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Spätmittelalterliche Agrarkrise

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Spätmittelalterliche Agrarkrise
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Unter dem Begriff der spätmittelalterlichen Agrarkrise wird im Allgemeinen die im 14. und 15. Jahrhundert vorherrschende Depression der Landwirtschaft in Europa verstanden. Die dazugehörige Agrarkrisentheorie fußt größtenteils auf den Überlegungen des deutschen Wirtschaftshistorikers Wilhelm Abel und dessen Veröffentlichungen in den 1930er Jahren. Abel definiert die spätmittelalterliche Agrarkrise als Häufung von ländlich-landwirtschaftlichen Notständen. Diese äußern sich laut Abel in Form von verlassenen Höfen und Häusern, rückgängigem Getreideanbau, abfallenden Grundrenten und in dem langfristigen Missverhältnis zwischen Erlös- und Kostenpreisen des Landbaues. Der Kern dieser Theorie besitzt noch bis heute Gültigkeit. Jedoch sollten kritische Einwände, die innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion über Abels Werk geäußert wurden, nicht außer Acht gelassen werden.

Ursachen

Vor dem Einsetzen der sogenannten spätmittelalterlichen Agrarkrise kann von einer Expansionsphase gesprochen werden, in deren Verlauf sich die Bevölkerung zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert etwa verdoppelte. Der wirtschaftliche Aufschwung Europas, der sich vor allem im 12. und 13. Jahrhundert vollzog, ließ insbesondere den Agrarsektor anwachsen. Aufgrund seiner hohen Bedeutung hatten Veränderungen im Agrarsektor schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft. Erhebliche technische Fortschritte hatten zur Folge, dass das grundherrschaftliche Fronhofsystem niederging und eine Flucht in die Stadt einsetzte.Hans Mottek bezeichnete die damit einhergehende Entbindung der Bauern von der Scholle (glebae adscripti) herausstreichend als „Auflösung der ersten Leibeigenschaft“. Dieser Prozess kehrte sich ab dem 14. Jahrhundert wieder um und blieb bis zum 19. Jahrhundert bestehen. Die Zahl der Grundherren nahm wieder zu und wohl auch die Größe der Gebiete, was Uwe Wesel als „zweite Leibeigenschaft“ bezeichnet, weil damit die alten Rechte über noch mehr Bauern zurück erworben wurden. Laut Abels Theorie führte das starke Bevölkerungswachstum zu einer erhöhten Getreidenachfrage. Durch die erhöhte Nachfrage stiegen die Getreidepreise, was wiederum die Erschließung ertragsschwacher Ackerflächen rentabel machte. Um ca. 1300 wurden deshalb auch minderwertige Böden bearbeitet, welche nur in normalen oder guten Erntejahren ausreichende Erträge abwarfen und sich teilweise nach wenigen Jahren erschöpften.

In den Jahren 1315 bis 1317 kam es zu mehreren Missernten, welche Hungersnöte mit sich brachten, gefolgt von einem starken Bevölkerungsrückgang, Landfluchten und der Bildung von Wüstungen. Der Bevölkerungsrückgang verschärfte sich durch die Pest, die Mitte des 14. Jahrhunderts in ganz Europa ausbrach. Insgesamt sank die Bevölkerung zu dieser Zeit um gut ein Drittel. Durch den Bevölkerungsrückgang brach die Getreidenachfrage nun drastisch ein. Da zuerst die ertragsärmeren Böden aufgegeben wurden, sank das Angebot nicht in gleichem Maße und es kam zu einem Preisverfall des Getreides. Gleichzeitig bewirkte der Bevölkerungsrückgang einen Arbeitskräftemangel, der die Reallöhne ansteigen ließ. So entstand zwischen Getreidepreisen und Löhnen ein Ungleichgewicht, welches laut Abel die Landwirtschaft unrentabler machte.

