Als Großer Lauschangriff oder kurz Lauschangriff werden in Deutschland Österreich und der Schweiz umgangssprachlich akus
Großer Lauschangriff

Als Großer Lauschangriff oder kurz Lauschangriff werden in Deutschland, Österreich und der Schweiz umgangssprachlich akustische und optische Überwachungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste innerhalb des privaten Raums wie bspw. einer Privatwohnung bezeichnet.
Deutschland
Schon zu Beginn der 1990er Jahre hatte die Bundesregierung versucht, den „Großen Lauschangriff“ einzuführen. Meist scheiterte dies an Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). 1995 führte die FDP dazu eine Urabstimmung durch, bei der sich eine Mehrheit von 63,6 % für den Lauschangriff aussprach. Als Reaktion trat Leutheusser-Schnarrenberger von ihrem Amt zurück.
Die Grundlagen für den „Großen Lauschangriff“ wurden am 16. Januar 1998 vom Bundestag und am 6. Februar 1998 vom Bundesrat gelegt: Durch Einfügung der Absätze 3 bis 6 des Art. 13 Grundgesetz (GG) wurde die sogenannte akustische Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Strafverfolgung ermöglicht (Abs. 3).
Die Gesetzesänderung war in Politik und Öffentlichkeit sehr umstritten. Eine von Journalisten am 7. Januar 1998 initiierte Kampagne gegen die geplante Überwachung ihrer Berufsgruppe führte zu einem plötzlichen Umschwung in der Medienberichterstattung, sodass kurz vor Verabschiedung des Gesetzes diese wieder in den Kreis der vom Lauschangriff ausgenommenen Gruppen aufgenommen wurde.
Vor allem Juristen ging der Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung zu weit. Von Kritikern wurde die Befürchtung geäußert, die Grundgesetzänderung sei der Beginn der Einrichtung eines Überwachungsstaates.
Die Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz mussten nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 3. März 2004 geändert werden. Zwar erklärte das Gericht die Grundgesetzänderung für grundsätzlich verfassungskonform, die Ausführungsbestimmungen wurden jedoch als verfassungswidrig eingestuft. Mit dem „Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumüberwachung“, das der Bundestag am 12. Mai 2005 mit den Stimmen der SPD und der Grünen verabschiedete, erhielt der Große Lauschangriff seine bis heute gültige Form.
Begrifflichkeit
Im Rahmen des „Großen Lauschangriffs“ sind Polizei und Staatsanwaltschaft befugt, auch Wohnungen zu überwachen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn zuvor auf Antrag der Staatsanwaltschaft diese Überwachung durch die Staatsschutzkammer, in Fällen des Vorliegens von Gefahr im Verzug auch durch den Vorsitzenden der Staatsschutzkammer, angeordnet wird (§ 100c i. V. m. § 100e Abs. 2 StPO).
Vom „Großen Lauschangriff“ ist der „Kleine Lauschangriff“ zu unterscheiden. Der „Kleine Lauschangriff“ bezieht sich nur auf Gespräche außerhalb von Wohnungen, also an öffentlichen Örtlichkeiten sowie auch in allgemein zugänglichen Büro- und Geschäftsräumen (§ 100f StPO). Wohnungen in diesem Sinne sind die Bereiche, die der Berechtigte der allgemeinen Zugänglichkeit entzogen und zur Stätte seines Lebens und Wirkens gemacht hat.
Der Begriff „Lauschangriff“ verbreitete sich nicht etwa über Kritiker solcher Maßnahmen, sondern über das nachrichtendienstliche und ministerielle Umfeld, als diese Maßnahme in den 1970er-Jahren erstmals genutzt wurde (→ Lauschaffäre Traube). Gleichwohl kann gleichbedeutend der Terminus „akustische Wohnraumüberwachung“ verwendet werden.
Oftmals wird es auch der langjährigen Comic-Übersetzerin Erika Fuchs zugeschrieben, den Begriff „Lauschangriff“ in den deutschen Sprachgebrauch eingeführt zu haben, indem sie ihn in der deutschen Übersetzung in eine Geschichte eingebunden hat. Konkret geht es dabei um die Geschichte „Werwolf des Nordens“, die durch den Comicautor Carl Barks geschrieben und durch Tony Strobl gezeichnet wurde und in den USA erstmals 1968 erschien. Dies ist jedoch ein viel verbreiteter Irrtum, da die Geschichte erst im Jahr 2015 erstmals, mit der Veröffentlichung im Donald Duck Sonderheft, Ausgabe Nr. 333, im deutschsprachigen Raum zugänglich gemacht wurde. Die Übersetzung dort lieferte der Übersetzer Joachim Stahl. Es gibt zwar auch noch ein Remake der Geschichte, die unter dem Titel „Die Werwolf-Mine“, ebenfalls in einem Donald Duck Sonderheft, in der Ausgabe Nr. 170 (November 2000), veröffentlicht wurde, die allerdings erst im Jahr 1999 durch den Zeichner Daan Jippes auf Grundlage des Skripts von Carl Barks gezeichnet wurde.
Von der von Daan Jippes gezeichneten Version der Geschichte erschien im Jahr 2001 eine weitere Variante unter dem Titel „Irrungen und Wirrungen mit einem Werwolf“, die von Erika Fuchs übersetzt wurde und in welcher Donald Duck tatsächlich der „Lauschangriff“ in den Mund gelegt wurde. Allerdings war da der Begriff „Lauschangriff“ im deutschen Sprachraum bereits seit Jahrzehnten gebräuchlich und keine Unbekannte mehr.
Eingriffsumfang
Die Gesetzesänderung ermöglicht den Einsatz der akustischen Wohnraumüberwachung für den Bereich der Strafverfolgung; außerdem wurde die bereits in der alten Fassung des Art. 13 GG enthaltene Möglichkeit der Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Gefahrenabwehr modifiziert (Absätze 4 bis 6). Die einfachgesetzlichen Umsetzung erfolgte durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, durch das die maßgeblichen §§ 100c, 100d, 101f sowie 101 StPO eingefügt bzw. geändert wurden.
