Als Lebensführung oder Lebenswandel wird in der Umgangssprache die Art und Weise bezeichnet mit der Personen ihren Allta
Lebensführung

Als Lebensführung (oder Lebenswandel) wird in der Umgangssprache die Art und Weise bezeichnet, mit der Personen ihren Alltag praktisch gestalten.
Begriff
Der Begriff Lebensführung wird in unterschiedlichsten Kontexten und Konnotationen verwendet. Man spricht mit Blick auf medizinische Themen von einer „gesunden“ oder „ungesunden“ Lebensführung, fragt möglicherweise in der Soziologie nach einer „standesgemäßen“ Lebensführung bestimmter Gruppen in der Gesellschaft (sozialer Status) oder interessierte sich mit religiöser Intention dafür, was eine „gottgefällige“ Lebensführung ist. Gemeinsam ist dem Wortgebrauch, dass damit ein aktiv gestaltenderer Umgang mit dem eigenen Leben angesprochen wird. Sprachlich weist das Grundwort „Führung“ zwar auf den sozialwissenschaftlichen Begriff der Führung hin, wird jedoch auf die Selbstführung beschränkt.Menschenführung oder Unternehmensführung als Unterarten des Führungsbegriffs sind dagegen stets Fremdführung (Management).
Soziologie
In der Wissenschaft und dort vor allem in der Soziologie wird der Begriff Lebensführung traditionell stark mit der religionshistorischen Arbeit von Max Weber verbunden. Berühmt geworden ist seine These, dass der moderne Kapitalismus neben seinen rein ökonomischen und technischen Grundlagen auch auf einer spezifischen Arbeits- und Berufsethik beruht (Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus). Diese habe, so Weber, ihre Grundlage in religiösen Werten (v. a. im Protestantismus und darin besonders im Calvinismus), die Menschen dazu veranlassen eine auf Effizienz und Erfolg (vor allem im Beruf) ausgerichtete „methodische Lebensführung“ anzustreben.
Schon bei Weber wird Lebensführung unterschieden von der Frage nach dem spezifischen „Lebensstil“ bestimmter Gruppen, vor allem bei etablierten Ständen. Gemeint ist damit, wie eine Lebensführung im alltäglichen Handeln mit symbolischen Ausdrucksformen (zum Beispiel Kleidung, Wohnraumausstattung, Statussymbole) stilisiert wird, um die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu demonstrieren und sich von anderen Gruppen zu distanzieren bzw. diese auszuschließen.
Die sich auf Weber beziehende Forschung hat diesen Unterschied der zwei Begriffe lange Zeit nicht bewusst registriert (u. a. deswegen, weil die US-amerikanische Weberforschung Lebensführung als „Life-style“ übersetzte und damit beide Begriffe vermischte). Erst in einer neueren deutschen Forschungsrichtung aus dem Umfeld der subjektorientierten Soziologie wurde dieser Unterschied wieder gezielt aufgegriffen, die dann den Begriff der „alltäglichen Lebensführung“ in Absetzung vom „Lebensstil“ (wie auch vom marxistischen Konzept der „Lebensweise“ und vom Begriff „Lebenswelt“ der Phänomenologie, bzw. bei Jürgen Habermas) prägte und in umfangreichen Forschungen empirisch anwendete. Der Begriff steht inzwischen für ein etabliertes Forschungsfeld, das neben der soziologischen Lebensstilforschung Beachtung findet.
Aus Sicht der soziologischen Systemtheorie von Niklas Luhmann legte Jan V. Wirth im Jahr 2014 eine Theorie der Lebensführung der Gesellschaft vor, die Lebensführung als Arrangement von Inklusion (Einbeziehung, Teilhabe) und Exklusion (Ausgrenzung, Nicht-Teilhabe) fasst.
In der Lebensführung von Personen, so der ökosoziale Ansatz von Wolf Rainer Wendt, nutzen sie Mittel und Wege, Zeit und materielle und immaterielle Ressourcen. Unter Gesichtspunkten der sozialen und gesundheitlichen Versorgung wird die „Ökonomie der Lebensführung“ (Nomos, Baden-Baden 2017) u. a. so erklärt: Individuell und gemeinsam wird das Leben im Bedingungsrahmen und in dynamischer Wechselbeziehung von persönlicher Daseinsvorsorge, sozialen Arrangements und öffentlicher Daseinsvorsorge geführt.
