bestehen, wie z. B. in der Ghettoisierung von Juden im Mittelalter oder im Apartheidregime in Südafrika. Die minoritäre Kultur reagiert auf ihre Ausgrenzung typischerweise mit der Ausbildung einer trotzig-stolzen kulturellen „Widerstandsidentität“. Der Zionismus oder die südafrikanische Black-Consciousness-Bewegung sind Beispiele dafür. Es kann auch zu einem Selbstausschluss der Minderheitskultur in einer Parallelgesellschaft kommen, wie sie etwa zum Teil in Deutschland lebenden Türken vorgeworfen wird.

Andererseits kann die Diskriminierung auch darin bestehen, dass die Mehrheitskultur den kulturellen Unterschied der Minderheit aufheben will und Druck auf eine Assimilierung macht. Gegen eine solche Aufgabe der eigenen kulturellen Identität wehrt sich die betroffene Minderheit zumeist mit allen Mitteln (siehe zum Beispiel den Schulstreik in Wreschen, mit dem sich die Polen von 1901 bis 1904 gegen das von Preußen verhängte Verbot ihrer Sprache im Religionsunterricht wehrten).

Positive Beispiele für eine gelungene Integration von Minderheiten ohne Aufgabe der eigenen kulturellen Identität oder für friedliche gegenseitige Befruchtung zweier Kulturen sind in Geschichte und Gegenwart selten. Hier wird oft das Kalifat von Córdoba genannt, wo große Toleranz gegenüber Juden und Christen herrschte, die als Dhimmas aber dennoch eine Sondersteuer zahlen mussten. Ähnlich verhält es sich mit dem Sizilien unter der Herrschaft der Normannen und unter Kaiser Friedrich II, wo die Toleranz gegenüber Juden und Muslimen vor allem im Verhältnis zur sonstigen mittelalterlichen Unterdrückungspraxis bemerkenswert erscheint. Auch das häufig genannte Beispiel des US-amerikanischen Melting Pot, in dem die zahlreichen Immigranten im 19. Jahrhundert mit den zum Teil schon seit Generationen in den USA lebenden Bürgern kulturell zu einem Ganzen verschmolzen wären, lässt sich mit Blick auf die Diskriminierung von Nicht-Protestanten der zweiten Einwanderungswelle seit den 1880er Jahren (vor allem Italiener, Iren, Polen und Juden) nicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten. In Ländern Europas erhoben Angehörige der zweiten Generation von Immigranten wie die Beurs seit den 1980er Jahren zum Teil gewaltsam Ansprüche auf Anerkennung ihrer kulturellen Identität und protestierten gegen rassistische Ausgrenzung. Dies erfolgt dem Ethnologen Werner Schiffauer zufolge in einem „Balanceakt“ zwischen der „Notwendigkeit, sich selbst treu zu bleiben (also eine Kontinuität herzustellen)“, und dem „Bedürfnis, sich selbst zu verwirklichen (also sich gerade nicht auf seinen Hintergrund festzulegen)“.

Für die verschiedenen Formen des Kulturkontaktes innerhalb einer Gesellschaft und der damit einhergehenden Akkulturation entwickelte der amerikanische Psychologe John W. Berry ein Schema, definiert über die Fragen, ob die Minderheitengruppe die eigene Kultur beibehalten will/soll oder nicht und ob irgendeine Form des Kontakts zwischen Mehrheit und Minderheit bestehen soll oder nicht: Werden beide Fragen mit ja beantwortet, spricht Berry von Integration. Ist Kontakt erwünscht, aber keine Beibehaltung der kulturellen Identität, von Assimilierung. Wenn Kontakt nicht erwünscht ist, die minoritäre Gruppe ihre Kultur aber beibehalten darf, von Segregation. Ist weder das eine noch das andere gestattet, von Marginalisierung oder Exklusion.

Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher kultureller Identitäten wird gegenwärtig unter dem Schlagwort der multikulturellen Gesellschaft diskutiert. Dabei wird von Wissenschaftlern wie Bassam Tibi und Politikern wie Norbert Lammert die Wünschbarkeit einer solchen Gesellschaft bezweifelt, da eine Gleichwertigkeit aller kulturellen Identitäten als Werterelativismus und Abwertung der eigenen Mehrheits- oder Leitkultur angesehen wird. Auch wird kritisiert, dass in einer multikulturellen Gesellschaft die verschiedenen Gruppen nebeneinanderher leben würden, es also zur Ausbildung von Parallelgesellschaften komme. Der Philosoph Wolfgang Welsch schlug 1992 den Begriff der Transkulturellen Gesellschaft vor, deren Mitglieder durch vielfältige Kontakte ihre kulturellen Identitäten weiterentwickeln, sich der „fremden“ Anteile in ihrem Identitätskonzept aber bewusst bleiben.

In diesem Zusammenhang ist aktuell umstritten, ob kulturelle Aneignung statthaft ist, das heißt, wenn kulturelle Produkte, die von einer Gruppe als identitätsstiftend angesehen werden (Mode, Musik, Haartracht), von Menschen verwendet werden, die dieser Gruppe nicht angehören. Die Kritik richtet sich gegen Weiße bzw. Angehörige einer Dominanzkultur, die sie sich aus einem Repertoire kultureller Praktiken bedienen, ohne dazu etwas beigetragen und ohne die mit der Entwicklung des jeweiligen Produkts verbundenen Diskriminierungserfahrung durchlitten zu haben. Damit eignen sie sich laut dem Kulturwissenschaftler Greg Tate, „everything but the burden“ an: „alles außer der Last“. Diese unreflektierte Aneignungspraxis bestärke somit ihre Privilegien. Gegen diese Argumentation wird eingewendet, dass dadurch kulturelle Identität essenzialisiert werde: Man erkläre die Zuschreibung zu einer kulturell definierten Gruppe rigide für unabänderlich, eskamotiere die Unterschiede innerhalb dieser Gruppe und lasse die zu anderen Kulturgruppen künstlich größer erscheinen, wodurch der Ideenfluss zwischen kulturellen Gruppen behindert werde.

Kulturkontakt durch Expansion nach Urs Bitterli

Hier unterscheidet der Schweizer Historiker Urs Bitterli am Beispiel der europäischen Expansion der Frühen Neuzeit Kulturberührung, Kulturzusammenstoß und Kulturbeziehung.

  • Unter Kulturberührung versteht er die meist oberflächlichen (Erst-)Kontakte zwischen den Kolonisatoren und der indigenen Bevölkerung. Sie verliefen oft friedlich, etwa mit dem Austausch von Geschenken oder kleineren Handelsgeschäften und hatten auf die kulturelle Identität beider Seiten zunächst wenig Einfluss. Die Europäer brachten nämlich feste Vorstellung mit sowohl von sich selbst als kulturell überlegen als auch von den Menschen, die sie antrafen: Diese wurden entweder als „edle Wilde“ idealisiert oder aber als „Kannibalen“ verteufelt.
  • Als Kulturzusammenstoß bezeichnet Bitterli die gewalttätige Unterdrückung der indigenen Kulturen, die überall dort auftrat, wo die Europäer auf technisch nicht gleich starke Zivilisationen trafen. Die Kulturberührung schlug regelmäßig dann in Gewalt um, wenn die Vertreter der indigenen Kultur sich durch die Missionsversuche und das Erwerbsstreben der Europäer in ihrer Lebensweise und ihrem Besitzstand bedroht fühlten. Regelmäßig unterwarfen die Europäer die Indigenen der Sklaverei oder anderen Formen des Arbeitszwangs. Auch kulturelle Missverständnisse trugen dazu bei, dass das anfängliche Vertrauen und der Respekt gegenüber den Europäern rasch verloren ging.
  • Kulturbeziehungen, also ein wechselseitiges Verhältnis des Gebens und Nehmens, waren nach Bitterli nur dann möglich, wenn die Europäer auf gleich starke Zivilisationen trafen. In einer solchen machtpolitischen Pattsituation, wie sie lange Zeit gegenüber dem islamischen Kulturkreis, gegenüber Indien und China herrschte, bestanden die Beziehungen zwischen beiden Seiten in einem beide bereichernden Austausch und zeigten sich im Handel, aber auch in kultureller Beeinflussung in beide Richtungen, wie etwa in der jesuitischen Mission in China, der in Europa eine starke Bewunderung für chinesische Kunst und chinesisches Handwerk gegenüberstand. Hier kann man wenigstens im Ansatz von einer gegenseitigen Akkulturation sprechen, das heißt einer wechselseitigen kulturellen Befruchtung, Bereicherung und Durchdringung.