Die Voraussetzungen der akustischen Wohnraumüberwachung sind in § 100c Abs. 1 StPO geregelt. Zusätzliche Voraussetzungen gelten nach Abs. 3 der Vorschrift, wenn die Überwachung in Räumen Dritter durchgeführt werden soll.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss die Überwachung in Situationen unterbleiben, in denen Anhaltspunkte bestehen, dass die Menschenwürde (Art. 1 GG) durch die Maßnahme verletzt wird. Demzufolge bestimmt § 100d Abs. 2 StPO, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden dürfen. Im Rahmen einer sogenannten „negativen Kernbereichsprognose“ ist dies vor Anordnung der Maßnahme schon vom zuständigen Gericht zu prüfen. Führt dennoch die Überwachung unerwartet zur Erhebung von absolut geschützten Informationen, muss sie abgebrochen werden und die Aufzeichnungen sind unverzüglich zu löschen (§ 100d Abs. 4 StPO). Erkenntnisse über solche Äußerungen dürfen nicht verwendet werden (§ 100d Abs. 2 StPO). Das Risiko, solche Daten zu erfassen, besteht typischerweise beim Abhören von Gesprächen mit engsten Familienangehörigen, sonstigen engsten Vertrauten und Personen, zu denen ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht. Bei diesem Personenkreis dürfen laut Bundesverfassungsgericht Überwachungsmaßnahmen nur ergriffen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Gesprächsinhalte zwischen dem Beschuldigten und diesen Personen keinen absoluten Schutz erfordern, so bei einer Tatbeteiligung der das Gespräch führenden Personen.
Ein im Juli 2004 vom Bundesjustizministerium vorgelegter Referentenentwurf zur Änderung des Gesetzes sah vor, dass diese Ausnahmeregelungen auf Strafverteidiger und Rechtsanwälte beschränkt werden sollten. Daneben sollte der „Große Lauschangriff“, den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts folgend, nur noch bei schweren Straftaten wie Mord und Totschlag Anwendung finden.
Gegen diesen Entwurf wurde von Interessenvertretern der vom Schutzentzug bedrohten Berufsgruppen, von nahezu allen deutschen Datenschutzbeauftragten, von Teilen der Presse und von den Grünen massive Kritik geäußert, da der Entwurf wesentliche Aspekte des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (s. weiter unten) ignorierte oder gar ins Gegenteil verkehrte. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zog den Entwurf daraufhin bereits nach wenigen Tagen wieder zurück.
Im Mai 2005 verabschiedeten SPD und Grüne im Bundestag schließlich das „Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumüberwachung“. Das Gesetz enthält kein absolutes Überwachungsverbot für Gespräche im privaten Bereich, sondern statuiert vielmehr eine allgemeine Eingriffsbefugnis und nennt die Bedingungen, wann abgehört werden darf. Nicht übernommen wurde das in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (siehe weiter unten) aufgestellte Erfordernis, dass die Verwendung einer Aufnahme einer gerichtlichen Überprüfung bedarf.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Grundlinien der Entscheidung
Am 3. März 2004 entschied das Bundesverfassungsgericht auf die Verfassungsbeschwerde unter anderem von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Gerhart Baum und Burkhard Hirsch hin, dass große Teile des Gesetzes zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität gegen die Menschenwürde verstoßen und deshalb verfassungswidrig sind. Während die Änderung von Art. 13 GG durch das Gericht nicht beanstandet wurde, erklärten die Richter zahlreiche Ausführungsbestimmungen der Strafprozessordnung für nicht verfassungskonform. Insbesondere dürfe die Überwachung nur noch bei dem Verdacht auf besonders schwere Straftaten angeordnet werden. Von der besonderen Schwere einer Straftat im Sinne des Art. 13 Abs. 3 GG ist nur auszugehen, wenn sie der Gesetzgeber mit einer höheren Höchststrafe als fünf Jahre Freiheitsstrafe bewehrt hat.
Gespräche zwischen engen Angehörigen dürfen nur abgehört werden, wenn alle Beteiligten verdächtig sind und das Gespräch strafrechtlich relevanten Inhalt hat. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, sind entsprechende Aufzeichnungen nicht nur als Beweismittel wertlos, sondern dürfen gar nicht erst vorgenommen werden. Durch diese Norm wird die bisherige Praxis automatisierter Mitschnitte als nicht verfassungsgemäß verworfen. Um Verfassungsmäßigkeit im Vollzug der Überwachung herzustellen, muss nunmehr die Überwachung aktiv durch einen Beamten verfolgt werden, der erforderlichenfalls die Überwachung abbricht, sobald die vom Gericht genannten Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.
Die Beibehaltung des geänderten Art. 13 GG impliziert, dass der Große Lauschangriff als äußerstes Mittel der Strafverfolgung als verfassungskonform anzusehen ist. Konsequenterweise billigt das Gericht, entgegen der ursprünglichen Intention des Art. 13 GG, dem Bürger keinen vor staatlichem Zugriff geschützten Raum zu. Stattdessen begrenzt das Urteil das Zugriffsrecht des Staates auf die Privatsphäre auf solche Situationen, aus denen für die Gemeinschaft erhebliche Gefahren erwachsen können. Die absolute Norm der geschützten Privatsphäre wird somit durch einen relativierenden Schutz persönlicher Gesprächsinhalte ersetzt. Diese sind jedoch auch nur dann geschützt, wenn sie keinen (nach Meinung der Polizei) „strafrechtlich relevanten Inhalt“ haben. Der Schutz der innersten Privatsphäre wird damit letztendlich ins Ermessen der Polizei verlegt.
Das Urteil musste bis zum 30. Juni 2005 in einem neuen Gesetz umgesetzt worden sein. Solange der Gesetzgeber nicht gehandelt hat, muss die Polizei das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen.
