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Sekundärtugend

Sekundärtugend ist ein Begriff zur Bezeichnung von Charaktereigenschaften, die zur praktischen Bewältigung des Alltags und zum „störungsfreien“ Betrieb einer Gesellschaft beitragen, ohne aber für sich allein eine ethische Bedeutung zu haben, sofern sie als Selbstzweck hochgehalten werden und nicht zur Erfüllung der Primärtugenden dienen.
Zu den bürgerlichen oder Sekundärtugenden wurden insbesondere Fleiß, Treue, Gehorsam, Disziplin, Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ordnungsliebe, Höflichkeit, Sauberkeit u. a. m. gezählt, meist aus dem Katalog der preußischen Tugenden bzw. des „bürgerlichen“ Tugendkatalogs. Otto Friedrich Bollnow ließ 1963 der Ordnung und Reinlichkeit, dem Fleiß und der Wahrhaftigkeit noch einmal eine Bestätigung zukommen, registrierte aber bereits „das absinkende Verständnis“ in der Gesellschaft.
Kritik und Gegenkritik
Nach 1968 (Studentenbewegung) gerieten bürgerliche Werte der Rechtschaffenheit in die Kritik und wurden abgewertet oder verächtlich gemacht, indem Kritiker darauf verwiesen, dass das Hochhalten dieser Tugenden im Nationalsozialismus die Nationalsozialisten nicht an unmenschlichen Verbrechen gehindert habe. Stattdessen wurden postmaterialistische Werte wie Menschlichkeit, Kreativität, Selbstverwirklichung und soziale Werte wie Solidarität betont. Carl Amery, der mit seiner Schrift „Die Kapitulation oder Deutscher Katholizismus heute“ das (klein-)bürgerliche Werte- und Tugendsystem kritisierte und die Diskussion nachhaltig beeinflusste, schrieb: „Ich kann pünktlich zum Dienst im Pfarramt oder im Gestapokeller erscheinen; ich kann in Schriftsachen ‚Judenendlösung‘ oder Sozialhilfe penibel sein; ich kann mir die Hände nach einem rechtschaffenen Arbeitstag im Kornfeld oder im KZ-Krematorium waschen.“ (S. 23). Berühmt ist eine Entgegnung Oskar Lafontaines an Helmut Schmidt auf die politische Forderung des Kanzlers nach „Bündnistreue“ gegenüber den USA im Streit um den NATO-Doppelbeschluss, in einem Interview mit dem Stern vom 15. Juli 1982: „Helmut Schmidt spricht weiter von Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit. […] Das sind Sekundärtugenden. Ganz präzis gesagt: Damit kann man auch ein KZ betreiben.“ Oskar Lafontaine hatte damit den Begriff in die Ethikdebatte eingeführt und zugleich eine klar untergeordnete Stellung der bürgerlichen Tugenden postuliert.
In Teilen der Schüler- und Studentenbewegung wurden die überlieferten Erziehungsziele unbesehen über Bord geworfen. Das hatte auch seine Auswirkungen auf die erzieherische Praxis. Die Erziehung in Summerhill (A.S. Neill), die vielen liberalen Eltern Anregung bot, lehnte die Sekundärtugenden radikal ab. Ordnung und Reinlichkeit hatten bei Neill keinen Stellenwert. Auf die von den Kindern oft geheuchelte Bescheidenheit und Dankbarkeit verzichtete er zugunsten einer neu verstandenen Ehrlichkeit. Der pädagogisch verstandene Terror um die „Lügen“ der Kinder wurde als der Erwachsenen hingestellt, und was den Fleiß anging, so konnte es Neill durchaus verstehen, wenn seine Schülerinnen und Schüler dem Unterricht auch einmal fernblieben. Blinde Folgsamkeit definierte er als Zwangsgehorsam, der die Kinder in die Randständigkeit treibt.
In der deutschen Wertediskussion ausgangs des 20. Jahrhunderts hatten die bürgerlichen Tugenden keinen Rang. Wenn auch die Diskussion um die platte antiautoritäre Erziehung zugunsten einer reflektierteren emanzipatorischen Pädagogik schnell abebbte, so behielten doch Ziele wie Selbstbestimmung, Konfliktfähigkeit, Nonkonformität, Gleichberechtigung, Emanzipation und Solidarität Vorrang.
Verteidiger eines harmonischen Tugendkomplexes und damit Gegner der 68er-Tugendkritik argumentieren weiterhin unter anderem mit folgendem Satz: „Alle hat, wer eine hat und keine beleidigt, und keine hat und alle beleidigt, wer eine beleidigt.“ Damit wollen sie ausdrücken, dass die Tugenden alle zusammenhingen. Wer beispielsweise Gerechtigkeit ohne Taktgefühl und Ordnung lebe, könne im wahren, tugendhaften Sinn nicht gerecht sein, da Gerechtigkeit stets darin bestehe, jedem das Seine zukommen zu lassen, was ohne geordnete Scheidung von Gleich und Ungleich nicht möglich sei.
