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Alfred Schütz

Alfred Schütz, auch Alfred Schutz, (* 13. April 1899 in Wien, Österreich-Ungarn; † 20. Mai 1959 in New York City) war ein aus Österreich stammender Soziologe, der als Begründer der phänomenologischen Soziologie gilt und sich – ausgehend von Edmund Husserl, Henri Bergson und Max Weber – der Frage der Intersubjektivität widmete.
Biographischer Hintergrund
Beruflicher Werdegang
Am 13. April 1899 in Wien als Sohn jüdischer Eltern geboren, erwarb Alfred Schütz 1917 vorzeitig auf dem Wiener Esterhazy-Gymnasium sein Reifezeugnis („Notmatura“), meldete sich im März desselben Jahres freiwillig zum Dienst im Österreichisch-Ungarischen Heer und wurde mehrfach ausgezeichnet.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nahm Schütz ein Studium der Rechtswissenschaften, Ökonomie und Philosophie an der Universität Wien auf, schloss 1921 die staatswissenschaftlichen und juristischen Staatsprüfungen sowie Rigorosa ab und erwarb den akademischen Grad eines Doktors der Jurisprudenz. Von 1921 bis 1925 war er Sekretär des Österreichischen Bankenverbands und arbeitete seit 1924 als Rechtsberater des Wiener Bankhauses Kompaß Allgemeine Kredit- und Garantiebank. Ab 1929 war Schütz als Prokurist für die Wiener Privatbank Reitler & Co. tätig. Nachdem die Bank 1938 durch die Nationalsozialisten übernommen und Schütz entlassen worden war, ging dieser nach Frankreich ins Exil. Dort arbeitete er als Rechtsberater für die Pariser Bank R. Gaston-Dreyfus & Co. und verhalf anderen Juden zur Flucht aus dem Großdeutschen Reich.
Beim deutschen Einmarsch in Österreich war Schütz auf einer Geschäftsreise in Paris. Er wollte zu seiner Familie zurückreisen, doch sein Freund und geschätzter Kollege Aaron Gurwitsch überredete ihn dazu, in Paris zu bleiben. Schütz’ Frau Ilse löste den Haushalt in Wien auf und beantragte die Auswanderung.
Die Zerschlagung der Tschechoslowakei veranlasste Schütz dazu, seine Emigration in die USA in die Wege zu leiten. Gemeinsam mit seiner Familie übersiedelte er am 14. Juli 1939, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs an Bord der „New Amsterdam“ nach New York (USA). Dort schloss er sich Emil Reitler (1886–1949), dem ehemaligen Besitzer der Bank Reitler & Co., und seinen Wiener Berufskollegen Robert Lambert und Paul Jeral an. Gemeinsam berieten sie ehemalige Kunden von Reitler & Co. in Finanzfragen. Nach dem Krieg reiste Schütz wiederholt nach Europa, um alte Geschäftskontakte wiederzubeleben.
Neben seiner Arbeit als Finanzberater widmete sich Alfred Schütz in seiner Freizeit der Soziologie. 1956 erhielt er eine Anstellung als Full Professor of Sociology and Social Psychology an der New School for Social Research in New York und konnte es sich erstmals finanziell erlauben, sich voll seiner wissenschaftlichen Tätigkeit zu widmen.
Wissenschaftlicher Werdegang
Schütz’ Denken war u. a. von der „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“ geprägt, die Ende des 19. Jahrhunderts von Carl Menger gegründet worden war. Die Menger-Schüler Friedrich von Wieser und Ludwig von Mises waren Lehrer Schützens in Wien, ebenso der Rechtsphilosoph Hans Kelsen und der dem Wiener Kreis nahestehende Felix Kaufmann. Auch seine Freunde Fritz Machlup und Erich Vögelin beeinflussten Schütz; Vögelin regte ihn an zur Lektüre von Henri Bergson, einem Vertreter der Lebensphilosophie des 19. Jahrhunderts, und Edmund Husserl, dem Begründer der Phänomenologie. 1932 erschien Schütz’ erste und zu Lebzeiten einzige Monographie Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie (1932), die die Sozialwissenschaften nachhaltig beeinflusste. Durch die Freundschaft mit Aron Gurwitsch, einem aus Litauen stammenden Philosophen, den Schütz in Paris kennengelernt hatte, intensivierte sich seine Beschäftigung mit Husserls Phänomenologie.
Der Ansatz der Phänomenologie bei Husserl besteht darin, zu analysieren, wie Gegenstände als Phänomene („Erscheinungen“) vom Bewusstsein wahrgenommen werden, da sie nur als solche überhaupt wahrgenommen werden können. Husserl hatte den Versuch unternommen, neuropsychologische Erkenntnisse auszuschließen, da der Sinn seiner Meinung nach keine naturalistische Zugangsweise verlange, sondern eine deskriptive und nach allgemeinen Strukturen fragende Untersuchung des Bewusstseins. Damit der wahre Wesensgehalt einer Sache erkannt werden könne, müssten wir eine (phänomenologische) Reduktion vornehmen, die uns einen neutralen Blick auf die Dinge des Lebens erlaube. Auch war für Husserl das Denken selbst nicht existent, da wir stets nur von etwas „denken“ könnten.
Schütz knüpfte an die Phänomenologie Husserls und dessen Vorstellung der „Lebenswelt“ als intersubjektiv sinnvoller Welt an. Vor diesem Hintergrund fragte er nach den Prozessen der sozialen Konstitution von Sinn. In Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt versuchte Schütz die „Verstehende Soziologie“ Max Webers phänomenologisch zu fundieren. Ausgehend von Husserls Philosophie der Lebenswelt konzipierte Schütz eine Soziologie des Alltags und der damit verbundenen Arbeit.
Im amerikanischen Exil fand Schütz nur schwer Anschluss an die wissenschaftliche Gemeinschaft, die zu dieser Zeit von Talcott Parsons und dessen Strukturfunktionalismus dominiert war. Der Austausch zwischen Schütz und Parsons, den ihr Briefwechsel dokumentiert, scheiterte schließlich. Schütz fand auf andere Weise Zugang zur amerikanischen Sozialwissenschaft: Einerseits wurde er Vorstandsmitglied der International Society of Phenomenology und 1941 Mitherausgeber der von gegründeten Zeitschrift Philosophy and Phenomenological Research, andererseits begann er 1943 an der New School for Social Research in New York zu lehren. Diese Hochschule hatte sich zum Ziel gesetzt, aus Europa in die USA emigrierte Sozialwissenschaftler zu unterstützen. Von 1952 bis 1956 war Schütz an der New School Chairman of the philosophy department und wurde 1956 dort schließlich zum Full Professor of Sociology and Social Psychology berufen. Er starb aber bereits drei Jahre später, 1959. Sein geplantes und bereits begonnenes Hauptwerk Strukturen der Lebenswelt wurde postum von seinem Schüler Thomas Luckmann vollendet. Ebenso erschien ein Großteil seiner Artikel erst postum, gesammelt in Collected Papers I–III (1962, 1964, 1966), (deutsch: Gesammelte Schriften I–III, 1971).
Im Folgenden soll die theoretische Position dargestellt werden, die Schütz in Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt (1932), in Reflections on the Problem of Relevance (1970) (deutsch: Das Problem der Relevanz 1971) und in den Aufsätzen entwickelt hat, die sich in den Collected Papers I–III (1962, 1964, 1966) bzw. Gesammelten Aufsätzen I–III (1971) finden.
Die phänomenologische Begründung der Soziologie
In seiner Bemühung, eine philosophische Grundlegung der Sozialwissenschaften und dabei insbesondere der Soziologie zu erarbeiten, folgt Alfred Schütz dem Vorhaben Max Webers, Soziologie als strenge Wissenschaft auf handlungstheoretischer Basis zu begründen. Schütz kritisiert dabei an Weber, dass dieser zwar die Werkzeuge zum Verstehen des sozialen Sinns von Handlungen geschaffen hat, eine philosophische Begründung des Sinnverstehens aber unterlässt. Für Weber besteht soziales Handeln in der Verknüpfung von Verhalten und subjektivem Sinn. In seiner „Verstehenden Soziologie“ geht es vor allem darum, zu klären, wie ein wissenschaftlicher Beobachter den subjektiven Sinn, den ein Akteur mit seinem Handeln verbindet, erfassen kann. Er bestreitet dabei, dass dieser Sinn dem Akteur selbst unverfälschter oder zuverlässiger zugänglich ist als dem wissenschaftlichen Beobachter. Schütz setzt hingegen beim Handelnden selbst an und fragt nach der Konstitution subjektiven Sinns, d. h. wie der Akteur selbst Sinn erzeugt und erfährt. Dem wissenschaftlichen Beobachter ist der subjektive Sinn einer Handlung, wie ihn der Handelnde selbst erfährt, nicht zugänglich und sein Verständnis kann nie identisch mit dem des Akteurs sein.
Dieses Problem des Fremdverstehens betrifft nicht nur das Verhältnis zwischen Wissenschaftler und handelndem Subjekt. Wenn der Sinn einer Handlung nämlich nur demjenigen verständlich ist, der sie ausführt, nicht aber dem jeweils „Anderen“, stellt sich die Frage, wie unsere alltägliche Kommunikation als funktionierend empfunden werden kann. Wie ist gesellschaftliches Zusammenleben möglich, ohne den subjektiven Sinn zu kennen, den Andere mit ihren Handlungen verbinden? Schütz zufolge greifen Akteure im Alltag auf bestimmte Methoden zurück, die es ihnen ermöglichen, von einem intersubjektiv geteilten Sinn auszugehen. Er untersucht die Bedingungen und Prinzipien, die diese Erzeugung von intersubjektivem Sinn leiten.
Soziale Handlung, Sinn und Subjektivität
Vorerst geht die Analyse Schütz’ aber vom Ego, dem Erleben des einsamen Ichs aus. Bergson folgend, ergibt sich für Schütz sinnhaftes Handeln erst in der Reflexion des Ichs auf bereits vergangene Erlebnisse. Während des Vollzugs einer Handlung, also während des Handelns selbst, kann ihr vom Akteur kein Sinn beigelegt werden. Erst durch den Rückgriff auf den Entwurf oder Plan, der zu der Handlung führte, kann diese einen subjektiven Sinn entfalten. „Nur das Erlebte ist sinnvoll, nicht aber das Erleben“ (Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt: S. 49). Schütz unterscheidet strikt zwischen dem Handeln als Tätigkeit (lateinisch actio) und der Handlung als gedanklichen Entwurf (actum), wobei das Handeln das Sinnhafte in der Handlung (im „Handlungsentwurf“) findet. Diese Trennung zwischen Handeln und Handlung hebt Schütz’ Zugangsweise von der Webers ab, an dieser kritisiert Schütz:
„Weber macht zwischen Handeln als Ablauf und vollzogener Handlung, zwischen dem Sinn des Erzeugens und dem Sinn des Erzeugnisses, zwischen dem Sinn eigenen und fremden Handelns, bzw. eigener und fremder Erlebnisse, zwischen Selbstverstehen und Fremdverstehen keinen Unterschied. Er fragt nicht nach der besonderen Konstitutionsweise des Sinnes für den Handelnden, nicht nach den Modifikationen, die dieser Sinn für den Partner in der Sozialwelt oder für den außenstehenden Beobachter erfährt, nicht nach dem eigenartigen Fundierungszusammenhang zwischen Eigenpsychischem und Fremdpsychischem, dessen Aufklärung für eine präzise Erfassung des Phänomens ‚Fremdverstehen‘ unerläßlich ist“ (Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt: S. 5).
In der Auseinandersetzung mit Webers Sinnbegriff stellt Schütz fünf Sinnschichten dar. Auf der Ebene der ersten Schicht ist Sinn unabhängig von einem konkreten Anderen, er wird vielmehr Dingen der Umwelt zugeschrieben (z. B. eine Tür lässt sich öffnen). Der zweite Sinnbegriff richtet sich auf die Existenz eines Anderen (z. B. weil jemand klopft, öffne ich die Tür), während der dritte schon das Verhalten des Anderen antizipiert (ich öffne die Tür und grüße). In der vierten Sinnschicht kommt es zu einer wechselseitigen Verhaltensorientierung, in der sich die Handlungen des Akteurs an dem erwarteten Verhalten des Anderen orientieren (ich überlege, ob ich ihn empfangen soll oder nicht). Aus diesen vier Schichten ergibt sich ein konstitutiver Sinnzusammenhang für den Handelnden selbst, d. h. für sein eigenes Verständnis der Handlung. Davon unterscheidet Schütz aber die fünfte Sinnstufe, die der Sinndeutung durch Andere. Die Aufgabe der Soziologen als möglicher „Anderer“ ist es, diese vierschichtige Sinnkonstitution des Handelnden zu verstehen.