Zur Urteilsbegründung heißt es:
„Zur Unantastbarkeit der Menschenwürde gehört die Anerkennung eines absolut geschützten Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Jede Erhebung von Informationen aus diesem Bereich muss abgebrochen werden. Jede Verwertung ist ausgeschlossen. (Urteil zum Großen Lauschangriff vom 3. März 2004)“
Minderheitsvotum
Den Richterinnen Renate Jaeger und Christine Hohmann-Dennhardt ging das Urteil nicht weit genug. Über die entsprechenden Regelungen der Strafprozessordnung hinaus sei auch die Grundgesetzänderung verfassungswidrig, heißt es in ihrem abweichenden Votum vom 3. März 2004. Sie berufen sich dabei auf die sogenannte „Ewigkeitsklausel“ des Grundgesetzes, wonach Änderungen an den Verfassungsgrundsätzen der Art. 1 und Art. 20 GG mit dem Ziel von deren Einschränkung grundsätzlich unzulässig sind. Insbesondere wurde an der Grundgesetzänderung kritisiert, dass sie zwar eine Reihe von materiell- und verfahrensrechtlichen Hürden gegen das Belauschen von Privatwohnungen aufstellt, jedoch keine, die das Belauschen von „Gesprächssituationen höchstpersönlicher Art“ zwingend verböte. Die Mehrheit der Richter begegnete diesem Einwand mit dem Argument, im Wege einer verfassungskonformen Auslegung – insbesondere unter Beachtung des Art. 1 Abs. 1 GG und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – erlaube Art. 13 GG nur solche einfachgesetzlichen Regelungen und darauf gestützte Maßnahmen, die Art. 79 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG unangetastet ließen. Die Funktion des eigentlich sachlich einschlägigen Schrankengebäudes des Art. 13 Abs. 3 GG wird dadurch freilich implizit in Frage gestellt.
Daneben argumentieren die Richterinnen, dass angesichts der inzwischen technisch möglichen Totalüberwachung dem in Art. 13 GG formulierten Schutz der Privatsphäre ein viel größerer Stellenwert beizumessen sei, als es sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes einst überhaupt haben vorstellen können.
Einschätzung in den Medien
In der Presse wurde die Entscheidung überwiegend als eine seit Langem überfällige Rückbesinnung auf die Kernelemente des Rechtsstaats begrüßt. Nach einer langen Reihe immer weiter gehender Aushöhlungen des Rechtsstaates durch die Politik unter dem Vorwand der Verbrechensbekämpfung sei durch die Richter deutlich gemacht worden, dass es definitive Grenzen der Relativierung der Grundrechte durch Strafgesetze gebe. Die erheblichen Erschwernisse, die das Gericht dem Vollzug der Überwachung auferlegt, werden als eine De-facto-Aushebelung des Großen Lauschangriffs betrachtet.
Die Würdigung der tatsächlichen Durchführung des Großen Lauschangriffs liefert Gegnern wie Befürwortern der Regelung gleichermaßen Argumente: Die Tatsache, dass in fünf Jahren 119 Überwachungsmaßnahmen durchgeführt wurden, wird von den Befürwortern der Regelung als Beweis dafür angesehen, dass von einer flächendeckenden Bespitzelung keine Rede sein könne; umgekehrt argumentieren die Kritiker, die relativ niedrige Zahl der Überwachungen zeige, dass der Nutzen der Regelung weit geringer sei als von den Befürwortern behauptet und von ihrer grundrechtlichen Fragwürdigkeit bei Weitem überwogen werde.
Im Vorfeld der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts waren im Lager der Unionsparteien bereits Überlegungen angestellt worden, die akustische Wohnraumüberwachung durch eine optische Wohnraumüberwachung („Spähangriff“) zu ergänzen. Dazu stehen für das BSI, das BKA und den Verfassungsschutz zur Erprobung Terahertz/Millimeterwellensysteme von Thyssen Krupp bereit. Zu Evaluationszwecken wurden nach dem Ground-Range-Radar-Prinzip Entfernungen bis zu 850 km realisiert. Diese Technologie wird zurzeit per Klage verboten, dennoch ist der BMI nicht bereit, auf einen Einsatz zu verzichten. Nach übereinstimmender Meinung der Presse wird diesen Überlegungen nach Bekanntgabe der Entscheidung zum Großen Lauschangriff keine Chance auf Umsetzung mehr eingeräumt.
Aus dieser weitgehenden Übereinstimmung über den Geist des Richterspruchs erklärt sich das große öffentliche Echo, auf das die Vorlage des Referentenentwurfs im Juli 2004 stieß: Zahlreiche der im Entwurf vorgesehenen Änderungen waren dem Geist des Richterspruchs diametral entgegengesetzt und verschärfen die vom Gericht kritisierten Punkte sogar noch. Allgemein herrscht in der Presse die Einschätzung, dass auf dem Entwurf zwar „Zypries draufstehe“, aber „Schily drin“ sei, wobei auch gerne auf die Zeit verwiesen wird, die Brigitte Zypries als Staatssekretärin Otto Schilys im Bundesinnenministerium verbracht hat.
Chronologie
- 19. Mai 1995: Innenministerkonferenz spricht sich für „Großen Lauschangriff“ aus.
- 25. September 1995: FDP startet parteiintern eine Mitgliederbefragung zum „Großen Lauschangriff“, wobei nahezu zwei Drittel der Einführung dieser Maßnahme zustimmen.
- 14. Dezember 1995: Als Reaktion auf dieses Ergebnis legt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ihr Amt als Bundesjustizministerin nieder.
- 16. Januar 1998: Der Bundestag beschließt mit den Stimmen der CDU/CSU, FDP und Teilen der SPD die Einschränkungen des Grundgesetzartikels 13 (Ja: 452 Stimmen; Nein: 184 Stimmen; Enthaltungen: 5).
- 6. Februar 1998: Der Bundesrat beschließt die Grundgesetzänderung, ruft aber den Vermittlungsausschuss an, um die Ausführungsgesetze überprüfen zu lassen.
- 2. März 1998: Der Vermittlungsausschuss fordert, die Schutzgarantien des Art. 13 GG für Personen in besonderer Vertrauensstellung (z. B. Pfarrer, Ärzte) unvermindert fortgelten zu lassen.
- 5. März 1998: Der Bundestag folgt mehrheitlich der Forderung des Vermittlungsausschusses. Die Regierung Helmut Kohl erleidet dadurch zum ersten Mal seit 1982 eine Abstimmungsniederlage.
- 6. März 1998: Die im Bundestag beschlossene Änderung wird durch den Bundesrat abschließend mit 39 gegen 30 Stimmen verabschiedet.
- März 1999: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Burkhard Hirsch, Gerhart Baum und weitere FDP-Mitglieder erheben vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen die Änderung des Art. 13 GG.
- 18. Mai 2000: In Mecklenburg-Vorpommern wird der „Große Lauschangriff“ durch Beschluss des Landesverfassungsgerichts stark erschwert.
- 1. Juli 2003: Mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht über die Vereinbarkeit des „Großen Lauschangriffs“ mit dem Grundgesetz.