Während Abel in den Witterungsbedingungen keinen wesentlichen Einflussfaktor sah, betrachteten später Autoren wie die britischen Wirtschaftshistoriker Michael M. Postan oder Bruce M. S. Campbell Witterungs- und Klimaschwankungen in Teilen Europas als Mitauslöser für die Krisenerscheinungen der Zeit. Für den englischen Raum wiesen britische Historiker auf Zusammenhänge zwischen dem Wüstfallen von Ortschaften, einer Ausweitung der Schafhaltung zu Lasten des Getreideanbaus und veränderte Klimabedingungen hin, ähnlich die skandinavische Forschung. Der deutsche Historiker Werner Rösener bezeichnet es als Manko, dass Abels Modell und die deutsche Forschung klimahistorische Aspekte gar nicht oder zu wenig berücksichtigt hätten. Manche Autoren, etwa der britische Klimatologe Hubert Lamb, verorten die Witterungsschwankungen und Krisenerscheinungen in einer klimatischen Übergangszeit vom Ende einer europäischen mittelalterlichen Warmzeit zu einer allmählich beginnenden kleinen Eiszeit, die sie damit relativ früh einsetzen lassen.

Gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen

Infolge der Agrarkrise entwickelten sich andere Wirtschaftszweige. Vergleichsweise niedrige Lebenshaltungskosten ermöglichten den Erwerb anderer Güter. Dadurch stieg die Nachfrage nach Handwerksprodukten aller Art, deren Angebot aufgrund des Arbeitskräftemangels überschaubar blieb. Zwar stiegen durch die erhöhte Nachfrage die Löhne der verbliebenen Arbeitskräfte, gleichzeitig sanken jedoch die Einkommen der Bauern so stark, dass es unter ihnen zu einer vermehrten Landflucht in die Städte kam. Im Zuge dieser Landflucht wurden ganze Landstriche entvölkert und es entstanden zahlreiche Wüstungen. Die gesteigerte Nachfrage und die steigenden Löhne verursachten eine sich verstärkende Inflation. Die Landwirtschaft musste sich der geänderten Nachfrage anpassen, sodass sie ihre Produktion zum Teil auf andere Waren umstellen musste. So breitete sich beispielsweise in Gebieten mit weniger ertragreichen Böden die Viehwirtschaft aus. Innerhalb der mittelalterlichen Städte hatte die Agrarkrise jedoch kaum Auswirkungen. Dort konnten die Bevölkerungsrückgänge durch die Landflucht ausgeglichen werden, die Lebenshaltungskosten waren vergleichsweise niedrig und der Lohnüberschuss sorgte für eine große Nachfrage nach Luxusgütern und handwerklichen Produkten.

Dem Landadel hingegen schadete die Agrarkrise zum Teil enorm, da die niedrigen Getreidepreise und die Landflucht der Bauern die wirtschaftliche Basis des Adels unterhöhlten. Am schlimmsten traf es laut Abel den Ritterstand, der noch recht unmittelbar von seinen Gütern lebte und einen großen Rückgang seiner Einnahmen erfuhr. Um den Einkommensverlust zu kompensieren, erhöhte der Ritterstand teilweise die Abgabenlast, was zur Verschärfung der Krise und zu erhöhter Konfliktbereitschaft der Bauern führte. Viele Angehörige des Ritterstandes waren gezwungen, sich andere Einnahmequellen zu suchen. Neben dem Kriegsdienst und dem Auskommen als Beamte der Landesherren breitete sich das Fehdewesen stark aus. Zudem wandten sich viele Ritter dem Raubrittertum zu.

Auch bezüglich des Niedergangs der mittelalterlichen Deutschen Ostsiedlung kann ein Zusammenhang mit der Agrarkrise vermutet werden. Ein definitiver Nachweis dieses Zusammenhanges steht jedoch noch aus.