Alltägliche Lebensführung
Als alltägliche Lebensführung wird soziologisch der alltagspraktische Zusammenhang aller Handlungen von Personen in ihren verschiedenen Lebensbereichen definiert, wie Arbeitswelt, Familie, Freizeit, Bildung, politisches und zivilgesellschaftliches Engagement usw. Thema des im Rahmen der Münchener Subjektorientierten Soziologie entstandenen Konzepts ist damit das gesamte tätige Leben von Individuen, aber nicht in seiner gesamten Länge (wie es Thema der Biographie- oder Lebensverlaufsforschung ist), sondern quasi in seiner Breite. Gegenstand ist also nicht die Diachronie, d. h. der langzeitliche Ablauf des Lebens, der jedoch ein wichtiger Hintergrund und Fluchtpunkt von Lebensführung ist, sondern die Synchronie des Alltags, die aber natürlich zeitlichen Veränderungen unterliegt.
Dabei interessiert weniger die konkrete Vielfalt der einzelnen Tätigkeiten (wie sie etwa von der Zeitbudgetforschung oder der Zeitgeographie untersucht wird), als vielmehr der alltägliche Zusammenhang der Aktivitäten von Menschen. Es geht um das individuelle „Arrangement der verschiedenen sozialen Arrangements“ von Personen oder um die Art und Weise, wie das Alltagsleben von Menschen in den für sie relevanten Lebenssphären (mit denen man sich arrangieren muss) zusammengehalten wird – oder alltagssprachlich mit einer häufig zu hörenden Formulierung: wie man sein Leben „auf die Reihe“ oder „unter den Hut bekommt“.
Dieses System der Alltäglichen Lebensführung ist aus soziologischer Sicht nicht sozial vorgegeben und mehr oder weniger passiv übernommen, sondern es ist eine aktive Konstruktion der Betroffenen. Trotzdem „gehört“ die alltägliche Lebensführung den Personen nur bedingt (genauso, wie sie meist nur begrenzt eine bewusste Konstruktion ist). Sie besitzt vielmehr eine an das Subjekt gebundene aber von ihr nur teilweise steuerbare strukturelle Eigenlogik, die ein zentraler Erkenntnisgegenstand der Lebensführungsforschung ist. In dieser Eigenlogik erfüllt Lebensführung wichtige Funktionen für die Person (zum Beispiel die Entlastung von Handlungsentscheidungen) wie für die Gesellschaft (zum Beispiel die alltagspraktische Vermittlung verschiedener gesellschaftlicher Bereiche) und bildet schließlich ein bisher in der Soziologie weitgehend vernachlässigtes Vermittlungsmoment im spannungsreichen Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft.
Die Lebensführung einer Gruppe oder Lebensgemeinschaft, so auch die familiale Lebensführung, entsteht aus den Lebensführungen der einzelnen Mitglieder und ihren Wechselwirkungen untereinander.
Das Konzept der Alltäglichen Lebensführung wurde hinsichtlich verschiedener theoretischer Aspekte weiterentwickelt (zum Beispiel mit der Frage nach Bedeutung von Lebensführung für die Identitätskonstruktion von Personen, vgl. Behringer) und bei einer großen Zahl von Gruppen und in Bezug auf vielfältige Fragestellungen empirisch untersucht.
Eine besondere Beachtung fand der Begriff der Alltäglichen Lebensführung in den Arbeiten des Begründers der kritischen Psychologie, Klaus Holzkamp. Kurz vor seinem Tod griff er den Ansatz der Alltäglichen Lebensführung auf und versuchte, diesen als Basis für ein von ihm angestrebtes „subjektwissenschaftliches Grundkonzept“ zu verwenden. Dies blieb jedoch Fragment.
Lebensführung aus Sicht der Medizin
Eine großangelegte Studie zeigte 2012: Die sogenannten „großen vier Risikofaktoren“ – Rauchen, Diabetes, hoher Blutdruck und/oder Cholesterinspiegel – haben unerwartet starken Einfluss auf das Risiko, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden. Schon einer dieser Faktoren kann das normale Risiko laut Studie auf etwa das Zehnfache steigern. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch, auf den keiner der Risikofaktoren zutrifft, im Laufe seines Lebens einen Infarkt erleidet, liegt bei unter fünf Prozent. Das individuelle Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko wird bisher nur für die nächsten fünf oder zehn Jahre geschätzt. Viele Menschen unterschätzen ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen drastisch.