Zusammenfassend lässt sich Schütz’ Ansatz als eine Theorie der sozialen Handlung, nicht des sozialen Handelns bezeichnen. Über die Beschränkung auf abgeschlossene Handlungen hinaus, geht Schütz auch nur auf jene Bewusstseinserlebnisse ein, die auf ein alter ego (d. h. anderes Ich) bezogen sind, womit er den Anderen als ein Bewusstsein habendes Wesen meint, nicht nur den bloßen Leib. Ein wesentliches Element der Handlung, zu dessen Berücksichtigung Schütz durch die Theorien William James angeregt wurde, stellt der Wille zu ihrer Ausführung, der Entschluss, den Handlungsentwurf umzusetzen, dar.
Die Differenz zwischen den Perspektiven von ego und alter ist von grundlegender Bedeutung für Schütz und wird auch an seinem Konzept des Motivs deutlich. In seiner , in der er nicht die Dinge analysiert, also das Soziale an sich, sondern wie diese auf uns wirken und wie sie von uns wahrgenommen werden, trifft er die Unterscheidung zwischen „Um-zu“-Motiven und „Weil“-Motiven. Dabei bilden erstere den Handlungsentwurf, der auf die zukünftige Realisierung der Handlung gerichtet ist, während letztere die (in der biographischen Vergangenheit des Handelnden liegenden) Gründe für dessen Entstehung angeben. Beispiel für ein „Um-zu“-Motiv: Der Täter beging den Überfall, um an das Geld des Opfers zu kommen. Zuerst findet der Handlungsentwurf statt, danach erfolgt das eigentliche Handeln – hier wird beschrieben, wie es zum Handeln kommt. Beispiel für ein „Weil“-Motiv: Der Täter beging den Überfall, weil er aus schlechten Verhältnissen stammte. In diesem Motiv wird dargestellt, wie es zum Handlungsentwurf kommt.
Diese Vorgehensweise ermöglicht eine personale (subjektive) Idealtypus-Konstruktion, die durch den Vergleich mit alltäglichen sozialweltlichen Situationselementen das Verstehen von Handeln ermöglicht (und sei es durch Post-hoc-Erklärungen). Der hier erwähnte Idealtypus ist als Messeinheit zu sehen, nicht aber als ein Wert, den es anzustreben gilt. Bei der Frage nach dem Motiv einer Handlung ist die Perspektive maßgeblich: Das Um-zu-Motiv stellt den Sinn der Handlung dar, wie er vom Handelnden selbst unmittelbar verstanden wird. Der Beobachter muss danach fragen, was der Akteur beabsichtigt, welchen Sinn er selbst seiner Handlung gibt, um das Um-zu-Motiv zu erschließen. Bezüglich des Weil-Motivs befinden sich Beobachter und Handelnder in einer ähnlichen Situation. Da die Hintergründe für die Entstehung des Handlungsentwurfs in der Vergangenheit liegen und mit der Handlung nicht unmittelbar zu tun haben, muss sich auch der Handelnde zu sich selbst als Beobachter verhalten, um seine Weil-Motive zu erforschen. Er hat keinen privilegierten Zugang zu ihnen.
Lebenswelt und Soziologie des Alltags
Der von Husserl stammende Begriff der Lebenswelt, die Schütz als „Gesamtzusammenhang der Lebenssphäre“ (Gesammelte Aufsätze I: S. 284) begreift, meint die intersubjektiv sinnhafte Welt, an der Menschen durch ihre alltäglichen Handlungen, durch ihre natürliche (d. h. vorwissenschaftliche) Erfahrung teilhaben. In den frühen 1940er Jahren vollzieht sich im Werk Schütz’ eine Wende zur Soziologie des Alltags, die auf ebendieser lebensweltlichen Fassung beruht. Grund für Schütz’ Distanzierung von der phänomenologischen Reduktion und für seine Hinwendung zu Phänomenen der Lebenswelt und zu der mundanen Intersubjektivität, ist seine Enttäuschung über Husserls Fünfte Cartesianische Meditation. In ihr findet Schütz nicht die erhoffte Lösung des Intersubjektivitätsproblems; seiner Meinung nach gelingt es Husserl nicht, „die Intersubjektivität alles Erkennens und Denkens transzendental abzuleiten“, wie es Schütz noch im sinnhaften Aufbau erwartet hatte (Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt: S. 30). Er wendet sich stattdessen im Zusammenhang mit der Möglichkeit von Intersubjektivität Max Scheler zu. Dessen Annahme, dass die Erfahrung der Gemeinschaft, des Wir, jeder Erfahrung vom Ich vorausgeht und diese fundiert, belegt für Schütz die Wichtigkeit der alltagsweltlichen Phänomene. Der Sozialität als lebensweltlichem Sachverhalt, nicht als phänomenologisch-transzendentalem, gilt folglich Schütz’ Interesse. Die Soziologie habe sich als eine Soziologie des Alltags der Erforschung der mundanen Intersubjektivität zu widmen, insbesondere solle sie die „invarianten eigenwesentlichen Strukturen[…] einer Gemeinschaft“ (Gesammelte Aufsätze I: S. 138) untersuchen. Dieses Ziel Schütz’ drückt sich auch im Titel seines von Thomas Luckmann fertiggestellten Hauptwerkes Strukturen der Lebenswelt aus.
Geprägt ist die Struktur der Lebenswelt durch die „natürliche Einstellung“, die dem Menschen die Existenz seiner alltäglichen Welt, die Erfahrungen, die er in ihr macht, und die Bedeutungen, die die Dinge in ihr haben, natürlich und unhinterfragbar erscheinen lassen. Als Ganzes kann diese Lebenswelt nicht in Zweifel gezogen werden, höchstens einzelne Aspekte sind hinterfragbar. Der Mensch orientiert sich in ihr, indem er pragmatischen Maximen folgt und Handlungsroutinen etabliert. Ihre Stabilität bezieht die Lebenswelt folglich auch aus der Zuversicht des Handelnden, dass sich Erlebnisse und Situationen gleichförmig gestalten und er selbst, auf seine Erfahrungen aufbauend, auch in Zukunft bestimmte Fähigkeiten einsetzen und Handlungen ausführen kann, die sich schon in der Vergangenheit bewährt haben.
Die Lebenswelt ist immer schon eine soziale Welt, die dem Einzelnen vorausgeht und von früheren Generationen erfahren und interpretiert wurde. In dem Sinne, dass sie mit anderen Menschen geteilt und gemeinsam gedeutet und kommuniziert wird, ist sie eine intersubjektive Welt und alles Wissen von und in ihr ist intersubjektiv. Der Wissensvorrat, auf den ein Mensch zurückgreift ist nur zu einem sehr geringen Teil persönlicher Natur; ein Großteil des Wissens ist sozial abgeleitet, indem es gesellschaftlich entwickelt und weitergegeben wird. Wissen ist in der Auffassung Schütz die Summe aller Fertigkeiten, Erwartungen und Überzeugungen, aller Wahrnehmungsmuster und Handlungsrezepte, unabhängig ob sie im wissenschaftlichen Sinne als wahr gelten würden, sofern sie von einer gesellschaftlichen Gruppe als Wissen angesehen werden.
In seinem Aufsatz On Multiple Realities (1945), von William James deutlich beeinflusst, manifestiert sich Schütz’ Interesse an der Lebenswelt und deren Sinnzusammenhang, der sich in alltäglichen Sozialbeziehungen herausbildet, als eine Untersuchung von Merkmalen wie Bewusstseinsspannung und Aufmerksamkeitsstruktur, Relevanzsystem und kognitiven Stil. Er entwickelt die Theorie, dass es innerhalb der menschlichen Erfahrung vielfältige Sinnprovinzen (wie z. B. die Alltagswelt, die Welt des Traumes, des Spiels, der Arbeit, Wissenschaft, Religion, Kunst usw.) gibt, an denen der Mensch teilhaben kann. Eine herausragende Stellung nimmt dabei die Welt des Alltags ein, die als „paramount reality“ den „Archetyp unserer Erfahrung der Wirklichkeit“ darstellt (Gesammelte Aufsätze I: S. 267). Diese privilegierte Position der Alltagswelt und des alltäglichen Wissens beeinflusst auch Schütz’ Konzeption der Beziehung zwischen Wissenschaft und Alltag. Die Welt des Alltags unterscheidet sich von anderen Sinnprovinzen durch den spezifischen kognitiven Stil, wie die Wirklichkeit erlebt wird. Beispielsweise hebt sich das Erleben im Alltag bezüglich der Bewusstseinsspannung durch den Zustand der Wachheit, durch die völlige Aufmerksamkeit auf die Wirklichkeit von der Welt des Traumes ab, in der keinerlei Interesse an der Realität besteht. Des Weiteren zeichnet sich die Welt des Alltags dadurch aus, dass an ihr nicht gezweifelt wird und sich die Menschen in ihr als Handelnde erfahren, während der Träumer weder handelt noch auf äußere Sachverhalte einwirken kann. Ein wesentliches Merkmal der Alltagswelt ist ihre Sozialität; alltägliche Erfahrung ist grundlegend auf Kommunikation und soziales Handeln ausgerichtet. Und schließlich stellen auch die spezifische Selbsterfahrung und Zeitperspektive Merkmale dar, die die Welt des Alltags von anderen Sinnbereichen und Formen der Welterfahrung unterscheidet. In The Stranger: An Essay in Social Psychology (1944) und The Homecomer (1945) beschäftigt sich Schütz eingehender mit den Problemen, vor allem mit der Infragestellung der Identität des Menschen, die der Übergang von einer Sinnprovinz in eine andere nach sich ziehen kann.
Wie die Struktur unserer Erfahrung von der jeweiligen Sinnprovinz abhängt, ist auch die alltägliche Sozialwelt nach der Art unterteilbar, in der das Handeln der Anderen dem Akteur zugänglich ist. Schütz unterscheidet zwischen sozialer Umwelt, Mitwelt und Vorwelt und beschreibt die verschiedenen Ausprägungen, die das Problem intersubjektiven Verstehens in den jeweiligen sozialen Sphären annimmt. Face-to-face-Interaktionen vollziehen sich in der sozialen Umwelt; diese zeichnet sich folglich durch die unmittelbare Präsenz alters für das ego an einem gemeinsamen Ort aus und ermöglicht eine direkte reziproke Reaktion auf Gesagtes und soziale Handlungen. Das Gelingen intersubjektiven Verstehens ist bei dieser Art des sozialen Kontaktes am wahrscheinlichsten, da sich die Interaktionspartner wechselseitig versichern können, ob ihre Deutungsschemata, ihre Sichtweisen der „Welt“ übereinstimmen und die Möglichkeit der kommunikativen Rückkopplung gegeben ist. Die soziale Mitwelt grenzt an den engen Kern der Umwelt und stellt alle Akteure dar, die für das ego prinzipiell erreichbar sind, weil sie zur gleichen Zeit leben, sich aber nicht am gleichen Ort aufhalten. Wissen über den Anderen, seine Motive und Sinnzusammenhänge kann nicht unmittelbar erworben werden. Ego muss sich an typisierten Erwartungen und Motiven orientieren, die oft starken sozialen Standardisierungen und Normierungen unterworfen sind (z. B. formale Anreden in Briefen an Unbekannte). Die soziale Vorwelt ist weder unmittelbar noch mittelbar für den Akteur zu erreichen, da sie nicht seiner Gegenwart angehören. Er kann keinerlei Kontakt aufnehmen und ist auf eine einseitige Interpretation angewiesen. Dementsprechend gering ist die Wahrscheinlichkeit intersubjektiven Verstehens.
Typik und Relevanz
Die Hindernisse, die intersubjektivem Verstehen, zumindest einem vollständigen Verstehen, entgegenstehen, differieren abhängig von der sozialen Sphäre. Wie ist Fremdverstehen dann aber überhaupt denkbar? Schütz’ Generalthese der Existenz des alter ego darf als grundlegende Voraussetzung dafür gelten, denn nur wenn davon ausgegangen wird, dass der Andere wirklich und prinzipiell gleichartig ist, besteht die Möglichkeit zu Intersubjektivität. Der spezifische Sinn, den der Andere als ein in gleicher Weise bewusstes, denkendes und erinnerndes Wesen seinen Handlungen zugrunde legt, ist erschließbar, indem das Ich die eigenen Bewusstseinsleistungen und Sinnkonstitutionen untersucht. Um die Sichtweise alters einzunehmen, muss ego also von der Annahme ausgehen, dass auch der Andere Interpretationsschemata verwendet, Handlungsmotive verfolgt und strukturidentische Gedankenströme besitzt, wenngleich diese von denen egos in ihrer spezifischen Ausgestaltung abweichen. Neben dem Vertrauen darauf, dass der Andere auf ähnliche Weise Wissen über die Welt generiert, ist das Handeln im Alltag im Weiteren von der zumeist unbewussten Annahme geleitet, dass die Verschiedenartigkeit unseres Wissens über die Welt darauf beruht, dass der Andere aufgrund seiner biographischen Situation und seiner Position im Raum eine Perspektive einnimmt, die sich von der egos unterscheidet. Auch wenn sich die Differenz der Perspektiven nie vollständig aufheben lässt, kann sie doch für spezifische Interaktionssituationen neutralisiert werden. Dazu bedient sich der Mensch laut Schütz der Generalthese der Reziprozität der Perspektiven, die auf zwei Idealisierungen beruht, nämlich der Idealisierung der Austauschbarkeit der Standpunkte und der Idealisierung der Übereinstimmung der Relevanzsysteme.