- 3. März 2004: Das Bundesverfassungsgericht bewertet den „Großen Lauschangriff“ zwar als mit dem Grundgesetz vereinbar, annulliert aber zahlreiche Ausführungsbestimmungen und stellt erhebliche Anforderungen an die Durchführung des „Großen Lauschangriffs“.
- 10. Juli 2004: Das Bundesjustizministerium präsentiert einen Referenten-Entwurf zur Änderung der vom Bundesverfassungsgericht als nicht verfassungskonform erklärten Regelungen. Die sich entwickelnde heftige öffentliche Kritik am Entwurf, der nach Auffassung der Kritiker dem Sinn des Richterspruchs völlig entgegensteht, führt dazu, dass der Entwurf zurückgezogen wird.
- 24. Juni 2005: Das Parlament beschließt ein Gesetz zur Umsetzung des Richterspruchs und fasst Bestimmungen der Strafprozessordnung neu.
Nutzungshäufigkeit
2005 ordneten Gerichte in sieben Verfahren eine akustische Wohnraumüberwachung an, 2006 in drei Fällen, 2007 in zehn Fällen und 2008 in sieben Fällen. Vor 2005 lag die Zahl bei rund 30 Genehmigungen pro Jahr. Den Rückgang hat größtenteils das oben erwähnte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Eingrenzung des Großen Lauschangriffs verursacht.
Lauschangriff in Österreich
In Österreich steht Lauschangriff für die „optische und akustische Überwachung von Personen unter Verwendung technischer Mittel“. Diese neue Form der Beweisgewinnung ist in Österreich seit 1997 in § 136 StPO geregelt. Überwacht werden nichtöffentliches Verhalten bzw. Äußerungen von Personen in Form von Bild- und Tonübertragung und -aufzeichnung. Im Normalfall muss die Ratskammer (ein aus drei Richtern bestehender Senat) zustimmen. Kontrolliert und geprüft wird die Anordnung und Durchführung des Lauschangriffes durch die unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten. Anfangs wurde der Lauschangriff nur unter Probe eingeführt, da es erhebliche Bedenken gegen Eingriffe in die Privatsphäre gab. Doch mittlerweile ist diese Form der Überwachung zur Verbrechensbekämpfung bei allen großen politischen Parteien in Österreich unumstritten.
Erstmals angewandt wurde er im Mai 1999 im Zuge der „Operation Spring“. Lauschangriffe werden in Österreich in der Regel von der Sondereinheit für Observation durchgeführt. Der Große Lauschangriff gewann wieder an Aufmerksamkeit im Wiener Neustädter Tierschützerprozess, bei dem das Schicksal 13 unschuldiger Tierrechtler verhandelt wurde. Im Ermittlungsverfahren kam der Große Lauschangriff ohne das Vorliegen einer Straftat zum Einsatz und ist somit sehr umstritten.
Literatur
- Martin Mozek: Der große Lauschangriff – Die Regelung des § 100c I Nr. 3 StPO im Spannungsfeld zwischen Verbrechensbekämpfung und Verfassungswirklichkeit. Shaker, Aachen 2001, ISBN 3-8265-8688-3
- Rolf Gössner: BigBrother & Co. – Der moderne Überwachungsstaat in der Informationsgesellschaft. 2. Auflage. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2001, ISBN 3-89458-195-6
- Burkhard Hirsch: Über Wanzen – Bemerkungen zum „Großen Lauschangriff“. In: Humanistische Union e. V. (Hrsg.): Innere Sicherheit als Gefahr. 1. Auflage. Berlin 2003, S. 195–203, ISBN 3-930416-23-9
- Fredrik Roggan (Hrsg.): Lauschen im Rechtsstaat – Zu den Konsequenzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff. Berliner Wissenschafts-Verlag, 2004, ISBN 3-8305-0942-1
- Sönke Hilbrans: Lauschangriff reloaded. In: Datenschutz Nachrichten 2/2005, S. 10–13.
- Maximilian Warntjen: Heimliche Zwangsmaßnahmen und der Kernbereich privater Lebensgestaltung. Eine Konzeption im Anschluss an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumüberwachung, BVerfGE 109, 279. Nomos Verlag, Baden-Baden 2007, ISBN 978-3-8329-2759-2
- Sarah Kress: Der ‘Große Lauschangriff’ als Mittel internationaler Verbrechensbekämpfung – Zur Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise, Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2009, ISBN 978-3-8300-4172-6
Weblinks
- Urteil des BVerfG vom 3. März 2004
- Plenarprotokoll des Bundestages vom 16. Januar 1998 als Textdatei oder PDF
- Bund Deutscher Kriminalbeamter zum Urteil des BVerfG
- Essay: „Leviathan und Lauschangriff“
- Akustische Wohnraumüberwachung in Skandinavien und auf dem östlichen Balkan Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung vom 10. Februar 2015
Einzelnachweise
- Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 13), Vom 26. März 1998 BGBl. I S. 610 (pdf); Gang der Gesetzgebung online im DIP beim Deutschen Bundestag.
- Marion Mück-Raab, Andrea Dernbach, Ferdos Forudastan, Wolfgang Gast, Gunter Haake, Heribert Prantl, Eckart Spoo: Journalisten gegen Lauscher. 7. Januar 1998, abgerufen am 23. November 2023 (deutsch).
