Vincenz Prießnitz gelegentlich Prisnitz oder Prißnitz 4 Oktober 1799 in Gräfenberg Lázně Jeseník in Österreichisch Schle
Vincenz Prießnitz

Vincenz Prießnitz, gelegentlich Prisnitz oder Prißnitz, (* 4. Oktober 1799 in Gräfenberg, Lázně Jeseník, in Österreichisch-Schlesien; † 28. November 1851 ebenda) war ein Landwirt und autodidaktischer Naturheiler. Er gilt (nach den „Wasserhähnen“ Siegmund Hahn und Johann Siegmund Hahn) als Erneuerer der Kaltwasserkur in Österreich und Deutschland.
Leben
Vincenz Prießnitz wurde als das jüngste von sechs Kindern des Landwirts Franz Prießnitz (1753–1836) und dessen Ehefrau Theresia Kappel (1759–1825) in Freiwaldau-Stadt, Haus Nr. 175 geboren. Da der Vater erblindete und der älteste Bruder früh starb, musste Prießnitz schon nach kurzer Zeit die Schule verlassen und auf dem elterlichen Hof mitarbeiten. Er konnte nur eingeschränkt lesen und schreiben, war also funktionaler Analphabet. Mit 17 Jahren brach sich Prießnitz zwei Rippen, als er auf dem Weg zum Feld von seinem scheuenden Pferd zu Boden geschleudert und anschließend vom angehängten Wagen überrollt wurde. Er half sich, indem er die verletzten Rippen mit einem in kaltes Wasser getauchten Umschlag fixierte und darüber mehrere eng anliegende Tücher band. Dies war die Geburtsstunde des Prießnitz-Umschlages („Prießnitz-Wickel“). Die Rippen verheilten, und sehr schnell hatte der junge Prießnitz im weiten Umkreis den Ruf, ein Wasserdoktor zu sein.
Im Jahr 1826 kamen die ersten Kranken von außerhalb zu Prießnitz. Er richtete ein Badehaus ein, in dem er mit Wasser behandelte, wurde aber 1829 von mehreren Ärzten als Kurpfuscher angeklagt. Der Prozess endete mit einem Freispruch für Prießnitz, da er nicht mit Medikamenten, sondern ausschließlich mit Wasser therapierte.
1828 heiratete Prießnitz Sophie, eine Tochter des Gemeindevorstehers von Böhmischdorf bei Freiwaldau. Mit ihr hatte er einen Sohn und sechs Töchter.
1830 bekam er die Genehmigung der österreichischen Regierung zur Errichtung und Führung einer Kaltwasser-Heilanstalt. Im Badehaus wurde ein großes Becken von zehn Meter Durchmesser installiert, in dem die Patienten auch schwimmen konnten. Außerdem enthielt es einen Brunnen. Bereits 1832 wurde ein zweites Anstaltsgebäude gebaut mit 18 Zimmern und einem Saal. Insgesamt konnten in der Heilanstalt gleichzeitig etwa 100 Kranke untergebracht werden. Bis zu seinem Tod behandelte der Wasserdoktor hier etwa 36.000 Patienten. Die Prießnitz’sche Kaltwasser-Heilanstalt wurde seit 1853 vom Arzt (1814–1890) und seinem Schwiegersohn (1830–1912), der die Tochter Maria Anna Prießnitz geheiratet hatte, weitergeführt. Bis heute existiert die von ihm gegründete Kuranstalt in Bad Gräfenberg (Lázně Jeseník).
Prießnitz entwickelte keine neue medizinische Theorie, machte aber mit seinen Wasserkuren und Luftbädern, wie sie später auch von Arnold Rikli und Adolf Just angewandt wurden, die Hydrotherapie um 1830 populär. Innere Krankheiten führte nach der seit der Antike vorherrschenden Humoralpathologie auf „schlechte Säfte“ zurück, die aus dem Körper herausgebracht werden müssten. Er wandte kaltes Wasser und kalte Kompressen bei den verschiedensten Krankheiten an, verordnete aber auch Arbeit, Bewegung und Diät (Wasser, Milch und kalte ungewürzte Speisen). Außerdem setzte er auf Abhärtung, vorzugsweise durch eiskaltes Duschen, wobei sich das Wasser aus einer Höhe von mehreren Metern auf die Patienten ergoss. Weitere Behandlungselemente waren Trinkkuren, Klistiere, Bäder und Schwitzkuren.