Kritik an Agrarkrisentheorie

Bei der Agrarkrisentheorie von Abel handelt es sich um eine Theorie, die teilweise noch heute ihre Gültigkeit besitzt. Dennoch wurden einige Beobachtungen Abels innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses kritisch hinterfragt. Insbesondere der von Abel hergestellte Zusammenhang zwischen Pest und Siedlungsaufgabe wurde scharf kritisiert. Der Historiker Josef Dolle spricht davon, dass dieser Zusammenhang weder zeitlich noch ursächlich nachgewiesen sei. Des Weiteren fehle es bis heute an zuverlässigen Daten bezüglich der räumlichen Ausbreitung der Epidemien und den damit verbundenen Opferzahlen im 14. Jahrhundert. Die Auswahl der von Abel angeführten Daten wirkt zudem eher willkürlich als systematisch. Demgemäß könne nicht beurteilt werden, inwiefern der ländliche Raum von diesen Epidemien betroffen war. Zusätzlich bemerkte Dolle, dass die Situation des Adels zu dieser Zeit wesentlich differenzierter war, als es Abel darstellt, und dass demgemäß von einer Krise des Adels nicht die Rede sein kann. Zudem wurde bemängelt, dass Abel die regionalen Unterschiede in der Konjunkturentwicklung zu wenig beachtet hätte.

Literatur

  • Wilhelm Abel: Agrarkrisen und Agrarkonjunktur. Eine Geschichte der Land- und Ernährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter. 3. Auflage, Parey, Hamburg 1978, ISBN 3-490-30415-2.
  • Wilhelm Abel: Agrarkrise, Sp. 218–220. In: Lexikon des Mittelalters. Band 1, Metzler, Stuttgart 1999, ISBN 3-476-01742-7.
  • Ingomar Bog: Geistliche Herrschaft und Bauer in Bayern und die spätmittelalterliche Agrarkrise. In: Vjh. für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Band 45, 1958, S. 62–75.
  • Werner Rösener: Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter (Enzyklopädie deutscher Geschichte, Band 13), Oldenbourg, München 1992, ISBN 978-3-486-55024-5.
  • František Graus: Pest – Geißler – Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1987, ISBN 3-525-35622-6.
  • Ferdinand Seibt et al. (Hrsg.): Europa 1400. Klett-Cotta, Stuttgart 1984, ISBN 3-608-91210-X.
  • Otto Sigg: Spätmittelalterliche «Agrarkrise». Aspekte der Zürcher Geschichte im Spannungsfeld von Sempacher Krieg und Altem Zürichkrieg. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte. Band 31, 1981, S. 121–143.
  • Harald Müller: Mittelalter, Akademie, Berlin 2008, ISBN 978-3-05-004366-1.
  • Josef Dolle: Zu der Theorie einer "spätmittelalterlichen Agrarkrise". Eine kritische Untersuchung am Beispiel des Altkreises Göttingen. In: Göttinger Jahrbuch, Band 42, 1994.

Weblinks

  • Agrarkrise des Mittelalters. In: Einführung in die Frühe Neuzeit – Glossar. Universität Wien.

Einzelnachweise

  1. Harald Müller: Mittelalter. Akademie Verlag, Berlin 2008, S. 55.
  2. Josef Dolle: Zu der Theorie einer "spätmittelalterlichen Agrarkrise". Eine kritische Untersuchung am Beispiel des Altkreises Göttingen. In: Göttinger Jahrbuch. Bd. 42, 1994, S. 55.
  3. In der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts oft beschrieben als „Stadtluft macht frei“.
  4. Uwe Wesel: Geschichte des Rechts. Von den Frühformen bis zur Gegenwart. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Beck, München 2006, ISBN 3-406-47543-4. Rn. 212.
  5. Josef Dolle: Zu der Theorie einer ‚spätmittelalterlichen Agrarkrise‘. Eine kritische Untersuchung am Beispiel des Altkreises Göttingen. In: Göttinger Jahrbuch. Bd. 42, 1994, S. 55.
  6. Werner Rösener: Die Krise des Spätmittelalters in neuer Perspektive. In: VSWG: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Band 99, Nr. 2, 2012, S. 196–207. 
  7. Hubert Lamb: Climate, History and the Modern World. 2. Auflage. Routledge, 1995, ISBN 0-415-12734-3, S. 264. 
  8. Josef Dolle: Zu der Theorie einer "spätmittelalterlichen Agrarkrise". Eine kritische Untersuchung am Beispiel des Altkreises Göttingen. In: Göttinger Jahrbuch. Bd. 42, 1994, S. 57.
  9. Werner Rösener: Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter. In: Enzyklopädie deutscher Geschichte. Bd. 13, Oldenbourg, München 1992, S. 102.

