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Otto Böckel zeitgenössisch meist Otto Boeckel 2 Juli 1859 in Frankfurt am Main 17 September 1923 in Michendorf Kreis Zau

Otto Böckel

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Otto Böckel, zeitgenössisch meist Otto Boeckel, (* 2. Juli 1859 in Frankfurt am Main; † 17. September 1923 in Michendorf, Kreis Zauch-Belzig) war ein deutscher Volkskundler (insbesondere Volksliedforscher), Publizist und Politiker. Als Interessenvertreter des hessischen Kleinbauerntums („hessischer Bauernkönig“) wandte er sich gegen adelige Großgrundbesitzer und Kapitalismus, insbesondere aber gegen angebliche „Wucherjuden“, denen er die Schuld für wirtschaftliche Probleme gab. Er verwendete auch das Pseudonym Dr. Capistrano. Böckel war ein führender Vertreter des politischen Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich. Er gründete 1890 die Antisemitische Volkspartei, aus der 1893 die gleichfalls antisemitische Deutsche Reformpartei hervorging. Als Abgeordneter des Wahlkreises Marburg–Frankenberg war er von 1887 bis 1903 Mitglied des Reichstages.

Leben

Otto Böckel wurde als Sohn des Steinmetzen Gustav Böckel und seiner Gattin Anna geb. Schaffner in Frankfurt am Main geboren. Er studierte ab 1878 Rechtswissenschaften und Nationalökonomie in Gießen und Heidelberg, danach neuere Sprachen in Marburg und Gießen. In Gießen wurde er 1879 Mitglied der Burschenschaft Germania. 1882 promovierte er in Marburg bei dem Romanisten Edmund Stengel und nahm eine Stelle an der Universitätsbibliothek an. Böckel widmete sich fortan volkskundlichen Studien, insbesondere der Volksliedforschung und der bäuerlichen Alltagskultur in Hessen. Seine von Agrarromantik und Antisemitismus durchzogene Verklärung des kleinbäuerlichen Lebens war stark an Wilhelm Heinrich Riehl angelehnt, trug aber auch antikonservative und antiautoritäre Züge. Seine judenfeindlichen Verschwörungstheorien entnahm Böckel wahrscheinlich den Werken der französischen Antisemiten Alphonse de Toussenel und Édouard Drumont.

Der Weg in die Politik

Otto Böckel sah sich zeitlebens als Kämpfer für die von der Agrarkrise bedrohte kleinbäuerliche Lebenswelt seiner kurhessischen Heimat. Die Schuldigen für den Niedergang des Bauerntums sah er in jüdischen Viehhändlern und Kreditgebern, welche die Bauern angeblich durch Wuchergeschäfte schädigten, ihren Besitz zwangsversteigerten („Güterschlächterei“), um mit ihm Bodenspekulation zu betreiben. Die Berechtigung dieser seit dem Mittelalter kursierenden Vorwürfe ist extrem zweifelhaft. Sie wurden damals aber von vielen Zeitgenossen bereitwillig akzeptiert, da sie von der ökonomischen Inkompetenz der verschuldeten Bauern und von überindividuellen Strukturveränderungen in der Landwirtschaft im heraufziehenden Industriezeitalter ablenkten, (so u. a. Preisverfall durch die Globalisierung der Agrarmärkte, veraltete Produktionsmethoden, Zersplitterung des Besitzes, Arbeitskräftemangel durch Landflucht).

Ein spektakuläres Gerichtsverfahren gegen Conrad Hedderich, der seine jüdischen Gläubiger ermordet hatte (allerdings mangels Beweisen freigesprochen wurde), motivierte Böckel, politisch tätig zu werden.

Der „hessische Bauernkönig“

Fortan zog Böckel mit einigen Gesinnungsgenossen als antisemitischer Agitator über die hessischen Dörfer und fand unter den Kleinbauern, ländlichen und kleinstädtischen Unterschichten und unter den Marburger Studenten begeisterte Anhänger, die ihn als „hessischen Bauernkönig“ feierten. 1886 hielt er auch eine Rede in der Berliner Bockbrauerei, die die antisemitische Bewegung mitfinanzierte. Kern seiner Agitation war u. a. die Parole „“, die 1919 zur Losung des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes wurde. Unterstützt wurde seine Agitation durch die Zeitungen Die Wucherpille, Reichsgeldmonopol und Reichsherold, die Böckel herausgab oder für die er schrieb (z. T. unter dem Pseudonym Dr. Capistrano – eine Bezugnahme auf den mittelalterlichen Inquisitor Johannes Capistranus, der sich auf Judenverfolgung spezialisiert hatte).