Prießnitz veröffentlichte nichts, diktierte aber 1847 seiner Tochter Sophie das Vinzenz Prießnitz’sche Familien Wasserbuch, das bis heute im Institut für Geschichte der Medizin der Universität Wien aufbewahrt wird. 1880 ließ sein Schwiegersohn Hans Ripper für das Prießnitz-Archiv eine Abschrift anfertigen. Das Buch war nie zur Veröffentlichung vorgesehen, sondern in erster Linie für die Tochter Sophie, die mit ihrem Mann in Ungarn lebte. Daher sind die Angaben und Beschreibungen eher kurz gehalten, denn Sophie war bereits mit den Grundlagen vertraut. In der Abschrift werden auf 63 Seiten Behandlungen für etwa 110 Erkrankungen sowie allgemeine Verhaltensregeln beschrieben.
Prießnitz erlitt 1848 einen Schlaganfall und litt danach an „Leberschrumpfung und Wassersucht“ und hatte demnach mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zuletzt ein Leber- und Nierenversagen. Im Alter von 52 Jahren starb Vincenz Prießnitz am 28. November 1851 in Gräfenberg. Das von ihm hinterlassene Vermögen wurde auf stattliche 10 Millionen Gulden geschätzt. Da sein Sohn zum Zeitpunkt seines Todes noch ein Kind war, wurde die Wasserheilanstalt von einem Schwiegersohn übernommen.
Ehrungen und Nachwirkung
Aus den Anwendungen von Prießnitz und denen seines ehemaligen Schulkollegen Johann Schroth entwickelten Eucharius Ferdinand Christian Oertel, J. H. Rausse und Theodor Hahn sowie Lorenz Gleich die Naturheilkunde. Insbesondere Gleich drängte dazu, die komplexen Kuren von Prießnitz nicht länger Hydropathie zu nennen, sondern Naturheilkunde oder Naturheilverfahren.
1846 wurde Prießnitz im Namen des österreichischen Kaisers die große goldene Verdienstmedaille für seine Leistungen verliehen. Im Stadtpark von Freiwaldau und im Türkenschanzpark in Wien erinnern bis heute Denkmäler an Vincenz Prießnitz. In Leipzig, im heutigen Kleingärtnerverein Priessnitz-Morgenröte e. V., erinnert ebenfalls ein Denkmal an ihn. Im Jahr 1909 wurde in Wien-Floridsdorf (21. Bezirk) die Prießnitzgasse nach ihm benannt.
Das Heilbad in seinem Geburtsort Gräfenberg trägt heute seinen Namen.
Georg Pingler richtete 1851 in Königstein im Taunus ein Prießnitzbad ein, nachdem er in Gräfenberg gelernt hatte. Sebastian Kneipp hospitierte bei diesem und lernte dessen Wasserkuren kennen. In Danzig eröffnete 1907 ein Prießnitzbad, das bis 1945 bestand. In Leipzig-Leutzsch gab es ein Prießnitzbad von 1912 bis 1988, ebenso in Osnabrück und weiteren Städten.
Seit 1960 verleiht die Deutsche Heilpraktikerschaft eine Prießnitz-Medaille.
Prießnitz hat Eingang in die polnische Sprache gefunden. So heißt Dusche auf Polnisch prysznic, eine polonisierte Form seines Familiennamens. Die 1990 gegründete tschechische Band Priessnitz benannte sich nach Prießnitz.
Auf Prießnitz‘ Wirken hin gründeten sich in Deutschland bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Naturheilvereine als „Prießnitz-Vereine“ und „Vereine für volksverständliche Heilkunde“. Im Jahre 1889 wurde der Dachverband „Bund der Vereine für Gesundheitspflege und arzneilose Heilweise“ gegründet, der heute noch unter dem Namen „Deutscher Naturheilbund eV“ das Erbe von Vincenz Prießnitz pflegt.