Kulturbegegnung durch globale Kommunikation

Im Zeitalter der Globalisierung nehmen die Möglichkeiten für Kulturkontakte sehr stark zu, ob sie nun über Migration, die Medien, den Welthandel oder über den Tourismus erfolgen. Immer weniger Weltgegenden bleiben somit von Kulturkontakten unberührt. Im Wettstreit der Kulturen, der dadurch ermöglicht wird, sind die modernen, wirtschaftlich erfolgreichen und am individuellen Konsum ausgerichteten Kulturen des Westens, vor allem der USA, anderen, traditionelleren Kulturen anscheinend überlegen. Die dadurch bedingte Gefährdung der eigenen kulturellen Identität wird von muslimischen, aber auch von europäischen Rechten als Kulturimperialismus kritisiert.

In den Kultur- und den Sozialwissenschaften wird andererseits verbreitet angenommen, dass die Globalisierung gerade nicht zu einer weltweiten kulturellen Homogenisierung führt, sondern eher zu einer Hybridisierung, also zu vielfältigen, auch widersprüchlichen Mischformen kultureller Identität, wie sie etwa für Migranten typisch sei. Dabei würden die verschiedenen Traditionen nicht im Sinne einer Kreolisierung miteinander verschmelzen. Vielmehr bedeute Hybridität das Entstehen eines „dritten Raums“, in dem die Ansprüche der Mehrheits- und der Herkunftskultur ausgehandelt und neue Positionen konstruiert würden, die aber in keine neue Essenz münden. Der Soziologe Stuart Hall plädiert in diesem Zusammenhang dafür, sowohl die verschiedenen Identitätspolitiken zu untersuchen, also die inkludierenden und exkludierenden Fremd- und Selbstzuschreibungen kultureller Gruppen, als auch die (oft nur temporären) individuellen Identifikationen: In diesem Sinne seien Identitäten „nur Punkte vorübergehender Bindung an die Subjektpositionen, die diskursive Praktiken für uns konstruieren.“

Kulturelle Identität in der Rechtsordnung

Die Rechtsordnung ist vor die Aufgabe gestellt, bei Ausländern, die im Gast- oder Einwanderungsland leben, die Spannung zwischen dem Erfordernis der Integration für ein geordnetes Zusammenleben und der Wahrung ihrer kulturellen Identität angemessen zu lösen. Dabei kann die Interessenlage der einzelnen sehr unterschiedlich sein. Ein Flüchtling oder Asylbewerber fühlt sich unter Umständen dem Gastland stärker als seinem Heimatland verbunden. Anderseits werden wohl Mitarbeiter multinationaler Unternehmen, ausländische Studenten, Diplomaten oder andere Rückkehrwillige so weit wie möglich in der Beurteilung ihrer höchstpersönlichen Angelegenheiten die Wahrung ihrer kulturellen Identität wünschen. Viele wandern erst im Erwachsenenalter aus, so dass sie, insbesondere im familiärer Hinsicht, stark von ihrem Heimatrecht geprägt sind.

Bei der Beurteilung solcher persönlichen Rechtsverhältnisse, die eine natürliche Person betreffen (Personalstatut), insbesondere der Rechtsfähigkeit, des Namensrechts, der Geschäftsfähigkeit (Mündigkeit), der Entmündigung, einer Todeserklärung, der Eheschließungsvoraussetzungen, der allgemeinen Ehewirkung, des ehelichen Güterstandes, des Rechts der Scheidung, des Unterhaltsrechts, des Rechts der Abstammung, des Sorgerechts, der Adoption oder der Rechtsnachfolge von Todes wegen, stellt sich die Frage, ob das Recht des ständigen Aufenthaltsortes, wo sich der Ausländer integrieren soll, oder das Recht desjenigen Staates, welchem der Ausländer angehört, vorzugswürdig sei. Diese Entscheidung liegt dem Internationalen Privatrecht ob.

Viele klassische Einwanderungsländer, wie die USA oder Australien, knüpfen am Recht des ständigen Aufenthaltsorts (Domizil) an, was den Integrationsdruck auf Ausländer erheblich erhöht. Dies zwingt insbesondere dazu, Wert- und Gesetzesvorstellungen des Einwanderungslandes auch in Familienangelegenheiten zu übernehmen. Deutschland hat sich dafür entschieden, das Personalstatut grundsätzlich dem Recht desjenigen Staates zu unterstellen, dem der Ausländer angehört. Das gilt auch dann, wenn der Heimatstaat weiter auf religiöses Recht verweist. Dadurch wird eine wesentlich weiterreichende Wahrung der kulturellen Identität erzielt. Nur wenn die Regelungen des Heimatstaates mit deutschen Wertvorstellungen unvereinbar sind, greifen deutsche Behörden und Gerichte korrigierend ein (Ordre-public-Vorbehalt).

Kontroverse

Der Begriff der kulturellen Identität ist Mitte der 1990er Jahre im Zusammenhang mit der Kontroverse um das 1996 erschienene Buch Kampf der Kulturen (The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order) des US-amerikanischen Politikwissenschaftlers Samuel P. Huntington in die Kritik geraten. Huntington vertrat darin die These, dass die Weltpolitik nach dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr von politischen, ideologischen oder ökonomischen Auseinandersetzungen bestimmt sei, sondern von Konflikten zwischen Angehörigen unterschiedlicher „Kulturkreise“. Gerade in Zeiten der Globalisierung werde das Bedürfnis, sich von anderen zu unterscheiden, also die eigene kulturelle Identität zu betonen, immer stärker. Huntington identifizierte sechs Kulturkreise mit ihren jeweiligen Kernstaaten, nämlich China, Japan, den slawisch-orthodoxen Raum mit Russland, Indien, die islamischen Staaten und die Westliche Welt. Das Zentrum einer jeden dieser Kulturen bestehe in einer Reihe von Grundwerten, die prinzipiell miteinander unverträglich seien. Dadurch würden Konflikte zwischen ihnen – ja ein eigentlicher „Kampf der Kulturen“ – unumgänglich.

Die Ereignisse des 11. September 2001 mit den anschließenden Kriegen gegen den Terror in Afghanistan und im Irak und die zweite Intifada seit 2000 wurden verschiedentlich als Beleg für Huntingtons These gewertet, indem sie wie ein globaler Kampf der westlichen gegen die islamische Kultur interpretiert wurden.