Der „hessische Bauernkönig“ stand „auf dem linken Flügel der antisemitischen Front, mit liberal-demokratischen, teilweise sozialistischen Parolen“. Mit seiner Parole „gegen Junker und Juden“ verknüpfte er antikonservatives und antisemitisches Gedankengut. Bei der Reichstagswahl 1887 wurde er für den Reichstagswahlkreis Regierungsbezirk Kassel 5 Marburg-Kirchhain als erster unabhängiger Antisemit in den Reichstag gewählt. Böckel betrieb einen Selbsthilfe-Antisemitismus, der die Bauern unabhängig vom jüdischen Kapital machen sollte. Er gründete den , der sich unter seinem Vorsitzenden Alfred Winkler aber nicht der antisemitischen Bewegung anschloss. Daraufhin rief Böckel 1890 den ins Leben. Er förderte landwirtschaftliche Kooperativen, Rechtsberatung für verschuldete Bauern und veranstaltete „judenfreie“ Viehmärkte. 1890 gründete Böckel die Antisemitische Volkspartei, die sich 1893 in Deutsche Reformpartei umbenannte. Sein eigentliches politisches Einflussgebiet blieb aber auf Kurhessen begrenzt. 1890, 1893 und 1898 wurde Böckel in Marburg wiedergewählt, obwohl er von allen anderen Parteien bekämpft wurde. Die Behörden fürchteten, dass Böckels aggressive Wahlkampffeldzüge der sozialdemokratischen Landagitation Vorschub leisten würden. Deshalb förderten sie die Gründung von der Böckel-Bewegung unabhängiger Selbsthilfe-Organisationen nach dem Raiffeisen-Prinzip.

Politischer Niedergang

Ein Skandal um ein uneheliches Kind und die Zweckentfremdung von Geldern des Mitteldeutschen Bauernvereins für Wahlkampfagitation führten dazu, dass Böckel 1894 Marburg verlassen musste. Als sein Versuch, die Vereinigung seiner Deutschen Reformpartei mit der Deutschsozialen Partei zu verhindern, scheiterte, trat Böckel aus Partei und Fraktion aus. Er kritisierte die Nähe der neuen Deutschsozialen Reformpartei zu den Konservativen und zum Bund der Landwirte, welche er in Hessen als politische Gegner bekämpft hatte. Die Wiederbelebung der Antisemitischen Volkspartei gemeinsam mit Hermann Ahlwardt scheiterte kläglich. 1903 verlor Böckel seinen Marburger Wahlkreis ausgerechnet an den Linksliberalen und ehemaligen Antisemiten Hellmut von Gerlach. Die antisemitische Bewegung in Hessen war mittlerweile aufgrund der Erfolge der Raiffeisen-Bewegung abgeflaut und vom Bund der Landwirte absorbiert worden, für den schließlich auch Böckel von 1897 bis 1899 als Agitator tätig wurde. Alle Versuche Böckels, in der antisemitischen Bewegung wieder Fuß zu fassen, scheiterten. Der gemeinsam mit Paul Förster und gegründete blieb bedeutungslos, und ein Comeback in seinem Marburger Wahlkreis bei der Reichstagswahl von 1912 scheiterte kläglich.

Nachwirkungen

Otto Böckel starb im Alter von 64 Jahren in Michendorf. Die Nationalsozialisten stilisierten ihn zu einem Wegbereiter ihres Gedankenguts. Führende hessische Nationalsozialisten, wie der spätere Staatspräsident Ferdinand Werner, waren in ihrer Jugend in der Böckel-Bewegung tätig.

Fred H. Richards hat 1967 die Nachwirkungen von Böckels Antisemitismus im Parteiprogramm der NSDAP und der NPD tabellarisch dargestellt.