Lebensführung in der Wirtschaft
In der Wirtschaft, insbesondere in der Volkswirtschaftslehre, wird das Wirtschaften eines Privathaushaltes als Lebenshaltung bezeichnet. Das kommt insbesondere bei den Konsumausgaben zum Ausdruck, die als Lebenshaltungskosten bezeichnet werden. Danach ist die Lebenshaltung die Gesamtheit der für die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Lebensgestaltung erforderlichen Ausgaben.
Siehe auch
- Brief des Jakobus#Lebensführung
- Goldene Regel
- Leben in Fülle
- Lebenskunst
- Lebensqualität
- Lebensweltorientierung
Literatur
Lebensführung bei Max Weber:
- Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. 1921; Neuausgabe: Mohr, Tübingen 1972.
- Max Weber: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. In: Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. 1920; Neuausgabe: Mohr, Tübingen 1986.
- Max Weber: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. In: Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. 1920; Neuausgabe: Mohr, Tübingen 1986.
- Wilhelm Hennis: Max Webers Fragestellung. Mohr, Tübingen 1987.
- Wolfgang Schluchter: Religion und Lebensführung. 2 Bände. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1988.
Lebensführung bei Klaus Holzkamp:
- Klaus Holzkamp: Alltägliche Lebensführung als subjektwissenschaftliches Grundkonzept. Das Argument 212, S. 817–846, 1995.
- Klaus Holzkamp: Psychologie: Selbstverständigung über Handlungsbegründungen alltäglicher Lebensführung. Forum Kritische Psychologie 36, S. 7–212, 1996.
Literatur zur „Alltäglichen Lebensführung“ im Allgemeinen:
- Luise Behringer: Lebensführung als Identitätsarbeit. Der Mensch im Chaos des modernen Alltags. Frankfurt a. M./ New York: Campus, 1998.
- Karin Jurczyk / Maria S. Rerrich, M. S. (Hrsg.): Die Arbeit des Alltags. Beiträge zu einer Soziologie der alltäglichen Lebensführung. Freiburg: Lambertus, 1993.
- Karin Jurczyk / G. Günter Voß / Margit Weihrich: Alltägliche Lebensführung – theoretische und zeitdiagnostische Potentiale eines subjektorientierten Konzepts. In: Erika Alleweldt / Anja Röcke / Jochen Steinbicker (Hrsg.): Lebensführung heute – Klasse, Bildung, Individualität. Basel, Weinheim: Beltz Juventa, 2016, ISBN 978-3-7799-2950-5, S. 53–87.
- Georg Jochum / Karin Jurczyk / G. Günter Voß / Margit Weihrich (Hrsg.): Transformationen alltäglicher Lebensführung. Konzeptionelle und zeitdiagnostische Fragen. Basel, Weinheim: Beltz Juventa, 2020, ISBN 978-3-7799-6128-4.
- Werner Kudera / G. Günter Voß (Hrsg.): Lebensführung und Gesellschaft. Beiträge zu Konzept und Empirie alltäglicher Lebensführung. Opladen: Leske + Budrich, 2000.
- Kaspar Kristensen / Ernst Schraube: Conduct of Everyday Life. Encyclopedia of Critical Psychology 2014, pp 291-293.
- Ernst Schraube / Charlotte Hoholdt (Hrsg.): Psychology and the Conduct of Everyday Life. London: Taylor & Francis 2015
- Projektgruppe „Alltägliche Lebensführung“ (Hrsg.): Alltägliche Lebensführung. Arrangements zwischen Traditionalität und Modernisierung. Opladen: Leske + Budrich, 1995. (online, PDF)
- G. Günter Voß: Lebensführung als Arbeit. Über die Autonomie der Person im Alltag der Gesellschaft. Stuttgart: Enke/Lucius&Lucius, 1991 (vergriffen, Neuausgabe 2021, s. u.).
- G. Günter Voß: Lebensführung als Arbeit. München, Augsburg: R. Hampp, 2021 (erweiterte Neuauflage des vergriffenen Buchs 1991). ISBN 978-3-95710-286-7.
- G. Günter Voß / Margit Weihrich (Hrsg.): tagaus – tagein. Neue Beiträge zur Soziologie alltäglicher Lebensführung (= Arbeit und Leben im Wandel. Schriftenreihe zur subjektorientierten Soziologie der Arbeit und der Arbeitsgesellschaft Bd. 1). München, Mering: R. Hampp, 2001.