Gegen Huntingtons These wird indes eingewandt, dass sie im Sinne einer Selbsterfüllenden Prophezeiung den Kampf erst herbeiführe, da Versuche, ein friedliches Zusammenleben verschiedener Kulturen zu erreichen, von vornherein als aussichtslos hingestellt würden. Der Politikwissenschaftler Thomas Meyer zeigt zudem auf, dass die Unterschiede in der Bewertung verschiedener Grundprobleme wie Unsicherheitsvermeidung, Ungleichheit oder Individualismus zwischen verschiedenen islamischen Ländern größer sind als zu einzelnen Ländern anderer Kulturkreise. Das Konzept einer einheitlichen kulturellen Identität von Staaten und Staatengruppen, das Huntingtons These zugrunde liegt, gehe also an der Realität vorbei:

„Die Ideologie vom Kampf der Kulturen aufgrund unversöhnlicher Differenzen ihrer sozialen Grundwerte findet in den empirischen Daten keine Bestätigung, Im Gegenteil: Kulturübergreifende Ähnlichkeiten und Überlappungen lassen sich zwischen allen Kulturen erkennen. Die Konfliktlinien, die in der Sache begründet sind, verlaufen vielmehr in den Kulturen.“

Ähnlich argumentiert auch der indische Nobelpreisträger Amartya Sen gegen Huntingtons Vorstellungen von Konflikten, die sich aus Unterschieden in der kulturellen Identität ergeben würden:

„Eine Person kann gänzlich widerspruchsfrei amerikanische Bürgerin, von karibischer Herkunft mit afrikanischen Vorfahren, Christin, Liberale, Frau, Vegetarierin, Langstreckenläuferin, Heterosexuelle, Tennisfan etc. sein.“

Die Menschen seien eben „auf unterschiedliche Weise verschieden“: Der Begriff der kulturellen Identität tauge daher nicht dazu, Prognosen über das Verhalten kulturell definierter Kollektive zu machen.

Der deutsche Volkskundler Konrad Köstlin kritisiert Huntingtons These, weil sie Kultur als „Prägestempel“ missverstehe, der die Menschen unausweichlich voneinander trenne. Sie erscheine somit als ein statisches Bündel verbindlicher Regeln statt als individueller Identitätsbildungsprozess, der von dem einen Mitglied eines Kulturkreises so, von einem anderen anders durchlaufen werde. Der Ethnologe Andre Gingrich rückt Huntingtons Konzept in die Nähe eines Rassismus ohne Rassen, der nicht die Überlegenheit der Europäer behauptet, sondern die Unmöglichkeit für Menschen unterschiedlicher kultureller Prägung, miteinander zu leben.

Siehe auch

Portal: Migration und Integration – Artikel, Kategorien und mehr zu Migration und Flucht, Interkulturellem Dialog und Integration
  • Theorie der sozialen Identität
  • Kulturökologie
  • Ethnizität
  • Kollektive Identität

Literatur

  • Urs Bitterli: Alte Welt – neue Welt. Formen des europäisch-überseeischen Kulturkontaktes vom 15. bis zum 18. Jahrhundert. Beck, München 1986, ISBN 3-406-31271-3.
  • Stuart Hall: Rassismus und kulturelle Identität. Argument, Hamburg 1994, ISBN 3-88619-226-1.
  • Gerard Delanty: Inventing Europe: Idea, Identity, Reality. MacMillan, London 1995, ISBN 0-333-62202-2 (aber auch ISBN 0-333-62203-0).
  • Samuel P. Huntington: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. Europa, München 1996, ISBN 3-203-78001-1.
  • Thomas Meyer: Identitätspolitik. Vom Missbrauch des kulturellen Unterschieds. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-518-12272-X.
  • Amartya Sen: Die Identitätsfalle. Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-55812-2.
  • : Zur Konstruktion kollektiver Identitäten in Asien (= Bonner Asienstudien. 5). EB-Verlag, Schenefeld 2007, ISBN 978-3-936912-62-3.
  • Aurel Croissant, Uwe Wagschal, Nicolas Schwank, Christoph Trinn: Kulturelle Konflikte seit 1945: Die kulturellen Dimensionen des globalen Konfliktgeschehens. Nomos, Baden-Baden 2009, ISBN 978-3-8329-4296-0.
  • François Jullien: Es gibt keine kulturelle Identität. Wir verteidigen die Ressourcen einer Kultur (= edition suhrkamp. 2718). Suhrkamp, Frankfurt am Main 2017, ISBN 978-3-518-12718-6.
  • Yves Bizeul, Dennis Rudolf (Hrsg.): Gibt es eine kulturelle Identität? Nomos, Baden-Baden 2020, ISBN 978-3-8487-5618-6.

