Dieser Artikel behandelt Vorgänge der Verweltlichung Abkehr von der Religion Zur Enteignung von kirchlichen Besitztümern
Säkularisierung

Säkularisierung (von lateinisch saeculum ‚Zeit‘, ‚Zeitalter‘; auch: ‚Jahrhundert‘) bedeutet allgemein jede Form von Verweltlichung. Im engeren Sinne bezeichnet der Begriff die Annahme, dass durch den Humanismus und die Aufklärung ausgelöste Prozesse, Bindungen an Religion gelockert oder gelöst haben und Fragen der Lebensführung dem Bereich der menschlichen Vernunft zugeordnet haben. Soziologisch wird dieser Prozess als „sozialer Bedeutungsverlust von Religion“ interpretiert. In der jüngeren Geschichte wird Säkularisierung vor allem in „westlichen“ Gesellschaften diagnostiziert und mit Entchristlichung gleichgesetzt.
Begriffliches
Das lateinische Wort saeculum bedeutete ursprünglich ‚Zeitalter‘, ‚Jahrhundert‘, im Kirchenlatein dann ‚die zeitliche Welt‘ und damit das Irdische im Gegensatz zum Ewigen. Das Adjektiv „säkular“ (lateinisch saecularis) hat von daher die Bedeutung „weltlich“, „profan“; das davon abgeleitete Verb „säkularisieren“ die Bedeutung „etwas weltlich / profan machen“. Der Begriff Säkularisation bzw. Säkularisierung wurde daher zur Bezeichnung des Übergangs einer Sache aus dem Eigentum der Kirche (Bistümer und Klöster) in das von (nicht fürstbischöflich regierten) Staaten (zu dieser Begriffsbedeutung siehe Säkularisation) verwendet. Die erste dokumentierte Begriffsverwendung (allerdings in diesem Sinne einer Überführung des Kirchbesitzes in weltliche Hände) erfolgte durch Henri d’Orléans bei den Verhandlungen für den Westfälischen Frieden in Münster 1648. Seit der Wende zum 19. Jahrhundert fächerten sich die Bedeutungen weiter auf.
Der Religionswissenschaftler und interkulturelle Theologe Michael Bergunder gibt an, dass die Bezeichnung Säkularisierung heute vornehmlich in drei Aspekten gebraucht wird:
- für die Loslösung „weltlicher“ Bereiche von religiösen Normen und Institutionen
- für den Rückgang als traditionell religiös verstandener Überzeugungen und Verhaltensformen
- für eine Zuordnung von Religion zu einer privaten Sphäre, die als von einer öffentlichen Sphäre getrennt betrachtet wird. Diesen Prozess charakterisiert Ernst-Wolfgang Böckenförde als „Ablösung der politischen Ordnung als solcher von ihrer geistlich-religiösen Bestimmung und Durchformung“ (Trennung zwischen Religion und Staat).
In der Soziologie wird Säkularisierung im Rahmen der Theorie des sozialen Wandels begrifflich enger, jedoch thematisch allgemeiner als sozialer Prozess verstanden, der gegenläufig zur Magisierung steht. So hat insbesondere der Klassiker der soziologischen Säkularisierungstheorie Max Weber den Begriff als „Entzauberung der Welt“ bestimmt. Dabei wird unterschieden zwischen der Säkularisierung (Begriff für den Prozess, d. h. Vorgang) und der Säkularität (Begriff für den Zustand) einer Gesellschaft. In der statistischen Umfrageforschung wird der Begriff häufig aus Operationalisierungszwängen oft nur sehr formal und negativ bestimmt als Prozess eines sozialen Bedeutungsverlustes von Religion in modernen Gesellschaften. Die von Max Weber begründete Tradition eines materialen Säkularisierungsbegriffs untersucht demgegenüber konkrete Transformationsprozesse kultureller Deutungsmuster im Sinne einer auch inhaltlich fortschreitenden Entzauberung von Weltbildern und Lebensentwürfen. Der Soziologe Manuel Franzmann (siehe Literaturliste) vertritt in der Linie dieser Tradition die Auffassung, dass die Säkularisierung material zu einer fortschreitenden Artikulation des strukturellen Autonomiepotenzials menschlicher Praxis führe, wie schon der Übergang religiösen Gottesgnadentum zur Volkssouveränität (kollektive Autonomie) als Prinzip der Herrschaftslegitimation etwa im Zuge der Französischen Revolution zeige. Dies gelte ebenso für die individuelle Lebensführung, auch wenn sich diese historisch erst sehr viel später, in Deutschland erst seit den 1960er-Jahren, massenhaft entfaltete. Die säkularisierte Autonomisierung zeige sich insbesondere in der fortschreitenden Ästhetisierung der Lebensführung, die das Autonomieprinzip lebenspraktisch operationalisiere.
Mit Säkularisierung wird – denkerisch – auch der Übergang von Begriffen und Vorstellungen aus einem primär religiösen in einen allgemeineren Kontext von Philosophie und Zeitgeist bezeichnet (z. B. Paradies, Sünde, Erlösung, Heilsgeschichte, Apokalypse u. v. a.).
Säkularisierung in der Geschichte
Säkularisierung vollzieht sich in vielen historischen Gesellschaften als eine Form und Begleiterscheinung des sozialen Wandels. So kann man das 5. und 4. vorchristliche Jahrhundert des antiken Griechenlands als klassische Periode einer Säkularisierung auffassen, in dem sich z. B. das Theater von seinem ursprünglich kultisch-religiösen Inhalt trennte und zu einer autonomen Kunstgattung wurde.
Säkularisierung in der ersten Bedeutung ist die Abschaffung der Staatsreligion und hat einen erheblichen Machtverlust der religiösen Institutionen, vor allem der Kirchen, zugunsten des Staates zur Folge.
Säkularisierung in modernen Gesellschaften
In der westlichen Welt gilt die Trennung zwischen Staat und religiösen Institutionen für weite Teile der Gesellschaft als erstrebenswerte und notwendige Voraussetzung für eine demokratische Gesellschaftsform. In der säkularen Demokratie sind nicht religiös fundierte Glaubenssätze, sondern der Wille der Wähler, das Gemeinwohl sowie bürgerliche Werte wie Freiheit, Gleichheit und Solidarität die Richtschnur des politischen Handelns.
In den aktuellen Diskussionen wird Säkularisierung als ein umfassender Prozess verstanden, der zentral mit der Modernisierung verbunden ist, womit zugleich eine Wertung ausgedrückt ist. Dieser Prozess schlägt sich nicht nur in der Trennung von Staat und Kirche nieder, sondern umfasst auch eine schwindende soziale Bedeutung von Religion im Sinne eines Rückgangs ihres Einflusses auf das öffentliche Leben (z. B. Einfluss im Erziehungssystem) und der Mitgliederzahlen von Kirchen wie der Anzahl religiöser Menschen. Die häufig kritisierte Annahme der Linearität der Säkularisierung wurde in jüngeren Arbeiten von Pippa Norris und Ronald Inglehart sowie Detlef Pollack und seinem Schüler Gert Pickel durch Überlegungen der kulturellen Pfadabhängigkeit der Säkularisierung ergänzt. Danach gibt es drei Modelle in der Religionssoziologie:
1) Die Säkularisierungsthese sieht eine Grundspannung zwischen Moderne und Religion und einen andauernden Abwärtstrend der Religion, nachdem die Wissenschaft der Moderne die Religion ‚entzaubert’ hat. Frühe Vertreter sind hier Emile Durkheim, Georg Simmel, Peter L. Berger. Noch 1968 schrieb der renommierte jüdisch-lutherische Soziologe in der New York Times: „Im 21. Jahrhundert wird man religiöse Gläubige möglicherweise nur in kleinen Gruppen finden, wo sie eng zusammengedrängt einer weltweiten säkularen Kultur widerstehen.“
2) Die Individualisierungsthese (Privatisierungsthese) nimmt Religiosität eine konstante Grundfunktion des Individuums an und zeigt die Verschiebung von der institutionellen auf die persönlich-individuelle (‚Privatisierung der Religion’). Vertreter sind Thomas Luckmann oder Grace Davie.
3) Das Marktmodell geht auch von einer konstanten Grundfunktion der Religion aus, sieht darin aber einen positiven Effekt in einer Konkurrenz verschiedener religiöser Angebote wie religiöser Gemeinschaften, Glaubensüberzeugungen und religiöser Praktiken. Das Modell hat sich am US-amerikanischen Pluralismus von kirchlichen Angeboten orientiert. Ein positives ökonomisches Modell der Religion findet sich etwa bei Rodney Stark.