Auf der Idealisierung der Austauschbarkeit der Standpunkte gründet sich die Sicherheit, dass ich das gleiche wahrnehmen würde wie mein Gegenüber, wäre ich an seiner Stelle und dass ich die Dinge in gleicher Perspektive, Distanz und Reichweite erfahren würde wie er. Darüber hinaus erwarte ich von ihm, dass er die gleiche Idealisierung vollzieht. Die Idealisierung der Übereinstimmung der Relevanzsysteme leugnet nicht, dass ich abhängig von meiner biographisch bestimmten Situation spezifische Interessen und Ziele habe und potentiell andere Dinge als relevant empfinde als mein Gesprächspartner, sie besagt vielmehr, dass beim Versuch einer Verständigung diese Unterschiede der Relevanzsysteme unbeachtet bleiben können. Für den momentanen Zweck, den der Andere und ich verfolgen, sind sie irrelevant. Vollziehen die Gesprächspartner diese Idealisierung wechselseitig ergibt sich im Alltag zumeist zwar keine vollständige – weil diese unmöglich ist –, aber eine für die Kommunikation ausreichende Übereinstimmung der Relevanzsysteme.
Um Schütz’ Herangehensweise an die Lösung des Intersubjektivitätsproblems nachzuvollziehen, ist es nötig, die Begriffe Typik und Relevanz zu erläutern. Unter Typik versteht Schütz jenes Phänomen der Alltagswelt, das uns Personen (und Gegenstände) nur in sehr spezifischen Situationen als konkret und einzigartig erfahren lässt, in den meisten Fällen greifen wir hingegen auf ein Verständnis anderer Akteure als typische Vertreter einer sozialen Rolle zurück. Aufgrund der sprachlichen Vermittlung einer Welt bereits etablierter Typisierungen, in die wir hineingeboren werden, lernen wir Hunde, Freunde usw. stets schon als typische Hunde, typische Freunde usw. kennen. Typisierungen blenden also das Besondere einer Person (oder eines Gegenstandes), die Vielfalt ihrer Persönlichkeit aus, indem sie auf Vorerfahrungen verweisen. Durch diese Abstraktion erleichtern sie uns Verständigungsprozesse. Wir müssen in Interaktionen nicht „von Null“ anfangen, sondern können uns darauf verlassen, dass die typisierte Wahrnehmung des Anderen und das Unterstellen typischer Motive und Sinnstrukturen ausreicht, um vor dem praktischen Hintergrund der Situation eine Verständigung zu erzielen. In diesem Sinne sind sowohl ego wie alter Träger sozialer Rollen, die sich als Bündel typischer Motive und Handlungsmuster darstellen. Typisierungen werden dabei wechselseitig von den Gesprächspartnern verwendet und antizipiert.
„Konstruiere ich den anderen als nur partielles Selbst, als Darsteller typischer Rollen oder Funktionen, so findet dies eine Entsprechung im Prozeß der Selbsttypisierung, der einsetzt, sobald ich mit dem Anderen in soziale Wirkensbeziehungen eintrete. Ich nehme an einer solchen Beziehung auch nicht als ganze Persönlichkeit, sondern nur mit bestimmten Persönlichkeitsschichten teil. Indem ich die Rolle des Anderen definiere, nehme ich selbst eine Rolle an“ (Gesammelte Aufsätze I: S. 21). Um das mit einem Beispiel zu illustrieren: Betrete ich einen Supermarkt und frage dort einen Angestellten, in welchem Regal französischer Rotwein zu finden ist, lege ich nicht nur seine Rolle als typischer Supermarkt-Angestellter fest, der mir die gewünschte Auskunft – mehr oder weniger freundlich – erteilen wird, sondern auch meine als typischer Käufer. Für das Gelingen der Kommunikation spielt es weder eine Rolle, warum ich französischen Rotwein und nicht Weißwein kaufen will und warum gerade in diesem Supermarkt, noch warum er für diesen Supermarkt arbeitet o. ä.
Obwohl die alltäglichen Typisierungen auf einem persönlichen, wenn auch gesellschaftlich beeinflussten Relevanzsystem beruhen, wird ihm selbst kaum Beachtung geschenkt. Relevanz ist vor allem dann feststellbar, wenn alltägliche Typisierungen zu einem Problem werden. In seinem Aufsatz Strukturen der Lebenswelt (Gesammelte Aufsätze III: S. 153) umreißt Schütz sein Forschungsinteresse hinsichtlich des Problems der Relevanz anhand dreier Fragen: „Wie kommt es überhaupt zur Stellung eines Problems, nämlich dazu, daß uns das fraglich gewordene auch des Fragens würdig erscheint? Was ist für die Lösung eines Problems relevant? Wann erscheint es uns als für unsere Zwecke ‚hinreichend‘ gelöst, so daß wir weitere Untersuchungen abbrechen?“
Schütz unterscheidet drei Problemdimensionen. Die thematische Relevanz ist als Aufmerksamkeit oder Interesse für einen bestimmten Ausschnitt der Wirklichkeit gekennzeichnet; dieser Gegenstand wird für mich zum Thema. Vor dem Hintergrund meiner typischen Erfahrungen kann das Problem Auslegungs- oder Interpretationsrelevanz erfahren, wenn ich nämlich aus dem mir zur Verfügung stehenden Wissensvorrat bestimmte Typisierungen und Interpretationsschemata zur Lösung des Problems auswähle. Von motivationaler Relevanz spricht Schütz schließlich, wenn die Handlungsentwürfe, in Bezug auf die Um-zu- und Weil-Motiven problematisiert werden. Soziales Handeln im Alltag ist in den Relevanzstrukturen begründet. Da es durch wechselseitige Motivverkettung zu intersubjektiven Verstehen führen soll, ist soziales Handeln laut Schütz im Wesentlichen als Problemlösungssituation einer Face-to-face-Interaktion gekennzeichnet. Aus solchen konkreten „Wir-Beziehungen“ leitet sich jede Typik ab.
Die fundamentale Erfahrung des „Wir“ in der Unmittelbarkeit einer Face-to-face-Interaktion begründet die Fähigkeit zu intersubjektiven Verstehen. Da sich jede Typik aus einer konkreten „Wir-Beziehung“ ableitet, ist das auch für das typische Verstehen der Fall. Diese Typik bestimmt das mittelbare Erleben von mitweltlichen, d. h. abwesenden Anderen. Aber auch die Unmittelbarkeit einer umweltlichen Beziehung weist einen Bezug zu anderen Alltagswelten, zur Mitwelt und Vorwelt auf; und dieser Bezug hat eine Typik, er verweist auf Akte eines mittelbaren Erlebens, und damit auf Abgeleitetes, Appräsentes (d. h. nicht wahrgenommenes „Mitbewusstes“, das assoziativ mit einem präsenten Gegenstand o. Ä. verbunden ist, z. B. appräsentiert der Leib alters seine Innerlichkeit, die für ego nicht unmittelbar gegeben ist). Indem Schütz auch in der unmittelbaren Präsenz, die die „Wir-Beziehung“ kennzeichnet, eine Verbindung zu den appräsenten Momenten anderer Sinnprovinzen feststellt, schafft er eine Theorie situativer Transzendenz. Der Alltag, konkrete Interaktionssituationen und umweltliche Beziehungen werden durch die Typik transzendiert und mit sozial, historisch, mythisch oder wissenschaftlich Appräsenten in Beziehung gesetzt.
Wissenschaft und Alltagswelt
Aus den bisherigen Ausführungen ist hervorgegangen, dass Schütz Wissenschaft als eine Sinnprovinz auffasst, die keineswegs über die des alltäglichen Lebens zu stellen ist. Diese Einordnung der Wissenschaft als einen Sinnbereich unter vielen, von denen nur die Alltagswelt der Beschreibung als „paramount reality“, als ausgezeichnete Wirklichkeit gerecht wird, stellt eine besondere Leistung des Schütz’schen Werkes dar. Hinsichtlich wissenschaftlicher Theorien trennt er strikt zwischen ihrem Entstehungs- und ihrem Verwendungszusammenhang und sieht ihren Zweck nicht in einem konkreten Verwertungsinteresse. „Die Bildung wissenschaftlicher Theorie […] dient keinem praktischen Zweck. Ihr Ziel ist es nicht, die Welt zu beherrschen, sondern sie zu beobachten und sie nach Möglichkeit zu verstehen“ (Gesammelte Aufsätze I: S. 282). Für eine handlungsverstehende Soziologie gilt, die Prozesse der Sinnkonstitution und -interpretation der lebensweltlichen Akteure nachzuvollziehen. Damit unterscheiden sich die Sozialwissenschaften wesentlich von den Naturwissenschaften, deren Objektbereich keine bewusste Selbstdefinition und Deutung für sich beansprucht. „Das Beobachtungsfeld des Sozialwissenschaftlers, also die soziale Wirklichkeit, hat dagegen eine besondere Bedeutung und Relevanzstruktur für die in ihr lebenden, handelnden und denkenden menschlichen Wesen. Sie haben diese Welt, in der sie die Wirklichkeit ihres täglichen Lebens erfahren, in einer Folge von Konstruktionen des Alltagsverstandes bereits vorher ausgesucht und interpretiert“ (Gesammelte Aufsätze I: S. 68). Der Sozialwissenschaftler kann die Tatsache, dass Menschen ein Selbstverständnis ihrer subjektiv sinnhaften Handlungen entwickeln, nicht ignorieren, vielmehr muss er auf diesen Interpretationen und Konstruktionen aufbauen. „Daher sind die Konstruktionen der Sozialwissenschaften sozusagen Konstruktionen zweiten Grades, das heißt Konstruktionen von Konstruktionen jener Handelnden im Sozialfeld, deren Verhalten der Sozialwissenschaftler beobachten und erklären muß […]“ (Gesammelte Aufsätze I: S. 68).
Schütz betont damit den – in ihrer spezifischen Art der Welterfassung begründeten – konstruktiven Charakter der Sozialwissenschaften. Er formuliert Anforderungen, denen die Wissenschaft in ihrer Bemühung Wirklichkeit in modellhafter und idealtypischer Weise verstehend nachzuzeichnen, gerecht werden muss. Das Postulat der logischen Konsistenz fordert, dass die vom Wissenschaftler konstruierten Typisierungen und Idealtypen mit Grundsätzen der formalen Logik vereinbar sind und ihre Formulierung möglichst klar und deutlich ist. Das Postulat der Rationalität soll die potentielle Verifizierung wissenschaftlicher Annahmen und die Konstruktion eines validen Modells sozialer Wirklichkeit sicherstellen. Dem Postulat der subjektiven Auslegung entsprechend, müssen die wissenschaftlichen Idealtypen auf den subjektiven Sinn, den sie in der Lebenswelt entfalten, rückführbar sein. Und schließlich sollen die Begriffe, denen sich der Wissenschaftler bedient, dem Postulat der Adäquanz folgend, auch für den alltagsweltlichen Akteur selbst verstehbar und vernünftig sein.
Bedeutung des Schütz’schen Werkes für die Sozialwissenschaften
Obwohl sich das Werk von Schütz für philosophisch orientiertes Arbeiten eignet, blieben doch Möglichkeiten für empirisch forschende Ansätze nur schwach ausgebildet. Das änderte sich erst mit Harold Garfinkels Ethnomethodologie, die das Schütz’sche Werk als theoretische Vorarbeit nutzt.