Eine Rehabilitierung der Sekundärtugenden wurde von dem Hamburger Erziehungswissenschaftler Friedrich Koch versucht. Für die erzieherische Anwendung freilich sei zu bedenken, dass niemand zur Kulturfähigkeit beitrage, der die Triebe des Kindes nicht akzeptieren kann und sie unterdrückt. Konkret heißt das für die Tugenden:
- Niemand erzieht zu Ordnung und Sauberkeit, der die Kinder in ein eng vorgegebenes System zu pressen versucht;
- niemand erzieht zur Dankbarkeit, der die spontanen Impulse und Bedürfnisse der Kinder ignoriert;
- niemand erzieht zur Ehrlichkeit, der sie mit Strafen oder logischen Folgen zu erreichen versucht;
- niemand erzieht zu Gehorsam durch die Überbetonung der personalen Autorität oder durch scheinbare Sachzwänge;
- niemand erzieht zu Fleiß durch offene Drangsaliererei oder durch überspannte stumme Erwartungen;
- niemand erzieht zur Bescheidenheit, der von vornherein die Rechte des Kindes einschränkt;
- niemand erzieht zu sexueller Verantwortung, der die kognitiven, affektiven und genitalen Interessen der Kinder und Jugendlichen unterdrückt."
Literatur
- Carl Amery: Die Kapitulation oder Deutscher Katholizismus heute. 76.–100. Reinbek 1963.
- Otto Friedrich Bollnow: Wesen und Wandel der Tugenden. Berlin 1963.
- Friedrich Koch: Der Kaspar-Hauser-Effekt. Über den Umgang mit Kindern. Opladen 1997.
- Paul Münch (Hg.): Ordnung, Fleiß und Sparsamkeit. Texte und Dokumente zur Entstehung der „bürgerlichen Tugenden“. München 1984.
- A.S. Neill: Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung. 61.–90. Tsd., Reinbek 1970.
Weblinks
Einzelnachweise
- neben Äußerungen anderer aufgegriffen in einer Zitatsammlung zum Thema „Prominente Verirrungen in die Nazi-Zeit“ in Der Spiegel 32/2011, online auf spiegel.de (Spiegel online), abgerufen am 14. August 2012
- Friedrich Koch: Der Kaspar-Hauser-Effekt. Über den Umgang mit Kindern. Opladen 1997. S. 123 f.
Autor: www.NiNa.Az
Veröffentlichungsdatum:
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Dieser Artikel oder Abschnitt bedarf einer grundsatzlichen Uberarbeitung Naheres sollte auf der Diskussionsseite angegeben sein Bitte hilf mit ihn zu verbessern und entferne anschliessend diese Markierung Sekundartugend ist ein Begriff zur Bezeichnung von Charakter eigenschaften die zur praktischen Bewaltigung des Alltags und zum storungsfreien Betrieb einer Gesellschaft beitragen ohne aber fur sich allein eine ethische Bedeutung zu haben sofern sie als Selbstzweck hochgehalten werden und nicht zur Erfullung der Primartugenden dienen Zu den burgerlichen oder Sekundartugenden wurden insbesondere Fleiss Treue Gehorsam Disziplin Pflicht bewusstsein Punktlichkeit Zuverlassigkeit Ordnungsliebe Hoflichkeit Sauberkeit u a m gezahlt meist aus dem Katalog der preussischen Tugenden bzw des burgerlichen Tugendkatalogs Otto Friedrich Bollnow liess 1963 der Ordnung und Reinlichkeit dem Fleiss und der Wahrhaftigkeit noch einmal eine Bestatigung zukommen registrierte aber bereits das absinkende Verstandnis in der Gesellschaft Kritik und GegenkritikNach 1968 Studentenbewegung gerieten burgerliche Werte der Rechtschaffenheit in die Kritik und wurden abgewertet oder verachtlich gemacht indem Kritiker darauf verwiesen dass das Hochhalten dieser Tugenden im Nationalsozialismus die Nationalsozialisten nicht an unmenschlichen Verbrechen gehindert habe Stattdessen wurden postmaterialistische Werte wie Menschlichkeit Kreativitat Selbstverwirklichung und soziale Werte wie Solidaritat betont Carl Amery der mit seiner Schrift Die Kapitulation oder Deutscher Katholizismus heute das klein burgerliche Werte und Tugendsystem kritisierte und die Diskussion nachhaltig beeinflusste schrieb Ich kann punktlich zum Dienst im Pfarramt oder im Gestapokeller erscheinen ich kann in Schriftsachen Judenendlosung oder Sozialhilfe penibel sein ich kann mir die Hande nach einem rechtschaffenen Arbeitstag im Kornfeld oder im KZ Krematorium waschen S 23 Beruhmt ist eine Entgegnung Oskar Lafontaines an Helmut Schmidt auf die politische Forderung des Kanzlers nach Bundnistreue gegenuber