Entgegen gängigen Säkularisierungstheorien, die Säkularisierung als Auflösung vorgegebener Werteordnungen deuten, hat Charles Taylor den Aspekt der Optionalisierung von Verhaltensweisen und Weltanschauungen, auch der Religiosität, als Charakteristikum der Säkularisierung herausgestellt. Dabei verortet er den Ursprung von Säkularität im Christentum, weshalb er seine Säkularisierungstheorie als nur auf Europa und Nordamerika anwendbar sieht. Taylor beschreibt Säkularisierung als einen Prozess, in dem der Glaube zu einer von mehreren Optionen in der Moderne geworden sei. Er hebt die Pluralität von Sinnangeboten hervor und sieht Religion als eine Möglichkeit zur Transzendenzerfahrung, jedoch nicht als die einzige.
Säkularisierung im internationalen Vergleich
Obwohl Religionen global gesehen an Einfluss verlieren (s. Tabelle), vollzieht sich dieser Prozess in den einzelnen Ländern mit stark unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Tatsächlich gibt es noch etliche Länder, in denen die Religiosität der Bevölkerung bei nahezu 100 % liegt (z. B. Indien). Allerdings zeigen auch diese Länder einen altersabhängigen Rückgang der Religiosität: Je jünger die Befragten, desto geringer war die Bedeutung der Religion für sie. Die einzige Ausnahme hierbei scheint Israel zu sein, wo der Einfluss der Religion auch bei Jüngeren zugenommen hat.
Land | 2005 | 2012 | Abnahme in %-Punkten |
---|---|---|---|
Vietnam | 53 % | 30 % | 23 % |
Irland | 69 % | 47 % | 22 % |
Schweiz | 71 % | 50 % | 21 % |
Frankreich | 58 % | 37 % | 21 % |
Südafrika | 83 % | 64 % | 19 % |
Island | 74 % | 57 % | 17 % |
Ecuador | 85 % | 70 % | 15 % |
USA | 73 % | 60 % | 13 % |
Kanada | 58 % | 46 % | 12 % |
Österreich | 51 % | 42 % | 10 % |
Durchschnitt weltweit | 77 % | 68 % | 9 % |
Tabelle: Zehn Länder, in denen die Religiosität seit 2005 deutlich abgenommen hat. Die Prozentzahlen geben den Anteil der erwachsenen Bevölkerung an, die sich selbst als „religiös“ bezeichnen. Der globale Durchschnitt wurde unter Berücksichtigung der relativen nationalen Anteile an der erwachsenen Bevölkerung errechnet.
Nach einer Studie des Pew Research Centers wird der Anteil der konfessionslosen Weltbevölkerung innerhalb der nächsten 30 Jahre von 15,6 % (2020) auf 13,2 % (2050) sinken.
Europa
In Europa begann die Säkularisierung mit der Aufklärung und erreichte in der Französischen Revolution und im Sozialismus mit der angestrebten völligen Abschaffung der Religion vorläufige Höhepunkte (Beispiele: Einführung eines Revolutionskalenders ab dem „Jahr der Revolution“, Abschaffung der nichtrevolutionären Feste, radikale Enteignung der Klöster und Ordensgemeinschaften). Allerdings ist dieser Prozess voraussichtlich noch nicht abgeschlossen, zumal in vielen Ländern die Kirchen noch einen großen Einfluss ausüben. Jedoch zeigen praktisch alle europäischen Länder einen zurückgehenden Einfluss der Religion, wie man an der Mitgliederentwicklung in den Religionsgemeinschaften sehen kann.
Wie die meisten anderen europäischen Länder wurde auch Deutschland in den letzten Jahrzehnten säkularer. Im Jahr 1950 waren nur 3,6 % aller Deutschen konfessionslos. Im Jahr 1990 (nach der Wiedervereinigung) waren es 22,4 %, im Jahr 2021 bereits 42,0 %.
Somit haben die Kirchen in Deutschland einen schrumpfenden Einfluss. So gibt es zwar in Deutschland die staatlich eingezogene Kirchensteuer, Religionsunterricht, die staatliche Alimentierung von Bischöfen, Privilegien für Tendenzbetriebe und das Tanzverbot zu bestimmten christlichen Feiertagen, aber in Ostdeutschland (außer im Eichsfeld) ist inzwischen die statistisch niedrigste Kirchenzugehörigkeit in Europa zu verzeichnen. Für eine vollständige Trennung von Kirche und Staat setzt sich in Deutschland unter anderem die Partei der Humanisten ein.
USA
Die Säkularisierung in den USA schreitet rasch voran. Von 2008 bis 2015 nahm die Zahl der Amerikaner ohne religiöse Zugehörigkeit von 16 % auf knapp 23 % zu.
Vor der Aufklärung entzogen sich viele Europäer der Monarchie „von Gottes Gnaden“ durch Auswanderung in die Neue Welt. Die USA sind seit ihrer Konstitution 1776 ein säkularer Staat. Im Gegensatz zu der Verbreitung des Atheismus in Europa behielt hier die Religiosität einen hohen Stellenwert und führte zur Gründung einer Vielzahl reformierter Kirchengemeinden. Weitgehender Konsens bestand und besteht in der gesellschaftlichen Bedeutung des Christentums, allerdings waren viele der damaligen Führungselite des amerikanischen Staates keine Christen, sondern Deisten. Durch die Zersplitterung in einzelne christliche Konfessionen und die allgemein anerkannte Toleranz gegenüber dieser Entwicklung konnte sich jedoch keine monolithische kirchliche Institution mit politischer Macht herausbilden, wie sie bis dahin aus Europa bekannt war. Religiosität und Religionsfreiheit werden heute in den USA als gleichwertig betrachtet.
Durch nachfolgende Einwanderungswellen gelangten weitere Religionsgruppen aus der arabischen und ostasiatischen Welt in die USA, die sich durch die Tradition der religiösen Toleranz im neuen Umfeld etablieren konnten und selten vom weiterhin vorherrschenden Christentum assimiliert wurden. Einzige Ausnahmen sind die indigenen Religionen der Ureinwohner und der afrikanischen Sklaven, die durch die Christianisierung zurückgedrängt wurden.
Kanada
Obwohl kleinere Religionen in Kanada prozentual zunehmen (so wuchs der muslimische Anteil der Bevölkerung von 0,9 % im Jahr 1991 auf 3,2 % im Jahr 2011), hat die Rolle der Religion insgesamt spürbar abgenommen. Nach Angaben der kanadischen Statistikbehörde nahm die Zahl der Kanadier „ohne religiöse Zugehörigkeit“ (no religious affiliation) in den Jahren von 1991 bis 2011 von 12,6 % auf 23,9 % zu. Diese Zahlen scheinen im Widerspruch zu den WIN-Gallup-Zahlen (obige Tabelle) zu stehen. Viele Kanadier scheinen jedoch wie viele Europäer zwar getauft und dadurch Mitglied einer Kirche zu sein, bezeichnen sich aber selbst als „nicht religiös“. 51 % der Kanadier waren 2017 der Meinung, dass Religion mehr Schaden in der Welt anrichte als Gutes zu tun. 34 % der Kanadier waren 2017 der Meinung, dass Religion eine wichtige Rolle in der Politik spielen solle. Im Jahr 2011 hatten noch 45 % der Kanadier dieser Aussage zugestimmt.
Islamische Welt
Die fundamentalistischen Bewegungen, die seit den 1970er Jahren in den meisten islamischen Ländern erstarkt sind, sind zum Teil eine Reaktion auf einen fortschreitenden Säkularisierungsprozess, den sie rückgängig machen möchten. Zum Teil sind die fundamentalistischen Bewegungen aber auch eine Reaktion auf die – meist korrupten – diktatorischen Regierungen ihrer Länder. Für die Stärkung der Theokratie wird oftmals mit der „Untrennbarkeit von Religion und Staat“ im Islam argumentiert, aber auch damit, wieder einen gerechten Staat – nach Regeln des Islam – schaffen zu wollen. Gleichwohl gibt es in vielen muslimischen Ländern einen Trend zur Säkularisierung, vor allem angetrieben durch das Internet.
Zu einer besonders radikalen Entwicklung kam es nach dem Zweiten Weltkrieg in Albanien, unmittelbar beeinflusst durch den Stalinismus und die maoistische Kulturrevolution, beides entschieden säkularistische Bewegungen. Unter dem Diktator Enver Hoxha wurde eine gewaltsame Säkularisierung vorangetrieben, die immer radikalere Formen annahm. Sie mündete schließlich 1967 in ein totales Religionsverbot, das die Praktizierung jedweder Religion unter Strafe stellte. Hoxha erklärte das Land zum „ersten atheistischen Staat der Welt“, Moscheen und Kirchen wurden systematisch zerstört. Siehe dazu auch: Religiöse Verfolgung.