- BGBl. 2005 I S. 1841 (pdf)
- DDSH 333, Abschnitt Werwolf des Nordens auf de.duckipedia.org
- DDSH 170, Abschnitt Die Werwolf-Mine auf de.duckipedia.org
- Barks Library Special Donald Duck 26, Abschnitt Irrungen und Wirrungen mit einem Werwolf auf de.duckipedia.org
- Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität
- einer nicht mit dem Hauptverfahren befassten Staatsschutzkammer beim Landgericht, § 100e Abs. 2 StPO, § 74a Abs. 4 GVG
- wie z. B. Geistlichen, Ärzten und Rechtsanwälten
- BVerfGE 109, 279, Az. 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99
- BGBl. I S. 1841 (pdf)
- heise.de – Meldung vom 1. Oktober 2009
Autor: www.NiNa.Az
Veröffentlichungsdatum:
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Als Grosser Lauschangriff oder kurz Lauschangriff werden in Deutschland Osterreich und der Schweiz umgangssprachlich akustische und optische Uberwachungsmassnahmen der Strafverfolgungsbehorden und Nachrichtendienste innerhalb des privaten Raums wie bspw einer Privatwohnung bezeichnet DeutschlandSchon zu Beginn der 1990er Jahre hatte die Bundesregierung versucht den Grossen Lauschangriff einzufuhren Meist scheiterte dies an Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser Schnarrenberger FDP 1995 fuhrte die FDP dazu eine Urabstimmung durch bei der sich eine Mehrheit von 63 6 fur den Lauschangriff aussprach Als Reaktion trat Leutheusser Schnarrenberger von ihrem Amt zuruck Die Grundlagen fur den Grossen Lauschangriff wurden am 16 Januar 1998 vom Bundestag und am 6 Februar 1998 vom Bundesrat gelegt Durch Einfugung der Absatze 3 bis 6 des Art 13 Grundgesetz GG wurde die sogenannte akustische Wohnraumuberwachung zu Zwecken der Strafverfolgung ermoglicht Abs 3 Die Gesetzesanderung war in Politik und Offentlichkeit sehr umstritten Eine von Journalisten am 7 Januar 1998 initiierte Kampagne gegen die geplante Uberwachung ihrer Berufsgruppe fuhrte zu einem plotzlichen Umschwung in der Medienberichterstattung sodass kurz vor Verabschiedung des Gesetzes diese wieder in den Kreis der vom Lauschangriff ausgenommenen Gruppen aufgenommen wurde Vor allem Juristen ging der Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung zu weit Von Kritikern wurde die Befurchtung geaussert die Grundgesetzanderung sei der Beginn der Einrichtung eines Uberwachungsstaates Die Ausfuhrungsbestimmungen zu dem Gesetz mussten nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 3 Marz 2004 geandert werden Zwar erklarte das Gericht die Grundgesetzanderung fur grundsatzlich verfassungskonform die Ausfuhrungsbestimmungen wurden jedoch als verfassungswidrig eingestuft Mit dem Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumuberwachung das der Bundestag am 12 Mai 2005 mit den Stimmen der SPD und der Grunen verabschiedete erhielt der Grosse Lauschangriff seine bis heute gultige Form Begrifflichkeit Im Rahmen des Grossen Lauschangriffs sind Polizei und Staatsanwaltschaft befugt auch Wohnungen zu uberwachen Dies ist jedoch nur moglich wenn zuvor auf Antrag der Staatsanwaltschaft diese Uberwachung durch die Staatsschutzkammer in Fallen des Vorliegens von Gefahr im Verzug auch durch den Vorsitzenden der Staatsschutzkammer angeordnet wird 100c i V m 100e Abs 2 StPO Vom Grossen Lauschangriff ist der Kleine Lauschangriff zu unterscheiden Der Kleine Lauschangriff bezieht sich nur auf Gesprache ausserhalb von Wohnungen also an offentlichen Ortlichkeiten sowie auch in allgemein zuganglichen Buro und Geschaftsraumen 100f StPO Wohnungen in diesem Sinne sind die Bereiche die der Berechtigte der allgemeinen Zuganglichkeit entzogen und zur Statte seines Lebens und Wirkens gemacht hat Der Begriff Lauschangriff verbreitete sich nicht etwa uber Kritiker solcher Massnahmen sondern uber das nachrichtendienstliche und ministerielle Umfeld als diese Massnahme in den 1970er Jahren erstmals genutzt wurde Lauschaffare Traube Gleichwohl kann gleichbedeutend der Terminus akustische Wohnraumuberwachung verwendet werden Oftmals wird es auch der langjahrigen Comic Ubersetzerin Erika Fuchs zugeschrieben den Begriff Lauschangriff in den deutschen Sprachgebrauch eingefuhrt zu haben indem sie ihn in der deutschen Ubersetzung in eine Geschichte eingebunden hat Konkret geht es dabei um die Geschichte Werwolf des Nordens die durch den Comicautor Carl Barks geschrieben und durch Tony Strobl gezeichnet wurde und in den USA erstmals 1968 erschien Dies ist jedoch ein viel verbreiteter Irrtum da die Geschichte erst im Jahr 2015 erstmals mit der Veroffentlichung im Donald Duck Sonderheft Ausgabe Nr 333 im deutschsprachigen Raum zuganglich gemacht wurde Die Ubersetzung dort lieferte der Ubersetzer Joachim Stahl Es gibt zwar auch noch ein Remake der Geschichte die unter dem Titel Die Werwolf Mine ebenfalls in einem Donald Duck Sonderheft in der Ausgabe Nr 170 November 2000 veroffentlicht wurde die allerdings erst im Jahr 1999 durch den Zeichner Daan Jippes auf Grundlage des Skripts von Carl Barks gezeichnet wurde Von der von Daan Jippes gezeichneten Version der Geschichte erschien im Jahr 2001 eine weitere Variante unter dem Titel Irrungen und Wirrungen mit einem Werwolf die von Erika Fuchs ubersetzt wurde und in welcher Donald Duck tatsachlich der Lauschangriff in den Mund gelegt wurde Allerdings war da der Begriff Lauschangriff im deutschen Sprachraum bereits seit Jahrzehnten gebrauchlich und keine Unbekannte mehr Eingriffsumfang Die Gesetzesanderung ermoglicht den Einsatz der akustischen Wohnraumuberwachung fur den Bereich der Strafverfolgung ausserdem wurde die bereits in der alten Fassung des Art 13 GG enthaltene Moglichkeit der Wohnraumuberwachung zu Zwecken der Gefahrenabwehr modifiziert Absatze 4 bis 6 Die einfachgesetzlichen