Fußnoten

  1. S. Ganguin, U. Sander: Identitätskonstruktionen in digitalen Welten. In: U. Sander, F. von Gross, K. U. Hugger (Hrsg.:) Handbuch Medienpädagogik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2012, ISBN 978-3-531-91158-8.
  2. John L. Comaroff, Jean Comaroff: Ethnizität. In: Andre Gingrich, Fernand Kreff, Eva-Maria Knoll (Hrsg.): Lexikon der Globalisierung. transcript, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-8376-1822-8, S. 68–71, hier S. 69.
  3. Shmuel N. Eisenstadt, Bernd Giesen: The Construction of Collective Identity. In: Archives européennes de sociologie. 36, 1995, S. 72–102.
  4. Gerard Delanty: Inventing Europe: Idea, Identity, Reality. MacMillan, London 1995.
  5. Thomas Meyer: Parallelgesellschaft und Demokratie. In: derselbe und Reinhard Weil (Hrsg.): Die Bürgergesellschaft. Perspektiven für Bürgerbeteiligung und Bürgerkommunikation. Dietz, Bonn 2002, S. 343–372, zitiert nach Politische Kultur und kultureller Pluralismus auf der Webseite der Friedrich-Ebert-Stiftung, Zugriff am 19. Juli 2020.
  6. Friedrich Heckmann: Ethnische Minderheiten, Volk und Nation. Soziologie inter-ethnischer Beziehungen. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1992, ISBN 3-432-99971-2, S. 49 f. (abgerufen über De Gruyter Online), S. 200 ff. u.ö.; Petra Aigner: Migrationssoziologie. Eine Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2017, S. 96 ff.
  7. Manuel Castells: Die Macht der Identität. Leske + Budrich, Opladen 2002.
  8. Klaus J. Bade: Migration, Integration und kulturelle Vielfalt: historische Erfahrungen undaktuelle Herausforderungen, Köln 2007; Hacı-Halil Uslucan: Türkeistämmige in Deutschland. Heimatlos oder überall zuhause?. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 11-12 (2017), Zugriff beide Male am 19. Juli 2020.
  9. Robert Spät: Die „polnische Frage“ in der öffentlichen Diskussion im Deutschen Reich 1894–1918. Herder-Institut, Marburg 2014, S. 61–80.
  10. Richard Fletcher: Ein Elefant für Karl den Großen. Christen und Muslime im Mittelalter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, S. 52–60.
  11. Gunther Wolf: Kaiser Friedrich II. und die Juden. Ein Beispiel für den Einfluß der Juden auf die mittelalterliche Geistesgeschichte. In: Paul Wilpert (Hrsg.): Judentum im Mittelalter. Beiträge zum christlich-jüdischen Gespräch. Walter de Gruyter, Berlin 1966, ISBN 978-3-11-084215-9, S. 435–441; Hubert Houben: Kaiser Friedrich II. (1194-1250). Herrscher, Mensch, Mythos. Kohlhammer, Stuttgart 2008, S. 156.
  12. Susan J. Dicker: Languages in America. A Pluralist View. 2. Auflage. Multilingual Matters, Clevedon/Buffalo/Toronto/Sydney 2003, ISBN 1-85359-651-5, S. 38–45.
  13. Zitiert nach Alexa Färber: Identität. In: Brigitta Schmidt-Lauber, Manuel Liebig (Hrsg.): Begriffe der Gegenwart. Ein kulturwissenschaftliches Glossar. Böhlau, Wien 2022, ISBN 978-3-205-21272-0, S. 143–152, hier S. 146 f.
  14. John Berry, David Sam: Acculturation and Adaptation. In: dieselben, Marshall Segall und Cigdem Kagitcibasi: Handbook of Cross-Cultural Psychology. Bd: Social Behavior and Applications. Allyn & Bacon, Needham Heights 1997, S. 291–326.
  15. Bassam Tibi: Europa ohne Identität? Leitkultur oder Wertebeliebigkeit. Die Krise der multikulturellen Gesellschaft. btb, München 2000.
  16. Interview: „Das Parlament hat kein Diskussionsmonopol“. Der neue Bundestagspräsident Norbert Lammert über die Konkurrenz durch Talkshows und den Ansehensverlust der Politik. In: Die Zeit. 20. Oktober 2005, Zugriff am 14. Mai 2010.
  17. Wolfgang Welsch: Transkulturalität. Lebensformen nach der Auflösung der Kulturen. In: Information Philosophie. (1992), Heft 2, S. 5–20.
  18. Alexa Färber: Identität. In: Brigitta Schmidt-Lauber, Manuel Liebig (Hrsg.): Begriffe der Gegenwart. Ein kulturwissenschaftliches Glossar. Böhlau, Wien 2022, S. 143–152, hier S. 144.
  19. Greg Tate: Everything but the Burden: What White People are Taking from Black Culture. Harlem Moon, New York 2003, zitiert nach Jens Kastner: Von Black Power bis Ta-Nehisi Coates. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 16. März 2018.
  20. Keven Fletcher: Cultural Appropriation and the Telling of Wisdom Stories. In: Tracy Ann Hayes, Theresa Edlmann, Laurinda Brown (Hrsg.): Storytelling: Global Reflections on Narrative. Brill, Leiden/Boston, ISBN 978-90-04-39640-1, S. 185–194, hier S. 190 ff.
  21. Urs Bitterli: Alte Welt – neue Welt. Formen des europäisch-überseeischen Kulturkontakts vom 15. bis zum 18. Jahrhundert. C. H. Beck, München 1986, S. 17 ff.
  22. Urs Bitterli: Der Eingeborene im Weltbild der Aufklärungszeit. In: Archiv für Kulturgeschichte 53, Heft 2 (1971), S. 249–263.
  23. Urs Bitterli: Alte Welt – neue Welt. Formen des europäisch-überseeischen Kulturkontakts vom 15. bis zum 18. Jahrhundert. C. H. Beck, München 1986, S. 200.
  24. Abu Sadat Nurullah: Globalisation as a Challenge to Islamic Cultural Identity. In The International Journal of Interdisciplinary Social Sciences: Annual Review. Band 3, Heft 6, 2008, S. 45–52; Roland Eckert: Kulturelle Homogenität und aggressive Intoleranz. Eine Kritik der Neuen Rechten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Nr. 44, 2010, Zugriff am 19. Juli 2020.
  25. Fernand Kreff und Adelheid Pichler: Hybridität. In: Fernand Kreff, Eva-Maria Knoll, und Andre Gingrich (Hrsg.): Lexikon der Globalisierung. transcript, Bielefeld 2011, S. 141 f.
  26. Zitiert nach Alexa Färber: Identität. In: Brigitta Schmidt-Lauber, Manuel Liebig (Hrsg.): Begriffe der Gegenwart. Ein kulturwissenschaftliches Glossar. Böhlau, Wien 2022, S. 143–152, hier S. 149.
  27. Karl Firsching, Bernd von Hoffmann: Internationales Privatrecht. (= JuS Schriftenreihe. H. 18). 5. Auflage. C. H. Beck, München 1999, ISBN 3-406-42440-6, § 5 Rn. 5.
  28. Auch zum Folgenden siehe Samuel Huntington, Fouad Ajami u. a.: The Clash of Civilizations? The Debate. In: Foreign Affairs. 1996.
  29. Thomas Meyer: Was ist Fundamentalismus? Eine Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011, S. 92.
  30. Amartya Sen: Die Identitätsfalle: warum es keinen Krieg der Kulturen gibt. C. H. Beck, München 2007, S. 8 ff.
  31. Konrad Köstlin: Kampf der Kulturen. In: Fernand Kreff, Eva-Maria Knoll, und Andre Gingrich (Hrsg.): Lexikon der Globalisierung. Transcript, Bielefeld 2011, S. 179–183.
  32. Andre Gingrich: Rassismus. In derselbe, Fernand Kreff, Eva-Maria Knoll (Hrsg.): Lexikon der Globalisierung. transcript, Bielefeld 2011, S. 335–338, hier S. 336 f.