Obwohl eine gewaltsame Forcierung der Säkularisierung in der Geschichte durchaus nicht ungewöhnlich ist, ist dieser Fall besonders bemerkenswert. War Säkularisierung von Befürwortern oft als ein Prozess der „Befreiung“ verstanden worden, verkehrte sie sich hier besonders drastisch in ein Mittel zu Repression und ideologischer Indoktrination. Albanien von 1967 bis 1990 kann sogar in gewisser Hinsicht als das atheistische Gegenstück zu einem religiösen Gottesstaat angesehen werden.
Ein Beispiel für die Säkularisierung ist die Türkische Republik. Seit 1923 herrscht in der Türkei mit der Republikgründung der Laizismus, d. h. die Trennung von Staat und Religion. Der Laizismus ist eines von sechs Grundprinzipien des Kemalismus (nach Mustafa Kemal). Zu den wichtigsten Akten auf dem Weg der Säkularisierung in der Türkei zählen die Abschaffung des Kalifats, die Einführung des Gregorianischen Kalenders anstelle der islamischen Jahreszählung nach dem Mondzyklus und die Einführung der Schulpflicht.
Ein Indikator für die Säkularisierung in der Türkei ist die Anerkennung der Evolutionstheorie (mittlerweile von 30 % der Bevölkerung anerkannt, 50 % lehnen sie nach wie vor ab, 20 % sind unentschlossen).
Obwohl Saudi-Arabien als Theokratie betrachtet wird, gibt es zunehmende Anzeichen für eine Säkularisierung in der Bevölkerung. Daten des Meinungsforschungsinstitutes Gallup zeigen, dass bis zu 5 % der saudischen Bevölkerung Atheisten sein könnten, auch wenn diese dort offiziell als „Terroristen“ betrachtet werden und Abfall vom muslimischen Glauben mit der Todesstrafe geahndet werden kann.
Säkularisierung und Demografie
Auf eine weitreichende Konsequenz der Säkularisierung haben u. a. die US-Politikwissenschaftler Ronald Inglehart und Pippa Norris auf Basis des World Values Survey hingewiesen: In säkularisierten Gesellschaften sinkt die Geburtenrate unter die Bestandserhaltungsgrenze (siehe Demografie). Weltweit wachsen religiöse Populationen, während säkulare schrumpfen – was einen wichtigen Faktor auch gegenwärtiger Konflikte abbildet.
Religionswissenschaftler haben diesen Zusammenhang zwischen abnehmender Religiosität bzw. Säkularisierung und Demografie auch anhand von ALLBUS-Daten innerhalb Deutschlands und einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft empirisch bestätigt gefunden. Auch in Deutschland haben Menschen, die sich als nicht religiös einschätzen, durchschnittlich weniger Kinder als religiöse Menschen.
Säkularität und Gender
Die Historikerin und Gendertheoretikern Joan Wallach Scott macht auf den Gender-Aspekt der Säkularisierungsdebatte aufmerksam. Sie nimmt exemplarisch auf das Konzept der französischen Laizität Bezug und zeigt diachron wie synchron auf, wie sich die Säkularisierungsdebatte mit Fragen der Geschlechtlichkeit und Sexualität verbindet. Im antiklerikalen Diskurs des Frankreichs des 19. Jahrhunderts wurde Frauen ein ihrem Wesen eignender Hang zu „Leichtgläubigkeit“ und „Aberglauben“ zugeschrieben, weshalb ihnen aus Sorge vor einem potentiellen Machtzuwachs für den Klerus das politische Stimmrecht verwehrt wurde. Scott zeigt auf, wie im Sinne eines Vorantreibens der Säkularisierung in Gestalt der Zurückdrängung des öffentlichen Einflusses der katholischen Kirche der postulierte Gegensatz zwischen Vernunft und Religion mit einem so dargestellten wesenhaften Gegensatz zwischen Männern und Frauen verbunden wurde. In jüngst und aktuell geführten Debatten um Laizität verbindet sich die Einforderung von umfassender Freiheit und Gleichheit für alle Menschen mit einem antimuslimischen Impuls. So werden vor allem muslimische Frauen, die ihre religiöse Zugehörigkeit äußerlich kenntlich machen, zum diskursiven Ort, an dem ein Kulturkampf zwischen christlichem Säkularismus und Islamfeindlichkeit ausgetragen wird. Eine Gesetzgebung, die öffentlich getragene religiöse Symbole verbietet, betrifft de facto nur Musliminnen und Muslime. Im Zuge der sog. „Kopftuchdebatte“ wird in der Folge an muslimischen Frauen im Namen der Laizität, Freiheit und Gleichheit, ein Exempel für die behauptete nicht vorhandene Modernefähigkeit des Islam statuiert. Kritisch ist zu konstatieren, dass die Betroffenen-Perspektive in Scotts Beitrag weitgehend unberücksichtigt bleibt. Ebenso wird auch die Einordnung in die übergeordnete Debatte um den Eurozentrismus der klassischen Säkularisierungstheorie zu wenig diskutiert.
Kritik der Säkularisierungstheorie
Kritik richtet sich heute gegen die Behauptung des Bedeutungsrückganges von Religion in der Moderne. Kritiker verweisen auf Entwicklungen in Südkorea, Russland oder den USA. Immer dort, wo sich Religionen mit anderen wirtschaftlichen oder politischen Interessen verbinden, stärkt das die Religionen. Jedoch gebe es auch Faktoren, die die Bedeutung von Religion schwinden lasse. Dieses sei der Haupttrend in Westeuropa. Andere Autoren weisen auf das permanente Wechselspiel zwischen Säkularisierung und (Re-)Sakralisierung in westlichen Gesellschaften hin. So seien nach den ersten demokratischen Revolutionen im 18. und 19. Jahrhundert die religiösen Traditionen rasch wieder erstarkt. Häufig wurde auch bestritten, dass in den USA – einem Land, das von vielen religiösen Sektierern, die in ihren Heimatländern ausgewiesen wurden, mitbegründet wurde und in dem noch 1692 Hexen verfolgt wurden – jemals eine Säkularisierung stattgefunden habe. Etwa 60 Prozent der US-Amerikaner bekennen sich dazu, immer gläubig gewesen zu sein. Detlef Pollack argumentiert dagegen, dass die höhere Religiosität der Amerikaner im Vergleich zu den Europäern mit den Annahmen der Säkularisierungstheorie gut vereinbar sei: Sie erkläre sich unter anderem aus dem ungewöhnlich hohen Grad an existentieller Unsicherheit und sozialer Ungleichheit in den USA und aus der millionenfachen Zuwanderung gläubiger Menschen aus Lateinamerika. Jedoch gingen liberale Amerikaner aufgrund der zunehmenden Verschmelzung von evangelikalen und konservativen Positionen zunehmend auf Distanz zu Kirche und Religion.
Ein weiterer Kritikpunkt an dem Diskurs um Säkularisierung ist die unzureichende Auseinandersetzung mit seinen eurozentristischen Allgemeinbegriffen, wie beispielsweise der Religionswissenschaftler und interkulturelle Theologe Michael Bergunder kritisch ausführt. Allgemeinbegriffe fungieren im Diskurs als Vergleichspunkte. Als solche gehen sie dem Vergleich voraus, werden im Vergleich selbst nicht hinterfragt und sind von einem Prototyp her gebildet. Im Falle der für den Säkularisierungsdiskurs zentralen Allgemeinbegriffe „Religion“, „Esoterik“ und „Säkularisierung“ ist die europäische Geschichte dieser Prototyp. In diesem Sinne ist den Begriffen ein Eurozentrismus inhärent. Dem entspricht die Legitimation durch ein regionalisiertes Ursprungsdenken. Ein „Rückzug in westliche Begriffe“ im Sinne einer Anwendung der Begriffe nur auf den Prototyp „Europa“ oder „Westen“ ist aber nicht möglich, da der Status als Allgemeinbegriff mit universalem Anspruch dennoch erhalten bliebe, und die Begriffe heute zudem global verwendet werden. Alternativ plädiert Bergunder für eine Historisierung der Allgemeinbegriffe nach dem genealogischen Ansatz Foucaults. Dabei richtet sich der Blick von der Gegenwart her auf die Vergangenheit und fragt nach der Vor-Geschichte gegenwärtiger Positionierungen. Die Vor-Geschichte der heute global verwendeten Begriffe ist von daher (entgegen der Tendenz des regionalisierten Ursprungsdenkens) auch im globalen Diskurs zu suchen. So sollen verschleierte Zusammenhänge und die wesentliche Prägung heutiger Verständnisse von Religion und Esoterik im 19. Jh. offengelegt werden.