Umsetzung erfolgte durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekampfung der Organisierten Kriminalitat durch das die massgeblichen 100c 100d 101f sowie 101 StPO eingefugt bzw geandert wurden Die Voraussetzungen der akustischen Wohnraumuberwachung sind in 100c Abs 1 StPO geregelt Zusatzliche Voraussetzungen gelten nach Abs 3 der Vorschrift wenn die Uberwachung in Raumen Dritter durchgefuhrt werden soll Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss die Uberwachung in Situationen unterbleiben in denen Anhaltspunkte bestehen dass die Menschenwurde Art 1 GG durch die Massnahme verletzt wird Demzufolge bestimmt 100d Abs 2 StPO dass Ausserungen die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind nicht erfasst werden durfen Im Rahmen einer sogenannten negativen Kernbereichsprognose ist dies vor Anordnung der Massnahme schon vom zustandigen Gericht zu prufen Fuhrt dennoch die Uberwachung unerwartet zur Erhebung von absolut geschutzten Informationen muss sie abgebrochen werden und die Aufzeichnungen sind unverzuglich zu loschen 100d Abs 4 StPO Erkenntnisse uber solche Ausserungen durfen nicht verwendet werden 100d Abs 2 StPO Das Risiko solche Daten zu erfassen besteht typischerweise beim Abhoren von Gesprachen mit engsten Familienangehorigen sonstigen engsten Vertrauten und Personen zu denen ein besonderes Vertrauensverhaltnis besteht Bei diesem Personenkreis durfen laut Bundesverfassungsgericht Uberwachungsmassnahmen nur ergriffen werden wenn konkrete Anhaltspunkte dafur bestehen dass die Gesprachsinhalte zwischen dem Beschuldigten und diesen Personen keinen absoluten Schutz erfordern so bei einer Tatbeteiligung der das Gesprach fuhrenden Personen Ein im Juli 2004 vom Bundesjustizministerium vorgelegter Referentenentwurf zur Anderung des Gesetzes sah vor dass diese Ausnahmeregelungen auf Strafverteidiger und Rechtsanwalte beschrankt werden sollten Daneben sollte der Grosse Lauschangriff den Massgaben des Bundesverfassungsgerichts folgend nur noch bei schweren Straftaten wie Mord und Totschlag Anwendung finden Gegen diesen Entwurf wurde von Interessenvertretern der vom Schutzentzug bedrohten Berufsgruppen von nahezu allen deutschen Datenschutzbeauftragten von Teilen der Presse und von den Grunen massive Kritik geaussert da der Entwurf wesentliche Aspekte des Urteils des Bundesverfassungsgerichts s weiter unten ignorierte oder gar ins Gegenteil verkehrte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zog den Entwurf daraufhin bereits nach wenigen Tagen wieder zuruck Im Mai 2005 verabschiedeten SPD und Grune im Bundestag schliesslich das Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumuberwachung Das Gesetz enthalt kein absolutes Uberwachungsverbot fur Gesprache im privaten Bereich sondern statuiert vielmehr eine allgemeine Eingriffsbefugnis und nennt die Bedingungen wann abgehort werden darf Nicht ubernommen wurde das in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3 Marz 2004 siehe weiter unten aufgestellte Erfordernis dass die Verwendung einer Aufnahme einer gerichtlichen Uberprufung bedarf Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Grundlinien der Entscheidung Am 3 Marz 2004 entschied das Bundesverfassungsgericht auf die Verfassungsbeschwerde unter anderem von Sabine Leutheusser Schnarrenberger Gerhart Baum und Burkhard Hirsch hin dass grosse Teile des Gesetzes zur Bekampfung der organisierten Kriminalitat gegen die Menschenwurde verstossen und deshalb verfassungswidrig sind Wahrend die Anderung von Art 13 GG durch das Gericht nicht beanstandet wurde erklarten die Richter zahlreiche Ausfuhrungsbestimmungen der Strafprozessordnung fur nicht verfassungskonform Insbesondere durfe die Uberwachung nur noch bei dem Verdacht auf besonders schwere Straftaten angeordnet werden Von der besonderen Schwere einer Straftat im Sinne des Art 13 Abs 3 GG ist nur auszugehen wenn sie der Gesetzgeber mit einer hoheren Hochststrafe als funf Jahre Freiheitsstrafe bewehrt hat Gesprache zwischen engen Angehorigen durfen nur abgehort werden wenn alle Beteiligten verdachtig sind und das Gesprach strafrechtlich relevanten Inhalt hat Sind diese Voraussetzungen nicht erfullt sind entsprechende Aufzeichnungen nicht nur als Beweismittel wertlos sondern durfen gar nicht erst vorgenommen werden Durch diese Norm wird die bisherige Praxis automatisierter Mitschnitte als nicht verfassungsgemass verworfen Um Verfassungsmassigkeit im Vollzug der Uberwachung herzustellen muss nunmehr die Uberwachung aktiv durch einen Beamten verfolgt werden der erforderlichenfalls die Uberwachung abbricht sobald die vom Gericht genannten Voraussetzungen nicht mehr vorliegen Die Beibehaltung des geanderten Art 13 GG impliziert dass der Grosse Lauschangriff als ausserstes Mittel der Strafverfolgung als verfassungskonform anzusehen ist Konsequenterweise billigt das Gericht entgegen der ursprunglichen Intention des Art 13 GG dem Burger keinen vor staatlichem Zugriff geschutzten Raum zu Stattdessen begrenzt das Urteil das Zugriffsrecht des Staates auf die Privatsphare auf solche Situationen aus denen fur die Gemeinschaft erhebliche Gefahren erwachsen konnen Die absolute Norm der geschutzten Privatsphare wird somit durch einen relativierenden Schutz personlicher Gesprachsinhalte ersetzt Diese sind jedoch auch nur dann geschutzt wenn sie keinen nach Meinung der Polizei strafrechtlich relevanten Inhalt haben Der Schutz der innersten Privatsphare wird damit letztendlich ins Ermessen der Polizei verlegt Das Urteil musste bis zum 30 Juni 2005 in einem neuen Gesetz umgesetzt worden sein Solange der Gesetzgeber nicht gehandelt hat muss die Polizei das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen Zur