Siehe auch
- Kneipp-Medizin
- Wilhelm Winternitz
Literatur
Kurzbiografien in Nachschlagewerken
- Constantin von Wurzbach: Prießnitz, Vincenz. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 23. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1872, S. 290–295 (Digitalisat).
- Julius Leopold Pagel: Prießnitz, Vincenz. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 26, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 589 f.
- Priessnitz Vinzenz. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 8, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1983, ISBN 3-7001-0187-2, S. 278.
- Manfred Skopec: Prießnitz, Vincenz. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 720 (Digitalisat).
Wissenschaftliche Literatur
- Hubertus Averbeck: Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie. Betrachtungen zu Personen und zur Zeit der wichtigsten Entwicklungen im 19. Jahrhundert. Europäischer Hochschulverlag, Bremen 2012, ISBN 978-3-86741-782-2, S. 152–208.
- Alfred Brauchle: Der erste Höhepunkt in der Entwicklung der Wasserheilkunde und der Welterfolg. Der Bauer Vincenz Prießnitz. In: Alfred Brauchle: Geschichte der Naturheilkunde in Lebensbildern. 2., erweiterte Auflage von Große Naturärzte. Reclam-Verlag, Stuttgart 1951, S. 77–117.
- Hermann Hauke: Vinzenz Prießnitz und Freiwaldau-Gräfenberg. Ein Almanach, dem „Genie des kalten Wassers“ zum 200. Geburtstag gewidmet. Mährisch-Schlesischer Sudetengebirgsverein, Kirchheim/Teck 1998.
- Jürgen Helfricht: Vincenz Prießnitz (1799–1851) und die Rezeption seiner Hydrotherapie bis 1918. Ein Beitrag zur Geschichte der Naturheilbewegung (= Abhandlungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften. Heft 105). Matthiesen Verlag, Husum 2006, ISBN 978-3-7868-4105-0.
- Uwe Heyll, Christoph auf der Horst, Alfons Labisch: Vorbemerkungen zur Wissenschaftsgeschichte der Naturheilkunde. In: Medizinhistorisches Journal. Band. 34, Heft 1, 1999, S. 3–45.
- Uwe Heyll: Wasser, Fasten, Luft und Licht. Die Geschichte der Naturheilkunde in Deutschland. Campus Verlag, Frankfurt / New York 2006, ISBN 3-593-37955-4.
- Jürgen Rohde: In Vergessenheit geratene Erkenntnisse über Priessnitz aus dem unbekannt gebliebenen Vinzenz Priessnitz’schen Familien-Wasserbuch von 1847. In: Forschende Komplementärmedizin und Klassische Naturheilkunde. Band 9, Heft 2, 2002, S. 85–98.
- Jürgen Rohde: Die Behandlung von Infektionskrankheiten nach dem Vinzenz Prießnitz’schen Familien-Wasserbuch von 1847. Zwei Teile. In: Schweizerische Zeitschrift für Ganzheitsmedizin. Band 20, Nr. 4, 2006, S. 231–237 (Teil 1), und Nr. 5, 2006, S. 292–300 (Teil 2).
- Jürgen Rohde: Vinzenz Priessnitz (1799–1851) und die Abhärtung. In: Schweizerische Zeitschrift für Ganzheitsmedizin. Band 22, Nr. 1, 2010, S. 45–54.
- Heinz Röhrich: Vincenz Prießnitz’sche Kaltwasserkuranstalt in Gräfenberg. In: Mährisch-Schlesische Heimat. Band 14, 1969, S. 276–290.
- Karl Eduard Rothschuh: Die Konzeptualisierung der Naturheilkunde im 19. Jahrhundert (J.H. Rausse, Theodor Hahn, Lorenz Gleich). In: Gesnerus. Band 38, Nr. 1–2, 1981, S. 175–190. (doi:10.1163/22977953-0380102018).
- Josef Sajner, Vladimír Křížek: Krankendiagnosen bei Vincenz Prießnitz. In: Christa Habrich, Frank Marguth, Jörn Henning Wolf (Hrsg.) unter Mitarbeit von Renate Wittern: Medizinische Diagnostik in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Heinz Goerke zum sechzigsten Geburtstag. München 1978 (= Neue Münchner Beiträge zur Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften: Medizinhistorische Reihe. Band 7/8), ISBN 3-87239-046-5, S. 205–216.
