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Als Häftlingsfreikauf bezeichnet man den Freikauf politischer Häftlinge aus der DDR durch die Bundesrepublik Deutschland

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Häftlingsfreikauf
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Als Häftlingsfreikauf bezeichnet man den Freikauf politischer Häftlinge aus der DDR durch die Bundesrepublik Deutschland.

Für die Freilassung politischer Gefangener verzichtete die DDR bei selektierten Haftfällen auf einen Teil des Haftanspruchs, wofür die Bundesrepublik die DDR durch Devisen, vornehmlich jedoch durch geldwerte Leistungen in Form von Warenlieferungen entlohnte. Im Westen wurden diese von Rechtsanwälten eingefädelten Transaktionen von den beteiligten Akteuren und in der Öffentlichkeit als Menschenhandel bezeichnet. In der DDR durfte über den Menschenhandel mit der Bundesrepublik nicht gesprochen werden. Daran anschließend forderte die SED-Führung von der Bundesrepublik Diskretion, sukzessive Einschränkungen der Pressefreiheit. Die westdeutschen Medien hielten sich mit der Berichterstattung dann auch etwas zurück, um das Zustandekommen der in größerem Umfang geplanten Freikaufsgeschäfte politischer Häftlinge nicht zu gefährden.

Auf die informierte DDR-Bevölkerung übte die Freikaufoption eine große Sogwirkung aus, weil sich an der menschenrechtsverletzenden Situation in der DDR nichts änderte. Viele Akademiker und Facharbeiter gelangten über den Umweg des Häftlingsfreikaufs in den Westen und der kursierende Witzspruch „Erich macht als Letzter das Licht aus“ bekam durch den Fachkräfteschwund immer mehr Realitätsbezug.

Auf eigenen Wunsch wurden die freigekauften Gefangenen in die Bundesrepublik ausgebürgert; oft direkt aus der Haft heraus und ohne sich vorher von ihren Angehörigen oder Mithäftlingen verabschieden zu können.

Der Häftlingsfreikauf begann Ende 1962 und endete im Herbst 1989 mit der Freilassung der politischen Gefangenen in der Zeit der Wende und friedlichen Revolution in der DDR. Von 1966/67 bis 1989 war das Kaßberg-Gefängnis im damaligen Karl-Marx-Stadt der zentrale Abwicklungsort für den Häftlingsfreikauf aus der DDR aufseiten des ostdeutschen Regimes, nachdem die Haftentlassungen im Rahmen des Freikaufs zuvor über Ost-Berlin abgewickelt worden waren. In der Regel waren die zum Freikauf vorgesehenen Häftlinge im B-Trakt inhaftiert. Heute befindet sich in dem Gebäudeteil der Lernort mit Dauerausstellung des Lern- und Gedenkorts Kaßberg-Gefängnis.

Zwischen 1964 und 1989 wurden insgesamt 33.755 politische Häftlinge für 3.436.900.755,12 D-Mark freigekauft. Außerdem musste die Bundesregierung „Gebühren“ für die Ausreise von etwa 250.000 Ausreisewilligen entrichten.

Dieser Geldfluss von West nach Ost trug zur Stabilisierung der DDR bei, die ab den 1970er Jahren in ständigen Finanznöten steckte.

Das Diakonische Werk der EKD in Stuttgart spielte bei der Vermittlung eine gewisse Rolle. Der DDR-Begriff der daran Beteiligten für den Häftlingsfreikauf war Kirchengeschäft B oder B-Geschäft. Die Kontakte zwischen Kirchen und Kirchengemeinden in Deutschland waren eng und wurden von der SED geduldet.

Geschichte

Der erste Häftlingsfreikauf wurde Weihnachten 1962 realisiert: 20 Häftlinge und ebenso viele Kinder kamen gegen die Lieferung von drei Waggon-Ladungen Kalidünger frei. Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte nach einer Koalitionskrise am 14. Dezember 1962 das Kabinett Adenauer V berufen und darin Rainer Barzel zum Minister für gesamtdeutsche Fragen.