Autor: www.NiNa.Az

Veröffentlichungsdatum: 15 Jul 2025 / 17:04

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Unter kultureller Identitat versteht man das Zugehorigkeitsgefuhl eines Individuums oder einer sozialen Gruppe zu einem bestimmten kulturellen Kollektiv Dies kann eine Gesellschaft ein bestimmtes kulturelles Milieu oder auch eine Subkultur sein Identitat stiftend ist dabei die Vorstellung sich von anderen Individuen oder Gruppen kulturell zu unterscheiden das heisst in einer bestimmten Anzahl gesellschaftlich oder geschichtlich erworbener Aspekte wie Sprache Religion Nation Wertvorstellungen Sitten und Gebrauchen oder in sonstigen Aspekten der Lebenswelt Die individuellen Weltanschauungen die eine kulturelle Orientierung pragen sind heterogen und konnen durchaus auch zueinander im Widerspruch stehen Kulturelle Identitat entsteht also aus der diskursiven Konstruktion des Eigenen die durch den Gegensatz zu einem wirklichen oder bloss vorgestellten Anderen hervorgerufen wird Dieser Vorgang ist stark von Gefuhlen gepragt wobei das Eigene ein Sicherheits Geborgenheits und Heimatgefuhl vermittelt Gegenuber dem Anderen oder dem Fremden das oft erst im Prozess der Bildung von Identitat als solches definiert wird Othering kann sich Nichtwahrnehmung Verunsicherung Abneigung und sogar Hass entwickeln Wenn eine Gruppe Unterdruckung Ausbeutung Ausgrenzung oder Diskriminierung erleidet kann ihr die kollektive Identitat ein Potenzial zur Selbstbehauptung verschaffen Dagegen druckt sich vor allem in traditionalen Gesellschaften die kulturelle Identitat in einer unhinterfragten Identifikation mit der bestehenden Ordnung aus Kulturelle Identitat setzt nach George Herbert Mead die Bereitschaft voraus die Haltung der eigenen Gruppe zu verinnerlichen die Normen und Werte der Gemeinschaft auch gegen sich selbst zu richten und eine Verantwortung die das Kollektiv formuliert auf seine eigenen Schultern zu laden und sich gegenuber den anderen Gemeinschaftsmitgliedern zu verpflichten In diese kulturelle Identitat wird das Individuum durch Sozialisation bzw Enkulturation eingebunden Alle Konzepte kultureller Identitat sind zwangslaufig mit Inkoharenzen verbunden je nachdem ob nationale regionale ethnische sprachliche religiose sexuelle oder asthetisch lebenspraktische Komponenten der Lifestyle im Vordergrund stehen Durch das Internet und die sozialen Medien offnen sich kulturelle Identitaten nach aussen und konnen somit auch sekundar erlernt ubernommen oder konstruiert werden Politisierung des Begriffs durch den Cultural TurnVerstarkt in Gebrauch kam der Begriff der kulturellen Identitat seit der kulturellen Wende der anthropologischen Neufassung und Erweiterung des fruher rein geisteswissenschaftlichen Kulturbegriffs in den Sozialwissenschaften in den 1990er Jahren Er wird sowohl von den Vertretern einer Pluralisierung von Identitaten und Lebensformen im Rahmen der Globalisierung als auch von den Befurwortern der Bewahrung nationaler oder religioser Identitaten und Traditionen benutzt was zu seiner Unscharfe beitragt Ein Beispiel dafur ist die deutsche Debatte um eine Leitkultur im Jahr 2000 Wahrnehmbar wird kulturelle Identitat erst wenn sie in Frage gestellt wird also wenn kulturelle Unterschiede relevant werden Dies geschieht vor allem durch Migration also in komplexen Zivilisationen im Kolonialismus in Grossstadten und Industriezentren und ganz allgemein unter Bedingungen sozialen Wandels Daher ist der Begriff oft mit Konflikten zwischen Tragern verschiedener kultureller Identitaten konnotiert etwa der Abwehr von Versuchen einer Mehrheitskultur eine Minderheit kulturell zu dominieren oder zu assimilieren Bestrebungen traditioneller Gesellschaften zur Starkung der kulturellen Identitat trotz Ubernahme moderner Kulturelemente werden als Indigenisierung bezeichnet Wenn bereits weitgehend assimilierte Ethnien traditionelle Elemente und ihre ethnische Identitat wiederbeleben und in modifizierter Form erneut in ihre Kultur integrieren spricht man von Re Indigenisierung Bildung kultureller Identitaten durch CodesDer israelische Soziologe Shmuel N Eisenstadt und sein deutscher Kollege Bernhard Giesen unterscheiden die Bildung kultureller Gruppen Identitaten durch vier Arten von Codes mit zunehmendem Reflexionsniveau In den ersten den primordialen Codes werde die Gruppenzugehorigkeit als naturgegeben betrachtet In der zweiten Gruppe von Codes werde die kulturelle Identitat durch Traditionen und Ursprungsmythen begrundet Die dritte Gruppe die Delanty kulturelle Codes nennt beziehe sich auf religiose oder transzendentale Bezugsgrossen wie Gott die Vernunft oder die Idee des Fortschritts In der vierten Gruppe wurden die vorher genannten Codes kritisiert und gebrochen statt Mythen Traditionen oder metaphysischen Ideen wurden soziale und kulturelle Inhalte des Alltagslebens wie Geschmack materielle Werte oder Privilegien in den Vordergrund rucken Der britische Soziologe Gerard Delanty erganzt eine funfte und letzte Gruppe von identitatsbildenden Codes die er Diskursivitat nennt Hier wurden die starken Exklusionen die mit den zuvor genannten Codes einhergegangen seien im Sinne eines demokratischen Bewusstseins zuruckgenommen der Prozess der Identitatsschaffung werde transparent und reflektiert Dimensionen und Ebenen kultureller IdentitatDer Dortmunder Politologe Thomas Meyer stellte 2002 ein Modell auf wie sich kulturelle Identitaten strukturell voneinander unterscheiden und empirisch untersuchen lassen Er unterscheidet drei basale Zivilisationsstile namlich den Traditionalismus der hierarchisch und patriarchalisch die uberkommenen kulturellen und sozialen Traditionsbestande gegen Veranderungen zu verteidigen trachtet die Modernisierung oder Liberalisierung die sich durch das Bestreben auszeichnet Individualismus Sakularismus Rationalismus und Pluralismus gegen die uberkommenen Traditionsbestande durchzusetzen den Fundamentalismus der die defensive Abwehrhaltung des Traditionalismus zu einem offensiven Kampf gegen die Modernisierung radikalisiert Meyer lasst dabei die Frage offen ob es so etwas wie ein Existenzrecht traditioneller Kulturen mit ihren Clans Familien Ahnen Mythen und Gottern gibt oder nur ein Recht der Individuen auf kulturelle Selbstbestimmung Quer zu diesen Zivilisationsstilen diagnostiziert er drei verschiedene Ebenen von moglichen Werthaltungen und Gewohnheiten die sich zu kulturellen Identitaten zusammenfugen konnen die Ebene der personlichen Glaubenswahrheiten und metaphysischen Sinngebungen ways of believing die Ebene der alltagskulturellen Lebensweisen von Tischsitten uber Wohnformen bis zu Arbeitsethiken ways of life die Ebene der soziopolitischen Gemeinschaftswerte etwa zur Frage wie Gerechtigkeit Freiheit oder Sicherheit in einer Kultur definiert werden und welchen Stellenwert sie haben ways of living together Theorien zum KulturkontaktDa kulturelle Identitat nur in der Kontrastierung mit anderen kulturellen Identitaten wahrnehmbar wird sind fur sie Kulturkontakte von grosser Bedeutung Diese Kontakte die oft konflikthaft ablaufen lassen sich in drei Gruppen einteilen Kulturkontakt innerhalb einer Gesellschaft Hier ist haufig eine Dominanz der majoritaren Kultur uber die der Minderheit zu beobachten in der die minoritare Kultur diskriminiert wird Diese Benachteiligung kann zum einen in Ausgrenzung oder Marginalisierung bestehen wie z B in der Ghettoisierung von Juden im Mittelalter oder im Apartheidregime in Sudafrika Die minoritare Kultur reagiert auf ihre Ausgrenzung typischerweise mit