- Bernhard Uehleke, Wolfgang Caesar: Vinzenz Priessnitz: Zum 200. Geburtstag des Wegbereiters der Naturheilkunde. In: Deutsche Apotheker Zeitung, 1999, Nr. 51, S. 60 (online).
Zeitgenössische Literatur
- Ernst von Held-Ritt: Prißnitz auf Gräfenberg oder treue Darstellung seines Heilverfahrens mit kaltem Wasser. Ein Handbuch für Alle, welche Gräfenberg besuchen, und die Wasserkur dort oder in der Heimath brauchen wollen, so wie für Jene, welche dort Heilung fanden. Mörschner und Jasper, Wien 1837; Volltext; Nachdruck, mit einer Einleitung zur Geschichte der Hydrotherapie und der Biographie von Prißnitz sowie mit Erläuterungen und Anmerkungen hrsg. von Christian Andree. Bergstadtverlag W. G. Korn, Würzburg 1988.
- Carl Munde: Die Gräfenberger Wasserheilanstalt und die Prießnitzische Curmethode. Ein Handbuch […] für alle Kranke, die gesund werden und für Gesunde, die es bleiben wollen. Vierte, ganz umgearbeitete und vermehrte Auflage. Frohberger, Leipzig 1840; Textarchiv – Internet Archive; 5. Auflage ebenda 1841.
- Philo vom Walde: Vincenz Prießnitz. Sein Leben und sein Wirken. Zur Gedenkfeier seines hundertsten Geburtstages dargestellt. W. Möller, Berlin 1892.
- Philo vom Walde: Vincenz Priessnitz als Begründer des Wasser- und Naturheilverfahrens. Berlin 1898.
- Max Rumpler: Vincenz Prießnitz. Zum hundertjährigen Geburtstage. In: Deutscher Hausschatz, Band 26, Nr. 5, 1899/1900, Nr. 5, S. 87–88 und 90.
Weblinks
- Literatur von und über Vincenz Prießnitz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kleingärtnerverein Priessnitz-Morgenröte e. V.
- Ahnentafel abgerufen am 19. Dezember 2014
- Deutscher Naturheilbund eV (Prießnitz-Bund)
Einzelnachweise
- Römisch-katholisches Geburtsregister Freiwaldau-Stadt: Band 1792–1831, Seite 48, Reihe 3, Inventar-Nr. 3143, Signatur Je III 5 (Hinweis: Link aufrufen, Button „Fortsetzen“ anklicken, Link erneut aufrufen)
- J. E. M. Selinger: Vincenz Priessnitz; eine Lebensbeschreibung. Gerold, 1852, S. 21. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Das heilende Wasser aus dem Altvatergebirge auf: Radio Prag, 23. Juli 2021, abgerufen am 25. August 2022.
- Jürgen Rohde: Vinzenz Priessnitz (1799–1851) und die Abhärtung. In: Schweizerische Zeitschrift für Ganzheitsmedizin. Band 22, Nr. 1, 2010, S. 45–54.
- Jürgen Rohde: In Vergessenheit geratene Erkenntnisse über Priessnitz aus dem unbekannt gebliebenen Vinzenz Priessnitz’schen Familien-Wasserbuch von 1847. In: Forschende Komplementärmedizin und Klassische Naturheilkunde. Band 9, Heft 2, 2002, S. 85–98.
- Jürgen Rohde: Die Behandlung von Infektionskrankheiten nach dem Vinzenz Prießnitz’schen Familien-Wasserbuch von 1847 (Teil 1). In: Schweizerische Zeitschrift für Ganzheitsmedizin, 2008;20(4):231–237
- Julius Leopold Pagel: Prießnitz, Vincenz. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 26, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 589 f.
- Gundolf Keil: Vegetarisch. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 34, 2015 (2016), S. 29–68, hier: S. 42.