- Margit Weihrich / G. Günter Voß (Hrsg.): tag für tag. Alltag als Problem – Lebensführung als Lösung? Neue Beiträge zur Soziologie Alltäglicher Lebensführung 2. München, Mering: R. Hampp, 2002.
- Jan V. Wirth: Die Lebensführung der Gesellschaft – Grundriss einer allgemeinen Theorie. Springer, 2014, ISBN 978-3-658-07706-8; ISBN 978-3-658-07707-5 (E-Book); online unter: Springer VS
- Jan V. Wirth: Inklusion mit der iMap. Soziale Arbeit Berlin, H. 9, S. 342–348, 2014, online unter: Soziale Arbeit
Literatur zur „Alltäglichen Lebensführung“ einzelner Gruppen:
- Alma Demszky von der Hagen: Alltägliche Gesellschaft. Netzwerke alltäglicher Lebensführung in einer großstädtischen Wohnsiedlung. München, Mering: R. Hampp, 2006.
- Sylvia Dietmaier-Jebara: Gesellschaftsbild und Lebensführung. Gesellschaftspolitische Ordnungsvorstellungen im ostdeutschen Transformationsprozess. München, Mering: R. Hampp, 2005.
- Julia Egbringhoff: Ständig selbst. Lebensführung von Einpersonenselbständigen in Ostdeutschland. München, Mering: R. Hampp, 2007.
- Norbert Huchler: Wir Piloten. Navigation durch die fluide Arbeitswelt. Berlin: edition sigma, 2013
- / G. Günter Voß (Hrsg.): "Penneralltag". Eine soziologische Studie von Georg Jochum zur Lebensführung von "Stadtstreichern" in München. Mering, München: R. Hampp, 1996.
- Morgenroth, Sissy / Schindler, Stephanie: Feuerwehralltag. Eine soziologische Untersuchung zur Lebensführung von Feuerwehrmännern im 24-Stunden-Wachalltag. München, Mering: R. Hampp, 2012.
- Margit Weihrich: Kursbestimmungen. Eine qualitative Paneluntersuchung der alltäglichen Lebensführung im ostdeutschen Transformationsprozess. Pfaffenweiler: Centaurus, 1998.
Weblinks
- Literatur von und über Lebensführung im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- Eberhard Seidel/Rüdiger H. Jung/Wolfgang Redel, Führungsstil und Führungsorganisation: Führung, Führungsstil, 1988, S. 30; ISBN 978-3-534-09364-9
- Jan V. Wirth: Die Lebensführung der Gesellschaft.Grundriss einer allgemeinen Theorie. Springer VS, 2015, ISBN 978-3-658-07706-8.
- Alma von der Hagen-Demszky: Familiale Bildungswelten: Theoretische Perspektiven und empirische Explorationen. (PDF; 683 kB) In: Materialien zum Thema Familie und Bildung I. DJI, Oktober 2006, archiviert vom 20. Oktober 2011; abgerufen am 8. Februar 2010. (nicht mehr online verfügbar) am
- Die Ergebnisse der Studie veröffentlichte das Forscherteam im Magazin New England Journal of Medicine.zeit.de: Lebenswandel hat mehr Einfluss auf Infarktrisiko als gedacht
- Marcel Nicolas, Lebenshaltung und Lebensstandard, in: Wilhelm Bernsdorf (Hrsg.), Wörterbuch der Soziologie, 1969, S. 624; ISBN 978-3-436-01440-7
Autor: www.NiNa.Az
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Als Lebensfuhrung oder Lebenswandel wird in der Umgangssprache die Art und Weise bezeichnet mit der Personen ihren Alltag praktisch gestalten BegriffDer Begriff Lebensfuhrung wird in unterschiedlichsten Kontexten und Konnotationen verwendet Man spricht mit Blick auf medizinische Themen von einer gesunden oder ungesunden Lebensfuhrung fragt moglicherweise in der Soziologie nach einer standesgemassen Lebensfuhrung bestimmter Gruppen in der Gesellschaft sozialer Status oder interessierte sich mit religioser Intention dafur was eine gottgefallige Lebensfuhrung ist Gemeinsam ist dem Wortgebrauch dass damit ein aktiv gestaltenderer Umgang mit dem eigenen Leben angesprochen wird Sprachlich weist das Grundwort Fuhrung zwar auf den sozialwissenschaftlichen Begriff der Fuhrung hin wird jedoch auf die Selbstfuhrung beschrankt Menschenfuhrung oder Unternehmensfuhrung als