Autor: www.NiNa.Az

Veröffentlichungsdatum: 15 Jul 2025 / 08:43

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Unter dem Begriff der spatmittelalterlichen Agrarkrise wird im Allgemeinen die im 14 und 15 Jahrhundert vorherrschende Depression der Landwirtschaft in Europa verstanden Die dazugehorige Agrarkrisentheorie fusst grosstenteils auf den Uberlegungen des deutschen Wirtschaftshistorikers Wilhelm Abel und dessen Veroffentlichungen in den 1930er Jahren Abel definiert die spatmittelalterliche Agrarkrise als Haufung von landlich landwirtschaftlichen Notstanden Diese aussern sich laut Abel in Form von verlassenen Hofen und Hausern ruckgangigem Getreideanbau abfallenden Grundrenten und in dem langfristigen Missverhaltnis zwischen Erlos und Kostenpreisen des Landbaues Der Kern dieser Theorie besitzt noch bis heute Gultigkeit Jedoch sollten kritische Einwande die innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion uber Abels Werk geaussert wurden nicht ausser Acht gelassen werden UrsachenVor dem Einsetzen der sogenannten spatmittelalterlichen Agrarkrise kann von einer Expansionsphase gesprochen werden in deren Verlauf sich die Bevolkerung zwischen dem 10 und 14 Jahrhundert etwa verdoppelte Der wirtschaftliche Aufschwung Europas der sich vor allem im 12 und 13 Jahrhundert vollzog liess insbesondere den Agrarsektor anwachsen Aufgrund seiner hohen Bedeutung hatten Veranderungen im Agrarsektor schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft Erhebliche technische Fortschritte hatten zur Folge dass das grundherrschaftliche Fronhofsystem niederging und eine Flucht in die Stadt einsetzte Hans Mottek bezeichnete die damit einhergehende Entbindung der Bauern von der Scholle glebae adscripti herausstreichend als Auflosung der ersten Leibeigenschaft Dieser Prozess kehrte sich ab dem 14 Jahrhundert wieder um und blieb bis zum 19 Jahrhundert bestehen Die Zahl der Grundherren nahm wieder zu und wohl auch die Grosse der Gebiete was Uwe Wesel als zweite Leibeigenschaft bezeichnet weil damit die alten Rechte uber noch mehr Bauern zuruck erworben wurden Laut Abels Theorie fuhrte das starke Bevolkerungswachstum zu einer erhohten Getreidenachfrage Durch die erhohte Nachfrage stiegen die Getreidepreise was wiederum die Erschliessung ertragsschwacher Ackerflachen rentabel machte Um ca 1300 wurden deshalb auch minderwertige Boden bearbeitet welche nur in normalen oder guten Erntejahren ausreichende Ertrage abwarfen und sich teilweise nach wenigen Jahren erschopften In den Jahren 1315 bis 1317 kam es zu mehreren Missernten welche Hungersnote mit sich brachten gefolgt von einem starken Bevolkerungsruckgang Landfluchten und der Bildung von Wustungen Der Bevolkerungsruckgang verscharfte sich durch die Pest die Mitte des 14 Jahrhunderts in ganz Europa ausbrach Insgesamt sank die Bevolkerung zu dieser Zeit um gut ein Drittel Durch den Bevolkerungsruckgang brach die Getreidenachfrage nun drastisch ein Da zuerst die ertragsarmeren Boden aufgegeben wurden sank das Angebot nicht in gleichem Masse und es kam zu einem Preisverfall des Getreides Gleichzeitig bewirkte der Bevolkerungsruckgang einen Arbeitskraftemangel der die Reallohne ansteigen liess So entstand zwischen Getreidepreisen und Lohnen ein Ungleichgewicht welches laut Abel die Landwirtschaft unrentabler machte Wahrend Abel in den Witterungsbedingungen keinen wesentlichen Einflussfaktor sah betrachteten spater Autoren wie die britischen Wirtschaftshistoriker Michael