Siehe auch
- Säkularismus
- Säkularer Buddhismus
- Jüdischer Säkularismus
- Kulturkampf
Literatur
- Hans Blumenberg: Säkularisierung und Selbstbehauptung. Erweiterte und überarbeitete Neuausgabe von „Die Legitimität der Neuzeit“, erster und zweiter Teil. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1974.
- Horst Dreier: Staat ohne Gott. Religion in der säkularen Moderne. Beck, München 2018.
- Alexander Flores: Säkularisierung und Säkularismus im Islam? In: I. Lübbers, M. Rösler, J. Stüben (Hrsg.): Säkularisierung – ein weltgeschichtlicher Prozess in Hamburg. Frankfurt am Main 2017, ISBN 978-3-631-67547-2, S. 83–99.
- : Säkularisierter Glaube. Fallrekonstruktionen zur fortgeschrittenen Säkularisierung des Subjekts. Beltz, Weinheim 2017, ISBN 978-3-7799-2939-0.
- Christiane Frey, Uwe Hebekus, David Martyn: Säkularisierung. Grundlagentexte zur Theoriegeschichte. Suhrkamp, Berlin 2020, ISBN 978-3-518-29803-9.
- Karl Gabriel, Christel Gärtner, Detlef Pollack (Hg.): Umstrittene Säkularisierung. Soziologische und historische Analysen zur Differenzierung von Religion und Politik. Berlin University Press, Berlin 2012.
- Jürgen Habermas, Joseph Ratzinger: Dialektik der Säkularisierung. Über Vernunft und Religion. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 1. Auflage 2018, ISBN 978-3-451-03119-9. [Kartonierte Neuausgabe des vergriffenen geb. Buches]
- Ronald Inglehart, Pippa Norris: Sacred and Secular. Religion and Politics Worldwide. Cambridge University Press, Cambridge 2004, ISBN 0-521-54872-1.
- Hartmut Lehmann: Säkularisierung. Der europäische Sonderweg in Sachen Religion. Wallstein, Göttingen 2004, ISBN 3-89244-820-5.
- Hermann Lübbe: Säkularisierung. Geschichte eines ideenpolitischen Begriffs. 3. Auflage. Alber, Freiburg 2003.
- Hans-Heinrich Nolte: Säkularisierungen und Säkularisationen in der Weltgeschichte. In: I. Lübbers, M. Rösler, J. Stüben (Hrsg.): Säkularisierung – ein weltgeschichtlicher Prozess in Hamburg. Frankfurt am Main 2017, ISBN 978-3-631-67547-2, S. 51–81.
- Ulrich Oevermann, Manuel Franzmann: Strukturelle Religiosität auf dem Wege zur religiösen Indifferenz. In: Manuel Franzmann, Christel Gärtner, Nicole Köck (Hrsg.): Religiosität in der säkularisierten Welt. Theoretische und empirische Beiträge zur Säkularisierungsdebatte in der Religionssoziologie. VS, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-8100-4039-8, S. 49–82.
- Gert Pickel: Secularization as an European Fate? In: Gert Pickel, Olaf Müller: Church and Religion in Contemporary Europe. Results from Empirical and Comparative research. VS, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-16748-0, S. 89–122.
- Detlef Pollack: Säkularisierung – ein moderner Mythos? Studien zum religiösen Wandel in Deutschland. Tübingen 2003.
- Detlef Pollack: Varieties of Secularization Theories and Their Indispensable Core. The Germanic Review: Literature, Culture, Theory, 90:1 (2015), S. 60–79.
- Helmut Stubbe da Luz: Sakralisierung und Säkularisierung: Konjunkturen der Religiosität und das Staat-Kirchen(n)-Verhältnis. In: I. Lübbers, M. Rösler, J. Stüben (Hrsg.): Säkularisierung – ein weltgeschichtlicher Prozess in Hamburg. Frankfurt am Main 2017, ISBN 978-3-631-67547-2, S. 17–49.
- Charles Taylor: A secular age. Harvard University Press, Cambridge 2007.
- Lorenz Trein: Beobachtungen der Säkularisierung und die Grenzen der Religion (= Religion. Debatten und Reflexion, Bd. 2). Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-162186-4.
- Daniel Weidner: Rhetorik der Säkularisierung. Über eine Denkfigur der Moderne. Campus, Frankfurt am Main, 2024.
- Dietmar W. Winkler: Säkularisierung als Chance für die Kirchen in Ost- und Westeuropa? In: Ders. (Hg.): Vom Umbruch zum Aufbruch? Kirchliche und gesellschaftliche Entwicklungen in Ostmitteleuropa nach dem Zerfall des Kommunismus. Pro Oriente Band 34. Tyrolia Verlag, Innsbruck/Wien 2010, ISBN 978-3-7022-3078-4, S. 51–64.
Weblinks
- Literatur von und über Säkularisierung im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Internationale Konferenz: Secularity and Religious Vitality
- Forschungsprojekt: Multiple Secularities
- Detlef Pollack: Säkularisierungstheorie, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 7. März 2013.
Einzelnachweise
- Giacomo Marramao: Säkularisierung. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 8, Sp. 1133.
- Michael Bergunder: Säkularisierung und religiöser Pluralismus in Deutschland aus Sicht der Religionssoziologie. In: Daniel Cyranka, Helmut Obst (Hrsg.): ... mitten in der Stadt. Halle zwischen Säkularisierung und religiöser Vielfalt. Verlag der Franckeschen Stiftungen zu Halle, Halle 2001, ISBN 978-3-931479-23-7, S. 235.
- Andreas Anter: Entzauberung und Säkularisierung. In: Max Weber-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung. J.B. Metzler, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-476-05142-4, S. 62–63, doi:10.1007/978-3-476-05142-4_9.
- kath.net: Das Ende einer Ära: Zeitenwende – Religion boomt, besonders das Christentum. 5. Mai 2021, abgerufen am 23. Juli 2022.
- Antonius Liedhegener/Gert Pickel (Hrsg.): Religionspolitik und Politik der Religionen in Deutschland. Fallstudien und Vergleiche. 2016, S. 79.
- Säkularisierung, Individualisierung oder Markt? Religionssoziologische Beobachtungen zum Status von Religion in Deutschland und Europa. Abgerufen am 23. Juli 2022.
- Charles Taylor: Ein säkulares Zeitalter. Suhrkamp 2009, ISBN 978-3-518-58580-1. (A secular age. Harvard UP, Cambridge 2007)
- Charles Taylor: Ein säkulares Zeitalter. 1. Auflage. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009, S. 36 f.
- G. Pickel: ReligionMonitor: Understanding Common Ground. An International Comparison of Religious Belief. Bertelsmann Stiftung, 2013.
- Pew Templeton Global Religious Futures Project: Key Findings From the Global Religious Futures Project. In: pewresearch.org. 21. Dezember 2022, abgerufen am 18. März 2024 (englisch).
- Kirchenmitglieder: 49,7 Prozent. In: fowid.de. Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid), 27. Juni 2022, abgerufen am 18. März 2024.
- FOWID Religionszugehörigkeiten 2020.
- Universität Trier: Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Bayern, S. 417 ff. (PDF; 2,3 MB)
- America’s Changing Religious Landscape. Pew Research Center, 12. Mai 2015.
- Canadian National Household Survey: Religion in Canada
- Rebecca Joseph: Religion increasingly seen as doing more harm than good in Canada: Ipsos poll. Global News, 13. Juni 2017.
- Heinz Halm: Orientalisches Seminar Tübingen ( vom 29. September 2007 im Internet Archive) 21. Mai 2002
- J.D. Miller et al.: Public Acceptance of Evolution. Science 313, 2006, S. 765–766.
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- M. Fisher, C. Dewey: A surprising map of where the world’s atheists live. Washington Post, online, 2013.
- A. Whitnall: Saudi Arabia declares all atheists are terrorists in new law to crack down on political dissidents. Independent, 1. April 2014.
- Michael Blume, Carsten Ramsel, Sven Graupner: Religiosität als demographischer Faktor. Marburg Journal of Religion 2006/11 (1): S. 1–24 (PDF; 514 kB) Juni 2006
- Instituts der deutschen Wirtschaft: Kinder – Auch eine Frage der Überzeugung ( vom 16. Mai 2008 im Internet Archive) 1. Quartal 2007
- Frank Tallet: Dechristianizing France: The Year II and the Revolutionary Experience. In: Frank Tallet, Nicholas Atkin (Hrsg.): Religion, Society and Politics in France since 1789. London 1991, S. 26.