Werke (Auswahl)

Volkskundliche Schriften

  • Deutsche Volkslieder aus Oberhessen, 1885
  • Der deutsche Wald im deutschen Lied, 1899
  • Dorfbilder aus Hessen und der Mark, 1908
  • Psychologie der Volksdichtung, 1913
  • Seelenland. Bilder aus deutscher Heldenzeit, 1913
  • Das deutsche Volkslied, 1917

Antisemitische Schriften

  • Die Juden – Die Könige unserer Zeit, 1887, wieder 1901
  • Die Quintessenz der Judenfrage, 1889
  • Nochmals: Die Juden – die Könige unserer Zeit, 1901

Literatur

  • Helge Dvorak: Biografisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I Politiker, Teilband 1: A–E. Heidelberg 1996, S. 109–110.
  • Thomas Gräfe: Die Juden – Die Könige unserer Zeit (Otto Böckel, 1887). In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 6: Publikationen. De Gruyter, Berlin 2013, S. 316–318.
  • Mathilde Hain: Böckel, Otto G. K.. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 365 (Digitalisat).
  • Thomas Klein: Der preußisch-deutsche Konservatismus und die Entstehung des politischen Antisemitismus in Hessen-Kassel. (1866–1893). Ein Beitrag zur hessischen Parteiengeschichte (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 59). Elwert, Marburg 1995, ISBN 3-7708-1057-0.
  • Rüdiger Mack: Otto Böckel und die antisemitische Bauernbewegung in Hessen 1887–1894. In: Wetterauer Geschichtsblätter. 16, 1967, ISSN 0508-6213, S. 113–147.
  • George L. Mosse: „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“. Die völkischen Ursprünge des Nationalsozialismus. Athenäum, Königstein (Taunus) 1979, ISBN 3-7610-8056-5, passim (8 Nennungen).
  • David Peal: Anti-Semitism and Rural Transformation in Kurhessen. The Rise and Fall of the Böckel Movement. University Microfilms International, Ann Arbor MI 1985 (New York NY, Columbia Univ., Diss., 1985).
  • David Peal: Jewish Reactions to German Antisemitism. The case of the Böckel Movement 1887–1894. In: Jewish Social Studies. 48, 1986, ISSN 0021-6704, S. 269–282.
  • David Peal: Antisemitism by other means? The Rural Cooperative Movement in late 19th century Germany. In: Herbert A. Strauss (Hrsg.): Hostages of Modernization. Studies on Modern Antisemitism 1870–1933/39. Band 1 = 3, 1: Germany – Great Britain – France. de Gruyter, Berlin u. a. 1993, ISBN 3-11-010776-7, S. 128–149.
  • Armin Pfahl-Traughber: Antisemitismus, Populismus und Sozialprotest. Eine Fallstudie zur Agitation von Otto Böckel, dem ersten Antisemiten im Deutschen Reichstag. In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden. 10, 2000, ISSN 1016-4987, S. 389–415.
  • Eugen Schmahl: Entwicklung der völkischen Bewegung. Die antisemitische Bauernbewegung in Hessen von der Böckelzeit bis zum Nationalsozialismus. Roth, Gießen 1933.
  • Peter Straßheim: Die Reichstagswahlen im 1. Kurhessischen Reichstagswahlkreis Rinteln-Hofgeismar-Wolfhagen von 1866 bis 1914. Eine Wahlanalyse (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 897). Lang, Frankfurt am Main u. a. 2001, ISBN 3-631-37757-6 (Zugleich: Berlin, Freie Univ., Diss., 2000).
  • Arne Sudhoff: Agitation und Mobilisierung ländlicher Bevölkerung im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die kurhessische Zeitung Reichsherold im Schnittpunkt von Antisemitismus und Agrargesellschaft. In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden. 11, 2001, S. 87–120.
  • Jacob Toury: Antisemitismus auf dem Lande Der Fall Hessen 1881–1895. In: Monika Richarz, Reinhard Rürup (Hrsg.): Jüdisches Leben auf dem Lande. Studien zur deutsch-jüdischen Geschichte (= Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo-Baeck-Instituts 56). Mohr Siebeck, Tübingen 1997, ISBN 3-16-146842-2, S. 173–188.