Dass es einige Zeit in Anspruch nahm, bis Schütz’ phänomenologischer Ansatz in den Sozialwissenschaften rezipiert wurde, mag vielerlei Gründe haben. Schließlich war er lange gezwungen, seiner theoretischen Arbeit nur in den Nächten und Urlauben, außerhalb seiner Tätigkeit als Bankier, nachzugehen. Als er fast vierzigjährig emigrieren musste, war sein auf Deutsch erschienenes Erstlingswerk Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt in den USA kaum bekannt. Dort wurde das akademische Leben einerseits von der Idee spezifisch empirischer Forschung, vertreten von Robert K. Merton und Paul Lazarsfeld (Columbia University), dominiert, andererseits hatte Talcott Parsons (Harvard University) Strukturfunktionalismus enormen Einfluss auf die amerikanische Soziologie. Die positivistisch-quantitative Forschungsweise des department of sociology der Columbia University unterschied sich stark von der humanistischen Orientierung der New School, an der Schütz lehrte, und setzte sich im wissenschaftlichen Klima der 1950er Jahre, das angewandter Soziologie den Vorzug gab, durch. Eine Annäherung der theoretischen Positionen Schütz’ und Parsons schlug fehl, wie ihr Briefwechsel dokumentiert. Darüber hinaus waren viele von Schütz’ Artikeln, oft in philosophischen Fachzeitschriften veröffentlicht, der Allgemeinheit nur schwer zugänglich.
So ist es kaum verwunderlich, dass Schütz zu Lebenszeiten in akademischen Kreisen kaum wahrgenommen wurde. Umso bedeutsamer war aber sein Einfluss auf Sozialwissenschaftler, die bei Schütz an der New School studierten. befasste sich vor dem Hintergrund der existentialistischen Tradition mit einer philosophischen Grundlegung der Rollentheorie, während sich der Frage der Intersubjektivität und der Relevanz widmete. Schütz übte starken Einfluss auf den Soziologen Helmut Wagner aus, der die Richtung und Inhalte seiner Forschungstätigkeit über seine Schütz-Anhängerschaft definierte. Zwei andere Studenten Schütz’, die es zu großer Bekanntheit gebracht haben, sind Peter L. Berger und Thomas Luckmann. Vor allem in ihrem gemeinsamen Werk Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit führten sie die Gedanken ihres Lehrers weiter und trugen wesentlich zur Verbreitung von ihm angeregter Überlegungen bei. Sie brachten eine sozial-konstruktivistische, wissenssoziologische Theorie zur Entfaltung, die sich auf Schütz beruft, aber wesentlich über ihn hinausgeht. Über Berger und Luckmann fanden auf Schütz zurückgehende theoretische Annahmen auch Einzug in die Organisationstheorie, insbesondere in die Grundannahmen des Neoinstitutionalismus.
Die stärkste Modifikation haben Schütz’ Gedanken in ihrer Beeinflussung Harold Garfinkels erfahren, der als der Begründer der Ethnomethodologie gilt. In seinen frühen Untersuchungen benutzte Garfinkel Schütz’ theoretische Einsichten in der Absicht, Parsons Annahmen zur sozialen Ordnung empirisch zu überprüfen. Er kam schließlich zu der Ansicht, dass Parsons hinsichtlich einer gesellschaftlich geteilten Kultur und der Zweckrationalität als bestimmend für gelingende Interaktion irrt. Garfinkel wendete sich der Untersuchung der Methoden zu, die Alltagsakteure verwenden, um ihr Wissen und ihre Auffassungen zu kommunizieren. Rationalität, Sinn und gelingende Verständigung stellen als Ergebnis sozialen Handelns die Leistung von Akteuren dar. Wenn auch nicht davon gesprochen werden kann, dass Garfinkel an Schütz’ Gedanken und Arbeit anschließt und diese fortsetzt, so wären die Anfänge der Ethnomethodologie doch undenkbar ohne die theoretische und methodische Vorarbeit von Schütz.
Schriften
- Einzelausgaben
- Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie. Springer, Wien 1932.
- mit Thomas Luckmann: (Soziologische Texte; Bd. 82). Luchterhand, Neuwied 1975, ISBN 3-472-72582-6.
- Gesammelte Aufsätze. Nijhoff, Den Haag, 1971–1972 (Aus dem Amerikanischen übersetzt und mit einem „Nachwort zur Übersetzung“ von Benita Luckmann und Richard Grathoff.)
- Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Mit einer Einführung von Aron Gurwitsch. 1971, ISBN 90-247-5116-0.
- Studien zur soziologischen Theorie. Arvid Brodersen (Hrsg.). 1972, ISBN 90-247-1498-2.
- Studien zur phänomenologischen Philosophie. Ilse Schütz (Hrsg.). 1971, ISBN 90-247-1169-X.
- Das Problem der Relevanz. Hrsg. und erläutert von Richard M. Zaner. Mit einer Einleitung von Thomas Luckmann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-518-27971-8.
- Zur Theorie sozialen Handelns. Ein Briefwechsel („The theory of social action. The correspondence of Alfred Schutz and Talcott Parsons“). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-518-07802-X.
- Theorie der Lebensformen. Frühe Manuskripte aus der Bergson-Periode (stw; Bd. 350). Herausgegeben und eingeleitet von Ilja Srubar. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-518-07950-6.
- Werkausgabe
- Richard Grathoff, Hans-Georg Soeffner und Ilja Srubar (Hrsg.): Alfred Schütz-Werkausgabe. UVK-Verlag, Konstanz 2003 ff.
Briefwechsel
- Alfred Schütz/Aaron Gurwitsch: Briefwechsel 1939–1959. Herausgegeben und eingeleitet von Richard Grathoff, Wilhelm Fink Verlag, München 1985, ISBN 978-3-7705-2260-6.
- Alfred Schütz/Eric Voegelin: Eine Freundschaft, die ein Leben ausgehalten hat: Briefwechsel 1938–1959. UVK Verlag, Konstanz 2004, ISBN 978-3-89669-699-1.
Familie
Alfred Schütz war das einzige Kind seiner Eltern. Sein Vater (1869–1899), der ebenfalls Alfred Schütz hieß, stammte aus Wien und starb bereits vor der Geburt seines Sohns. Er hatte als Kassierer bei der Großbank Wiener Bankverein gearbeitet. Die Mutter, Johanna Hansi Schütz (1873–1955 geborene Fiala) stammte aus Böhmen. Johanna Schütz heiratete drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes dessen Bruder, Otto Schütz (1874–1942). Dieser arbeitete als Prokurist bei der Wiener Privatbank Ephrussi & Co.
Im März 1926 heiratete Alfred Schütz Ilse Heim (1902–1990) und hatte mit ihr zwei Kinder:
- Eva Elisabeth (Evelyn) Schütz (später Schutz, 1933–2018), verheiratete Lang
- Georg T. Schütz (später Schutz, 1938–2007).
Ilse Heim hatte Kunstgeschichte an der Universität Wien studiert und dort auch ihren zukünftigen Ehemann Alfred Schütz kennengelernt. Nach der Heirat war sie dessen Sekretärin und nach seinem Tod 1959 Herausgeberin seiner Werke. Zudem betätigte sie sich künstlerisch als Malerin und Stickerin.
Siehe auch
- Appräsentation
Literatur
- Lexikonartikel
- Michael Barber: Eintrag in Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
- Dirk Kaesler: Schütz (Schutz), Alfred. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 658–660 (Digitalisat).
- Kay-Volker Koschel: SCHÜTZ, Alfred. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 9, Bautz, Herzberg 1995, ISBN 3-88309-058-1, Sp. 1054–1056 .
- Schutz, Alfred, in: Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,2. München: Saur 1983. ISBN 3-598-10089-2, S. 1057
- Aufsätze
- Jochen Dreher: Alfred Schutz. In: George Ritzer, Jeff Stepnisky (Hrsg.): The Wiley-Blackwell Companion to Major Social Theorists, Vol. I Wiley-Blackwell, Oxford 2011, ISBN 978-1-4443-3078-6, S. 489–510.
- Thomas S. Eberle: Schütz’ Lebensweltanalyse. Soziologie oder Protosoziologie? In: Angelica Bäumer, Michael Benedikt (Hrsg.): Gelehrtenrepublik – Lebenswelt. Edmund Husserl und Alfred Schütz in der Krisis der phänomenologischen Bewegung. Passagen, Wien 1993, ISBN 3-900767-77-7, S. 293–320.
- Martin Endreß: Alfred Schütz. Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. In: Dirk Kaesler, Ludgera Vogt (Hrsg.): Hauptwerke der Soziologie (= Kröners Taschenausgabe. Band 396). 2., durchgesehene Auflage. Kröner, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-520-39602-0, S. 371–377.
- Martin Endreß: Alfred Schütz. In: Dirk Kaesler (Hrsg.): Von Auguste Comte bis Alfred Schütz (Klassiker der Soziologie; Band 1). 5. Auflage. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54749-4, S. 338–357.
- Alexander Jakobidze-Gitman: Dionysian Spirit as ‘The Social Self’: Alfred Schutz’s Insightful (Mis)use of Nietzsche. In: Journal of the British Society for Phenomenology, Jahrgang 51 (2020), Heft 3, S. 215–230, doi:10.1080/00071773.2019.1682790.
- Hubert Knoblauch: Diskurs, Kommunikation und Wissenssoziologie. In: Reiner Keller u. a. (Hrsg.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 1: Theorien und Methoden. VS, Wiesbaden 2001, ISBN 3-8100-2851-7, S. 207–223.
- Hubert Knoblauch, Thomas Luckmann: Gattungsanalysw. In: Uwe Flick u. a. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Rowohlt, Reinbek 2000, ISBN 3-499-55628-6, S. 538–546 (früherer Titel Handbuch qualitative Sozialforschung).
- George Psathas: Alfred Schutz’s Influence on American Sociologists and Sociology. In: Human Studies, Band 27, 2004, S. 1–35.
- Steven Vaitkus: Phenomenology and Sociology. In: Bryan S. Turner (Hrsg.): The Blackwell Companion to Social Theory. Blackwell Publ., London 2000, ISBN 0-631-21366-X, S. 270–298.
- Bücher
- Dreher, Jochen: Mathesis universalis – Die aktuelle Relevanz der „Strukturen der Lebenswelt“. Springer VS: Wiesbaden 2021, doi:10.1007/978-3-658-22329-8
- Martin Endreß: Alfred Schütz (Klassiker der Wissenssoziologie; Band 3). UVK, Konstanz 2006, ISBN 978-3-89669-547-5.
- Richard Grathoff: Alfred Schütz. In: Dirk Kaesler (Hrsg.): Von Weber bis Mannheim (Klassiker des soziologischen Denkens; Band 2). Beck, München 1978, ISBN 3-406-06457-4.
- Richard Grathoff (Hrsg.): Briefwechsel 1939–1959. (Alfred Schütz und Aron Gurwitsch) (Übergänge; Band 4.). Fink, München 1985, ISBN 3-7705-2260-5 (mit einer Einleitung von Ludwig Landgrebe).
- Michael Hanke: Alfred Schütz. Einführung. Passagen, Wien 2002, ISBN 3-85165-434-X.
- Peter J. Opitz (Hrsg.): Briefwechsel über „Die neue Wissenschaft der Politik“. (Alfred Schütz mit Eric Voegelin & Leo Strauss & Aron Gurwitsch). Alber, Freiburg i. Br. 1993, ISBN 3-495-47757-8 (Alber-Reihe praktische Philosophie; 46.).
- Wolfgang L. Schneider: Weber, Parsons, Mead, Schütz (Grundlagen der soziologischen Theorie; Band 1). VS, Wiesbaden 2002, ISBN 978-3-531-15829-7.
- Ilja Srubar: Kosmion. Die Genese der pragmatischen Lebenswelttheorie von Alfred Schütz und ihr anthropologischer Hintergrund. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-518-57891-X.
Weblinks
- Literatur von und über Alfred Schütz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Alfred Schütz in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Alfred Schutz Archive des Department of Sociology der Waseda-Universität; mit umfangreicher Bibliographie
- Lester Embree: Eintrag in James Fieser, Bradley Dowden (Hrsg.): Internet Encyclopedia of Philosophy.
- Editionsprojekt der Alfred Schütz Werkausgabe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
- Bibliografie Alfred Schütz an der Karl-Franzens-Universität Graz ( vom 17. November 2002 im Internet Archive)
- Social Science Archive Konstanz
- Sozialwissenschaftliches Archiv Konstanz – Alfred-Schütz-Gedächtnis-Archiv
- The International Alfred Schutz Circle for Phenomenology and Interpretive Social Science
- wikibooks Alfred Schütz
- The International Alfred Schutz Circle for Phenomenology and Interpretive Social Science (englisch)
Einzelnachweise
- Reinhard Müller: Alfred Schutz. In: 50 Klassiker der Soziologie. Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich @ Institut für Soziologie, Karl-Franzens-Universität Graz, abgerufen am 12. März 2024.
- Dirk Kaesler (Hrsg.): Klassiker der Soziologie. Band I, 5. Aufl., S. 338, Verlag C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54749-4
- Sabine Sander: Dialogische Verantwortung. Verlag Wilhelm Fink, Paderborn 2017, S. 62, ISBN 978-3-8467-6220-2
- Briefwechsel 1939 [neunzehnhundertneununddreissig] - 1959. Fink, München 1985, ISBN 3-7705-2260-5.