- Olwen Hufton: Women in Revolution. In: French Politics and Society. Band 7, Nr. 3, 1989, S. 66.
- Joan Wallach Scott: Der neue und der alte französische Säkularismus. Aus dem Englischen von Karin Wördemann. Historische Geisteswissenschaften, Frankfurter Vorträge, Nr. 10. Wallstein, Göttingen 2019, S. 53.
- Joan Wallach Scott: Der neue und der alte französische Säkularismus. Aus dem Englischen von Karin Wördemann. Historische Geisteswissenschaften, Frankfurter Vorträge, Nr. 10. Wallstein, Göttingen 2019, ISBN 978-3-8353-3454-0.
- Detlef Pollack: Säkularisierung – ein moderner Mythos? Studien zum religiösen Wandel in Deutschland. Tübingen 2003.
- Ulrich Willems: Säkularisierung des Politischen oder politikwissenschaftlicher Säkularismus? Zum disziplinären Perzeptionsmuster des Verhältnisses von Religion und Politik in gegenwärtigen Gesellschaften. In: M. Hildebrandt, M. Brocker, H. Behr (Hrsg.): Sakulärisierung und Resakralisierung in westlichen Gesellschaften. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2001, doi.org/10.1007/978-3-322-89593-6_14.
- Detlef Pollack: Säkularisierungstendenzen in den USA? auf www.uni-muenster.de, abgerufen am 15. Oktober 2020.
- Michael Bergunder: Umkämpfte Historisierung. Die Zwillingsgeburt von „Religion“ und „Esoterik“ in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und das Programm einer globalen Religionsgeschichte. In: Klaus Hock (Hrsg.): Wissen um Religion: Erkenntnis - Interesse. Epistemologie und Episteme in Religionswissenschaft und Interkultureller Theologie. 1. Auflage. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2020, ISBN 978-3-374-06691-9, S. 46–86.
Autor: www.NiNa.Az
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Dieser Artikel behandelt Vorgange der Verweltlichung Abkehr von der Religion Zur Enteignung von kirchlichen Besitztumern siehe Sakularisation Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen beispielsweise Einzelnachweisen ausgestattet Angaben ohne ausreichenden Beleg konnten demnachst entfernt werden Bitte hilf Wikipedia indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfugst Sakularisierung von lateinisch saeculum Zeit Zeitalter auch Jahrhundert bedeutet allgemein jede Form von Verweltlichung Im engeren Sinne bezeichnet der Begriff die Annahme dass durch den Humanismus und die Aufklarung ausgeloste Prozesse Bindungen an Religion gelockert oder gelost haben und Fragen der Lebensfuhrung dem Bereich der menschlichen Vernunft zugeordnet haben Soziologisch wird dieser Prozess als sozialer Bedeutungsverlust von Religion interpretiert In der jungeren Geschichte wird Sakularisierung vor allem in westlichen Gesellschaften diagnostiziert und mit Entchristlichung gleichgesetzt BegrifflichesSiehe auch Laizismus Das lateinische Wort saeculum bedeutete ursprunglich Zeitalter Jahrhundert im Kirchenlatein dann die zeitliche Welt und damit das Irdische im Gegensatz zum Ewigen Das Adjektiv sakular lateinisch saecularis hat von daher die Bedeutung weltlich profan das davon abgeleitete Verb sakularisieren die Bedeutung etwas weltlich profan machen Der Begriff Sakularisation bzw Sakularisierung wurde daher zur Bezeichnung des Ubergangs einer Sache aus dem Eigentum der Kirche Bistumer und Kloster in das von nicht furstbischoflich regierten Staaten zu dieser Begriffsbedeutung siehe Sakularisation verwendet Die erste dokumentierte Begriffsverwendung allerdings in diesem Sinne einer Uberfuhrung des Kirchbesitzes in weltliche Hande erfolgte durch Henri d Orleans bei den Verhandlungen fur den Westfalischen Frieden in Munster 1648 Seit der Wende zum 19 Jahrhundert facherten sich die Bedeutungen weiter auf Der Religionswissenschaftler und interkulturelle Theologe Michael Bergunder gibt an dass die Bezeichnung Sakularisierung heute vornehmlich in drei Aspekten gebraucht wird fur die Loslosung weltlicher Bereiche von religiosen Normen und Institutionen fur den Ruckgang als traditionell religios verstandener Uberzeugungen und Verhaltensformen fur eine Zuordnung von Religion zu einer privaten Sphare die als von einer offentlichen Sphare getrennt betrachtet wird Diesen Prozess charakterisiert Ernst Wolfgang Bockenforde als Ablosung der politischen Ordnung als solcher von ihrer geistlich religiosen Bestimmung und Durchformung Trennung zwischen Religion und Staat In der Soziologie wird Sakularisierung im Rahmen der Theorie des sozialen Wandels begrifflich enger jedoch thematisch allgemeiner als sozialer Prozess verstanden der gegenlaufig zur Magisierung steht So hat insbesondere der Klassiker der soziologischen Sakularisierungstheorie Max Weber den Begriff als Entzauberung der Welt bestimmt Dabei wird unterschieden zwischen der Sakularisierung Begriff fur den Prozess d h Vorgang und der Sakularitat Begriff fur den Zustand einer Gesellschaft In der statistischen Umfrageforschung wird der Begriff haufig aus Operationalisierungszwangen oft nur sehr formal und negativ bestimmt als Prozess eines sozialen Bedeutungsverlustes von Religion in modernen Gesellschaften Die von Max Weber begrundete Tradition eines materialen Sakularisierungsbegriffs untersucht demgegenuber konkrete Transformationsprozesse kultureller Deutungsmuster im Sinne einer auch inhaltlich fortschreitenden Entzauberung von Weltbildern und Lebensentwurfen Der Soziologe Manuel Franzmann siehe Literaturliste vertritt in der Linie dieser Tradition die Auffassung dass die Sakularisierung material zu einer fortschreitenden Artikulation des strukturellen Autonomiepotenzials menschlicher Praxis fuhre wie schon der Ubergang religiosen Gottesgnadentum zur Volkssouveranitat kollektive Autonomie als Prinzip der Herrschaftslegitimation etwa im Zuge der Franzosischen Revolution zeige Dies gelte ebenso fur die individuelle Lebensfuhrung auch wenn sich diese historisch erst sehr viel spater in Deutschland erst seit den 1960er Jahren massenhaft entfaltete Die sakularisierte Autonomisierung zeige sich insbesondere in der fortschreitenden Asthetisierung der Lebensfuhrung die das Autonomieprinzip lebenspraktisch operationalisiere Mit Sakularisierung wird denkerisch auch der Ubergang von Begriffen und Vorstellungen aus einem primar religiosen in einen allgemeineren Kontext von Philosophie und Zeitgeist bezeichnet z B Paradies Sunde Erlosung Heilsgeschichte Apokalypse u v a Sakularisierung in der GeschichteSakularisierung vollzieht sich in vielen historischen Gesellschaften als eine Form und Begleiterscheinung des sozialen Wandels So kann man das 5 und 4 vorchristliche Jahrhundert des antiken Griechenlands als klassische Periode einer Sakularisierung auffassen in dem sich z B das Theater von seinem ursprunglich kultisch religiosen Inhalt trennte und zu einer autonomen Kunstgattung wurde Sakularisierung in der ersten Bedeutung ist die Abschaffung der Staatsreligion und hat einen erheblichen Machtverlust der religiosen Institutionen vor allem der Kirchen zugunsten des Staates zur Folge Sakularisierung in modernen GesellschaftenIn der westlichen Welt gilt die Trennung zwischen Staat und religiosen Institutionen fur weite Teile der Gesellschaft als erstrebenswerte und notwendige Voraussetzung fur eine demokratische Gesellschaftsform In der sakularen Demokratie sind nicht religios fundierte Glaubenssatze sondern der Wille der Wahler das Gemeinwohl sowie burgerliche Werte wie Freiheit Gleichheit und Solidaritat die Richtschnur des politischen Handelns In den aktuellen Diskussionen wird Sakularisierung als ein umfassender Prozess verstanden der zentral mit der Modernisierung verbunden ist womit zugleich eine Wertung ausgedruckt ist Dieser Prozess schlagt sich nicht nur in der Trennung von Staat und Kirche nieder sondern umfasst auch eine schwindende soziale