Die Häftlingsfreikäufe wurden bis 1989, einige Zeit vor dem Fall der Mauer, praktiziert. Sie wurden inoffiziell auf Regierungsebene ausgehandelt. Nachdem es zu Beginn noch um Einzelfälle gegangen war, wurde der Freikauf zunehmend organisiert. In der Zeit zwischen 1964 und 1989 wurden insgesamt 33.755 Häftlinge freigekauft. Der Preis pro Häftling betrug anfangs durchschnittlich ca. 40.000 DM und stieg später auf 95.847 DM. Offiziell bemessen wurde die Summe an dem angeblichen „Schaden“, den der Häftling in der DDR angerichtet haben soll (so die halbamtliche Begründung) und dem Ersatz für die (kostenlose) Ausbildung bzw. das Studium.

Tatsächlich hatte die DDR einen ständigen Devisenmangel und war sehr daran interessiert, an D-Mark oder andere konvertible Währungen zu gelangen. Außerdem entfiel mit dem Freikauf eines politischen Häftlings für die DDR das Problem, ihn wieder in die sozialistische Gesellschaft „integrieren“ zu müssen: Der Historiker Stefan Wolle bezeichnet den Freikauf deshalb als „eine Art politischer Giftmüllentsorgung“.

Den Transport der freigekauften Häftlinge handhabte die DDR diskret. Mit Bussen, die im Osten bald den Beinamen Wunderbusse erhielten, wurden die freigekauften Häftlinge an die Grenze gebracht und auf unauffälligen Parkplätzen oder Waldlichtungen an den Westen übergeben, bevor sie in das Aufnahmelager Gießen gelangten.

Später organisierten die Westbehörden den Transport mit zwei Bussen der Marke Magirus-Deutz und westdeutschen Fahrern. Der Häftlingstransport startete auf bundesdeutschem Gebiet. Die eingesetzten Busse waren im Westen wie im Osten zugelassen und mit drehbaren Nummernschildern ausgestattet. Während der Fahrt auf westdeutschem Gebiet zeigten die Busse West-Nummernschilder, nach dem Passieren der innerdeutschen Grenze wurde per Knopfdruck auf Ost-Nummernschilder umgeschaltet, um nicht aufzufallen. Anschließend wurden die Häftlinge direkt von der Haftanstalt in Karl-Marx-Stadt abgeholt. Innerhalb der DDR begleiteten Fahrzeuge der Staatssicherheit die Busse bis zum Grenzübergang. Nach dem Grenzübertritt drehten die Busfahrer die Nummernschilder wieder auf Westkennzeichen.

Vertrauter von Erich Honecker und Unterhändler der DDR gegenüber der Bundesrepublik Deutschland für den sogenannten „Humanitärbereich“ (Häftlingsfreikauf, Ausreisen) war der ostdeutsche Rechtsanwalt Wolfgang Vogel (1925–2008), der die Häftlingstransporte auch begleitete. Seine Verhandlungspartner im Westen waren u. a. Herbert Wehner, Helmut Schmidt, Hans-Jochen Vogel, Ludwig A. Rehlinger, Walter Priesnitz und der Vizepräsident des Diakonischen Werkes, Ludwig Geißel. Andere Kontakte mit dem Rechtsanwalt und Mitarbeitern aus dessen Westberliner Kanzlei wie z. B. und sowie zu Ministerialdirektor vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen in Bonn beförderten einen Skandal, der um 1984 fast die humanitären Bemühungen zunichtegemacht hätte (vgl. dazu unter Literatur Brinkschulte et al.). Auch der SPD-Politiker Hermann Kreutzer – er war 1949 als politischer Häftling zu 25 Jahren Haft verurteilt worden und 1956 freigekommen – hatte in den 1970er Jahren mit dem Häftlingsfreikauf zu tun.