Urteilsbegrundung heisst es Zur Unantastbarkeit der Menschenwurde gehort die Anerkennung eines absolut geschutzten Kernbereichs privater Lebensgestaltung Jede Erhebung von Informationen aus diesem Bereich muss abgebrochen werden Jede Verwertung ist ausgeschlossen Urteil zum Grossen Lauschangriff vom 3 Marz 2004 Minderheitsvotum Den Richterinnen Renate Jaeger und Christine Hohmann Dennhardt ging das Urteil nicht weit genug Uber die entsprechenden Regelungen der Strafprozessordnung hinaus sei auch die Grundgesetzanderung verfassungswidrig heisst es in ihrem abweichenden Votum vom 3 Marz 2004 Sie berufen sich dabei auf die sogenannte Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes wonach Anderungen an den Verfassungsgrundsatzen der Art 1 und Art 20 GG mit dem Ziel von deren Einschrankung grundsatzlich unzulassig sind Insbesondere wurde an der Grundgesetzanderung kritisiert dass sie zwar eine Reihe von materiell und verfahrensrechtlichen Hurden gegen das Belauschen von Privatwohnungen aufstellt jedoch keine die das Belauschen von Gesprachssituationen hochstpersonlicher Art zwingend verbote Die Mehrheit der Richter begegnete diesem Einwand mit dem Argument im Wege einer verfassungskonformen Auslegung insbesondere unter Beachtung des Art 1 Abs 1 GG und des Grundsatzes der Verhaltnismassigkeit erlaube Art 13 GG nur solche einfachgesetzlichen Regelungen und darauf gestutzte Massnahmen die Art 79 Abs 3 GG i V m Art 1 Abs 1 GG unangetastet liessen Die Funktion des eigentlich sachlich einschlagigen Schrankengebaudes des Art 13 Abs 3 GG wird dadurch freilich implizit in Frage gestellt Daneben argumentieren die Richterinnen dass angesichts der inzwischen technisch moglichen Totaluberwachung dem in Art 13 GG formulierten Schutz der Privatsphare ein viel grosserer Stellenwert beizumessen sei als es sich die Mutter und Vater des Grundgesetzes einst uberhaupt haben vorstellen konnen Einschatzung in den Medien In der Presse wurde die Entscheidung uberwiegend als eine seit Langem uberfallige Ruckbesinnung auf die Kernelemente des Rechtsstaats begrusst Nach einer langen Reihe immer weiter gehender Aushohlungen des Rechtsstaates durch die Politik unter dem Vorwand der Verbrechensbekampfung sei durch die Richter deutlich gemacht worden dass es definitive Grenzen der Relativierung der Grundrechte durch Strafgesetze gebe Die erheblichen Erschwernisse die das Gericht dem Vollzug der Uberwachung auferlegt werden als eine De facto Aushebelung des Grossen Lauschangriffs betrachtet Die Wurdigung der tatsachlichen Durchfuhrung des Grossen Lauschangriffs liefert Gegnern wie Befurwortern der Regelung gleichermassen Argumente Die Tatsache dass in funf Jahren 119 Uberwachungsmassnahmen durchgefuhrt wurden wird von den Befurwortern der Regelung als Beweis dafur angesehen dass von einer flachendeckenden Bespitzelung keine Rede sein konne umgekehrt argumentieren die Kritiker die relativ niedrige Zahl der Uberwachungen zeige dass der Nutzen der Regelung weit geringer sei als von den Befurwortern behauptet und von ihrer grundrechtlichen Fragwurdigkeit bei Weitem uberwogen werde Im Vorfeld der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts waren im Lager der Unionsparteien bereits Uberlegungen angestellt worden die akustische Wohnraumuberwachung durch eine optische Wohnraumuberwachung Spahangriff zu erganzen Dazu stehen fur das BSI das BKA und den Verfassungsschutz zur Erprobung Terahertz Millimeterwellensysteme von Thyssen Krupp bereit Zu Evaluationszwecken wurden nach dem Ground Range Radar Prinzip Entfernungen bis zu 850 km realisiert Diese Technologie wird zurzeit per Klage verboten dennoch ist der BMI nicht bereit auf einen Einsatz zu verzichten Nach ubereinstimmender Meinung der Presse wird diesen Uberlegungen nach Bekanntgabe der Entscheidung zum Grossen Lauschangriff keine Chance auf Umsetzung mehr eingeraumt Aus dieser weitgehenden Ubereinstimmung uber den Geist des Richterspruchs erklart sich das grosse offentliche Echo auf das die Vorlage des Referentenentwurfs im Juli 2004 stiess Zahlreiche der im Entwurf vorgesehenen Anderungen waren dem Geist des Richterspruchs diametral entgegengesetzt und verscharfen die vom Gericht kritisierten Punkte sogar noch Allgemein herrscht in der Presse die Einschatzung dass auf dem Entwurf zwar Zypries draufstehe aber Schily drin sei wobei auch gerne auf die Zeit verwiesen wird die Brigitte Zypries als Staatssekretarin Otto Schilys im Bundesinnenministerium verbracht hat Chronologie 19 Mai 1995 Innenministerkonferenz spricht sich fur Grossen Lauschangriff aus 25 September 1995 FDP startet parteiintern eine Mitgliederbefragung zum Grossen Lauschangriff wobei nahezu zwei Drittel der Einfuhrung dieser Massnahme zustimmen 14 Dezember 1995 Als Reaktion auf dieses Ergebnis legt Sabine Leutheusser Schnarrenberger ihr Amt als Bundesjustizministerin nieder 16 Januar 1998 Der Bundestag beschliesst mit den Stimmen der CDU CSU FDP und Teilen der SPD die Einschrankungen des Grundgesetzartikels 13 Ja 452 Stimmen Nein 184 Stimmen Enthaltungen 5 6 Februar 1998 Der Bundesrat beschliesst die Grundgesetzanderung ruft aber den Vermittlungsausschuss an um die Ausfuhrungsgesetze uberprufen zu lassen 2 Marz 1998 Der Vermittlungsausschuss fordert die Schutzgarantien des Art 13 GG fur Personen in besonderer Vertrauensstellung z B Pfarrer Arzte unvermindert fortgelten zu lassen 5 Marz 1998 Der Bundestag folgt mehrheitlich der Forderung des Vermittlungsausschusses Die Regierung Helmut Kohl erleidet dadurch zum ersten Mal seit 1982 eine Abstimmungsniederlage 6 Marz 1998 Die im Bundestag beschlossene Anderung wird durch den Bundesrat abschliessend mit 39 gegen 30 Stimmen verabschiedet Marz 1999 Sabine