M Postan oder Bruce M S Campbell Witterungs und Klimaschwankungen in Teilen Europas als Mitausloser fur die Krisenerscheinungen der Zeit Fur den englischen Raum wiesen britische Historiker auf Zusammenhange zwischen dem Wustfallen von Ortschaften einer Ausweitung der Schafhaltung zu Lasten des Getreideanbaus und veranderte Klimabedingungen hin ahnlich die skandinavische Forschung Der deutsche Historiker Werner Rosener bezeichnet es als Manko dass Abels Modell und die deutsche Forschung klimahistorische Aspekte gar nicht oder zu wenig berucksichtigt hatten Manche Autoren etwa der britische Klimatologe Hubert Lamb verorten die Witterungsschwankungen und Krisenerscheinungen in einer klimatischen Ubergangszeit vom Ende einer europaischen mittelalterlichen Warmzeit zu einer allmahlich beginnenden kleinen Eiszeit die sie damit relativ fruh einsetzen lassen Gesellschaftliche und wirtschaftliche AuswirkungenInfolge der Agrarkrise entwickelten sich andere Wirtschaftszweige Vergleichsweise niedrige Lebenshaltungskosten ermoglichten den Erwerb anderer Guter Dadurch stieg die Nachfrage nach Handwerksprodukten aller Art deren Angebot aufgrund des Arbeitskraftemangels uberschaubar blieb Zwar stiegen durch die erhohte Nachfrage die Lohne der verbliebenen Arbeitskrafte gleichzeitig sanken jedoch die Einkommen der Bauern so stark dass es unter ihnen zu einer vermehrten Landflucht in die Stadte kam Im Zuge dieser Landflucht wurden ganze Landstriche entvolkert und es entstanden zahlreiche Wustungen Die gesteigerte Nachfrage und die steigenden Lohne verursachten eine sich verstarkende Inflation Die Landwirtschaft musste sich der geanderten Nachfrage anpassen sodass sie ihre Produktion zum Teil auf andere Waren umstellen musste So breitete sich beispielsweise in Gebieten mit weniger ertragreichen Boden die Viehwirtschaft aus Innerhalb der mittelalterlichen Stadte hatte die Agrarkrise jedoch kaum Auswirkungen Dort konnten die Bevolkerungsruckgange durch die Landflucht ausgeglichen werden die Lebenshaltungskosten waren vergleichsweise niedrig und der Lohnuberschuss sorgte fur eine grosse Nachfrage nach Luxusgutern und handwerklichen Produkten Dem Landadel hingegen schadete die Agrarkrise zum Teil enorm da die niedrigen Getreidepreise und die Landflucht der Bauern die wirtschaftliche Basis des Adels unterhohlten Am schlimmsten traf es laut Abel den Ritterstand der noch recht unmittelbar von seinen Gutern lebte und einen grossen Ruckgang seiner Einnahmen erfuhr Um den Einkommensverlust zu kompensieren erhohte der Ritterstand teilweise die Abgabenlast was zur Verscharfung der Krise und zu erhohter Konfliktbereitschaft der Bauern fuhrte Viele Angehorige des Ritterstandes waren gezwungen sich andere Einnahmequellen zu suchen Neben dem Kriegsdienst und dem Auskommen als Beamte der Landesherren breitete sich das Fehdewesen stark aus Zudem wandten sich viele Ritter dem Raubrittertum zu Auch bezuglich des Niedergangs der mittelalterlichen Deutschen Ostsiedlung kann ein Zusammenhang mit der Agrarkrise vermutet werden Ein definitiver Nachweis dieses Zusammenhanges steht jedoch noch aus Kritik an AgrarkrisentheorieBei der Agrarkrisentheorie von Abel handelt es sich um eine Theorie die teilweise noch heute ihre Gultigkeit besitzt Dennoch wurden einige Beobachtungen Abels innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses kritisch hinterfragt Insbesondere der von Abel hergestellte Zusammenhang zwischen Pest und Siedlungsaufgabe wurde scharf