Mit den D-Mark-Einnahmen finanzierte das SED-Regime unter anderem Luxusgüter für die politische Führung und technische Geräte zur Perfektionierung des DDR-Zwangsdopingsystems, um das seit 1974 betriebene Zwangsdoping auch minderjähriger Athleten zu vertuschen. Konkret wurde von den Devisen aus dem Häftlingsfreikauf eine breite Palette technischer Geräte angeschafft, darunter Video, Ergometer, Mess- und Rechnertechnik, sowie drei Gas-Chromatographen zum Stückpreis von rund einer halben Million D-Mark.

Nur rund 500 Millionen D-Mark aus dem Erlös des Freikaufs wandte die DDR für die Verbesserung der Versorgungslage ihrer Bewohner auf. Das war nur etwa ein Siebtel der 3,44 Milliarden D-Mark, die zu 96 Prozent aus dem Häftlingsverkaufsgeschäft stammten und über das Konto 0628, das sogenannte Honecker-Konto, transferiert wurden. Mit einigen Millionen davon tauchte der DDR-Richter Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger in den Untergrund ab, nachdem er die Freikaufpreise der von ihm zuvor ins Gefängnis geworfenen Bürgerrechtler in die Höhe getrieben hatte.

Kritik

Die Häftlingsfreikäufe wurden auch kritisch gesehen. So wurde zum einen das Potenzial der DDR-Opposition geschwächt und deren Druck auf die DDR-Führung bzw. das SED-Regime verringert. Für Amnesty International galt der Häftlingsfreikauf als ein Anreiz für die DDR, viele politische Gefangene mit langen Haftstrafen zu „produzieren“. Zum Beispiel wurde das Haftmaß für einen „schweren ungesetzlichen Grenzübertritt“ 1979 von fünf auf acht Jahre erhöht.

Siehe auch

  • Freikauf von Rumäniendeutschen

Literatur

  • Jan Philipp Wölbern: Der Häftlingsfreikauf aus der DDR, 1962/63–1989. Zwischen Menschenhandel und humanitären Aktionen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014, ISBN 978-3-647-35079-0.
  • Wolfgang Brinkschulte, Hans Jörgen Gerlach & Thomas Heise: Freikaufgewinnler. Die Mitverdiener im Westen. Ullstein Report, Berlin/Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-548-36611-2.
  • Ludwig Geißel: Unterhändler der Menschlichkeit – Erinnerungen. Quell, Stuttgart 1991, ISBN 978-3-7918-1984-6 (Mit Übersichten auf 10 Seiten zu internationalen Spenden-, Hilfs- und Transfer-Zahlungen und in die DDR (1957–1990); 480 Seiten). 
  • Elke-Ursel Hammer: „Besondere Bemühungen“ der Bundesregierung Band 1: 1962 bis 1969. Häftlingsfreikauf, Familienzusammenführung, Agentenaustausch. Oldenbourg, München 2012, ISBN 978-3-486-70719-9.
  • Helmut Jenkis: Der Freikauf von DDR-Häftlingen. Der deutsch-deutsche Menschenhandel (= Zeitgeschichtliche Forschungen, Band 45), Duncker & Humblot, Berlin 2012, ISBN 978-3-428-83866-0.
  • Ludwig A. Rehlinger: Freikauf. Die Geschäfte der DDR mit politisch Verfolgten. Ullstein, Berlin/Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-550-07503-0.
  • Jan Philipp Wölbern: Die Entstehung des „Häftlingsfreikaufs“ aus der DDR, 1962–1964. In: „Deutschland Archiv“ 41 (2008), 5; S. 856–867.
  • Kai Diekmann: Freigekauft. Der DDR-Menschenhandel. Piper, München 2012, ISBN 978-3-492-05556-7.
  • Alexander Koch: Der Häftlingsfreikauf. Eine deutsch-deutsche Beziehungsgeschichte. Allitera, München 2014, ISBN 978-3-86906-635-6 (Dissertation Universität Heidelberg 2012, 445 Seiten).
  • Axel Reitel: Nachtzensur. DDR und Osteuropa zwischen Revolte und Reaktorkatastrophe. Fünf Features. Mit einem Vorwort von Manfred Wilke, enthält u. a. den Text des Radiofeatures „Freigekauft“. Köster, Berlin 2013. ISBN 978-3-89574-842-4.