Weblinks

Commons: Otto Böckel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Literatur von und über Otto Böckel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Werke von und über Otto Böckel in der Deutschen Digitalen Bibliothek
  • Otto Böckel in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
  • Biografie von Otto Boeckel. In: Heinrich Best: Datenbank der Abgeordneten der Reichstage des Kaiserreichs 1867/71 bis 1918 (Biorab – Kaiserreich)
  • Gabriel Eikenberg: Otto Böckel. Tabellarischer Lebenslauf im LeMO (DHM und HdG)
  • Boeckel, Georg Karl Otto. Hessische Biografie. (Stand: 2. Februar 2023). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).

Einzelnachweise

  1. zur Schreibweise Boeckel siehe Mosse, Volk, passim
  2. So Hellmut von Gerlach über Otto Böckel, zitiert in: Hermann Greive: Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1983, ISBN 3-534-08859-X, S. 69.
  3. Roland Demme: Vom Pfarrhaus in die antisemitische Politik. Agitation durch Friedrich Bindewald und sein Vorbild Dr. Otto Böckel gegen die jüdische Bevölkerung in der Wilhelminischen Epoche und ihre Auswirkungen bis heute. Kassel University Press, Kassel 2015, S. 125.
  4. Helge Dvorak: Biografisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I Politiker, Teilband 1: A-E. Heidelberg 1996, S. 109.
  5. Ulrich Sieg, Deutschlands Prophet. Paul de Lagarde und die Ursprünge des modernen Antisemitismus, München 2007, S. 258, 327.
  6. Hermann Greive: Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1983, S. 68.
  7. Fred H. Richards: Die NPD. Alternative oder Wiederkehr. (= Geschichte und Staat, 121) Olzog, München 1967, S. 151–158.
Abgeordnete des Reichstagswahlkreises Regierungsbezirk Kassel 5

Wilhelm Jungermann (1867) | Friedrich Nebelthau (1867–1871) | Karl Grimm (1871–1874) | Gottfried Fenner (1874–1877) | August von Ende (1877–1881) | Wilhelm Christoph Friedrich Arnold (1881–1884) | Karl Grimm (1884–1887) | Otto Böckel (1887–1903) | Hellmut von Gerlach (1903–1907) | Karl Böhme (1907–1912) | Johann Rupp (1912–1918)

Normdaten (Person): GND: 118852337 (lobid, GND Explorer, OGND, AKS) | LCCN: n84055867 | VIAF: 57412036 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Böckel, Otto
ALTERNATIVNAMEN Boeckel, Otto; Capistrano, Dr. (Pseudonym)
KURZBESCHREIBUNG deutscher Bibliothekar, Volksliedforscher und Politiker
GEBURTSDATUM 2. Juli 1859
GEBURTSORT Frankfurt am Main
STERBEDATUM 17. September 1923
STERBEORT Michendorf