der Ausbildung einer trotzig stolzen kulturellen Widerstandsidentitat Der Zionismus oder die sudafrikanische Black Consciousness Bewegung sind Beispiele dafur Es kann auch zu einem Selbstausschluss der Minderheitskultur in einer Parallelgesellschaft kommen wie sie etwa zum Teil in Deutschland lebenden Turken vorgeworfen wird Andererseits kann die Diskriminierung auch darin bestehen dass die Mehrheitskultur den kulturellen Unterschied der Minderheit aufheben will und Druck auf eine Assimilierung macht Gegen eine solche Aufgabe der eigenen kulturellen Identitat wehrt sich die betroffene Minderheit zumeist mit allen Mitteln siehe zum Beispiel den Schulstreik in Wreschen mit dem sich die Polen von 1901 bis 1904 gegen das von Preussen verhangte Verbot ihrer Sprache im Religionsunterricht wehrten Positive Beispiele fur eine gelungene Integration von Minderheiten ohne Aufgabe der eigenen kulturellen Identitat oder fur friedliche gegenseitige Befruchtung zweier Kulturen sind in Geschichte und Gegenwart selten Hier wird oft das Kalifat von Cordoba genannt wo grosse Toleranz gegenuber Juden und Christen herrschte die als Dhimmas aber dennoch eine Sondersteuer zahlen mussten Ahnlich verhalt es sich mit dem Sizilien unter der Herrschaft der Normannen und unter Kaiser Friedrich II wo die Toleranz gegenuber Juden und Muslimen vor allem im Verhaltnis zur sonstigen mittelalterlichen Unterdruckungspraxis bemerkenswert erscheint Auch das haufig genannte Beispiel des US amerikanischen Melting Pot in dem die zahlreichen Immigranten im 19 Jahrhundert mit den zum Teil schon seit Generationen in den USA lebenden Burgern kulturell zu einem Ganzen verschmolzen waren lasst sich mit Blick auf die Diskriminierung von Nicht Protestanten der zweiten Einwanderungswelle seit den 1880er Jahren vor allem Italiener Iren Polen und Juden nicht mehr uneingeschrankt aufrechterhalten In Landern Europas erhoben Angehorige der zweiten Generation von Immigranten wie die Beurs seit den 1980er Jahren zum Teil gewaltsam Anspruche auf Anerkennung ihrer kulturellen Identitat und protestierten gegen rassistische Ausgrenzung Dies erfolgt dem Ethnologen Werner Schiffauer zufolge in einem Balanceakt zwischen der Notwendigkeit sich selbst treu zu bleiben also eine Kontinuitat herzustellen und dem Bedurfnis sich selbst zu verwirklichen also sich gerade nicht auf seinen Hintergrund festzulegen Fur die verschiedenen Formen des Kulturkontaktes innerhalb einer Gesellschaft und der damit einhergehenden Akkulturation entwickelte der amerikanische Psychologe John W Berry ein Schema definiert uber die Fragen ob die Minderheitengruppe die eigene Kultur beibehalten will soll oder nicht und ob irgendeine Form des Kontakts zwischen Mehrheit und Minderheit bestehen soll oder nicht Werden beide Fragen mit ja beantwortet spricht Berry von Integration Ist Kontakt erwunscht aber keine Beibehaltung der kulturellen Identitat von Assimilierung Wenn Kontakt nicht erwunscht ist die minoritare Gruppe ihre Kultur aber beibehalten darf von Segregation Ist weder das eine noch das andere gestattet von Marginalisierung oder Exklusion Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher kultureller Identitaten wird gegenwartig unter dem Schlagwort der multikulturellen Gesellschaft diskutiert Dabei wird von Wissenschaftlern wie Bassam Tibi und Politikern wie Norbert Lammert die Wunschbarkeit einer solchen Gesellschaft bezweifelt da eine Gleichwertigkeit aller kulturellen Identitaten als Werterelativismus und Abwertung der eigenen Mehrheits oder Leitkultur angesehen wird Auch wird kritisiert dass in einer multikulturellen Gesellschaft die verschiedenen Gruppen nebeneinanderher leben wurden es also zur Ausbildung von Parallelgesellschaften komme Der Philosoph Wolfgang Welsch schlug 1992 den Begriff der Transkulturellen Gesellschaft vor deren Mitglieder durch vielfaltige Kontakte ihre kulturellen Identitaten weiterentwickeln sich der fremden Anteile in ihrem Identitatskonzept aber bewusst bleiben In diesem Zusammenhang ist aktuell umstritten ob kulturelle Aneignung statthaft ist das heisst wenn kulturelle Produkte die von einer Gruppe als identitatsstiftend angesehen werden Mode Musik Haartracht von Menschen verwendet werden die dieser Gruppe nicht angehoren Die Kritik richtet sich gegen Weisse bzw Angehorige einer Dominanzkultur die sie sich aus einem Repertoire kultureller Praktiken bedienen ohne dazu etwas beigetragen und ohne die mit der Entwicklung des jeweiligen Produkts verbundenen Diskriminierungserfahrung durchlitten zu haben Damit eignen sie sich laut dem Kulturwissenschaftler Greg Tate everything but the burden an alles ausser der Last Diese unreflektierte Aneignungspraxis bestarke somit ihre Privilegien Gegen diese Argumentation wird eingewendet dass dadurch kulturelle Identitat essenzialisiert werde Man erklare die Zuschreibung zu einer kulturell definierten Gruppe rigide fur unabanderlich eskamotiere die Unterschiede innerhalb dieser Gruppe und lasse die zu anderen Kulturgruppen kunstlich grosser erscheinen wodurch der Ideenfluss zwischen kulturellen Gruppen behindert werde Kulturkontakt durch Expansion nach Urs Bitterli Hier unterscheidet der Schweizer Historiker Urs Bitterli am Beispiel der europaischen Expansion der Fruhen Neuzeit Kulturberuhrung Kulturzusammenstoss und Kulturbeziehung Unter Kulturberuhrung versteht er die meist oberflachlichen Erst Kontakte zwischen den Kolonisatoren und der indigenen Bevolkerung Sie verliefen oft friedlich etwa mit dem Austausch von Geschenken oder kleineren Handelsgeschaften und hatten auf die kulturelle Identitat beider Seiten zunachst wenig Einfluss Die Europaer brachten namlich feste Vorstellung mit sowohl von sich selbst als kulturell uberlegen als auch von den Menschen die sie antrafen Diese wurden entweder als edle Wilde idealisiert oder aber als Kannibalen verteufelt Als Kulturzusammenstoss bezeichnet Bitterli die gewalttatige Unterdruckung der indigenen Kulturen die uberall dort auftrat wo die Europaer auf technisch nicht gleich starke Zivilisationen trafen Die Kulturberuhrung schlug regelmassig dann in Gewalt um wenn die Vertreter der indigenen Kultur sich durch die Missionsversuche und das Erwerbsstreben der Europaer in ihrer Lebensweise und ihrem Besitzstand bedroht fuhlten Regelmassig unterwarfen die Europaer die Indigenen der Sklaverei oder anderen Formen des Arbeitszwangs Auch kulturelle Missverstandnisse trugen dazu bei dass das anfangliche Vertrauen und der Respekt gegenuber den Europaern rasch verloren ging Kulturbeziehungen also ein wechselseitiges Verhaltnis des Gebens und Nehmens waren nach Bitterli nur dann moglich wenn die Europaer auf gleich starke Zivilisationen trafen In einer solchen machtpolitischen Pattsituation wie sie lange Zeit gegenuber dem islamischen Kulturkreis gegenuber Indien und China herrschte bestanden die Beziehungen zwischen beiden Seiten in einem beide bereichernden Austausch und zeigten sich im Handel aber auch in kultureller Beeinflussung in beide Richtungen wie etwa in der jesuitischen Mission in China der in Europa eine starke Bewunderung fur chinesische Kunst und chinesisches Handwerk gegenuberstand Hier kann man wenigstens im Ansatz von einer gegenseitigen Akkulturation sprechen das heisst einer wechselseitigen kulturellen Befruchtung Bereicherung und Durchdringung Kulturbegegnung durch globale Kommunikation Im Zeitalter der Globalisierung nehmen die Moglichkeiten fur Kulturkontakte sehr stark zu ob sie nun uber Migration die Medien den Welthandel oder uber den Tourismus