Hörfunk

  • Axel Reitel: Freigekauft – Die geheimen Geschäfte mit politischen Gefangenen in der DDR. Radiofeature u. a. mit Manfred Wilke, Ludwig A. Rehlinger und Dieter Dombrowski. MDR und RBB 2010.

Weblinks

  • Entlassungsschein hieß das amtliche Dokument der DDR, mit dem sie ihre Bürger aus der Staatsangehörigkeit entließ. Hier Fotos von Originalen 1972 und 1984
  • Reymar von Wedel: Die Entstehung der „Haftaktion“
  • Maximilian Zech: Wie die DDR Tausende von Kritikern verkaufte in Spektrum.de vom 3. April 2023
  • Matthias Pankau (epd): Geschichte: Die Menschenhändler, abgerufen am 1. Oktober 2023
  • Alexander W. Bauersfeld (2005): Freigekauft vor zwanzig Jahren - Rückschau eines Betroffenen

Literatur

  • Jan Philipp Wölbern: Der Häftlingsfreikauf aus der DDR zwischen 1962/63–1989 – Zwischen Menschenhandel und humanitären Aktionen, 563 S., Göttingen 2014, ISBN 978-3-525-35079-9

Einzelnachweise

  1. Abgewickelt auf Berechnungsgrundlage von Valutamark; siehe dazu auch Kirchenbauprogramme in der DDR
  2. Eckart Conze, Katharina Gajdukowa, Sigrid Koch-Baumgarten, eds.: Die demokratische Revolution 1989 in der DDR. Böhlau Verlag, Köln / Weimar, 2009. S. 64 f.
  3. Häftlingsfreikauf: letztes Kapitel, Information der Bundesregierung.
  4. Jan Philipp Wölbern: Der Häftlingsfreikauf aus der DDR 1962/63-1989. Zwischen Menschenhandel und humanitären Aktionen. 1. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014, ISBN 978-3-525-35079-9, S. 478. 
  5. Der historische Ort und unser Lern- und Gedenkort mit Dauerausstellung. In: gedenkort-kassberg.de. Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e. V., abgerufen am 26. Mai 2025. 
  6. Ludwig Geißel: Unterhändler der Menschlichkeit – Erinnerungen. Quell, Stuttgart 1991, ISBN 978-3-7918-1984-6 (S. 470; S. 328 ff.). 
  7. Klaus Schroeder: Der SED-Staat : Partei, Staat und Gesellschaft 1949–1990. Haner Verlag, München / Wien 1998, ISBN 3-446-19311-1, S. 191.
  8. Kirchengeschäft A oder A-Geschäft war der Begriff für Geschäfte mit der evangelischen Kirche in der Bundesrepublik und Kirchengeschäft C oder C-Geschäft für die mit der römisch-katholischen Kirche in der Bundesrepublik.
  9. Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971–1989. Ch. Links, Berlin 1998, S. 209.
  10. Häftlingsdeals mit der DDR: Menschen gegen Maisladungen. Onlineartikel bei einestages, abgerufen am 3. November 2012.
  11. Klaus Mehner im Interview mit Karl-Heinz Baum (bundesstiftung-aufarbeitung.de PDF der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur), abgerufen am 28. Dezember 2021.
  12. Via Caritas – Ex-Minister Egon Franke soll vor Gericht, weil aus seinem Ministerium 5,6 Millionen Mark spurlos verschwanden. In: Der Spiegel. 19. März 1984 (spiegel.de).
  13. Saubere Verhältnisse – Der SPD-Kanalarbeiter Egon Franke muß auf die Anklagebank. In seiner Ministerzeit sind seinem Haus 5,6 Millionen Mark abhanden gekommen. In: Der Spiegel. 25. März 1985 (spiegel.de).
  14. Am leeren Schreibtisch. In: Der Spiegel. Nr. 32, 1980, S. 22 f. (online). 
  15. Westgeld für Ostdoping: DDR finanzierte ihre Dopinganalytik mit Häftlingsfreikaufgeldern aus der Bundesrepublik, Deutschlandfunk, 25. Juli 2010.
  16. „Wir gegen uns“ D-Mark für DDR-Doping. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 3. September 2010 (faz.net).