- Michael D. Barber: The Participating Citizen – A Biography of Alfred Schutz. State University of New York Press, Albany 2004, S. 19f., ISBN 0-7914-6141-6.
- Dirk Kaesler (Hrsg.): Klassiker der Soziologie. Band I, 5. Aufl., S. 313, Verlag C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54749-4
- Nachruf auf Evelyn Schutz Lang. 6. Mai 2022, abgerufen am 17. November 2024 (englisch).
Personendaten | |
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NAME | Schütz, Alfred |
ALTERNATIVNAMEN | Schutz, Alfred |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Soziologe und Philosoph |
GEBURTSDATUM | 13. April 1899 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 20. Mai 1959 |
STERBEORT | New York City |
Autor: www.NiNa.Az
Veröffentlichungsdatum:
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Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen beispielsweise Einzelnachweisen ausgestattet Angaben ohne ausreichenden Beleg konnten demnachst entfernt werden Bitte hilf Wikipedia indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfugst Alfred Schutz auch Alfred Schutz 13 April 1899 in Wien Osterreich Ungarn 20 Mai 1959 in New York City war ein aus Osterreich stammender Soziologe der als Begrunder der phanomenologischen Soziologie gilt und sich ausgehend von Edmund Husserl Henri Bergson und Max Weber der Frage der Intersubjektivitat widmete Alfred SchutzBiographischer HintergrundBeruflicher Werdegang Am 13 April 1899 in Wien als Sohn judischer Eltern geboren erwarb Alfred Schutz 1917 vorzeitig auf dem Wiener Esterhazy Gymnasium sein Reifezeugnis Notmatura meldete sich im Marz desselben Jahres freiwillig zum Dienst im Osterreichisch Ungarischen Heer und wurde mehrfach ausgezeichnet Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nahm Schutz ein Studium der Rechtswissenschaften Okonomie und Philosophie an der Universitat Wien auf schloss 1921 die staatswissenschaftlichen und juristischen Staatsprufungen sowie Rigorosa ab und erwarb den akademischen Grad eines Doktors der Jurisprudenz Von 1921 bis 1925 war er Sekretar des Osterreichischen Bankenverbands und arbeitete seit 1924 als Rechtsberater des Wiener Bankhauses Kompass Allgemeine Kredit und Garantiebank Ab 1929 war Schutz als Prokurist fur die Wiener Privatbank Reitler amp Co tatig Nachdem die Bank 1938 durch die Nationalsozialisten ubernommen und Schutz entlassen worden war ging dieser nach Frankreich ins Exil Dort arbeitete er als Rechtsberater fur die Pariser Bank R Gaston Dreyfus amp Co und verhalf anderen Juden zur Flucht aus dem Grossdeutschen Reich Beim deutschen Einmarsch in Osterreich war Schutz auf einer Geschaftsreise in Paris Er wollte zu seiner Familie zuruckreisen doch sein Freund und geschatzter Kollege Aaron Gurwitsch uberredete ihn dazu in Paris zu bleiben Schutz Frau Ilse loste den Haushalt in Wien auf und beantragte die Auswanderung Die Zerschlagung der Tschechoslowakei veranlasste Schutz dazu seine Emigration in die USA in die Wege zu leiten Gemeinsam mit seiner Familie ubersiedelte er am 14 Juli 1939 kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs an Bord der New Amsterdam nach New York USA Dort schloss er sich Emil Reitler 1886 1949 dem ehemaligen Besitzer der Bank Reitler amp Co und seinen Wiener Berufskollegen Robert Lambert und Paul Jeral an Gemeinsam berieten sie ehemalige Kunden von Reitler amp Co in Finanzfragen Nach dem Krieg reiste Schutz wiederholt nach Europa um alte Geschaftskontakte wiederzubeleben Neben seiner Arbeit als Finanzberater widmete sich Alfred Schutz in seiner Freizeit der Soziologie 1956 erhielt er eine Anstellung als Full Professor of Sociology and Social Psychology an der New School for Social Research in New York und konnte es sich erstmals finanziell erlauben sich voll seiner wissenschaftlichen Tatigkeit zu widmen Wissenschaftlicher Werdegang Schutz Denken war u a von der Osterreichischen Schule der Nationalokonomie gepragt die Ende des 19 Jahrhunderts von Carl Menger gegrundet worden war Die Menger Schuler Friedrich von Wieser und Ludwig von Mises waren Lehrer Schutzens in Wien ebenso der Rechtsphilosoph Hans Kelsen und der dem Wiener Kreis nahestehende Felix Kaufmann Auch seine Freunde Fritz Machlup und Erich Vogelin beeinflussten Schutz Vogelin regte ihn an zur Lekture von Henri Bergson einem Vertreter der Lebensphilosophie des 19 Jahrhunderts und Edmund Husserl dem Begrunder der Phanomenologie 1932 erschien Schutz erste und zu Lebzeiten einzige Monographie Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt Eine Einleitung in die verstehende Soziologie 1932 die die Sozialwissenschaften nachhaltig beeinflusste Durch die Freundschaft mit Aron Gurwitsch einem aus Litauen stammenden Philosophen den Schutz in Paris kennengelernt hatte intensivierte sich seine Beschaftigung mit Husserls Phanomenologie Der Ansatz der Phanomenologie bei Husserl besteht darin zu analysieren wie Gegenstande als Phanomene Erscheinungen vom Bewusstsein wahrgenommen werden da sie nur als solche uberhaupt wahrgenommen werden konnen Husserl hatte den Versuch unternommen neuropsychologische Erkenntnisse auszuschliessen da der Sinn seiner Meinung nach keine naturalistische Zugangsweise verlange sondern eine deskriptive und nach allgemeinen Strukturen fragende Untersuchung des Bewusstseins Damit der wahre Wesensgehalt einer Sache erkannt werden konne mussten wir eine phanomenologische Reduktion vornehmen die uns einen neutralen Blick auf die Dinge des Lebens erlaube Auch war fur Husserl das Denken selbst nicht existent da wir stets nur von etwas denken konnten Schutz knupfte an die Phanomenologie Husserls und dessen Vorstellung der Lebenswelt als intersubjektiv sinnvoller Welt an Vor diesem Hintergrund fragte er nach den Prozessen der sozialen Konstitution von Sinn In Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt versuchte Schutz die Verstehende Soziologie Max Webers phanomenologisch zu fundieren Ausgehend von Husserls Philosophie der Lebenswelt konzipierte Schutz eine Soziologie des Alltags und der damit verbundenen Arbeit Im amerikanischen Exil fand Schutz nur schwer Anschluss an die wissenschaftliche Gemeinschaft die zu dieser Zeit von Talcott Parsons und dessen Strukturfunktionalismus dominiert war Der Austausch zwischen Schutz und Parsons den ihr Briefwechsel dokumentiert scheiterte schliesslich Schutz fand auf andere Weise Zugang zur amerikanischen Sozialwissenschaft Einerseits wurde er Vorstandsmitglied der International Society of Phenomenology und 1941 Mitherausgeber der von gegrundeten Zeitschrift Philosophy and Phenomenological Research andererseits begann er 1943 an der New School for Social Research in New York zu lehren Diese Hochschule hatte sich zum Ziel gesetzt aus Europa in die USA emigrierte Sozialwissenschaftler zu unterstutzen Von 1952 bis 1956 war Schutz an der New School Chairman of the philosophy department und wurde 1956 dort schliesslich zum Full Professor of Sociology and Social Psychology berufen Er starb aber bereits drei Jahre spater 1959 Sein geplantes und bereits begonnenes Hauptwerk Strukturen der Lebenswelt wurde postum von seinem Schuler Thomas Luckmann vollendet Ebenso erschien ein Grossteil seiner Artikel erst postum gesammelt in Collected Papers I III 1962 1964 1966 deutsch Gesammelte Schriften I III 1971 Im Folgenden soll die theoretische Position dargestellt werden die Schutz in Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt 1932 in Reflections on the Problem of Relevance 1970 deutsch Das Problem der Relevanz 1971 und in den Aufsatzen entwickelt hat die sich in den Collected Papers I III 1962 1964 1966 bzw Gesammelten Aufsatzen I III 1971 finden Die phanomenologische Begrundung der SoziologieIn seiner Bemuhung eine philosophische Grundlegung der Sozialwissenschaften und dabei insbesondere der Soziologie zu erarbeiten folgt Alfred Schutz dem Vorhaben Max Webers Soziologie als strenge Wissenschaft auf handlungstheoretischer Basis zu begrunden Schutz kritisiert dabei an Weber dass dieser zwar die Werkzeuge zum Verstehen des sozialen Sinns von Handlungen geschaffen hat eine philosophische Begrundung des Sinnverstehens aber unterlasst Fur Weber besteht soziales Handeln in der Verknupfung von Verhalten und subjektivem Sinn In seiner Verstehenden Soziologie geht es vor allem darum zu klaren wie ein wissenschaftlicher Beobachter den subjektiven Sinn den ein Akteur mit seinem Handeln verbindet erfassen kann Er bestreitet dabei dass dieser Sinn dem Akteur selbst unverfalschter oder zuverlassiger zuganglich ist als dem wissenschaftlichen Beobachter Schutz setzt hingegen beim Handelnden selbst an und fragt nach der Konstitution subjektiven Sinns d h wie der Akteur selbst Sinn erzeugt und erfahrt Dem wissenschaftlichen Beobachter ist der subjektive Sinn einer Handlung wie ihn der Handelnde selbst erfahrt nicht zuganglich und sein Verstandnis kann nie identisch mit dem des Akteurs sein Dieses Problem des Fremdverstehens betrifft nicht nur das Verhaltnis zwischen Wissenschaftler und handelndem Subjekt Wenn der Sinn einer Handlung namlich nur demjenigen verstandlich ist der sie ausfuhrt nicht aber dem jeweils Anderen stellt sich die Frage wie unsere alltagliche Kommunikation als funktionierend empfunden werden kann Wie ist gesellschaftliches Zusammenleben moglich ohne den subjektiven Sinn zu kennen den Andere mit ihren Handlungen verbinden Schutz zufolge greifen Akteure im Alltag auf bestimmte Methoden zuruck die es ihnen ermoglichen von einem intersubjektiv geteilten Sinn auszugehen Er untersucht die Bedingungen und Prinzipien die diese Erzeugung von intersubjektivem Sinn leiten Soziale Handlung Sinn und Subjektivitat Vorerst geht die Analyse Schutz aber vom Ego dem Erleben des einsamen Ichs aus Bergson folgend ergibt sich fur Schutz sinnhaftes Handeln erst in der Reflexion des Ichs auf bereits vergangene Erlebnisse Wahrend des Vollzugs einer Handlung also wahrend des Handelns selbst kann ihr vom Akteur kein Sinn beigelegt werden Erst durch den Ruckgriff auf den Entwurf oder Plan der zu der Handlung fuhrte kann diese einen subjektiven Sinn entfalten Nur das Erlebte ist sinnvoll nicht aber das Erleben Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt S 49 Schutz unterscheidet strikt zwischen dem Handeln als Tatigkeit lateinisch actio und der Handlung als gedanklichen Entwurf actum wobei das Handeln das Sinnhafte in der Handlung im Handlungsentwurf findet Diese Trennung zwischen Handeln und Handlung hebt Schutz Zugangsweise von der Webers ab an dieser kritisiert Schutz Weber macht zwischen Handeln als Ablauf und vollzogener Handlung zwischen dem Sinn des Erzeugens und dem Sinn des Erzeugnisses zwischen dem Sinn eigenen und fremden Handelns bzw eigener und fremder Erlebnisse zwischen Selbstverstehen und Fremdverstehen keinen Unterschied Er fragt nicht nach der besonderen Konstitutionsweise des Sinnes fur den Handelnden nicht nach den Modifikationen die dieser Sinn fur den Partner in der Sozialwelt oder fur den aussenstehenden Beobachter erfahrt nicht nach dem eigenartigen Fundierungszusammenhang zwischen Eigenpsychischem und Fremdpsychischem dessen Aufklarung fur eine prazise Erfassung des Phanomens Fremdverstehen unerlasslich ist Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt S 5 In der Auseinandersetzung mit Webers Sinnbegriff stellt Schutz funf Sinnschichten dar Auf der Ebene der ersten Schicht ist Sinn unabhangig von