Unterarten des Fuhrungsbegriffs sind dagegen stets Fremdfuhrung Management SoziologieIn der Wissenschaft und dort vor allem in der Soziologie wird der Begriff Lebensfuhrung traditionell stark mit der religionshistorischen Arbeit von Max Weber verbunden Beruhmt geworden ist seine These dass der moderne Kapitalismus neben seinen rein okonomischen und technischen Grundlagen auch auf einer spezifischen Arbeits und Berufsethik beruht Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus Diese habe so Weber ihre Grundlage in religiosen Werten v a im Protestantismus und darin besonders im Calvinismus die Menschen dazu veranlassen eine auf Effizienz und Erfolg vor allem im Beruf ausgerichtete methodische Lebensfuhrung anzustreben Schon bei Weber wird Lebensfuhrung unterschieden von der Frage nach dem spezifischen Lebensstil bestimmter Gruppen vor allem bei etablierten Standen Gemeint ist damit wie eine Lebensfuhrung im alltaglichen Handeln mit symbolischen Ausdrucksformen zum Beispiel Kleidung Wohnraumausstattung Statussymbole stilisiert wird um die Zugehorigkeit zu einer Gruppe zu demonstrieren und sich von anderen Gruppen zu distanzieren bzw diese auszuschliessen Die sich auf Weber beziehende Forschung hat diesen Unterschied der zwei Begriffe lange Zeit nicht bewusst registriert u a deswegen weil die US amerikanische Weberforschung Lebensfuhrung als Life style ubersetzte und damit beide Begriffe vermischte Erst in einer neueren deutschen Forschungsrichtung aus dem Umfeld der subjektorientierten Soziologie wurde dieser Unterschied wieder gezielt aufgegriffen die dann den Begriff der alltaglichen Lebensfuhrung in Absetzung vom Lebensstil wie auch vom marxistischen Konzept der Lebensweise und vom Begriff Lebenswelt der Phanomenologie bzw bei Jurgen Habermas pragte und in umfangreichen Forschungen empirisch anwendete Der Begriff steht inzwischen fur ein etabliertes Forschungsfeld das neben der soziologischen Lebensstilforschung Beachtung findet Aus Sicht der soziologischen Systemtheorie von Niklas Luhmann legte Jan V Wirth im Jahr 2014 eine Theorie der Lebensfuhrung der Gesellschaft vor die Lebensfuhrung als Arrangement von Inklusion Einbeziehung Teilhabe und Exklusion Ausgrenzung Nicht Teilhabe fasst In der Lebensfuhrung von Personen so der okosoziale Ansatz von Wolf Rainer Wendt nutzen sie Mittel und Wege Zeit und materielle und immaterielle Ressourcen Unter Gesichtspunkten der sozialen und gesundheitlichen Versorgung wird die Okonomie der Lebensfuhrung Nomos Baden Baden 2017 u a so erklart Individuell und gemeinsam wird das Leben im Bedingungsrahmen und in dynamischer Wechselbeziehung von personlicher Daseinsvorsorge sozialen Arrangements und offentlicher Daseinsvorsorge gefuhrt Alltagliche LebensfuhrungAls alltagliche Lebensfuhrung wird soziologisch der alltagspraktische Zusammenhang aller Handlungen von Personen in ihren verschiedenen Lebensbereichen definiert wie Arbeitswelt Familie Freizeit Bildung politisches und zivilgesellschaftliches Engagement usw Thema des im Rahmen der Munchener Subjektorientierten Soziologie entstandenen Konzepts ist damit das gesamte tatige Leben von Individuen aber nicht in seiner gesamten Lange wie es Thema der Biographie oder Lebensverlaufsforschung ist sondern quasi in seiner Breite Gegenstand ist also nicht die Diachronie d h der langzeitliche Ablauf des Lebens der jedoch ein wichtiger Hintergrund und Fluchtpunkt von Lebensfuhrung ist sondern die Synchronie des Alltags die aber naturlich zeitlichen Veranderungen unterliegt Dabei interessiert weniger die konkrete Vielfalt der einzelnen Tatigkeiten wie sie etwa von der