Autor: www.NiNa.Az

Veröffentlichungsdatum: 29 Jun 2025 / 22:09

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Als Haftlingsfreikauf bezeichnet man den Freikauf politischer Haftlinge aus der DDR durch die Bundesrepublik Deutschland Fur die Freilassung politischer Gefangener verzichtete die DDR bei selektierten Haftfallen auf einen Teil des Haftanspruchs wofur die Bundesrepublik die DDR durch Devisen vornehmlich jedoch durch geldwerte Leistungen in Form von Warenlieferungen entlohnte Im Westen wurden diese von Rechtsanwalten eingefadelten Transaktionen von den beteiligten Akteuren und in der Offentlichkeit als Menschenhandel bezeichnet In der DDR durfte uber den Menschenhandel mit der Bundesrepublik nicht gesprochen werden Daran anschliessend forderte die SED Fuhrung von der Bundesrepublik Diskretion sukzessive Einschrankungen der Pressefreiheit Die westdeutschen Medien hielten sich mit der Berichterstattung dann auch etwas zuruck um das Zustandekommen der in grosserem Umfang geplanten Freikaufsgeschafte politischer Haftlinge nicht zu gefahrden Auf die informierte DDR Bevolkerung ubte die Freikaufoption eine grosse Sogwirkung aus weil sich an der menschenrechtsverletzenden Situation in der DDR nichts anderte Viele Akademiker und Facharbeiter gelangten uber den Umweg des Haftlingsfreikaufs in den Westen und der kursierende Witzspruch Erich macht als Letzter das Licht aus bekam durch den Fachkrafteschwund immer mehr Realitatsbezug Auf eigenen Wunsch wurden die freigekauften Gefangenen in die Bundesrepublik ausgeburgert oft direkt aus der Haft heraus und ohne sich vorher von ihren Angehorigen oder Mithaftlingen verabschieden zu konnen Der Haftlingsfreikauf begann Ende 1962 und endete im Herbst 1989 mit der Freilassung der politischen Gefangenen in der Zeit der Wende und friedlichen Revolution in der DDR Von 1966 67 bis 1989 war das Kassberg Gefangnis im damaligen Karl Marx Stadt der zentrale Abwicklungsort fur den Haftlingsfreikauf aus der DDR aufseiten des ostdeutschen Regimes nachdem die Haftentlassungen im Rahmen des Freikaufs zuvor uber Ost Berlin abgewickelt worden waren In der Regel waren die zum Freikauf vorgesehenen Haftlinge im B Trakt inhaftiert Heute befindet sich in dem Gebaudeteil der Lernort mit Dauerausstellung des Lern und Gedenkorts Kassberg Gefangnis Zwischen 1964 und 1989 wurden insgesamt 33 755 politische Haftlinge fur 3 436 900 755 12 D Mark freigekauft Ausserdem musste die Bundesregierung Gebuhren fur die Ausreise von etwa 250 000 Ausreisewilligen entrichten Dieser Geldfluss von West nach Ost trug zur Stabilisierung der DDR bei die ab den 1970er Jahren in standigen Finanznoten steckte Das Diakonische Werk der EKD in Stuttgart spielte bei der Vermittlung eine gewisse Rolle Der DDR Begriff der daran Beteiligten fur den Haftlingsfreikauf war Kirchengeschaft B oder B Geschaft Die Kontakte zwischen Kirchen und Kirchengemeinden in Deutschland waren eng und wurden von der SED geduldet GeschichteEntwicklung des Haftlingsfreikaufs 1963 1989 Der erste Haftlingsfreikauf wurde Weihnachten 1962 realisiert 20 Haftlinge und ebenso viele Kinder kamen gegen die Lieferung von drei Waggon Ladungen Kalidunger