- Karl Eduard Rothschuh: Die Konzeptualisierung der Naturheilkunde im 19. Jahrhundert (J.H. Rausse, Theodor Hahn, Lorenz Gleich). In: Gesnerus, Band 38, Ausgabe 1–2 (1981), S. 175–190 (doi:10.1163/22977953-0380102018)
- Danziger Einwohnerbuch, 1942, S. 143; pbc.gda.pl – auch in weiteren Adressbüchern
- prysznic. In: Słownik języka polskiego, sjpd.pwn.pl
Personendaten | |
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NAME | Prießnitz, Vincenz |
KURZBESCHREIBUNG | Landwirt und Naturheiler |
GEBURTSDATUM | 4. Oktober 1799 |
GEBURTSORT | Gräfenberg bei Freiwaldau, Schlesien |
STERBEDATUM | 28. November 1851 |
STERBEORT | Gräfenberg bei Freiwaldau, Schlesien |
Autor: www.NiNa.Az
Veröffentlichungsdatum:
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Vincenz Priessnitz gelegentlich Prisnitz oder Prissnitz 4 Oktober 1799 in Grafenberg Lazne Jesenik in Osterreichisch Schlesien 28 November 1851 ebenda war ein Landwirt und autodidaktischer Naturheiler Er gilt nach den Wasserhahnen Siegmund Hahn und Johann Siegmund Hahn als Erneuerer der Kaltwasserkur in Osterreich und Deutschland Vincenz PriessnitzLebenVincenz Priessnitz wurde als das jungste von sechs Kindern des Landwirts Franz Priessnitz 1753 1836 und dessen Ehefrau Theresia Kappel 1759 1825 in Freiwaldau Stadt Haus Nr 175 geboren Da der Vater erblindete und der alteste Bruder fruh starb musste Priessnitz schon nach kurzer Zeit die Schule verlassen und auf dem elterlichen Hof mitarbeiten Er konnte nur eingeschrankt lesen und schreiben war also funktionaler Analphabet Mit 17 Jahren brach sich Priessnitz zwei Rippen als er auf dem Weg zum Feld von seinem scheuenden Pferd zu Boden geschleudert und anschliessend vom angehangten Wagen uberrollt wurde Er half sich indem er die verletzten Rippen mit einem in kaltes Wasser getauchten Umschlag fixierte und daruber mehrere eng anliegende Tucher band Dies war die Geburtsstunde des Priessnitz Umschlages Priessnitz Wickel Die Rippen verheilten und sehr schnell hatte der junge Priessnitz im weiten Umkreis den Ruf ein Wasserdoktor zu sein Vincenz Priessnitz Lithographie von Andreas Staub ca 1830 Im Jahr 1826 kamen die ersten Kranken von ausserhalb zu Priessnitz Er richtete ein Badehaus ein in dem er mit Wasser behandelte wurde aber 1829 von mehreren Arzten als Kurpfuscher angeklagt Der Prozess endete mit einem Freispruch fur Priessnitz da er nicht mit Medikamenten sondern ausschliesslich mit Wasser therapierte 1828 heiratete Priessnitz Sophie eine Tochter des Gemeindevorstehers von Bohmischdorf bei Freiwaldau Mit ihr hatte er einen Sohn und sechs Tochter Hotel Priessnitz Lazne Jesenik Bad Grafenberg Kapelle und Grabmal von Priessnitz in Grafenberg 1830 bekam er die Genehmigung der osterreichischen Regierung zur Errichtung und Fuhrung einer Kaltwasser Heilanstalt Im Badehaus wurde ein grosses Becken von zehn Meter Durchmesser installiert in dem die Patienten auch schwimmen konnten Ausserdem enthielt es einen Brunnen Bereits 1832 wurde ein zweites Anstaltsgebaude gebaut mit 18 Zimmern und einem Saal Insgesamt konnten in der Heilanstalt gleichzeitig etwa 100 Kranke untergebracht werden Bis zu seinem Tod behandelte der Wasserdoktor hier etwa 36 000 Patienten Die Priessnitz sche Kaltwasser Heilanstalt wurde seit 1853 vom Arzt 1814 1890 und seinem Schwiegersohn 1830 1912 der die Tochter Maria Anna Priessnitz geheiratet hatte