Bedeutung von Religion im Sinne eines Ruckgangs ihres Einflusses auf das offentliche Leben z B Einfluss im Erziehungssystem und der Mitgliederzahlen von Kirchen wie der Anzahl religioser Menschen Die haufig kritisierte Annahme der Linearitat der Sakularisierung wurde in jungeren Arbeiten von Pippa Norris und Ronald Inglehart sowie Detlef Pollack und seinem Schuler Gert Pickel durch Uberlegungen der kulturellen Pfadabhangigkeit der Sakularisierung erganzt Danach gibt es drei Modelle in der Religionssoziologie 1 Die Sakularisierungsthese sieht eine Grundspannung zwischen Moderne und Religion und einen andauernden Abwartstrend der Religion nachdem die Wissenschaft der Moderne die Religion entzaubert hat Fruhe Vertreter sind hier Emile Durkheim Georg Simmel Peter L Berger Noch 1968 schrieb der renommierte judisch lutherische Soziologe in der New York Times Im 21 Jahrhundert wird man religiose Glaubige moglicherweise nur in kleinen Gruppen finden wo sie eng zusammengedrangt einer weltweiten sakularen Kultur widerstehen 2 Die Individualisierungsthese Privatisierungsthese nimmt Religiositat eine konstante Grundfunktion des Individuums an und zeigt die Verschiebung von der institutionellen auf die personlich individuelle Privatisierung der Religion Vertreter sind Thomas Luckmann oder Grace Davie 3 Das Marktmodell geht auch von einer konstanten Grundfunktion der Religion aus sieht darin aber einen positiven Effekt in einer Konkurrenz verschiedener religioser Angebote wie religioser Gemeinschaften Glaubensuberzeugungen und religioser Praktiken Das Modell hat sich am US amerikanischen Pluralismus von kirchlichen Angeboten orientiert Ein positives okonomisches Modell der Religion findet sich etwa bei Rodney Stark Entgegen gangigen Sakularisierungstheorien die Sakularisierung als Auflosung vorgegebener Werteordnungen deuten hat Charles Taylor den Aspekt der Optionalisierung von Verhaltensweisen und Weltanschauungen auch der Religiositat als Charakteristikum der Sakularisierung herausgestellt Dabei verortet er den Ursprung von Sakularitat im Christentum weshalb er seine Sakularisierungstheorie als nur auf Europa und Nordamerika anwendbar sieht Taylor beschreibt Sakularisierung als einen Prozess in dem der Glaube zu einer von mehreren Optionen in der Moderne geworden sei Er hebt die Pluralitat von Sinnangeboten hervor und sieht Religion als eine Moglichkeit zur Transzendenzerfahrung jedoch nicht als die einzige Sakularisierung im internationalen VergleichObwohl Religionen global gesehen an Einfluss verlieren s Tabelle vollzieht sich dieser Prozess in den einzelnen Landern mit stark unterschiedlichen Geschwindigkeiten Tatsachlich gibt es noch etliche Lander in denen die Religiositat der Bevolkerung bei nahezu 100 liegt z B Indien Allerdings zeigen auch diese Lander einen altersabhangigen Ruckgang der Religiositat Je junger die Befragten desto geringer war die Bedeutung der Religion fur sie Die einzige Ausnahme hierbei scheint Israel zu sein wo der Einfluss der Religion auch bei Jungeren zugenommen hat Land 2005 2012 Abnahme in PunktenVietnam 53 30 23 Irland 69 47 22 Schweiz 71 50 21 Frankreich 58 37 21 Sudafrika 83 64 19 Island 74 57 17 Ecuador 85 70 15 USA 73 60 13 Kanada 58 46 12 Osterreich 51 42 10 Durchschnitt weltweit 77 68 0 9 Tabelle Zehn Lander in denen die Religiositat seit 2005 deutlich abgenommen hat Die Prozentzahlen geben den Anteil der erwachsenen Bevolkerung an die sich selbst als religios bezeichnen Der globale Durchschnitt wurde unter Berucksichtigung der relativen nationalen Anteile an der erwachsenen Bevolkerung errechnet Nach einer Studie des Pew Research Centers wird der Anteil der konfessionslosen Weltbevolkerung innerhalb der nachsten 30 Jahre von 15 6 2020 auf 13 2 2050 sinken Europa In Europa begann die Sakularisierung mit der Aufklarung und erreichte in der Franzosischen Revolution und im Sozialismus mit der angestrebten volligen Abschaffung der Religion vorlaufige Hohepunkte Beispiele Einfuhrung eines Revolutionskalenders ab dem Jahr der Revolution Abschaffung der nichtrevolutionaren Feste radikale Enteignung der Kloster und Ordensgemeinschaften Allerdings ist dieser Prozess voraussichtlich noch nicht abgeschlossen zumal in vielen Landern die Kirchen noch einen grossen Einfluss ausuben Jedoch zeigen praktisch alle europaischen Lander einen zuruckgehenden Einfluss der Religion wie man an der Mitgliederentwicklung in den Religionsgemeinschaften sehen kann Wie die meisten anderen europaischen Lander wurde auch Deutschland in den letzten Jahrzehnten sakularer Im Jahr 1950 waren nur 3 6 aller Deutschen konfessionslos Im Jahr 1990 nach der Wiedervereinigung waren es 22 4 im Jahr 2021 bereits 42 0 Somit haben die Kirchen in Deutschland einen schrumpfenden Einfluss So gibt es zwar in Deutschland die staatlich eingezogene Kirchensteuer Religionsunterricht die staatliche Alimentierung von Bischofen Privilegien fur Tendenzbetriebe und das Tanzverbot zu bestimmten christlichen Feiertagen aber in Ostdeutschland ausser im Eichsfeld ist inzwischen die statistisch niedrigste Kirchenzugehorigkeit in Europa zu verzeichnen Fur eine vollstandige Trennung von Kirche und Staat setzt sich in Deutschland unter anderem die Partei der Humanisten ein Siehe auch Religionen in Deutschland USA Die Sakularisierung in den USA schreitet rasch voran Von 2008 bis 2015 nahm die Zahl der Amerikaner ohne religiose Zugehorigkeit von 16 auf knapp 23 zu Vor der Aufklarung entzogen sich viele Europaer der Monarchie von Gottes Gnaden durch Auswanderung in die Neue Welt Die USA sind seit ihrer Konstitution 1776 ein sakularer Staat Im Gegensatz zu der Verbreitung des Atheismus in Europa behielt hier die Religiositat einen hohen Stellenwert und fuhrte zur Grundung einer Vielzahl reformierter Kirchengemeinden Weitgehender Konsens bestand und besteht in der gesellschaftlichen Bedeutung des Christentums allerdings waren viele der damaligen Fuhrungselite des amerikanischen Staates keine Christen sondern Deisten Durch die Zersplitterung in einzelne christliche Konfessionen und die allgemein anerkannte Toleranz gegenuber dieser Entwicklung konnte sich jedoch keine monolithische kirchliche Institution mit politischer Macht herausbilden wie sie bis dahin aus Europa bekannt war Religiositat und Religionsfreiheit werden heute in den USA als gleichwertig betrachtet Durch nachfolgende Einwanderungswellen gelangten weitere Religionsgruppen aus der arabischen und ostasiatischen Welt in die USA die sich durch die Tradition der religiosen Toleranz im neuen Umfeld etablieren konnten und selten vom weiterhin vorherrschenden Christentum assimiliert wurden Einzige Ausnahmen sind die indigenen Religionen der Ureinwohner und der afrikanischen Sklaven die durch die Christianisierung zuruckgedrangt wurden Siehe auch Town of Greece v Galloway Kanada Obwohl kleinere Religionen in Kanada prozentual zunehmen so wuchs der muslimische Anteil der Bevolkerung von 0 9 im Jahr 1991 auf 3 2 im Jahr 2011 hat die Rolle der Religion insgesamt spurbar abgenommen Nach Angaben der kanadischen Statistikbehorde nahm die Zahl der Kanadier ohne religiose Zugehorigkeit no religious affiliation in den Jahren von 1991 bis 2011 von 12 6 auf 23 9 zu Diese Zahlen scheinen im Widerspruch zu den WIN Gallup Zahlen obige Tabelle zu stehen Viele Kanadier scheinen jedoch wie viele Europaer zwar getauft und dadurch Mitglied einer Kirche zu sein bezeichnen sich aber selbst als nicht religios 51 der Kanadier waren 2017 der Meinung dass Religion mehr Schaden in der Welt anrichte als Gutes zu tun 34 der Kanadier waren 2017 der Meinung dass Religion eine wichtige Rolle in der Politik spielen solle Im Jahr 2011 hatten noch 45 der Kanadier dieser