frei Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte nach einer Koalitionskrise am 14 Dezember 1962 das Kabinett Adenauer V berufen und darin Rainer Barzel zum Minister fur gesamtdeutsche Fragen Die Haftlingsfreikaufe wurden bis 1989 einige Zeit vor dem Fall der Mauer praktiziert Sie wurden inoffiziell auf Regierungsebene ausgehandelt Nachdem es zu Beginn noch um Einzelfalle gegangen war wurde der Freikauf zunehmend organisiert In der Zeit zwischen 1964 und 1989 wurden insgesamt 33 755 Haftlinge freigekauft Der Preis pro Haftling betrug anfangs durchschnittlich ca 40 000 DM und stieg spater auf 95 847 DM Offiziell bemessen wurde die Summe an dem angeblichen Schaden den der Haftling in der DDR angerichtet haben soll so die halbamtliche Begrundung und dem Ersatz fur die kostenlose Ausbildung bzw das Studium Tatsachlich hatte die DDR einen standigen Devisenmangel und war sehr daran interessiert an D Mark oder andere konvertible Wahrungen zu gelangen Ausserdem entfiel mit dem Freikauf eines politischen Haftlings fur die DDR das Problem ihn wieder in die sozialistische Gesellschaft integrieren zu mussen Der Historiker Stefan Wolle bezeichnet den Freikauf deshalb als eine Art politischer Giftmullentsorgung Den Transport der freigekauften Haftlinge handhabte die DDR diskret Mit Bussen die im Osten bald den Beinamen Wunderbusse erhielten wurden die freigekauften Haftlinge an die Grenze gebracht und auf unauffalligen Parkplatzen oder Waldlichtungen an den Westen ubergeben bevor sie in das Aufnahmelager Giessen gelangten Spater organisierten die Westbehorden den Transport mit zwei Bussen der Marke Magirus Deutz und westdeutschen Fahrern Der Haftlingstransport startete auf bundesdeutschem Gebiet Die eingesetzten Busse waren im Westen wie im Osten zugelassen und mit drehbaren Nummernschildern ausgestattet Wahrend der Fahrt auf westdeutschem Gebiet zeigten die Busse West Nummernschilder nach dem Passieren der innerdeutschen Grenze wurde per Knopfdruck auf Ost Nummernschilder umgeschaltet um nicht aufzufallen Anschliessend wurden die Haftlinge direkt von der Haftanstalt in Karl Marx Stadt abgeholt Innerhalb der DDR begleiteten Fahrzeuge der Staatssicherheit die Busse bis zum Grenzubergang Nach dem Grenzubertritt drehten die Busfahrer die Nummernschilder wieder auf Westkennzeichen Vertrauter von Erich Honecker und Unterhandler der DDR gegenuber der Bundesrepublik Deutschland fur den sogenannten Humanitarbereich Haftlingsfreikauf Ausreisen war der ostdeutsche Rechtsanwalt Wolfgang Vogel 1925 2008 der die Haftlingstransporte auch begleitete Seine Verhandlungspartner im Westen waren u a Herbert Wehner Helmut Schmidt Hans Jochen Vogel Ludwig A Rehlinger Walter Priesnitz und der Vizeprasident des Diakonischen Werkes Ludwig Geissel Andere Kontakte mit dem Rechtsanwalt und Mitarbeitern aus dessen Westberliner Kanzlei wie z B und sowie zu Ministerialdirektor vom Bundesministerium fur innerdeutsche Beziehungen in Bonn beforderten einen Skandal der um 1984 fast die humanitaren Bemuhungen zunichtegemacht hatte vgl dazu unter Literatur Brinkschulte et al Auch der SPD Politiker Hermann Kreutzer er war 1949 als politischer Haftling zu 25 Jahren Haft verurteilt worden und 1956 freigekommen