einem konkreten Anderen er wird vielmehr Dingen der Umwelt zugeschrieben z B eine Tur lasst sich offnen Der zweite Sinnbegriff richtet sich auf die Existenz eines Anderen z B weil jemand klopft offne ich die Tur wahrend der dritte schon das Verhalten des Anderen antizipiert ich offne die Tur und grusse In der vierten Sinnschicht kommt es zu einer wechselseitigen Verhaltensorientierung in der sich die Handlungen des Akteurs an dem erwarteten Verhalten des Anderen orientieren ich uberlege ob ich ihn empfangen soll oder nicht Aus diesen vier Schichten ergibt sich ein konstitutiver Sinnzusammenhang fur den Handelnden selbst d h fur sein eigenes Verstandnis der Handlung Davon unterscheidet Schutz aber die funfte Sinnstufe die der Sinndeutung durch Andere Die Aufgabe der Soziologen als moglicher Anderer ist es diese vierschichtige Sinnkonstitution des Handelnden zu verstehen Zusammenfassend lasst sich Schutz Ansatz als eine Theorie der sozialen Handlung nicht des sozialen Handelns bezeichnen Uber die Beschrankung auf abgeschlossene Handlungen hinaus geht Schutz auch nur auf jene Bewusstseinserlebnisse ein die auf ein alter ego d h anderes Ich bezogen sind womit er den Anderen als ein Bewusstsein habendes Wesen meint nicht nur den blossen Leib Ein wesentliches Element der Handlung zu dessen Berucksichtigung Schutz durch die Theorien William James angeregt wurde stellt der Wille zu ihrer Ausfuhrung der Entschluss den Handlungsentwurf umzusetzen dar Die Differenz zwischen den Perspektiven von ego und alter ist von grundlegender Bedeutung fur Schutz und wird auch an seinem Konzept des Motivs deutlich In seiner in der er nicht die Dinge analysiert also das Soziale an sich sondern wie diese auf uns wirken und wie sie von uns wahrgenommen werden trifft er die Unterscheidung zwischen Um zu Motiven und Weil Motiven Dabei bilden erstere den Handlungsentwurf der auf die zukunftige Realisierung der Handlung gerichtet ist wahrend letztere die in der biographischen Vergangenheit des Handelnden liegenden Grunde fur dessen Entstehung angeben Beispiel fur ein Um zu Motiv Der Tater beging den Uberfall um an das Geld des Opfers zu kommen Zuerst findet der Handlungsentwurf statt danach erfolgt das eigentliche Handeln hier wird beschrieben wie es zum Handeln kommt Beispiel fur ein Weil Motiv Der Tater beging den Uberfall weil er aus schlechten Verhaltnissen stammte In diesem Motiv wird dargestellt wie es zum Handlungsentwurf kommt Diese Vorgehensweise ermoglicht eine personale subjektive Idealtypus Konstruktion die durch den Vergleich mit alltaglichen sozialweltlichen Situationselementen das Verstehen von Handeln ermoglicht und sei es durch Post hoc Erklarungen Der hier erwahnte Idealtypus ist als Messeinheit zu sehen nicht aber als ein Wert den es anzustreben gilt Bei der Frage nach dem Motiv einer Handlung ist die Perspektive massgeblich Das Um zu Motiv stellt den Sinn der Handlung dar wie er vom Handelnden selbst unmittelbar verstanden wird Der Beobachter muss danach fragen was der Akteur beabsichtigt welchen Sinn er selbst seiner Handlung gibt um das Um zu Motiv zu erschliessen Bezuglich des Weil Motivs befinden sich Beobachter und Handelnder in einer ahnlichen Situation Da die Hintergrunde fur die Entstehung des Handlungsentwurfs in der Vergangenheit liegen und mit der Handlung nicht unmittelbar zu tun haben muss sich auch der Handelnde zu sich selbst als Beobachter verhalten um seine Weil Motive zu erforschen Er hat keinen privilegierten Zugang zu ihnen Lebenswelt und Soziologie des Alltags Der von Husserl stammende Begriff der Lebenswelt die Schutz als Gesamtzusammenhang der Lebenssphare Gesammelte Aufsatze I S 284 begreift meint die intersubjektiv sinnhafte Welt an der Menschen durch ihre alltaglichen Handlungen durch ihre naturliche d h vorwissenschaftliche Erfahrung teilhaben In den fruhen 1940er Jahren vollzieht sich im Werk Schutz eine Wende zur Soziologie des Alltags die auf ebendieser lebensweltlichen Fassung beruht Grund fur Schutz Distanzierung von der phanomenologischen Reduktion und fur seine Hinwendung zu Phanomenen der Lebenswelt und zu der mundanen Intersubjektivitat ist seine Enttauschung uber Husserls Funfte Cartesianische Meditation In ihr findet Schutz nicht die erhoffte Losung des Intersubjektivitatsproblems seiner Meinung nach gelingt es Husserl nicht die Intersubjektivitat alles Erkennens und Denkens transzendental abzuleiten wie es Schutz noch im sinnhaften Aufbau erwartet hatte Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt S 30 Er wendet sich stattdessen im Zusammenhang mit der Moglichkeit von Intersubjektivitat Max Scheler zu Dessen Annahme dass die Erfahrung der Gemeinschaft des Wir jeder Erfahrung vom Ich vorausgeht und diese fundiert belegt fur Schutz die Wichtigkeit der alltagsweltlichen Phanomene Der Sozialitat als lebensweltlichem Sachverhalt nicht als phanomenologisch transzendentalem gilt folglich Schutz Interesse Die Soziologie habe sich als eine Soziologie des Alltags der Erforschung der mundanen Intersubjektivitat zu widmen insbesondere solle sie die invarianten eigenwesentlichen Strukturen einer Gemeinschaft Gesammelte Aufsatze I S 138 untersuchen Dieses Ziel Schutz druckt sich auch im Titel seines von Thomas Luckmann fertiggestellten Hauptwerkes Strukturen der Lebenswelt aus Gepragt ist die Struktur der Lebenswelt durch die naturliche Einstellung die dem Menschen die Existenz seiner alltaglichen Welt die Erfahrungen die er in ihr macht und die Bedeutungen die die Dinge in ihr haben naturlich und unhinterfragbar erscheinen lassen Als Ganzes kann diese Lebenswelt nicht in Zweifel gezogen werden hochstens einzelne Aspekte sind hinterfragbar Der Mensch orientiert sich in ihr indem er pragmatischen Maximen folgt und Handlungsroutinen etabliert Ihre Stabilitat bezieht die Lebenswelt folglich auch aus der Zuversicht des Handelnden dass sich Erlebnisse und Situationen gleichformig gestalten und er selbst auf seine Erfahrungen aufbauend auch in Zukunft bestimmte Fahigkeiten einsetzen und Handlungen ausfuhren kann die sich schon in der Vergangenheit bewahrt haben Die Lebenswelt ist immer schon eine soziale Welt die dem Einzelnen vorausgeht und von fruheren Generationen erfahren und interpretiert wurde In dem Sinne dass sie mit anderen Menschen geteilt und gemeinsam gedeutet und kommuniziert wird ist sie eine intersubjektive Welt und alles Wissen von und in ihr ist intersubjektiv Der Wissensvorrat auf den ein Mensch zuruckgreift ist nur zu einem sehr geringen Teil personlicher Natur ein Grossteil des Wissens ist sozial abgeleitet indem es gesellschaftlich entwickelt und weitergegeben wird Wissen ist in der Auffassung Schutz die Summe aller Fertigkeiten Erwartungen und Uberzeugungen aller Wahrnehmungsmuster und Handlungsrezepte unabhangig ob sie im wissenschaftlichen Sinne als wahr gelten wurden sofern sie von einer gesellschaftlichen Gruppe als Wissen angesehen werden In seinem Aufsatz On Multiple Realities 1945 von William James deutlich beeinflusst manifestiert sich Schutz Interesse an der Lebenswelt und deren Sinnzusammenhang der sich in alltaglichen Sozialbeziehungen herausbildet als eine Untersuchung von Merkmalen wie Bewusstseinsspannung und Aufmerksamkeitsstruktur Relevanzsystem und kognitiven Stil Er entwickelt die Theorie dass es innerhalb der menschlichen Erfahrung vielfaltige Sinnprovinzen wie z B die Alltagswelt die Welt des Traumes des Spiels der Arbeit Wissenschaft Religion Kunst usw gibt an denen der Mensch teilhaben kann Eine herausragende Stellung nimmt dabei die Welt des Alltags ein die als paramount reality den Archetyp unserer Erfahrung der Wirklichkeit darstellt Gesammelte Aufsatze I S 267 Diese privilegierte Position der Alltagswelt und des alltaglichen Wissens beeinflusst auch Schutz Konzeption der Beziehung zwischen Wissenschaft und Alltag Die Welt des Alltags unterscheidet sich von anderen Sinnprovinzen durch den spezifischen kognitiven Stil wie die Wirklichkeit erlebt wird Beispielsweise hebt sich das Erleben im Alltag bezuglich der Bewusstseinsspannung durch den Zustand der Wachheit durch die vollige Aufmerksamkeit auf die Wirklichkeit von der Welt des Traumes ab in der keinerlei Interesse an der Realitat besteht Des Weiteren zeichnet sich die Welt des Alltags dadurch aus dass an ihr nicht gezweifelt wird und sich die Menschen in ihr als Handelnde erfahren wahrend der Traumer weder handelt noch auf aussere Sachverhalte einwirken kann Ein wesentliches Merkmal der Alltagswelt ist ihre Sozialitat alltagliche Erfahrung ist grundlegend auf Kommunikation und soziales Handeln ausgerichtet Und schliesslich stellen auch die spezifische Selbsterfahrung und Zeitperspektive Merkmale dar die die Welt des Alltags von anderen Sinnbereichen und Formen der Welterfahrung unterscheidet In The Stranger An Essay in Social Psychology 1944 und The Homecomer 1945 beschaftigt sich Schutz eingehender mit den Problemen vor allem mit der Infragestellung der Identitat des Menschen die der Ubergang von einer Sinnprovinz in eine andere nach sich ziehen kann Wie die Struktur unserer Erfahrung von der jeweiligen Sinnprovinz abhangt ist auch die alltagliche Sozialwelt nach der Art unterteilbar in der das Handeln der Anderen dem Akteur zuganglich ist Schutz unterscheidet zwischen sozialer Umwelt Mitwelt und Vorwelt und beschreibt die verschiedenen Auspragungen die das Problem intersubjektiven Verstehens in den jeweiligen sozialen Spharen annimmt Face to face Interaktionen vollziehen sich in der sozialen Umwelt diese zeichnet sich folglich durch die unmittelbare Prasenz alters fur das ego an einem gemeinsamen Ort aus und ermoglicht eine direkte reziproke Reaktion auf Gesagtes und soziale Handlungen Das Gelingen intersubjektiven Verstehens ist bei dieser Art des sozialen Kontaktes am wahrscheinlichsten da sich die Interaktionspartner wechselseitig versichern konnen ob ihre Deutungsschemata ihre Sichtweisen der Welt ubereinstimmen und die Moglichkeit der kommunikativen Ruckkopplung gegeben ist Die soziale Mitwelt grenzt an den engen Kern der Umwelt und stellt alle Akteure dar die fur das ego prinzipiell erreichbar sind weil sie zur gleichen Zeit leben sich aber nicht am gleichen Ort aufhalten Wissen uber den Anderen seine Motive und Sinnzusammenhange kann nicht unmittelbar erworben werden Ego muss sich an typisierten Erwartungen und Motiven orientieren die oft starken sozialen Standardisierungen und Normierungen unterworfen sind z B formale Anreden in Briefen an Unbekannte Die soziale Vorwelt ist weder unmittelbar noch mittelbar fur den Akteur zu erreichen da sie nicht seiner Gegenwart angehoren Er kann keinerlei Kontakt aufnehmen und ist auf eine einseitige Interpretation angewiesen Dementsprechend gering ist die Wahrscheinlichkeit intersubjektiven Verstehens Typik und Relevanz Die Hindernisse die intersubjektivem Verstehen zumindest einem vollstandigen Verstehen entgegenstehen differieren abhangig von der sozialen Sphare Wie ist Fremdverstehen dann aber uberhaupt denkbar Schutz Generalthese der Existenz des alter ego darf als grundlegende Voraussetzung dafur gelten denn nur wenn davon ausgegangen wird dass der Andere wirklich und prinzipiell gleichartig ist besteht die Moglichkeit zu Intersubjektivitat Der spezifische Sinn den der Andere als ein in gleicher Weise bewusstes denkendes und erinnerndes Wesen seinen Handlungen zugrunde legt ist erschliessbar indem das Ich die