Aussage zugestimmt Islamische Welt Die fundamentalistischen Bewegungen die seit den 1970er Jahren in den meisten islamischen Landern erstarkt sind sind zum Teil eine Reaktion auf einen fortschreitenden Sakularisierungsprozess den sie ruckgangig machen mochten Zum Teil sind die fundamentalistischen Bewegungen aber auch eine Reaktion auf die meist korrupten diktatorischen Regierungen ihrer Lander Fur die Starkung der Theokratie wird oftmals mit der Untrennbarkeit von Religion und Staat im Islam argumentiert aber auch damit wieder einen gerechten Staat nach Regeln des Islam schaffen zu wollen Gleichwohl gibt es in vielen muslimischen Landern einen Trend zur Sakularisierung vor allem angetrieben durch das Internet Zu einer besonders radikalen Entwicklung kam es nach dem Zweiten Weltkrieg in Albanien unmittelbar beeinflusst durch den Stalinismus und die maoistische Kulturrevolution beides entschieden sakularistische Bewegungen Unter dem Diktator Enver Hoxha wurde eine gewaltsame Sakularisierung vorangetrieben die immer radikalere Formen annahm Sie mundete schliesslich 1967 in ein totales Religionsverbot das die Praktizierung jedweder Religion unter Strafe stellte Hoxha erklarte das Land zum ersten atheistischen Staat der Welt Moscheen und Kirchen wurden systematisch zerstort Siehe dazu auch Religiose Verfolgung Obwohl eine gewaltsame Forcierung der Sakularisierung in der Geschichte durchaus nicht ungewohnlich ist ist dieser Fall besonders bemerkenswert War Sakularisierung von Befurwortern oft als ein Prozess der Befreiung verstanden worden verkehrte sie sich hier besonders drastisch in ein Mittel zu Repression und ideologischer Indoktrination Albanien von 1967 bis 1990 kann sogar in gewisser Hinsicht als das atheistische Gegenstuck zu einem religiosen Gottesstaat angesehen werden Ein Beispiel fur die Sakularisierung ist die Turkische Republik Seit 1923 herrscht in der Turkei mit der Republikgrundung der Laizismus d h die Trennung von Staat und Religion Der Laizismus ist eines von sechs Grundprinzipien des Kemalismus nach Mustafa Kemal Zu den wichtigsten Akten auf dem Weg der Sakularisierung in der Turkei zahlen die Abschaffung des Kalifats die Einfuhrung des Gregorianischen Kalenders anstelle der islamischen Jahreszahlung nach dem Mondzyklus und die Einfuhrung der Schulpflicht Ein Indikator fur die Sakularisierung in der Turkei ist die Anerkennung der Evolutionstheorie mittlerweile von 30 der Bevolkerung anerkannt 50 lehnen sie nach wie vor ab 20 sind unentschlossen Obwohl Saudi Arabien als Theokratie betrachtet wird gibt es zunehmende Anzeichen fur eine Sakularisierung in der Bevolkerung Daten des Meinungsforschungsinstitutes Gallup zeigen dass bis zu 5 der saudischen Bevolkerung Atheisten sein konnten auch wenn diese dort offiziell als Terroristen betrachtet werden und Abfall vom muslimischen Glauben mit der Todesstrafe geahndet werden kann Sakularisierung und DemografieAuf eine weitreichende Konsequenz der Sakularisierung haben u a die US Politikwissenschaftler Ronald Inglehart und Pippa Norris auf Basis des World Values Survey hingewiesen In sakularisierten Gesellschaften sinkt die Geburtenrate unter die Bestandserhaltungsgrenze siehe Demografie Weltweit wachsen religiose Populationen wahrend sakulare schrumpfen was einen wichtigen Faktor auch gegenwartiger Konflikte abbildet Religionswissenschaftler haben diesen Zusammenhang zwischen abnehmender Religiositat bzw Sakularisierung und Demografie auch anhand von ALLBUS Daten innerhalb Deutschlands und einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft empirisch bestatigt gefunden Auch in Deutschland haben Menschen die sich als nicht religios einschatzen durchschnittlich weniger Kinder als religiose Menschen Sakularitat und GenderDie Historikerin und Gendertheoretikern Joan Wallach Scott macht auf den Gender Aspekt der Sakularisierungsdebatte aufmerksam Sie nimmt exemplarisch auf das Konzept der franzosischen Laizitat Bezug und zeigt diachron wie synchron auf wie sich die Sakularisierungsdebatte mit Fragen der Geschlechtlichkeit und Sexualitat verbindet Im antiklerikalen Diskurs des Frankreichs des 19 Jahrhunderts wurde Frauen ein ihrem Wesen eignender Hang zu Leichtglaubigkeit und Aberglauben zugeschrieben weshalb ihnen aus Sorge vor einem potentiellen Machtzuwachs fur den Klerus das politische Stimmrecht verwehrt wurde Scott zeigt auf wie im Sinne eines Vorantreibens der Sakularisierung in Gestalt der Zuruckdrangung des offentlichen Einflusses der katholischen Kirche der postulierte Gegensatz zwischen Vernunft und Religion mit einem so dargestellten wesenhaften Gegensatz zwischen Mannern und Frauen verbunden wurde In jungst und aktuell gefuhrten Debatten um Laizitat verbindet sich die Einforderung von umfassender Freiheit und Gleichheit fur alle Menschen mit einem antimuslimischen Impuls So werden vor allem muslimische Frauen die ihre religiose Zugehorigkeit ausserlich kenntlich machen zum diskursiven Ort an dem ein Kulturkampf zwischen christlichem Sakularismus und Islamfeindlichkeit ausgetragen wird Eine Gesetzgebung die offentlich getragene religiose Symbole verbietet betrifft de facto nur Musliminnen und Muslime Im Zuge der sog Kopftuchdebatte wird in der Folge an muslimischen Frauen im Namen der Laizitat Freiheit und Gleichheit ein Exempel fur die behauptete nicht vorhandene Modernefahigkeit des Islam statuiert Kritisch ist zu konstatieren dass die Betroffenen Perspektive in Scotts Beitrag weitgehend unberucksichtigt bleibt Ebenso wird auch die Einordnung in die ubergeordnete Debatte um den Eurozentrismus der klassischen Sakularisierungstheorie zu wenig diskutiert Kritik der SakularisierungstheorieKritik richtet sich heute gegen die Behauptung des Bedeutungsruckganges von Religion in der Moderne Kritiker verweisen auf Entwicklungen in Sudkorea Russland oder den USA Immer dort wo sich Religionen mit anderen wirtschaftlichen oder politischen Interessen verbinden starkt das die Religionen Jedoch gebe es auch Faktoren die die Bedeutung von Religion schwinden lasse Dieses sei der Haupttrend in Westeuropa Andere Autoren weisen auf das permanente Wechselspiel zwischen Sakularisierung und Re Sakralisierung in westlichen Gesellschaften hin So seien nach den ersten demokratischen Revolutionen im 18 und 19 Jahrhundert die religiosen Traditionen rasch wieder erstarkt Haufig wurde auch bestritten dass in den USA einem Land das von vielen religiosen Sektierern die in ihren Heimatlandern ausgewiesen wurden mitbegrundet wurde und in dem noch 1692 Hexen verfolgt wurden jemals eine Sakularisierung stattgefunden habe Etwa 60 Prozent der US Amerikaner bekennen sich dazu immer glaubig gewesen zu sein Detlef Pollack argumentiert dagegen dass die hohere Religiositat der Amerikaner im Vergleich zu den Europaern mit den Annahmen der Sakularisierungstheorie gut vereinbar sei Sie erklare sich unter anderem aus dem ungewohnlich hohen Grad an existentieller Unsicherheit und sozialer Ungleichheit in den USA und aus der millionenfachen Zuwanderung glaubiger Menschen aus Lateinamerika Jedoch gingen liberale Amerikaner aufgrund der zunehmenden Verschmelzung von evangelikalen und konservativen Positionen zunehmend auf Distanz zu Kirche und Religion Ein weiterer Kritikpunkt an dem Diskurs um Sakularisierung ist die unzureichende Auseinandersetzung mit seinen eurozentristischen Allgemeinbegriffen wie beispielsweise der Religionswissenschaftler und interkulturelle Theologe Michael Bergunder kritisch ausfuhrt Allgemeinbegriffe fungieren im Diskurs als Vergleichspunkte Als solche gehen sie dem Vergleich voraus werden im Vergleich selbst nicht hinterfragt und sind von einem Prototyp her gebildet Im Falle der fur den