hatte in den 1970er Jahren mit dem Haftlingsfreikauf zu tun Mit den D Mark Einnahmen finanzierte das SED Regime unter anderem Luxusguter fur die politische Fuhrung und technische Gerate zur Perfektionierung des DDR Zwangsdopingsystems um das seit 1974 betriebene Zwangsdoping auch minderjahriger Athleten zu vertuschen Konkret wurde von den Devisen aus dem Haftlingsfreikauf eine breite Palette technischer Gerate angeschafft darunter Video Ergometer Mess und Rechnertechnik sowie drei Gas Chromatographen zum Stuckpreis von rund einer halben Million D Mark Nur rund 500 Millionen D Mark aus dem Erlos des Freikaufs wandte die DDR fur die Verbesserung der Versorgungslage ihrer Bewohner auf Das war nur etwa ein Siebtel der 3 44 Milliarden D Mark die zu 96 Prozent aus dem Haftlingsverkaufsgeschaft stammten und uber das Konto 0628 das sogenannte Honecker Konto transferiert wurden Mit einigen Millionen davon tauchte der DDR Richter Jurgen Wetzenstein Ollenschlager in den Untergrund ab nachdem er die Freikaufpreise der von ihm zuvor ins Gefangnis geworfenen Burgerrechtler in die Hohe getrieben hatte KritikDie Haftlingsfreikaufe wurden auch kritisch gesehen So wurde zum einen das Potenzial der DDR Opposition geschwacht und deren Druck auf die DDR Fuhrung bzw das SED Regime verringert Fur Amnesty International galt der Haftlingsfreikauf als ein Anreiz fur die DDR viele politische Gefangene mit langen Haftstrafen zu produzieren Zum Beispiel wurde das Haftmass fur einen schweren ungesetzlichen Grenzubertritt 1979 von funf auf acht Jahre erhoht Siehe auchFreikauf von RumaniendeutschenLiteraturJan Philipp Wolbern Der Haftlingsfreikauf aus der DDR 1962 63 1989 Zwischen Menschenhandel und humanitaren Aktionen Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2014 ISBN 978 3 647 35079 0 Wolfgang Brinkschulte Hans Jorgen Gerlach amp Thomas Heise Freikaufgewinnler Die Mitverdiener im Westen Ullstein Report Berlin Frankfurt am Main 1993 ISBN 3 548 36611 2 Ludwig Geissel Unterhandler der Menschlichkeit Erinnerungen Quell Stuttgart 1991 ISBN 978 3 7918 1984 6 Mit Ubersichten auf 10 Seiten zu internationalen Spenden Hilfs und Transfer Zahlungen und in die DDR 1957 1990 480 Seiten Elke Ursel Hammer Besondere Bemuhungen der Bundesregierung Band 1 1962 bis 1969 Haftlingsfreikauf Familienzusammenfuhrung Agentenaustausch Oldenbourg Munchen 2012 ISBN 978 3 486 70719 9 Helmut Jenkis Der Freikauf von DDR Haftlingen Der deutsch deutsche Menschenhandel Zeitgeschichtliche Forschungen Band 45 Duncker amp Humblot Berlin 2012 ISBN 978 3 428 83866 0 Ludwig A Rehlinger Freikauf Die Geschafte der DDR mit politisch Verfolgten Ullstein Berlin Frankfurt am Main 1991 ISBN 3 550 07503 0 Jan Philipp Wolbern Die Entstehung des Haftlingsfreikaufs aus der DDR 1962 1964 In Deutschland Archiv 41 2008 5 S 856 867 Kai Diekmann Freigekauft Der DDR Menschenhandel Piper Munchen 2012 ISBN 978 3 492 05556 7 Alexander Koch Der Haftlingsfreikauf Eine deutsch deutsche Beziehungsgeschichte Allitera Munchen 2014 ISBN 978 3 86906 635 6 Dissertation Universitat Heidelberg 2012 445 Seiten Axel Reitel Nachtzensur DDR und Osteuropa zwischen Revolte und Reaktorkatastrophe Funf Features Mit einem Vorwort