weitergefuhrt Bis heute existiert die von ihm gegrundete Kuranstalt in Bad Grafenberg Lazne Jesenik Priessnitz entwickelte keine neue medizinische Theorie machte aber mit seinen Wasserkuren und Luftbadern wie sie spater auch von Arnold Rikli und Adolf Just angewandt wurden die Hydrotherapie um 1830 popular Innere Krankheiten fuhrte nach der seit der Antike vorherrschenden Humoralpathologie auf schlechte Safte zuruck die aus dem Korper herausgebracht werden mussten Er wandte kaltes Wasser und kalte Kompressen bei den verschiedensten Krankheiten an verordnete aber auch Arbeit Bewegung und Diat Wasser Milch und kalte ungewurzte Speisen Ausserdem setzte er auf Abhartung vorzugsweise durch eiskaltes Duschen wobei sich das Wasser aus einer Hohe von mehreren Metern auf die Patienten ergoss Weitere Behandlungselemente waren Trinkkuren Klistiere Bader und Schwitzkuren Priessnitz veroffentlichte nichts diktierte aber 1847 seiner Tochter Sophie das Vinzenz Priessnitz sche Familien Wasserbuch das bis heute im Institut fur Geschichte der Medizin der Universitat Wien aufbewahrt wird 1880 liess sein Schwiegersohn Hans Ripper fur das Priessnitz Archiv eine Abschrift anfertigen Das Buch war nie zur Veroffentlichung vorgesehen sondern in erster Linie fur die Tochter Sophie die mit ihrem Mann in Ungarn lebte Daher sind die Angaben und Beschreibungen eher kurz gehalten denn Sophie war bereits mit den Grundlagen vertraut In der Abschrift werden auf 63 Seiten Behandlungen fur etwa 110 Erkrankungen sowie allgemeine Verhaltensregeln beschrieben Priessnitz erlitt 1848 einen Schlaganfall und litt danach an Leberschrumpfung und Wassersucht und hatte demnach mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zuletzt ein Leber und Nierenversagen Im Alter von 52 Jahren starb Vincenz Priessnitz am 28 November 1851 in Grafenberg Das von ihm hinterlassene Vermogen wurde auf stattliche 10 Millionen Gulden geschatzt Da sein Sohn zum Zeitpunkt seines Todes noch ein Kind war wurde die Wasserheilanstalt von einem Schwiegersohn ubernommen Ehrungen und NachwirkungBrunnen zum Gedenken an Vincenz Priessnitz im Wiener Turkenschanzpark Aus den Anwendungen von Priessnitz und denen seines ehemaligen Schulkollegen Johann Schroth entwickelten Eucharius Ferdinand Christian Oertel J H Rausse und Theodor Hahn sowie Lorenz Gleich die Naturheilkunde Insbesondere Gleich drangte dazu die komplexen Kuren von Priessnitz nicht langer Hydropathie zu nennen sondern Naturheilkunde oder Naturheilverfahren 1846 wurde Priessnitz im Namen des osterreichischen Kaisers die grosse goldene Verdienstmedaille fur seine Leistungen verliehen Im Stadtpark von Freiwaldau und im Turkenschanzpark in Wien erinnern bis heute Denkmaler an Vincenz Priessnitz In Leipzig im heutigen Kleingartnerverein Priessnitz Morgenrote e V erinnert ebenfalls ein Denkmal an ihn Im Jahr 1909 wurde in Wien Floridsdorf 21 Bezirk die Priessnitzgasse nach ihm benannt Das Heilbad in seinem Geburtsort Grafenberg tragt heute seinen Namen Georg Pingler richtete 1851 in Konigstein im Taunus ein Priessnitzbad ein nachdem er in Grafenberg gelernt hatte Sebastian Kneipp hospitierte bei diesem und lernte dessen Wasserkuren kennen In Danzig eroffnete 1907 ein Priessnitzbad das bis 1945 bestand In Leipzig Leutzsch gab es ein Priessnitzbad von 1912 bis 1988 ebenso in Osnabruck und weiteren Stadten Seit 1960 verleiht die Deutsche