erfolgen Immer weniger Weltgegenden bleiben somit von Kulturkontakten unberuhrt Im Wettstreit der Kulturen der dadurch ermoglicht wird sind die modernen wirtschaftlich erfolgreichen und am individuellen Konsum ausgerichteten Kulturen des Westens vor allem der USA anderen traditionelleren Kulturen anscheinend uberlegen Die dadurch bedingte Gefahrdung der eigenen kulturellen Identitat wird von muslimischen aber auch von europaischen Rechten als Kulturimperialismus kritisiert In den Kultur und den Sozialwissenschaften wird andererseits verbreitet angenommen dass die Globalisierung gerade nicht zu einer weltweiten kulturellen Homogenisierung fuhrt sondern eher zu einer Hybridisierung also zu vielfaltigen auch widerspruchlichen Mischformen kultureller Identitat wie sie etwa fur Migranten typisch sei Dabei wurden die verschiedenen Traditionen nicht im Sinne einer Kreolisierung miteinander verschmelzen Vielmehr bedeute Hybriditat das Entstehen eines dritten Raums in dem die Anspruche der Mehrheits und der Herkunftskultur ausgehandelt und neue Positionen konstruiert wurden die aber in keine neue Essenz munden Der Soziologe Stuart Hall pladiert in diesem Zusammenhang dafur sowohl die verschiedenen Identitatspolitiken zu untersuchen also die inkludierenden und exkludierenden Fremd und Selbstzuschreibungen kultureller Gruppen als auch die oft nur temporaren individuellen Identifikationen In diesem Sinne seien Identitaten nur Punkte vorubergehender Bindung an die Subjektpositionen die diskursive Praktiken fur uns konstruieren Kulturelle Identitat in der RechtsordnungDie Rechtsordnung ist vor die Aufgabe gestellt bei Auslandern die im Gast oder Einwanderungsland leben die Spannung zwischen dem Erfordernis der Integration fur ein geordnetes Zusammenleben und der Wahrung ihrer kulturellen Identitat angemessen zu losen Dabei kann die Interessenlage der einzelnen sehr unterschiedlich sein Ein Fluchtling oder Asylbewerber fuhlt sich unter Umstanden dem Gastland starker als seinem Heimatland verbunden Anderseits werden wohl Mitarbeiter multinationaler Unternehmen auslandische Studenten Diplomaten oder andere Ruckkehrwillige so weit wie moglich in der Beurteilung ihrer hochstpersonlichen Angelegenheiten die Wahrung ihrer kulturellen Identitat wunschen Viele wandern erst im Erwachsenenalter aus so dass sie insbesondere im familiarer Hinsicht stark von ihrem Heimatrecht gepragt sind Bei der Beurteilung solcher personlichen Rechtsverhaltnisse die eine naturliche Person betreffen Personalstatut insbesondere der Rechtsfahigkeit des Namensrechts der Geschaftsfahigkeit Mundigkeit der Entmundigung einer Todeserklarung der Eheschliessungsvoraussetzungen der allgemeinen Ehewirkung des ehelichen Guterstandes des Rechts der Scheidung des Unterhaltsrechts des Rechts der Abstammung des Sorgerechts der Adoption oder der Rechtsnachfolge von Todes wegen stellt sich die Frage ob das Recht des standigen Aufenthaltsortes wo sich der Auslander integrieren soll oder das Recht desjenigen Staates welchem der Auslander angehort vorzugswurdig sei Diese Entscheidung liegt dem Internationalen Privatrecht ob Viele klassische Einwanderungslander wie die USA oder Australien knupfen am Recht des standigen Aufenthaltsorts Domizil an was den Integrationsdruck auf Auslander erheblich erhoht Dies zwingt insbesondere dazu Wert und Gesetzesvorstellungen des Einwanderungslandes auch in Familienangelegenheiten zu ubernehmen Deutschland hat sich dafur entschieden das Personalstatut grundsatzlich dem Recht desjenigen Staates zu unterstellen dem der Auslander angehort Das gilt auch dann wenn der Heimatstaat weiter auf religioses Recht verweist Dadurch wird eine wesentlich weiterreichende Wahrung der kulturellen Identitat erzielt Nur wenn die Regelungen des Heimatstaates mit deutschen Wertvorstellungen unvereinbar sind greifen deutsche Behorden und Gerichte korrigierend ein Ordre public Vorbehalt KontroverseDer Begriff der kulturellen Identitat ist Mitte der 1990er Jahre im Zusammenhang mit der Kontroverse um das 1996 erschienene Buch Kampf der Kulturen The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order des US amerikanischen Politikwissenschaftlers Samuel P Huntington in die Kritik geraten Huntington vertrat darin die These dass die Weltpolitik nach dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr von politischen ideologischen oder okonomischen Auseinandersetzungen bestimmt sei sondern von Konflikten zwischen Angehorigen unterschiedlicher Kulturkreise Gerade in Zeiten der Globalisierung werde das Bedurfnis sich von anderen zu unterscheiden also die eigene kulturelle Identitat zu betonen immer starker Huntington identifizierte sechs Kulturkreise mit ihren jeweiligen Kernstaaten namlich China Japan den slawisch orthodoxen Raum mit Russland Indien die islamischen Staaten und die Westliche Welt Das Zentrum einer jeden dieser Kulturen bestehe in einer Reihe von Grundwerten die prinzipiell miteinander unvertraglich seien Dadurch wurden Konflikte zwischen ihnen ja ein eigentlicher Kampf der Kulturen unumganglich Die Ereignisse des 11 September 2001 mit den anschliessenden Kriegen gegen den Terror in Afghanistan und im Irak und die zweite Intifada seit 2000 wurden verschiedentlich als Beleg fur Huntingtons These gewertet indem sie wie ein globaler Kampf der westlichen gegen die islamische Kultur interpretiert wurden Gegen Huntingtons These wird indes eingewandt dass sie im Sinne einer Selbsterfullenden Prophezeiung den Kampf erst herbeifuhre da Versuche ein friedliches Zusammenleben verschiedener Kulturen zu erreichen von vornherein als aussichtslos hingestellt wurden Der Politikwissenschaftler Thomas Meyer zeigt zudem auf dass die Unterschiede in der Bewertung verschiedener Grundprobleme wie Unsicherheitsvermeidung Ungleichheit oder Individualismus zwischen verschiedenen islamischen Landern grosser sind als zu einzelnen Landern anderer Kulturkreise Das Konzept einer einheitlichen kulturellen Identitat von Staaten und Staatengruppen das Huntingtons These zugrunde liegt gehe also an der Realitat vorbei Die Ideologie vom Kampf der Kulturen aufgrund unversohnlicher Differenzen ihrer sozialen Grundwerte findet in den empirischen Daten keine Bestatigung Im Gegenteil Kulturubergreifende Ahnlichkeiten und Uberlappungen lassen sich zwischen allen Kulturen erkennen Die Konfliktlinien die in der Sache begrundet sind verlaufen vielmehr in den Kulturen Ahnlich argumentiert auch der indische Nobelpreistrager Amartya Sen gegen Huntingtons Vorstellungen von Konflikten die sich aus Unterschieden in der kulturellen Identitat ergeben wurden Eine Person kann ganzlich widerspruchsfrei amerikanische Burgerin von karibischer Herkunft mit afrikanischen Vorfahren Christin Liberale Frau Vegetarierin Langstreckenlauferin Heterosexuelle Tennisfan etc sein Die Menschen seien eben auf unterschiedliche Weise verschieden Der Begriff der kulturellen Identitat tauge daher nicht dazu Prognosen uber das Verhalten kulturell definierter Kollektive zu machen Der deutsche Volkskundler Konrad Kostlin kritisiert Huntingtons These weil sie Kultur als Pragestempel missverstehe der die Menschen unausweichlich voneinander trenne Sie erscheine somit als ein statisches Bundel verbindlicher Regeln statt als individueller Identitatsbildungsprozess der von dem einen Mitglied eines Kulturkreises so von einem anderen anders durchlaufen werde Der Ethnologe Andre Gingrich ruckt Huntingtons Konzept in die Nahe eines Rassismus ohne Rassen der nicht die Uberlegenheit der Europaer behauptet sondern