eigenen Bewusstseinsleistungen und Sinnkonstitutionen untersucht Um die Sichtweise alters einzunehmen muss ego also von der Annahme ausgehen dass auch der Andere Interpretationsschemata verwendet Handlungsmotive verfolgt und strukturidentische Gedankenstrome besitzt wenngleich diese von denen egos in ihrer spezifischen Ausgestaltung abweichen Neben dem Vertrauen darauf dass der Andere auf ahnliche Weise Wissen uber die Welt generiert ist das Handeln im Alltag im Weiteren von der zumeist unbewussten Annahme geleitet dass die Verschiedenartigkeit unseres Wissens uber die Welt darauf beruht dass der Andere aufgrund seiner biographischen Situation und seiner Position im Raum eine Perspektive einnimmt die sich von der egos unterscheidet Auch wenn sich die Differenz der Perspektiven nie vollstandig aufheben lasst kann sie doch fur spezifische Interaktionssituationen neutralisiert werden Dazu bedient sich der Mensch laut Schutz der Generalthese der Reziprozitat der Perspektiven die auf zwei Idealisierungen beruht namlich der Idealisierung der Austauschbarkeit der Standpunkte und der Idealisierung der Ubereinstimmung der Relevanzsysteme Auf der Idealisierung der Austauschbarkeit der Standpunkte grundet sich die Sicherheit dass ich das gleiche wahrnehmen wurde wie mein Gegenuber ware ich an seiner Stelle und dass ich die Dinge in gleicher Perspektive Distanz und Reichweite erfahren wurde wie er Daruber hinaus erwarte ich von ihm dass er die gleiche Idealisierung vollzieht Die Idealisierung der Ubereinstimmung der Relevanzsysteme leugnet nicht dass ich abhangig von meiner biographisch bestimmten Situation spezifische Interessen und Ziele habe und potentiell andere Dinge als relevant empfinde als mein Gesprachspartner sie besagt vielmehr dass beim Versuch einer Verstandigung diese Unterschiede der Relevanzsysteme unbeachtet bleiben konnen Fur den momentanen Zweck den der Andere und ich verfolgen sind sie irrelevant Vollziehen die Gesprachspartner diese Idealisierung wechselseitig ergibt sich im Alltag zumeist zwar keine vollstandige weil diese unmoglich ist aber eine fur die Kommunikation ausreichende Ubereinstimmung der Relevanzsysteme Um Schutz Herangehensweise an die Losung des Intersubjektivitatsproblems nachzuvollziehen ist es notig die Begriffe Typik und Relevanz zu erlautern Unter Typik versteht Schutz jenes Phanomen der Alltagswelt das uns Personen und Gegenstande nur in sehr spezifischen Situationen als konkret und einzigartig erfahren lasst in den meisten Fallen greifen wir hingegen auf ein Verstandnis anderer Akteure als typische Vertreter einer sozialen Rolle zuruck Aufgrund der sprachlichen Vermittlung einer Welt bereits etablierter Typisierungen in die wir hineingeboren werden lernen wir Hunde Freunde usw stets schon als typische Hunde typische Freunde usw kennen Typisierungen blenden also das Besondere einer Person oder eines Gegenstandes die Vielfalt ihrer Personlichkeit aus indem sie auf Vorerfahrungen verweisen Durch diese Abstraktion erleichtern sie uns Verstandigungsprozesse Wir mussen in Interaktionen nicht von Null anfangen sondern konnen uns darauf verlassen dass die typisierte Wahrnehmung des Anderen und das Unterstellen typischer Motive und Sinnstrukturen ausreicht um vor dem praktischen Hintergrund der Situation eine Verstandigung zu erzielen In diesem Sinne sind sowohl ego wie alter Trager sozialer Rollen die sich als Bundel typischer Motive und Handlungsmuster darstellen Typisierungen werden dabei wechselseitig von den Gesprachspartnern verwendet und antizipiert Konstruiere ich den anderen als nur partielles Selbst als Darsteller typischer Rollen oder Funktionen so findet dies eine Entsprechung im Prozess der Selbsttypisierung der einsetzt sobald ich mit dem Anderen in soziale Wirkensbeziehungen eintrete Ich nehme an einer solchen Beziehung auch nicht als ganze Personlichkeit sondern nur mit bestimmten Personlichkeitsschichten teil Indem ich die Rolle des Anderen definiere nehme ich selbst eine Rolle an Gesammelte Aufsatze I S 21 Um das mit einem Beispiel zu illustrieren Betrete ich einen Supermarkt und frage dort einen Angestellten in welchem Regal franzosischer Rotwein zu finden ist lege ich nicht nur seine Rolle als typischer Supermarkt Angestellter fest der mir die gewunschte Auskunft mehr oder weniger freundlich erteilen wird sondern auch meine als typischer Kaufer Fur das Gelingen der Kommunikation spielt es weder eine Rolle warum ich franzosischen Rotwein und nicht Weisswein kaufen will und warum gerade in diesem Supermarkt noch warum er fur diesen Supermarkt arbeitet o a Obwohl die alltaglichen Typisierungen auf einem personlichen wenn auch gesellschaftlich beeinflussten Relevanzsystem beruhen wird ihm selbst kaum Beachtung geschenkt Relevanz ist vor allem dann feststellbar wenn alltagliche Typisierungen zu einem Problem werden In seinem Aufsatz Strukturen der Lebenswelt Gesammelte Aufsatze III S 153 umreisst Schutz sein Forschungsinteresse hinsichtlich des Problems der Relevanz anhand dreier Fragen Wie kommt es uberhaupt zur Stellung eines Problems namlich dazu dass uns das fraglich gewordene auch des Fragens wurdig erscheint Was ist fur die Losung eines Problems relevant Wann erscheint es uns als fur unsere Zwecke hinreichend gelost so dass wir weitere Untersuchungen abbrechen Schutz unterscheidet drei Problemdimensionen Die thematische Relevanz ist als Aufmerksamkeit oder Interesse fur einen bestimmten Ausschnitt der Wirklichkeit gekennzeichnet dieser Gegenstand wird fur mich zum Thema Vor dem Hintergrund meiner typischen Erfahrungen kann das Problem Auslegungs oder Interpretationsrelevanz erfahren wenn ich namlich aus dem mir zur Verfugung stehenden Wissensvorrat bestimmte Typisierungen und Interpretationsschemata zur Losung des Problems auswahle Von motivationaler Relevanz spricht Schutz schliesslich wenn die Handlungsentwurfe in Bezug auf die Um zu und Weil Motiven problematisiert werden Soziales Handeln im Alltag ist in den Relevanzstrukturen begrundet Da es durch wechselseitige Motivverkettung zu intersubjektiven Verstehen fuhren soll ist soziales Handeln laut Schutz im Wesentlichen als Problemlosungssituation einer Face to face Interaktion gekennzeichnet Aus solchen konkreten Wir Beziehungen leitet sich jede Typik ab Die fundamentale Erfahrung des Wir in der Unmittelbarkeit einer Face to face Interaktion begrundet die Fahigkeit zu intersubjektiven Verstehen Da sich jede Typik aus einer konkreten Wir Beziehung ableitet ist das auch fur das typische Verstehen der Fall Diese Typik bestimmt das mittelbare Erleben von mitweltlichen d h abwesenden Anderen Aber auch die Unmittelbarkeit einer umweltlichen Beziehung weist einen Bezug zu anderen Alltagswelten zur Mitwelt und Vorwelt auf und dieser Bezug hat eine Typik er verweist auf Akte eines mittelbaren Erlebens und damit auf Abgeleitetes Apprasentes d h nicht wahrgenommenes Mitbewusstes das assoziativ mit einem prasenten Gegenstand o A verbunden ist z B apprasentiert der Leib alters seine Innerlichkeit die fur ego nicht unmittelbar gegeben ist Indem Schutz auch in der unmittelbaren Prasenz die die Wir Beziehung kennzeichnet eine Verbindung zu den apprasenten Momenten anderer Sinnprovinzen feststellt schafft er eine Theorie situativer Transzendenz Der Alltag konkrete Interaktionssituationen und umweltliche Beziehungen werden durch die Typik transzendiert und mit sozial historisch mythisch oder wissenschaftlich Apprasenten in Beziehung gesetzt Wissenschaft und Alltagswelt Aus den bisherigen Ausfuhrungen ist hervorgegangen dass Schutz Wissenschaft als eine Sinnprovinz auffasst die keineswegs uber die des alltaglichen Lebens zu stellen ist Diese Einordnung der Wissenschaft als einen Sinnbereich unter vielen von denen nur die Alltagswelt der Beschreibung als paramount reality als ausgezeichnete Wirklichkeit gerecht wird stellt eine besondere Leistung des Schutz schen Werkes dar Hinsichtlich wissenschaftlicher Theorien trennt er strikt zwischen ihrem Entstehungs und ihrem Verwendungszusammenhang und sieht ihren Zweck nicht in einem konkreten Verwertungsinteresse Die Bildung wissenschaftlicher Theorie dient keinem praktischen Zweck Ihr Ziel ist es nicht die Welt zu beherrschen sondern sie zu beobachten und sie nach Moglichkeit zu verstehen Gesammelte Aufsatze I S 282 Fur eine handlungsverstehende Soziologie gilt die Prozesse der Sinnkonstitution und interpretation der lebensweltlichen Akteure nachzuvollziehen Damit unterscheiden sich die Sozialwissenschaften wesentlich von den Naturwissenschaften deren Objektbereich keine bewusste Selbstdefinition und Deutung fur sich beansprucht Das Beobachtungsfeld des Sozialwissenschaftlers also die soziale Wirklichkeit hat dagegen eine besondere Bedeutung und Relevanzstruktur fur die in ihr lebenden handelnden und denkenden menschlichen Wesen Sie haben diese Welt in der sie die Wirklichkeit ihres taglichen Lebens erfahren in einer Folge von Konstruktionen des Alltagsverstandes bereits vorher ausgesucht und interpretiert Gesammelte Aufsatze I S 68 Der Sozialwissenschaftler kann die Tatsache dass Menschen ein Selbstverstandnis ihrer subjektiv sinnhaften Handlungen entwickeln nicht ignorieren vielmehr muss er auf diesen Interpretationen und Konstruktionen aufbauen Daher sind die Konstruktionen der Sozialwissenschaften sozusagen Konstruktionen zweiten Grades das heisst Konstruktionen von Konstruktionen jener Handelnden im Sozialfeld deren Verhalten der Sozialwissenschaftler beobachten und erklaren muss Gesammelte Aufsatze I S 68 Schutz betont damit den in ihrer spezifischen Art der Welterfassung begrundeten konstruktiven Charakter der Sozialwissenschaften Er formuliert Anforderungen denen die Wissenschaft in ihrer Bemuhung Wirklichkeit in modellhafter und idealtypischer Weise verstehend nachzuzeichnen gerecht werden muss Das Postulat der logischen Konsistenz fordert dass die vom Wissenschaftler konstruierten Typisierungen und Idealtypen mit Grundsatzen der formalen Logik vereinbar sind und ihre Formulierung moglichst klar und deutlich ist Das Postulat der Rationalitat soll die potentielle Verifizierung wissenschaftlicher Annahmen und die Konstruktion eines validen Modells sozialer Wirklichkeit sicherstellen Dem Postulat der subjektiven Auslegung entsprechend mussen die wissenschaftlichen Idealtypen auf den subjektiven Sinn den sie in der Lebenswelt entfalten ruckfuhrbar sein Und schliesslich sollen die Begriffe denen sich der Wissenschaftler bedient dem Postulat der Adaquanz folgend auch fur den alltagsweltlichen Akteur selbst verstehbar und vernunftig sein Bedeutung des Schutz schen Werkes fur die SozialwissenschaftenObwohl sich das Werk von Schutz fur philosophisch orientiertes Arbeiten eignet blieben doch Moglichkeiten fur empirisch forschende Ansatze nur schwach ausgebildet Das anderte sich erst mit Harold Garfinkels Ethnomethodologie die das Schutz sche Werk als theoretische Vorarbeit nutzt Dass es einige Zeit in Anspruch nahm bis Schutz phanomenologischer Ansatz in den Sozialwissenschaften rezipiert wurde mag vielerlei Grunde haben Schliesslich war er lange gezwungen seiner theoretischen Arbeit nur in den Nachten und Urlauben ausserhalb seiner Tatigkeit als Bankier nachzugehen Als er fast vierzigjahrig emigrieren musste war sein auf Deutsch erschienenes Erstlingswerk Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt in den USA kaum bekannt Dort wurde das akademische