Heilpraktikerschaft eine Priessnitz Medaille Priessnitz hat Eingang in die polnische Sprache gefunden So heisst Dusche auf Polnisch prysznic eine polonisierte Form seines Familiennamens Die 1990 gegrundete tschechische Band Priessnitz benannte sich nach Priessnitz Auf Priessnitz Wirken hin grundeten sich in Deutschland bereits in der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts Naturheilvereine als Priessnitz Vereine und Vereine fur volksverstandliche Heilkunde Im Jahre 1889 wurde der Dachverband Bund der Vereine fur Gesundheitspflege und arzneilose Heilweise gegrundet der heute noch unter dem Namen Deutscher Naturheilbund eV das Erbe von Vincenz Priessnitz pflegt Siehe auchKneipp Medizin Wilhelm WinternitzLiteraturKurzbiografien in Nachschlagewerken Constantin von Wurzbach Priessnitz Vincenz In Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich 23 Theil Kaiserlich konigliche Hof und Staatsdruckerei Wien 1872 S 290 295 Digitalisat Julius Leopold Pagel Priessnitz Vincenz In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 26 Duncker amp Humblot Leipzig 1888 S 589 f Priessnitz Vinzenz In Osterreichisches Biographisches Lexikon 1815 1950 OBL Band 8 Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1983 ISBN 3 7001 0187 2 S 278 Manfred Skopec Priessnitz Vincenz In Neue Deutsche Biographie NDB Band 20 Duncker amp Humblot Berlin 2001 ISBN 3 428 00201 6 S 720 Digitalisat Wissenschaftliche Literatur Hubertus Averbeck Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie Betrachtungen zu Personen und zur Zeit der wichtigsten Entwicklungen im 19 Jahrhundert Europaischer Hochschulverlag Bremen 2012 ISBN 978 3 86741 782 2 S 152 208 Alfred Brauchle Der erste Hohepunkt in der Entwicklung der Wasserheilkunde und der Welterfolg Der Bauer Vincenz Priessnitz In Alfred Brauchle Geschichte der Naturheilkunde in Lebensbildern 2 erweiterte Auflage von Grosse Naturarzte Reclam Verlag Stuttgart 1951 S 77 117 Hermann Hauke Vinzenz Priessnitz und Freiwaldau Grafenberg Ein Almanach dem Genie des kalten Wassers zum 200 Geburtstag gewidmet Mahrisch Schlesischer Sudetengebirgsverein Kirchheim Teck 1998 Jurgen Helfricht Vincenz Priessnitz 1799 1851 und die Rezeption seiner Hydrotherapie bis 1918 Ein Beitrag zur Geschichte der Naturheilbewegung Abhandlungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften Heft 105 Matthiesen Verlag Husum 2006 ISBN 978 3 7868 4105 0 Uwe Heyll Christoph auf der Horst Alfons Labisch Vorbemerkungen zur Wissenschaftsgeschichte der Naturheilkunde In Medizinhistorisches Journal Band 34 Heft 1 1999 S 3 45 Uwe Heyll Wasser Fasten Luft und Licht Die Geschichte der Naturheilkunde in Deutschland Campus Verlag Frankfurt New York 2006 ISBN 3 593 37955 4 Jurgen Rohde In Vergessenheit geratene Erkenntnisse uber Priessnitz aus dem unbekannt gebliebenen Vinzenz Priessnitz schen Familien Wasserbuch von 1847 In Forschende Komplementarmedizin und Klassische Naturheilkunde Band 9 Heft 2 2002 S 85 98 Jurgen Rohde Die Behandlung von Infektionskrankheiten nach dem Vinzenz Priessnitz schen Familien Wasserbuch von 1847 Zwei Teile In Schweizerische Zeitschrift fur Ganzheitsmedizin Band 20 Nr 4 2006 S 231 237 Teil 1 und Nr 5 2006 S 292 300 Teil 2 Jurgen Rohde Vinzenz Priessnitz 1799 1851 und die Abhartung In Schweizerische Zeitschrift fur Ganzheitsmedizin Band 22 Nr 1 2010 S 45 54 Heinz Rohrich Vincenz Priessnitz