Zeitbudgetforschung oder der Zeitgeographie untersucht wird als vielmehr der alltagliche Zusammenhang der Aktivitaten von Menschen Es geht um das individuelle Arrangement der verschiedenen sozialen Arrangements von Personen oder um die Art und Weise wie das Alltagsleben von Menschen in den fur sie relevanten Lebensspharen mit denen man sich arrangieren muss zusammengehalten wird oder alltagssprachlich mit einer haufig zu horenden Formulierung wie man sein Leben auf die Reihe oder unter den Hut bekommt Dieses System der Alltaglichen Lebensfuhrung ist aus soziologischer Sicht nicht sozial vorgegeben und mehr oder weniger passiv ubernommen sondern es ist eine aktive Konstruktion der Betroffenen Trotzdem gehort die alltagliche Lebensfuhrung den Personen nur bedingt genauso wie sie meist nur begrenzt eine bewusste Konstruktion ist Sie besitzt vielmehr eine an das Subjekt gebundene aber von ihr nur teilweise steuerbare strukturelle Eigenlogik die ein zentraler Erkenntnisgegenstand der Lebensfuhrungsforschung ist In dieser Eigenlogik erfullt Lebensfuhrung wichtige Funktionen fur die Person zum Beispiel die Entlastung von Handlungsentscheidungen wie fur die Gesellschaft zum Beispiel die alltagspraktische Vermittlung verschiedener gesellschaftlicher Bereiche und bildet schliesslich ein bisher in der Soziologie weitgehend vernachlassigtes Vermittlungsmoment im spannungsreichen Verhaltnis zwischen Individuum und Gesellschaft Die Lebensfuhrung einer Gruppe oder Lebensgemeinschaft so auch die familiale Lebensfuhrung entsteht aus den Lebensfuhrungen der einzelnen Mitglieder und ihren Wechselwirkungen untereinander Siehe auch Doing Family Das Konzept der Alltaglichen Lebensfuhrung wurde hinsichtlich verschiedener theoretischer Aspekte weiterentwickelt zum Beispiel mit der Frage nach Bedeutung von Lebensfuhrung fur die Identitats konstruktion von Personen vgl Behringer und bei einer grossen Zahl von Gruppen und in Bezug auf vielfaltige Fragestellungen empirisch untersucht Eine besondere Beachtung fand der Begriff der Alltaglichen Lebensfuhrung in den Arbeiten des Begrunders der kritischen Psychologie Klaus Holzkamp Kurz vor seinem Tod griff er den Ansatz der Alltaglichen Lebensfuhrung auf und versuchte diesen als Basis fur ein von ihm angestrebtes subjektwissenschaftliches Grundkonzept zu verwenden Dies blieb jedoch Fragment Siehe auch GlucksforschungLebensfuhrung aus Sicht der MedizinEine grossangelegte Studie zeigte 2012 Die sogenannten grossen vier Risikofaktoren Rauchen Diabetes hoher Blutdruck und oder Cholesterinspiegel haben unerwartet starken Einfluss auf das Risiko einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden Schon einer dieser Faktoren kann das normale Risiko laut Studie auf etwa das Zehnfache steigern Die Wahrscheinlichkeit dass ein Mensch auf den keiner der Risikofaktoren zutrifft im Laufe seines Lebens einen Infarkt erleidet liegt bei unter funf Prozent Das individuelle Herzinfarkt und Schlaganfallrisiko wird bisher nur fur die nachsten funf oder zehn Jahre geschatzt Viele Menschen unterschatzen ihr Risiko fur Herz Kreislauf Erkrankungen drastisch Lebensfuhrung in der WirtschaftIn der Wirtschaft insbesondere in der Volkswirtschaftslehre wird das Wirtschaften eines Privathaushaltes als Lebenshaltung bezeichnet Das kommt insbesondere bei den Konsumausgaben zum Ausdruck die als Lebenshaltungskosten bezeichnet werden Danach ist die Lebenshaltung die Gesamtheit der fur die soziale wirtschaftliche und kulturelle Lebensgestaltung erforderlichen Ausgaben Siehe auchBrief des Jakobus Lebensfuhrung Goldene Regel Leben in Fulle Lebenskunst Lebensqualitat