Leutheusser Schnarrenberger Burkhard Hirsch Gerhart Baum und weitere FDP Mitglieder erheben vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen die Anderung des Art 13 GG 18 Mai 2000 In Mecklenburg Vorpommern wird der Grosse Lauschangriff durch Beschluss des Landesverfassungsgerichts stark erschwert 1 Juli 2003 Mundliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht uber die Vereinbarkeit des Grossen Lauschangriffs mit dem Grundgesetz 3 Marz 2004 Das Bundesverfassungsgericht bewertet den Grossen Lauschangriff zwar als mit dem Grundgesetz vereinbar annulliert aber zahlreiche Ausfuhrungsbestimmungen und stellt erhebliche Anforderungen an die Durchfuhrung des Grossen Lauschangriffs 10 Juli 2004 Das Bundesjustizministerium prasentiert einen Referenten Entwurf zur Anderung der vom Bundesverfassungsgericht als nicht verfassungskonform erklarten Regelungen Die sich entwickelnde heftige offentliche Kritik am Entwurf der nach Auffassung der Kritiker dem Sinn des Richterspruchs vollig entgegensteht fuhrt dazu dass der Entwurf zuruckgezogen wird 24 Juni 2005 Das Parlament beschliesst ein Gesetz zur Umsetzung des Richterspruchs und fasst Bestimmungen der Strafprozessordnung neu Nutzungshaufigkeit 2005 ordneten Gerichte in sieben Verfahren eine akustische Wohnraumuberwachung an 2006 in drei Fallen 2007 in zehn Fallen und 2008 in sieben Fallen Vor 2005 lag die Zahl bei rund 30 Genehmigungen pro Jahr Den Ruckgang hat grosstenteils das oben erwahnte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Eingrenzung des Grossen Lauschangriffs verursacht Teile dieses Artikels scheinen seit 2010 nicht mehr aktuell zu sein Bitte hilf uns dabei die fehlenden Informationen zu recherchieren und einzufugen Wikipedia WikiProjekt Ereignisse Vergangenheit 2010Lauschangriff in OsterreichIn Osterreich steht Lauschangriff fur die optische und akustische Uberwachung von Personen unter Verwendung technischer Mittel Diese neue Form der Beweisgewinnung ist in Osterreich seit 1997 in 136 StPO geregelt Uberwacht werden nichtoffentliches Verhalten bzw Ausserungen von Personen in Form von Bild und Tonubertragung und aufzeichnung Im Normalfall muss die Ratskammer ein aus drei Richtern bestehender Senat zustimmen Kontrolliert und gepruft wird die Anordnung und Durchfuhrung des Lauschangriffes durch die unabhangigen Rechtsschutzbeauftragten Anfangs wurde der Lauschangriff nur unter Probe eingefuhrt da es erhebliche Bedenken gegen Eingriffe in die Privatsphare gab Doch mittlerweile ist diese Form der Uberwachung zur Verbrechensbekampfung bei allen grossen politischen Parteien in Osterreich unumstritten Erstmals angewandt wurde er im Mai 1999 im Zuge der Operation Spring Lauschangriffe werden in Osterreich in der Regel von der Sondereinheit fur Observation durchgefuhrt Der Grosse Lauschangriff gewann wieder an Aufmerksamkeit im Wiener Neustadter Tierschutzerprozess bei dem das Schicksal 13 unschuldiger Tierrechtler verhandelt wurde Im Ermittlungsverfahren kam der Grosse Lauschangriff ohne das Vorliegen einer Straftat zum Einsatz und ist somit sehr umstritten LiteraturMartin Mozek Der grosse Lauschangriff Die Regelung des 100c I Nr 3 StPO im Spannungsfeld zwischen Verbrechensbekampfung und Verfassungswirklichkeit Shaker Aachen 2001 ISBN 3 8265 8688 3 Rolf Gossner BigBrother amp Co Der moderne Uberwachungsstaat in der Informationsgesellschaft 2 Auflage Konkret Literatur Verlag Hamburg 2001 ISBN 3 89458 195 6 Burkhard Hirsch Uber Wanzen Bemerkungen zum Grossen Lauschangriff In Humanistische Union e V Hrsg Innere Sicherheit als Gefahr 1 Auflage Berlin 2003 S 195 203 ISBN 3 930416 23 9 Fredrik Roggan Hrsg Lauschen im Rechtsstaat Zu den Konsequenzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum grossen Lauschangriff Berliner Wissenschafts Verlag 2004 ISBN 3 8305 0942 1 Sonke Hilbrans Lauschangriff reloaded In Datenschutz Nachrichten 2 2005 S 10 13 Maximilian Warntjen Heimliche Zwangsmassnahmen und der Kernbereich privater Lebensgestaltung Eine Konzeption im Anschluss an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumuberwachung BVerfGE 109 279 Nomos Verlag Baden Baden 2007 ISBN 978 3 8329 2759 2 Sarah Kress Der Grosse Lauschangriff als Mittel internationaler Verbrechensbekampfung Zur Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise Verlag Dr Kovac Hamburg 2009 ISBN 978 3 8300 4172 6WeblinksUrteil des BVerfG vom 3 Marz 2004 Plenarprotokoll des Bundestages vom 16 Januar 1998 als Textdatei oder PDF Bund Deutscher Kriminalbeamter zum Urteil des BVerfG Essay Leviathan und Lauschangriff Akustische Wohnraumuberwachung in Skandinavien und auf dem ostlichen Balkan Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Ausarbeitung vom 10 Februar 2015EinzelnachweiseGesetz zur Anderung des Grundgesetzes Artikel 13 Vom 26 Marz 1998 BGBl I S 610 pdf Gang der Gesetzgebung online im DIP beim Deutschen Bundestag Marion Muck Raab Andrea Dernbach Ferdos Forudastan Wolfgang Gast Gunter Haake Heribert Prantl Eckart Spoo Journalisten gegen Lauscher 7 Januar 1998 abgerufen am 23 November 2023 deutsch BGBl 2005 I S 1841 pdf DDSH 333 Abschnitt Werwolf des Nordens auf de duckipedia org DDSH 170 Abschnitt Die Werwolf Mine auf de duckipedia org Barks Library Special Donald Duck 26 Abschnitt Irrungen und Wirrungen mit einem Werwolf auf de duckipedia org Gesetz zur Verbesserung der Bekampfung der Organisierten Kriminalitat einer nicht mit dem Hauptverfahren befassten Staatsschutzkammer beim Landgericht 100e Abs 2 StPO 74a Abs 4 GVG wie z B Geistlichen Arzten und Rechtsanwalten BVerfGE 109 279 Az 1 BvR 2378 98 1 BvR 1084 99 BGBl I S 1841 pdf heise de Meldung vom 1 Oktober 2009Bitte den Hinweis zu 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