Sakularisierungsdiskurs zentralen Allgemeinbegriffe Religion Esoterik und Sakularisierung ist die europaische Geschichte dieser Prototyp In diesem Sinne ist den Begriffen ein Eurozentrismus inharent Dem entspricht die Legitimation durch ein regionalisiertes Ursprungsdenken Ein Ruckzug in westliche Begriffe im Sinne einer Anwendung der Begriffe nur auf den Prototyp Europa oder Westen ist aber nicht moglich da der Status als Allgemeinbegriff mit universalem Anspruch dennoch erhalten bliebe und die Begriffe heute zudem global verwendet werden Alternativ pladiert Bergunder fur eine Historisierung der Allgemeinbegriffe nach dem genealogischen Ansatz Foucaults Dabei richtet sich der Blick von der Gegenwart her auf die Vergangenheit und fragt nach der Vor Geschichte gegenwartiger Positionierungen Die Vor Geschichte der heute global verwendeten Begriffe ist von daher entgegen der Tendenz des regionalisierten Ursprungsdenkens auch im globalen Diskurs zu suchen So sollen verschleierte Zusammenhange und die wesentliche Pragung heutiger Verstandnisse von Religion und Esoterik im 19 Jh offengelegt werden Siehe auchSakularismus Sakularer Buddhismus Judischer Sakularismus KulturkampfLiteraturHans Blumenberg Sakularisierung und Selbstbehauptung Erweiterte und uberarbeitete Neuausgabe von Die Legitimitat der Neuzeit erster und zweiter Teil Suhrkamp Frankfurt am Main 1974 Horst Dreier Staat ohne Gott Religion in der sakularen Moderne Beck Munchen 2018 Alexander Flores Sakularisierung und Sakularismus im Islam In I Lubbers M Rosler J Stuben Hrsg Sakularisierung ein weltgeschichtlicher Prozess in Hamburg Frankfurt am Main 2017 ISBN 978 3 631 67547 2 S 83 99 Sakularisierter Glaube Fallrekonstruktionen zur fortgeschrittenen Sakularisierung des Subjekts Beltz Weinheim 2017 ISBN 978 3 7799 2939 0 Christiane Frey Uwe Hebekus David Martyn Sakularisierung Grundlagentexte zur Theoriegeschichte Suhrkamp Berlin 2020 ISBN 978 3 518 29803 9 Karl Gabriel Christel Gartner Detlef Pollack Hg Umstrittene Sakularisierung Soziologische und historische Analysen zur Differenzierung von Religion und Politik Berlin University Press Berlin 2012 Jurgen Habermas Joseph Ratzinger Dialektik der Sakularisierung Uber Vernunft und Religion Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1 Auflage 2018 ISBN 978 3 451 03119 9 Kartonierte Neuausgabe des vergriffenen geb Buches Ronald Inglehart Pippa Norris Sacred and Secular Religion and Politics Worldwide Cambridge University Press Cambridge 2004 ISBN 0 521 54872 1 Hartmut Lehmann Sakularisierung Der europaische Sonderweg in Sachen Religion Wallstein Gottingen 2004 ISBN 3 89244 820 5 Hermann Lubbe Sakularisierung Geschichte eines ideenpolitischen Begriffs 3 Auflage Alber Freiburg 2003 Hans Heinrich Nolte Sakularisierungen und Sakularisationen in der Weltgeschichte In I Lubbers M Rosler J Stuben Hrsg Sakularisierung ein weltgeschichtlicher Prozess in Hamburg Frankfurt am Main 2017 ISBN 978 3 631 67547 2 S 51 81 Ulrich Oevermann Manuel Franzmann Strukturelle Religiositat auf dem Wege zur religiosen Indifferenz In Manuel Franzmann Christel Gartner Nicole Kock Hrsg Religiositat in der sakularisierten Welt Theoretische und empirische Beitrage zur Sakularisierungsdebatte in der Religionssoziologie VS Wiesbaden 2006 ISBN 978 3 8100 4039 8 S 49 82 Gert Pickel Secularization as an European Fate In Gert Pickel Olaf Muller Church and Religion in Contemporary Europe Results from Empirical and Comparative research VS Wiesbaden 2009 ISBN 978 3 531 16748 0 S 89 122 Detlef Pollack Sakularisierung ein moderner Mythos Studien zum religiosen Wandel in Deutschland Tubingen 2003 Detlef Pollack Varieties of Secularization Theories and Their Indispensable Core The Germanic Review Literature Culture Theory 90 1 2015 S 60 79 Helmut Stubbe da Luz Sakralisierung und Sakularisierung Konjunkturen der Religiositat und das Staat Kirchen n Verhaltnis In I Lubbers M Rosler J Stuben Hrsg Sakularisierung ein weltgeschichtlicher Prozess in Hamburg Frankfurt am Main 2017 ISBN 978 3 631 67547 2 S 17 49 Charles Taylor A secular age Harvard University Press Cambridge 2007 Lorenz Trein Beobachtungen der Sakularisierung und die Grenzen der Religion Religion Debatten und Reflexion Bd 2 Mohr Siebeck Tubingen 2023 ISBN 978 3 16 162186 4 Daniel Weidner Rhetorik der Sakularisierung Uber eine Denkfigur der Moderne Campus Frankfurt am Main 2024 Dietmar W Winkler Sakularisierung als Chance fur die Kirchen in Ost und Westeuropa In Ders Hg Vom Umbruch zum Aufbruch Kirchliche und gesellschaftliche Entwicklungen in Ostmitteleuropa nach dem Zerfall des Kommunismus Pro Oriente Band 34 Tyrolia Verlag Innsbruck Wien 2010 ISBN 978 3 7022 3078 4 S 51 64 WeblinksWiktionary Sakularisierung Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Literatur von und uber Sakularisierung im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Internationale Konferenz Secularity and Religious Vitality Forschungsprojekt Multiple Secularities Detlef Pollack Sakularisierungstheorie in Docupedia Zeitgeschichte 7 Marz 2013 EinzelnachweiseGiacomo Marramao Sakularisierung In Historisches Worterbuch der Philosophie Bd 8 Sp 1133 Michael Bergunder Sakularisierung und religioser Pluralismus in Deutschland aus Sicht der Religionssoziologie In Daniel Cyranka Helmut Obst Hrsg mitten in der Stadt Halle zwischen Sakularisierung und religioser Vielfalt Verlag der Franckeschen Stiftungen zu Halle Halle 2001 ISBN 978 3 931479 23 7 S 235 Andreas Anter Entzauberung und Sakularisierung In Max Weber Handbuch Leben Werk Wirkung J B Metzler Stuttgart 2020 ISBN 978 3 476 05142 4 S 62 63 doi 10 1007 978 3 476 05142 4 9 kath net Das Ende einer Ara Zeitenwende Religion boomt besonders das Christentum 5 Mai 2021 abgerufen am 23 Juli 2022 Antonius Liedhegener Gert Pickel Hrsg Religionspolitik und Politik der Religionen in Deutschland Fallstudien und Vergleiche 2016 S 79 Sakularisierung Individualisierung oder Markt Religionssoziologische Beobachtungen zum Status von Religion in Deutschland und Europa Abgerufen am 23 Juli 2022 Charles Taylor Ein sakulares Zeitalter Suhrkamp 2009 ISBN 978 3 518 58580 1 A secular age Harvard UP Cambridge 2007 Charles Taylor Ein sakulares Zeitalter 1 Auflage Suhrkamp Frankfurt am Main 2009 S 36 f G Pickel ReligionMonitor Understanding Common Ground An International Comparison of Religious Belief Bertelsmann Stiftung 2013 Pew Templeton Global Religious Futures Project Key Findings From the Global Religious Futures Project In pewresearch org 21 Dezember 2022 abgerufen am 18 Marz 2024 englisch 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Pollack Sakularisierung ein moderner Mythos Studien zum religiosen Wandel in Deutschland Tubingen 2003 Ulrich Willems Sakularisierung des Politischen oder politikwissenschaftlicher Sakularismus Zum disziplinaren Perzeptionsmuster des Verhaltnisses von Religion und Politik in gegenwartigen Gesellschaften In M Hildebrandt M Brocker H Behr Hrsg Sakularisierung und Resakralisierung in westlichen Gesellschaften VS Verlag fur Sozialwissenschaften 2001 doi org 10 1007 978 3 322 89593 6 14 Detlef Pollack Sakularisierungstendenzen in den USA auf www uni muenster de abgerufen am 15 Oktober 2020 Michael Bergunder Umkampfte Historisierung Die Zwillingsgeburt von Religion und Esoterik in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts und das Programm einer globalen Religionsgeschichte In Klaus Hock Hrsg Wissen um Religion Erkenntnis Interesse Epistemologie und Episteme in Religionswissenschaft und Interkultureller Theologie 1 Auflage Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2020 ISBN 978 3 374 06691 9 S 46 86 Normdaten Sachbegriff GND 4051238 1 GND Explorer lobid OGND AKS LCCN sh85119462