LebensweltorientierungLiteraturLebensfuhrung bei Max Weber Max Weber Wirtschaft und Gesellschaft Grundriss der verstehenden Soziologie 1921 Neuausgabe Mohr Tubingen 1972 Max Weber Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen In Max Weber Gesammelte Aufsatze zur Religionssoziologie 1920 Neuausgabe Mohr Tubingen 1986 Max Weber Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus In Max Weber Gesammelte Aufsatze zur Religionssoziologie 1920 Neuausgabe Mohr Tubingen 1986 Wilhelm Hennis Max Webers Fragestellung Mohr Tubingen 1987 Wolfgang Schluchter Religion und Lebensfuhrung 2 Bande Suhrkamp Frankfurt a M 1988 Lebensfuhrung bei Klaus Holzkamp Klaus Holzkamp Alltagliche Lebensfuhrung als subjektwissenschaftliches Grundkonzept Das Argument 212 S 817 846 1995 Klaus Holzkamp Psychologie Selbstverstandigung uber Handlungsbegrundungen alltaglicher Lebensfuhrung Forum Kritische Psychologie 36 S 7 212 1996 Literatur zur Alltaglichen Lebensfuhrung im Allgemeinen Luise Behringer Lebensfuhrung als Identitatsarbeit Der Mensch im Chaos des modernen Alltags Frankfurt a M New York Campus 1998 Karin Jurczyk Maria S Rerrich M S Hrsg Die Arbeit des Alltags Beitrage zu einer Soziologie der alltaglichen Lebensfuhrung Freiburg Lambertus 1993 Karin Jurczyk G Gunter Voss Margit Weihrich Alltagliche Lebensfuhrung theoretische und zeitdiagnostische Potentiale eines subjektorientierten Konzepts In Erika Alleweldt Anja Rocke Jochen Steinbicker Hrsg Lebensfuhrung heute Klasse Bildung Individualitat Basel Weinheim Beltz Juventa 2016 ISBN 978 3 7799 2950 5 S 53 87 Georg Jochum Karin Jurczyk G Gunter Voss Margit Weihrich Hrsg Transformationen alltaglicher Lebensfuhrung Konzeptionelle und zeitdiagnostische Fragen Basel Weinheim Beltz Juventa 2020 ISBN 978 3 7799 6128 4 Werner Kudera G Gunter Voss Hrsg Lebensfuhrung und Gesellschaft Beitrage zu Konzept und Empirie alltaglicher Lebensfuhrung Opladen Leske Budrich 2000 Kaspar Kristensen Ernst Schraube Conduct of Everyday Life Encyclopedia of Critical Psychology 2014 pp 291 293 Ernst Schraube Charlotte Hoholdt Hrsg Psychology and the Conduct of Everyday Life London Taylor amp Francis 2015 Projektgruppe Alltagliche Lebensfuhrung Hrsg Alltagliche Lebensfuhrung Arrangements zwischen Traditionalitat und Modernisierung Opladen Leske Budrich 1995 online PDF G Gunter Voss Lebensfuhrung als Arbeit Uber die Autonomie der Person im Alltag der Gesellschaft Stuttgart Enke Lucius amp Lucius 1991 vergriffen Neuausgabe 2021 s u G Gunter Voss Lebensfuhrung als Arbeit Munchen Augsburg R Hampp 2021 erweiterte Neuauflage des vergriffenen Buchs 1991 ISBN 978 3 95710 286 7 G Gunter Voss Margit Weihrich Hrsg tagaus tagein Neue Beitrage zur Soziologie alltaglicher Lebensfuhrung Arbeit und Leben im Wandel Schriftenreihe zur subjektorientierten Soziologie der Arbeit und der Arbeitsgesellschaft Bd 1 Munchen Mering R Hampp 2001 Margit 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Alma von der Hagen Demszky Familiale Bildungswelten Theoretische Perspektiven und empirische Explorationen PDF 683 kB In Materialien zum Thema Familie und Bildung I DJI Oktober 2006 archiviert vom Original nicht mehr online verfugbar am 20 Oktober 2011 abgerufen am 8 Februar 2010 Die Ergebnisse der Studie veroffentlichte das Forscherteam im Magazin New England Journal of Medicine zeit de Lebenswandel hat mehr Einfluss auf Infarktrisiko als gedacht Marcel Nicolas Lebenshaltung und Lebensstandard in Wilhelm Bernsdorf Hrsg Worterbuch der Soziologie 1969 S 624 ISBN 978 3 436 01440 7Normdaten Sachbegriff GND 4034864 7 GND Explorer lobid OGND AKS LCCN sh85076848 NDL 01171148