die Unmoglichkeit fur Menschen unterschiedlicher kultureller Pragung miteinander zu leben Siehe auchPortal Migration und Integration Artikel Kategorien und mehr zu Migration und Flucht Interkulturellem Dialog und Integration Theorie der sozialen Identitat Kulturokologie Ethnizitat Kollektive IdentitatLiteraturUrs Bitterli Alte Welt neue Welt Formen des europaisch uberseeischen Kulturkontaktes vom 15 bis zum 18 Jahrhundert Beck Munchen 1986 ISBN 3 406 31271 3 Stuart Hall Rassismus und kulturelle Identitat Argument Hamburg 1994 ISBN 3 88619 226 1 Gerard Delanty Inventing Europe Idea Identity Reality MacMillan London 1995 ISBN 0 333 62202 2 aber auch ISBN 0 333 62203 0 Samuel P Huntington Kampf der Kulturen Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21 Jahrhundert Europa Munchen 1996 ISBN 3 203 78001 1 Thomas Meyer Identitatspolitik Vom Missbrauch des kulturellen Unterschieds Suhrkamp Frankfurt am Main 2002 ISBN 3 518 12272 X Amartya Sen Die Identitatsfalle Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt Beck Munchen 2007 ISBN 978 3 406 55812 2 Zur Konstruktion kollektiver Identitaten in Asien Bonner Asienstudien 5 EB Verlag Schenefeld 2007 ISBN 978 3 936912 62 3 Aurel Croissant Uwe Wagschal Nicolas Schwank Christoph Trinn Kulturelle Konflikte seit 1945 Die kulturellen Dimensionen des globalen Konfliktgeschehens Nomos Baden Baden 2009 ISBN 978 3 8329 4296 0 Francois Jullien Es gibt keine kulturelle Identitat Wir verteidigen die Ressourcen einer Kultur edition suhrkamp 2718 Suhrkamp Frankfurt am Main 2017 ISBN 978 3 518 12718 6 Yves Bizeul Dennis Rudolf Hrsg Gibt es eine kulturelle Identitat Nomos Baden Baden 2020 ISBN 978 3 8487 5618 6 FussnotenS Ganguin U Sander Identitatskonstruktionen in digitalen Welten In U Sander F von Gross K U Hugger Hrsg Handbuch Medienpadagogik VS Verlag fur Sozialwissenschaften 2012 ISBN 978 3 531 91158 8 John L Comaroff Jean Comaroff Ethnizitat In Andre Gingrich Fernand Kreff Eva Maria Knoll Hrsg Lexikon der Globalisierung transcript Bielefeld 2011 ISBN 978 3 8376 1822 8 S 68 71 hier S 69 Shmuel N Eisenstadt Bernd Giesen The Construction of Collective Identity In Archives europeennes de sociologie 36 1995 S 72 102 Gerard Delanty Inventing Europe Idea Identity Reality MacMillan London 1995 Thomas Meyer Parallelgesellschaft und Demokratie In derselbe und Reinhard Weil Hrsg Die Burgergesellschaft Perspektiven fur Burgerbeteiligung und Burgerkommunikation Dietz Bonn 2002 S 343 372 zitiert nach Politische Kultur und kultureller Pluralismus auf der Webseite der Friedrich Ebert Stiftung Zugriff am 19 Juli 2020 Friedrich Heckmann Ethnische Minderheiten Volk und Nation Soziologie inter ethnischer Beziehungen Ferdinand Enke Verlag Stuttgart 1992 ISBN 3 432 99971 2 S 49 f abgerufen uber De Gruyter Online S 200 ff u o Petra Aigner Migrationssoziologie Eine Einfuhrung VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2017 S 96 ff Manuel Castells Die Macht der Identitat Leske Budrich Opladen 2002 Klaus J Bade Migration Integration und kulturelle Vielfalt historische Erfahrungen undaktuelle Herausforderungen Koln 2007 Haci Halil Uslucan Turkeistammige in Deutschland Heimatlos oder uberall zuhause In Aus Politik und Zeitgeschichte 11 12 2017 Zugriff beide Male am 19 Juli 2020 Robert Spat Die polnische Frage in der offentlichen Diskussion im Deutschen Reich 1894 1918 Herder Institut Marburg 2014 S 61 80 Richard Fletcher Ein Elefant fur Karl den Grossen Christen und Muslime im Mittelalter Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2005 S 52 60 Gunther Wolf Kaiser Friedrich II und die Juden Ein Beispiel fur den Einfluss der Juden auf die mittelalterliche Geistesgeschichte In Paul Wilpert Hrsg Judentum im Mittelalter Beitrage zum christlich judischen Gesprach Walter de Gruyter Berlin 1966 ISBN 978 3 11 084215 9 S 435 441 Hubert Houben Kaiser Friedrich II 1194 1250 Herrscher Mensch Mythos Kohlhammer Stuttgart 2008 S 156 Susan J Dicker Languages in America A Pluralist View 2 Auflage Multilingual Matters Clevedon Buffalo Toronto Sydney 2003 ISBN 1 85359 651 5 S 38 45 Zitiert nach Alexa Farber Identitat In Brigitta Schmidt Lauber Manuel Liebig Hrsg Begriffe der Gegenwart Ein kulturwissenschaftliches Glossar Bohlau Wien 2022 ISBN 978 3 205 21272 0 S 143 152 hier S 146 f John Berry David Sam Acculturation and Adaptation In dieselben Marshall Segall und Cigdem Kagitcibasi Handbook of Cross Cultural Psychology Bd Social Behavior and Applications Allyn amp Bacon Needham Heights 1997 S 291 326 Bassam Tibi Europa ohne Identitat Leitkultur oder Wertebeliebigkeit Die Krise der multikulturellen Gesellschaft btb Munchen 2000 Interview Das Parlament hat kein Diskussionsmonopol Der neue Bundestagsprasident Norbert Lammert uber die Konkurrenz durch Talkshows und den Ansehensverlust der Politik In Die Zeit 20 Oktober 2005 Zugriff am 14 Mai 2010 Wolfgang Welsch Transkulturalitat Lebensformen nach der Auflosung der Kulturen In Information Philosophie 1992 Heft 2 S 5 20 Alexa Farber Identitat In Brigitta Schmidt Lauber Manuel Liebig Hrsg Begriffe der Gegenwart Ein kulturwissenschaftliches Glossar Bohlau Wien 2022 S 143 152 hier S 144 Greg Tate Everything but the Burden What White People are Taking from Black Culture Harlem Moon New York 2003 zitiert nach Jens Kastner Von Black Power bis Ta Nehisi Coates In Aus Politik und Zeitgeschichte 16 Marz 2018 Keven Fletcher Cultural Appropriation and the Telling of Wisdom Stories In Tracy Ann Hayes Theresa Edlmann Laurinda Brown Hrsg Storytelling Global Reflections on Narrative Brill Leiden Boston ISBN 978 90 04 39640 1 S 185 194 hier S 190 ff Urs Bitterli Alte Welt neue Welt Formen des europaisch uberseeischen Kulturkontakts vom 15 bis zum 18 Jahrhundert C H Beck Munchen 1986 S 17 ff Urs Bitterli Der Eingeborene im Weltbild der Aufklarungszeit In Archiv fur Kulturgeschichte 53 Heft 2 1971 S 249 263 Urs Bitterli Alte Welt neue Welt Formen des europaisch uberseeischen Kulturkontakts vom 15 bis zum 18 Jahrhundert C H Beck Munchen 1986 S 200 Abu Sadat Nurullah Globalisation as a Challenge to Islamic Cultural Identity In The International Journal of Interdisciplinary Social Sciences Annual Review Band 3 Heft 6 2008 S 45 52 Roland Eckert Kulturelle Homogenitat und aggressive Intoleranz Eine Kritik der Neuen Rechten In Aus Politik und Zeitgeschichte Nr 44 2010 Zugriff am 19 Juli 2020 Fernand Kreff und Adelheid Pichler Hybriditat In Fernand Kreff Eva Maria Knoll und Andre Gingrich Hrsg Lexikon der Globalisierung transcript Bielefeld 2011 S 141 f Zitiert nach Alexa Farber Identitat In Brigitta Schmidt Lauber Manuel Liebig Hrsg Begriffe der Gegenwart Ein kulturwissenschaftliches Glossar Bohlau Wien 2022 S 143 152 hier S 149 Karl Firsching Bernd von Hoffmann Internationales Privatrecht JuS Schriftenreihe H 18 5 Auflage C H Beck Munchen 1999 ISBN 3 406 42440 6 5 Rn 5 Auch zum Folgenden siehe Samuel Huntington Fouad Ajami u a The Clash of Civilizations The Debate In Foreign Affairs 1996 Thomas Meyer Was ist Fundamentalismus Eine Einfuhrung VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2011 S 92 Amartya Sen Die Identitatsfalle warum es keinen Krieg der Kulturen gibt C H Beck Munchen 2007 S 8 ff Konrad Kostlin Kampf der Kulturen In Fernand Kreff Eva Maria Knoll und Andre Gingrich Hrsg Lexikon der Globalisierung Transcript Bielefeld 2011 S 179 183 Andre Gingrich Rassismus In derselbe Fernand Kreff Eva Maria Knoll Hrsg Lexikon der Globalisierung transcript Bielefeld 2011 S 335 338 hier S 336 f

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