Leben einerseits von der Idee spezifisch empirischer Forschung vertreten von Robert K Merton und Paul Lazarsfeld Columbia University dominiert andererseits hatte Talcott Parsons Harvard University Strukturfunktionalismus enormen Einfluss auf die amerikanische Soziologie Die positivistisch quantitative Forschungsweise des department of sociology der Columbia University unterschied sich stark von der humanistischen Orientierung der New School an der Schutz lehrte und setzte sich im wissenschaftlichen Klima der 1950er Jahre das angewandter Soziologie den Vorzug gab durch Eine Annaherung der theoretischen Positionen Schutz und Parsons schlug fehl wie ihr Briefwechsel dokumentiert Daruber hinaus waren viele von Schutz Artikeln oft in philosophischen Fachzeitschriften veroffentlicht der Allgemeinheit nur schwer zuganglich So ist es kaum verwunderlich dass Schutz zu Lebenszeiten in akademischen Kreisen kaum wahrgenommen wurde Umso bedeutsamer war aber sein Einfluss auf Sozialwissenschaftler die bei Schutz an der New School studierten befasste sich vor dem Hintergrund der existentialistischen Tradition mit einer philosophischen Grundlegung der Rollentheorie wahrend sich der Frage der Intersubjektivitat und der Relevanz widmete Schutz ubte starken Einfluss auf den Soziologen Helmut Wagner aus der die Richtung und Inhalte seiner Forschungstatigkeit uber seine Schutz Anhangerschaft definierte Zwei andere Studenten Schutz die es zu grosser Bekanntheit gebracht haben sind Peter L Berger und Thomas Luckmann Vor allem in ihrem gemeinsamen Werk Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit fuhrten sie die Gedanken ihres Lehrers weiter und trugen wesentlich zur Verbreitung von ihm angeregter Uberlegungen bei Sie brachten eine sozial konstruktivistische wissenssoziologische Theorie zur Entfaltung die sich auf Schutz beruft aber wesentlich uber ihn hinausgeht Uber Berger und Luckmann fanden auf Schutz zuruckgehende theoretische Annahmen auch Einzug in die Organisationstheorie insbesondere in die Grundannahmen des Neoinstitutionalismus Die starkste Modifikation haben Schutz Gedanken in ihrer Beeinflussung Harold Garfinkels erfahren der als der Begrunder der Ethnomethodologie gilt In seinen fruhen Untersuchungen benutzte Garfinkel Schutz theoretische Einsichten in der Absicht Parsons Annahmen zur sozialen Ordnung empirisch zu uberprufen Er kam schliesslich zu der Ansicht dass Parsons hinsichtlich einer gesellschaftlich geteilten Kultur und der Zweckrationalitat als bestimmend fur gelingende Interaktion irrt Garfinkel wendete sich der Untersuchung der Methoden zu die Alltagsakteure verwenden um ihr Wissen und ihre Auffassungen zu kommunizieren Rationalitat Sinn und gelingende Verstandigung stellen als Ergebnis sozialen Handelns die Leistung von Akteuren dar Wenn auch nicht davon gesprochen werden kann dass Garfinkel an Schutz Gedanken und Arbeit anschliesst und diese fortsetzt so waren die Anfange der Ethnomethodologie doch undenkbar ohne die theoretische und methodische Vorarbeit von Schutz SchriftenEinzelausgabenDer sinnhafte Aufbau der sozialen Welt Eine Einleitung in die verstehende Soziologie Springer Wien 1932 mit Thomas Luckmann Soziologische Texte Bd 82 Luchterhand Neuwied 1975 ISBN 3 472 72582 6 Gesammelte Aufsatze Nijhoff Den Haag 1971 1972 Aus dem Amerikanischen ubersetzt und mit einem Nachwort zur Ubersetzung von Benita Luckmann und Richard Grathoff Das Problem der sozialen Wirklichkeit Mit einer Einfuhrung von Aron Gurwitsch 1971 ISBN 90 247 5116 0 Studien zur soziologischen Theorie Arvid Brodersen Hrsg 1972 ISBN 90 247 1498 2 Studien zur phanomenologischen Philosophie Ilse Schutz Hrsg 1971 ISBN 90 247 1169 X Das Problem der Relevanz Hrsg und erlautert von Richard M Zaner Mit einer Einleitung von Thomas Luckmann Suhrkamp Frankfurt am Main 1982 ISBN 3 518 27971 8 Zur Theorie sozialen Handelns Ein Briefwechsel The theory of social action The correspondence of Alfred Schutz and Talcott Parsons Suhrkamp Frankfurt am Main 1977 ISBN 3 518 07802 X Theorie der Lebensformen Fruhe Manuskripte aus der Bergson Periode stw Bd 350 Herausgegeben und eingeleitet von Ilja Srubar Suhrkamp Frankfurt am Main 1981 ISBN 3 518 07950 6 WerkausgabeRichard Grathoff Hans Georg Soeffner und Ilja Srubar Hrsg Alfred Schutz Werkausgabe UVK Verlag Konstanz 2003 ff Briefwechsel Alfred Schutz Aaron Gurwitsch Briefwechsel 1939 1959 Herausgegeben und eingeleitet von Richard Grathoff Wilhelm Fink Verlag Munchen 1985 ISBN 978 3 7705 2260 6 Alfred Schutz Eric Voegelin Eine Freundschaft die ein Leben ausgehalten hat Briefwechsel 1938 1959 UVK Verlag Konstanz 2004 ISBN 978 3 89669 699 1 FamilieAlfred Schutz war das einzige Kind seiner Eltern Sein Vater 1869 1899 der ebenfalls Alfred Schutz hiess stammte aus Wien und starb bereits vor der Geburt seines Sohns Er hatte als Kassierer bei der Grossbank Wiener Bankverein gearbeitet Die Mutter Johanna Hansi Schutz 1873 1955 geborene Fiala stammte aus Bohmen Johanna Schutz heiratete drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes dessen Bruder Otto Schutz 1874 1942 Dieser arbeitete als Prokurist bei der Wiener Privatbank Ephrussi amp Co Im Marz 1926 heiratete Alfred Schutz Ilse Heim 1902 1990 und hatte mit ihr zwei Kinder Eva Elisabeth Evelyn Schutz spater Schutz 1933 2018 verheiratete Lang Georg T Schutz spater Schutz 1938 2007 Ilse Heim hatte Kunstgeschichte an der Universitat Wien studiert und dort auch ihren zukunftigen Ehemann Alfred Schutz kennengelernt Nach der Heirat war sie dessen Sekretarin und nach seinem Tod 1959 Herausgeberin seiner Werke Zudem betatigte sie sich kunstlerisch als Malerin und Stickerin Siehe auchApprasentationLiteraturLexikonartikelMichael Barber Eintrag in Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Dirk Kaesler Schutz Schutz Alfred In Neue Deutsche Biographie NDB Band 23 Duncker amp Humblot Berlin 2007 ISBN 978 3 428 11204 3 S 658 660 Digitalisat Kay Volker Koschel SCHUTZ Alfred In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 9 Bautz Herzberg 1995 ISBN 3 88309 058 1 Sp 1054 1056 Artikel Artikelanfang im Internet Archive am 2007 06 29 Schutz Alfred in Werner Roder Herbert A Strauss Hrsg International Biographical Dictionary of Central European Emigres 1933 1945 Band 2 2 Munchen Saur 1983 ISBN 3 598 10089 2 S 1057AufsatzeJochen Dreher Alfred Schutz In George Ritzer Jeff Stepnisky Hrsg The Wiley Blackwell Companion to Major Social Theorists Vol I Wiley Blackwell Oxford 2011 ISBN 978 1 4443 3078 6 S 489 510 Thomas S Eberle Schutz Lebensweltanalyse Soziologie oder Protosoziologie In Angelica Baumer Michael Benedikt Hrsg Gelehrtenrepublik Lebenswelt Edmund Husserl und Alfred Schutz in der Krisis der phanomenologischen Bewegung Passagen Wien 1993 ISBN 3 900767 77 7 S 293 320 Martin Endress Alfred Schutz Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt In Dirk Kaesler Ludgera Vogt Hrsg Hauptwerke der Soziologie Kroners Taschenausgabe Band 396 2 durchgesehene Auflage Kroner Stuttgart 2007 ISBN 978 3 520 39602 0 S 371 377 Martin Endress Alfred Schutz In Dirk Kaesler Hrsg Von Auguste Comte bis Alfred Schutz Klassiker der Soziologie Band 1 5 Auflage Beck Munchen 2006 ISBN 3 406 54749 4 S 338 357 Alexander Jakobidze Gitman Dionysian Spirit as The Social Self Alfred Schutz s Insightful Mis use of Nietzsche In Journal of the British Society for Phenomenology Jahrgang 51 2020 Heft 3 S 215 230 doi 10 1080 00071773 2019 1682790 Hubert Knoblauch Diskurs Kommunikation und Wissenssoziologie In Reiner Keller u a Hrsg Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse Band 1 Theorien und Methoden VS Wiesbaden 2001 ISBN 3 8100 2851 7 S 207 223 Hubert Knoblauch Thomas Luckmann Gattungsanalysw In Uwe Flick u a Hrsg Qualitative Forschung Rowohlt Reinbek 2000 ISBN 3 499 55628 6 S 538 546 fruherer Titel Handbuch qualitative Sozialforschung George Psathas Alfred Schutz s Influence on American Sociologists and Sociology In Human Studies Band 27 2004 S 1 35 Steven Vaitkus Phenomenology and Sociology In Bryan S Turner Hrsg The Blackwell Companion to Social Theory Blackwell Publ London 2000 ISBN 0 631 21366 X S 270 298 BucherDreher Jochen Mathesis universalis Die aktuelle Relevanz der Strukturen der Lebenswelt Springer VS Wiesbaden 2021 doi 10 1007 978 3 658 22329 8 Martin Endress Alfred Schutz Klassiker der Wissenssoziologie Band 3 UVK Konstanz 2006 ISBN 978 3 89669 547 5 Richard Grathoff Alfred Schutz In Dirk Kaesler Hrsg Von Weber bis Mannheim Klassiker des soziologischen Denkens Band 2 Beck Munchen 1978 ISBN 3 406 06457 4 Richard Grathoff Hrsg Briefwechsel 1939 1959 Alfred Schutz und Aron Gurwitsch Ubergange Band 4 Fink Munchen 1985 ISBN 3 7705 2260 5 mit einer Einleitung von Ludwig Landgrebe Michael Hanke Alfred Schutz Einfuhrung Passagen Wien 2002 ISBN 3 85165 434 X Peter J Opitz Hrsg Briefwechsel uber Die neue Wissenschaft der Politik Alfred Schutz mit Eric Voegelin amp Leo Strauss amp Aron Gurwitsch Alber Freiburg i Br 1993 ISBN 3 495 47757 8 Alber Reihe praktische Philosophie 46 Wolfgang L Schneider Weber Parsons Mead Schutz Grundlagen der soziologischen Theorie Band 1 VS Wiesbaden 2002 ISBN 978 3 531 15829 7 Ilja Srubar Kosmion Die Genese der pragmatischen Lebenswelttheorie von Alfred Schutz und ihr anthropologischer Hintergrund Suhrkamp Frankfurt am Main 1988 ISBN 3 518 57891 X WeblinksLiteratur von und uber Alfred Schutz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Werke von und uber Alfred Schutz in der Deutschen Digitalen Bibliothek Alfred Schutz Archive des Department of Sociology der Waseda Universitat mit umfangreicher Bibliographie Lester Embree Eintrag in James Fieser Bradley Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Editionsprojekt der Alfred Schutz Werkausgabe an der Friedrich Alexander Universitat Erlangen Nurnberg Bibliografie Alfred Schutz an der Karl Franzens Universitat Graz Memento vom 17 November 2002 im Internet Archive Social Science Archive Konstanz Sozialwissenschaftliches Archiv Konstanz Alfred Schutz Gedachtnis Archiv The International Alfred Schutz Circle for Phenomenology and Interpretive Social Science wikibooks Alfred Schutz The International Alfred Schutz Circle for Phenomenology and Interpretive Social Science englisch EinzelnachweiseReinhard Muller Alfred Schutz In 50 Klassiker der Soziologie Archiv fur die Geschichte der Soziologie in Osterreich Institut fur Soziologie Karl Franzens Universitat Graz abgerufen am 12 Marz 2024 Dirk Kaesler Hrsg Klassiker der Soziologie Band I 5 Aufl S 338 Verlag C H Beck Munchen 2006 ISBN 3 406 54749 4 Sabine Sander Dialogische Verantwortung Verlag Wilhelm Fink Paderborn 2017 S 62 ISBN 978 3 8467 6220 2 Briefwechsel 1939 neunzehnhundertneununddreissig 1959 Fink Munchen 1985 ISBN 3 7705 2260 5 Michael D Barber The Participating Citizen A Biography of Alfred Schutz State University of New York Press Albany 2004 S 19f ISBN 0 7914 6141 6 Dirk Kaesler Hrsg Klassiker der Soziologie Band I 5 Aufl S 313 Verlag C H Beck Munchen 2006 ISBN 3 406 54749 4 Nachruf auf Evelyn Schutz Lang 6 Mai 2022 abgerufen am 17 November 2024 englisch Normdaten Person GND 118611135 lobid GND Explorer OGND AKS LCCN n50003183 NDL 00455845 VIAF 34476467 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Schutz AlfredALTERNATIVNAMEN Schutz AlfredKURZBESCHREIBUNG osterreichischer Soziologe und PhilosophGEBURTSDATUM 13 April 1899GEBURTSORT WienSTERBEDATUM 20 Mai 1959STERBEORT New York City