von Manfred Wilke enthalt u a den Text des Radiofeatures Freigekauft Koster Berlin 2013 ISBN 978 3 89574 842 4 HorfunkAxel Reitel Freigekauft Die geheimen Geschafte mit politischen Gefangenen in der DDR Radiofeature u a mit Manfred Wilke Ludwig A Rehlinger und Dieter Dombrowski MDR und RBB 2010 WeblinksEntlassungsschein hiess das amtliche Dokument der DDR mit dem sie ihre Burger aus der Staatsangehorigkeit entliess Hier Fotos von Originalen 1972 und 1984 Reymar von Wedel Die Entstehung der Haftaktion Maximilian Zech Wie die DDR Tausende von Kritikern verkaufte in Spektrum de vom 3 April 2023 Matthias Pankau epd Geschichte Die Menschenhandler abgerufen am 1 Oktober 2023 Alexander W Bauersfeld 2005 Freigekauft vor zwanzig Jahren Ruckschau eines BetroffenenLiteraturJan Philipp Wolbern Der Haftlingsfreikauf aus der DDR zwischen 1962 63 1989 Zwischen Menschenhandel und humanitaren Aktionen 563 S Gottingen 2014 ISBN 978 3 525 35079 9EinzelnachweiseAbgewickelt auf Berechnungsgrundlage von Valutamark siehe dazu auch Kirchenbauprogramme in der DDR Eckart Conze Katharina Gajdukowa Sigrid Koch Baumgarten eds Die demokratische Revolution 1989 in der DDR Bohlau Verlag Koln Weimar 2009 S 64 f Haftlingsfreikauf letztes Kapitel Information der Bundesregierung Jan Philipp Wolbern Der Haftlingsfreikauf aus der DDR 1962 63 1989 Zwischen Menschenhandel und humanitaren Aktionen 1 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2014 ISBN 978 3 525 35079 9 S 478 Der historische Ort und unser Lern und Gedenkort mit Dauerausstellung In gedenkort kassberg de Lern und Gedenkort Kassberg Gefangnis e V abgerufen am 26 Mai 2025 Ludwig Geissel Unterhandler der Menschlichkeit Erinnerungen Quell Stuttgart 1991 ISBN 978 3 7918 1984 6 S 470 S 328 ff Klaus Schroeder Der SED Staat Partei Staat und Gesellschaft 1949 1990 Haner Verlag Munchen Wien 1998 ISBN 3 446 19311 1 S 191 Kirchengeschaft A oder A Geschaft war der Begriff fur Geschafte mit der evangelischen Kirche in der Bundesrepublik und Kirchengeschaft C oder C Geschaft fur die mit der romisch katholischen Kirche in der Bundesrepublik Stefan Wolle Die heile Welt der Diktatur Alltag und Herrschaft in der DDR 1971 1989 Ch Links Berlin 1998 S 209 Haftlingsdeals mit der DDR Menschen gegen Maisladungen Onlineartikel bei einestages abgerufen am 3 November 2012 Klaus Mehner im Interview mit Karl Heinz Baum bundesstiftung aufarbeitung de PDF der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur abgerufen am 28 Dezember 2021 Via Caritas Ex Minister Egon Franke soll vor Gericht weil aus seinem Ministerium 5 6 Millionen Mark spurlos verschwanden In Der Spiegel 19 Marz 1984 spiegel de Saubere Verhaltnisse Der SPD Kanalarbeiter Egon Franke muss auf die Anklagebank In seiner Ministerzeit sind seinem Haus 5 6 Millionen Mark abhanden gekommen In Der Spiegel 25 Marz 1985 spiegel de Am leeren Schreibtisch In Der Spiegel Nr 32 1980 S 22 f online Westgeld fur Ostdoping DDR finanzierte ihre Dopinganalytik mit Haftlingsfreikaufgeldern aus der Bundesrepublik Deutschlandfunk 25 Juli 2010 Wir gegen uns D Mark fur DDR Doping In Frankfurter Allgemeine Zeitung 3 September 2010 faz net

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