sche Kaltwasserkuranstalt in Grafenberg In Mahrisch Schlesische Heimat Band 14 1969 S 276 290 Karl Eduard Rothschuh Die Konzeptualisierung der Naturheilkunde im 19 Jahrhundert J H Rausse Theodor Hahn Lorenz Gleich In Gesnerus Band 38 Nr 1 2 1981 S 175 190 doi 10 1163 22977953 0380102018 Josef Sajner Vladimir Krizek Krankendiagnosen bei Vincenz Priessnitz In Christa Habrich Frank Marguth Jorn Henning Wolf Hrsg unter Mitarbeit von Renate Wittern Medizinische Diagnostik in Geschichte und Gegenwart Festschrift fur Heinz Goerke zum sechzigsten Geburtstag Munchen 1978 Neue Munchner Beitrage zur Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften Medizinhistorische Reihe Band 7 8 ISBN 3 87239 046 5 S 205 216 Bernhard Uehleke Wolfgang Caesar Vinzenz Priessnitz Zum 200 Geburtstag des Wegbereiters der Naturheilkunde In Deutsche Apotheker Zeitung 1999 Nr 51 S 60 online Zeitgenossische Literatur Ernst von Held Ritt Prissnitz auf Grafenberg oder treue Darstellung seines Heilverfahrens mit kaltem Wasser Ein Handbuch fur Alle welche Grafenberg besuchen und die Wasserkur dort oder in der Heimath brauchen wollen so wie fur Jene welche dort Heilung fanden Morschner und Jasper Wien 1837 Volltext Nachdruck mit einer Einleitung zur Geschichte der Hydrotherapie und der Biographie von Prissnitz sowie mit Erlauterungen und Anmerkungen hrsg von Christian Andree Bergstadtverlag W G Korn Wurzburg 1988 Carl Munde Die Grafenberger Wasserheilanstalt und die Priessnitzische Curmethode Ein Handbuch fur alle Kranke die gesund werden und fur Gesunde die es bleiben wollen Vierte ganz umgearbeitete und vermehrte Auflage Frohberger Leipzig 1840 Textarchiv Internet Archive 5 Auflage ebenda 1841 Philo vom Walde Vincenz Priessnitz Sein Leben und sein Wirken Zur Gedenkfeier seines hundertsten Geburtstages dargestellt W Moller Berlin 1892 Philo vom Walde Vincenz Priessnitz als Begrunder des Wasser und Naturheilverfahrens Berlin 1898 Max Rumpler Vincenz Priessnitz Zum hundertjahrigen Geburtstage In Deutscher Hausschatz Band 26 Nr 5 1899 1900 Nr 5 S 87 88 und 90 WeblinksCommons Vincent Priessnitz Album mit Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Vincenz Priessnitz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Kleingartnerverein Priessnitz Morgenrote e V Ahnentafel abgerufen am 19 Dezember 2014 Deutscher Naturheilbund eV Priessnitz Bund EinzelnachweiseRomisch katholisches Geburtsregister Freiwaldau Stadt Band 1792 1831 Seite 48 Reihe 3 Inventar Nr 3143 Signatur Je III 5 Hinweis Link aufrufen Button Fortsetzen anklicken Link erneut aufrufen J E M Selinger Vincenz Priessnitz eine Lebensbeschreibung Gerold 1852 S 21 eingeschrankte 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Eduard Rothschuh Die Konzeptualisierung der Naturheilkunde im 19 Jahrhundert J H Rausse Theodor Hahn Lorenz Gleich In Gesnerus Band 38 Ausgabe 1 2 1981 S 175 190 doi 10 1163 22977953 0380102018 Danziger Einwohnerbuch 1942 S 143 pbc gda pl auch in weiteren Adressbuchern prysznic In Slownik jezyka polskiego sjpd pwn plNormdaten Person GND 118741896 lobid GND Explorer OGND AKS LCCN n82102908 VIAF 8182851 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Priessnitz VincenzKURZBESCHREIBUNG Landwirt und NaturheilerGEBURTSDATUM 4 Oktober 1799GEBURTSORT Grafenberg bei Freiwaldau SchlesienSTERBEDATUM 28 November 1851STERBEORT Grafenberg bei Freiwaldau Schlesien