kritisiert Der Historiker Josef Dolle spricht davon dass dieser Zusammenhang weder zeitlich noch ursachlich nachgewiesen sei Des Weiteren fehle es bis heute an zuverlassigen Daten bezuglich der raumlichen Ausbreitung der Epidemien und den damit verbundenen Opferzahlen im 14 Jahrhundert Die Auswahl der von Abel angefuhrten Daten wirkt zudem eher willkurlich als systematisch Demgemass konne nicht beurteilt werden inwiefern der landliche Raum von diesen Epidemien betroffen war Zusatzlich bemerkte Dolle dass die Situation des Adels zu dieser Zeit wesentlich differenzierter war als es Abel darstellt und dass demgemass von einer Krise des Adels nicht die Rede sein kann Zudem wurde bemangelt dass Abel die regionalen Unterschiede in der Konjunkturentwicklung zu wenig beachtet hatte LiteraturWilhelm Abel Agrarkrisen und Agrarkonjunktur Eine Geschichte der Land und Ernahrungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter 3 Auflage Parey Hamburg 1978 ISBN 3 490 30415 2 Wilhelm Abel Agrarkrise Sp 218 220 In Lexikon des Mittelalters Band 1 Metzler Stuttgart 1999 ISBN 3 476 01742 7 Ingomar Bog Geistliche Herrschaft und Bauer in Bayern und die spatmittelalterliche Agrarkrise In Vjh fur Sozial und Wirtschaftsgeschichte Band 45 1958 S 62 75 Werner Rosener Agrarwirtschaft Agrarverfassung und landliche Gesellschaft im Mittelalter Enzyklopadie deutscher Geschichte Band 13 Oldenbourg Munchen 1992 ISBN 978 3 486 55024 5 Frantisek Graus Pest Geissler Judenmorde Das 14 Jahrhundert als Krisenzeit Vandenhoeck und Ruprecht Gottingen 1987 ISBN 3 525 35622 6 Ferdinand Seibt et al Hrsg Europa 1400 Klett Cotta Stuttgart 1984 ISBN 3 608 91210 X Otto Sigg Spatmittelalterliche Agrarkrise Aspekte der Zurcher Geschichte im Spannungsfeld von Sempacher Krieg und Altem Zurichkrieg In Schweizerische Zeitschrift fur Geschichte Band 31 1981 S 121 143 Harald Muller Mittelalter Akademie Berlin 2008 ISBN 978 3 05 004366 1 Josef Dolle Zu der Theorie einer spatmittelalterlichen Agrarkrise Eine kritische Untersuchung am Beispiel des Altkreises Gottingen In Gottinger Jahrbuch Band 42 1994 WeblinksAgrarkrise des Mittelalters In Einfuhrung in die Fruhe Neuzeit Glossar Universitat Wien EinzelnachweiseHarald Muller Mittelalter Akademie Verlag Berlin 2008 S 55 Josef Dolle Zu der Theorie einer spatmittelalterlichen Agrarkrise Eine kritische Untersuchung am Beispiel des Altkreises Gottingen In Gottinger Jahrbuch Bd 42 1994 S 55 In der Geschichtsschreibung des 19 Jahrhunderts oft beschrieben als Stadtluft macht frei Uwe Wesel Geschichte des Rechts Von den Fruhformen bis zur Gegenwart 3 uberarbeitete und erweiterte Auflage Beck Munchen 2006 ISBN 3 406 47543 4 Rn 212 Josef Dolle Zu der Theorie einer spatmittelalterlichen Agrarkrise Eine kritische Untersuchung am Beispiel des Altkreises Gottingen In Gottinger Jahrbuch Bd 42 1994 S 55 Werner Rosener Die Krise des Spatmittelalters in neuer Perspektive In VSWG Vierteljahrschrift fur Sozial und Wirtschaftsgeschichte Band 99 Nr 2 2012 S 196 207 Hubert Lamb Climate History and the Modern World 2 Auflage Routledge 1995 ISBN 0 415 12734 3 S 264 Josef Dolle Zu der Theorie einer spatmittelalterlichen Agrarkrise Eine kritische Untersuchung am Beispiel des Altkreises Gottingen In Gottinger Jahrbuch Bd 42 1994 S 57 Werner Rosener Agrarwirtschaft Agrarverfassung und landliche Gesellschaft im Mittelalter In Enzyklopadie deutscher Geschichte Bd 13 Oldenbourg Munchen 1992 S 102

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