den USA im Streit um den NATO Doppelbeschluss in einem Interview mit dem Stern vom 15 Juli 1982 Helmut Schmidt spricht weiter von Pflichtgefuhl Berechenbarkeit Machbarkeit Standhaftigkeit Das sind Sekundartugenden Ganz prazis gesagt Damit kann man auch ein KZ betreiben Oskar Lafontaine hatte damit den Begriff in die Ethikdebatte eingefuhrt und zugleich eine klar untergeordnete Stellung der burgerlichen Tugenden postuliert In Teilen der Schuler und Studentenbewegung wurden die uberlieferten Erziehungsziele unbesehen uber Bord geworfen Das hatte auch seine Auswirkungen auf die erzieherische Praxis Die Erziehung in Summerhill A S Neill die vielen liberalen Eltern Anregung bot lehnte die Sekundartugenden radikal ab Ordnung und Reinlichkeit hatten bei Neill keinen Stellenwert Auf die von den Kindern oft geheuchelte Bescheidenheit und Dankbarkeit verzichtete er zugunsten einer neu verstandenen Ehrlichkeit Der padagogisch verstandene Terror um die Lugen der Kinder wurde als der Erwachsenen hingestellt und was den Fleiss anging so konnte es Neill durchaus verstehen wenn seine Schulerinnen und Schuler dem Unterricht auch einmal fernblieben Blinde Folgsamkeit definierte er als Zwangsgehorsam der die Kinder in die Randstandigkeit treibt In der deutschen Wertediskussion ausgangs des 20 Jahrhunderts hatten die burgerlichen Tugenden keinen Rang Wenn auch die Diskussion um die platte antiautoritare Erziehung zugunsten einer reflektierteren emanzipatorischen Padagogik schnell abebbte so behielten doch Ziele wie Selbstbestimmung Konfliktfahigkeit Nonkonformitat Gleichberechtigung Emanzipation und Solidaritat Vorrang Verteidiger eines harmonischen Tugendkomplexes und damit Gegner der 68er Tugendkritik argumentieren weiterhin unter anderem mit folgendem Satz Alle hat wer eine hat und keine beleidigt und keine hat und alle beleidigt wer eine beleidigt Damit wollen sie ausdrucken dass die Tugenden alle zusammenhingen Wer beispielsweise Gerechtigkeit ohne Taktgefuhl und Ordnung lebe konne im wahren tugendhaften Sinn nicht gerecht sein da Gerechtigkeit stets darin bestehe jedem das Seine zukommen zu lassen was ohne geordnete Scheidung von Gleich und Ungleich nicht moglich sei Eine Rehabilitierung der Sekundartugenden wurde von dem Hamburger Erziehungswissenschaftler Friedrich Koch versucht Fur die erzieherische Anwendung freilich sei zu bedenken dass niemand zur Kulturfahigkeit beitrage der die Triebe des Kindes nicht akzeptieren kann und sie unterdruckt Konkret heisst das fur die Tugenden Niemand erzieht zu Ordnung und Sauberkeit der die Kinder in ein eng vorgegebenes System zu pressen versucht niemand erzieht zur Dankbarkeit der die spontanen Impulse und Bedurfnisse der Kinder ignoriert niemand erzieht zur Ehrlichkeit der sie mit Strafen oder logischen Folgen zu erreichen versucht niemand erzieht zu Gehorsam durch die Uberbetonung der personalen Autoritat oder durch scheinbare Sachzwange niemand erzieht zu Fleiss durch offene Drangsaliererei oder durch uberspannte stumme Erwartungen niemand erzieht zur Bescheidenheit der von vornherein die Rechte des Kindes einschrankt niemand erzieht zu sexueller Verantwortung der die kognitiven affektiven und genitalen Interessen der Kinder und Jugendlichen unterdruckt LiteraturCarl Amery Die Kapitulation oder Deutscher Katholizismus heute 76 100 Reinbek 1963 Otto Friedrich Bollnow Wesen und Wandel der Tugenden Berlin 1963 Friedrich Koch Der Kaspar Hauser Effekt Uber den Umgang mit Kindern Opladen 1997 Paul Munch Hg Ordnung Fleiss und Sparsamkeit Texte und Dokumente zur Entstehung der burgerlichen Tugenden Munchen 1984 A S Neill Theorie und Praxis der antiautoritaren Erziehung 61 90 Tsd Reinbek 1970 WeblinksWiktionary Sekundartugend Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweiseneben Ausserungen anderer aufgegriffen in einer Zitatsammlung zum Thema Prominente Verirrungen in die Nazi Zeit in Der Spiegel 32 2011 online auf spiegel de Spiegel online abgerufen am 14 August 2012 Friedrich Koch Der Kaspar Hauser Effekt Uber den Umgang mit Kindern Opladen 1997 S 123 f