Autor: www.NiNa.Az

Veröffentlichungsdatum: 18 Jul 2025 / 13:54

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Otto Bockel zeitgenossisch meist Otto Boeckel 2 Juli 1859 in Frankfurt am Main 17 September 1923 in Michendorf Kreis Zauch Belzig war ein deutscher Volkskundler insbesondere Volksliedforscher Publizist und Politiker Als Interessenvertreter des hessischen Kleinbauerntums hessischer Bauernkonig wandte er sich gegen adelige Grossgrundbesitzer und Kapitalismus insbesondere aber gegen angebliche Wucherjuden denen er die Schuld fur wirtschaftliche Probleme gab Er verwendete auch das Pseudonym Dr Capistrano Bockel war ein fuhrender Vertreter des politischen Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich Er grundete 1890 die Antisemitische Volkspartei aus der 1893 die gleichfalls antisemitische Deutsche Reformpartei hervorging Als Abgeordneter des Wahlkreises Marburg Frankenberg war er von 1887 bis 1903 Mitglied des Reichstages Otto Bockel um 1880LebenOtto Bockel wurde als Sohn des Steinmetzen Gustav Bockel und seiner Gattin Anna geb Schaffner in Frankfurt am Main geboren Er studierte ab 1878 Rechtswissenschaften und Nationalokonomie in Giessen und Heidelberg danach neuere Sprachen in Marburg und Giessen In Giessen wurde er 1879 Mitglied der Burschenschaft Germania 1882 promovierte er in Marburg bei dem Romanisten Edmund Stengel und nahm eine Stelle an der Universitatsbibliothek an Bockel widmete sich fortan volkskundlichen Studien insbesondere der Volksliedforschung und der bauerlichen Alltagskultur in Hessen Seine von Agrarromantik und Antisemitismus durchzogene Verklarung des kleinbauerlichen Lebens war stark an Wilhelm Heinrich Riehl angelehnt trug aber auch antikonservative und antiautoritare Zuge Seine judenfeindlichen Verschworungstheorien entnahm Bockel wahrscheinlich den Werken der franzosischen Antisemiten Alphonse de Toussenel und Edouard Drumont Der Weg in die Politik Berliner Bewegung Otto Glagau Mitte im Uhrzeigersinn Adolf Konig Bernhard Forster Max Liebermann von Sonnenberg Theodor Fritsch Paul Forster und Otto Bockel ca 1880 Otto Bockel sah sich zeitlebens als Kampfer fur die von der Agrarkrise bedrohte kleinbauerliche Lebenswelt seiner kurhessischen Heimat Die Schuldigen fur den Niedergang des Bauerntums sah er in judischen Viehhandlern und Kreditgebern welche die Bauern angeblich durch Wuchergeschafte schadigten ihren Besitz zwangsversteigerten Guterschlachterei um mit ihm Bodenspekulation zu betreiben Die Berechtigung dieser seit dem Mittelalter kursierenden Vorwurfe ist extrem zweifelhaft Sie wurden damals aber von vielen Zeitgenossen bereitwillig akzeptiert da sie von der okonomischen Inkompetenz der verschuldeten Bauern und von uberindividuellen Strukturveranderungen in der Landwirtschaft im heraufziehenden Industriezeitalter ablenkten so u a Preisverfall durch die Globalisierung der Agrarmarkte veraltete Produktionsmethoden Zersplitterung des Besitzes Arbeitskraftemangel durch Landflucht Ein spektakulares Gerichtsverfahren gegen Conrad Hedderich der seine judischen Glaubiger ermordet hatte allerdings mangels Beweisen freigesprochen wurde motivierte Bockel politisch tatig zu werden Der hessische Bauernkonig 1891 illustrierte das sozialdemokratische Witzblatt Der Wahre Jacob zustimmend die von Otto Bockel ausgegebene Parole Gegen Junker und Juden Fortan zog Bockel mit einigen Gesinnungsgenossen als antisemitischer Agitator uber die hessischen Dorfer und fand unter den Kleinbauern landlichen und kleinstadtischen Unterschichten und unter den Marburger Studenten begeisterte Anhanger die ihn als hessischen Bauernkonig feierten 1886 hielt er auch eine Rede in der Berliner Bockbrauerei die die antisemitische Bewegung mitfinanzierte Kern seiner Agitation war u a die Parole die 1919 zur Losung des Deutschvolkischen Schutz und Trutzbundes wurde Unterstutzt wurde seine Agitation durch die Zeitungen Die Wucherpille Reichsgeldmonopol und Reichsherold die Bockel herausgab oder fur die er schrieb z T unter dem Pseudonym Dr Capistrano eine Bezugnahme auf den mittelalterlichen Inquisitor Johannes Capistranus der sich auf Judenverfolgung spezialisiert hatte Der hessische Bauernkonig stand auf dem linken Flugel der antisemitischen Front mit liberal demokratischen teilweise sozialistischen Parolen Mit seiner Parole gegen Junker und Juden verknupfte er antikonservatives und antisemitisches Gedankengut Bei der Reichstagswahl 1887 wurde er fur den Reichstagswahlkreis Regierungsbezirk Kassel 5 Marburg Kirchhain als erster unabhangiger Antisemit in den Reichstag gewahlt Bockel betrieb einen Selbsthilfe Antisemitismus der die Bauern unabhangig vom judischen Kapital machen sollte Er grundete den der sich unter seinem Vorsitzenden Alfred Winkler aber nicht der antisemitischen Bewegung anschloss Daraufhin rief Bockel 1890 den ins Leben Er forderte landwirtschaftliche Kooperativen Rechtsberatung fur verschuldete Bauern und veranstaltete judenfreie Viehmarkte 1890 grundete Bockel die Antisemitische Volkspartei die sich 1893 in Deutsche Reformpartei umbenannte Sein eigentliches politisches Einflussgebiet blieb aber auf Kurhessen begrenzt 1890 1893 und 1898 wurde Bockel in Marburg wiedergewahlt obwohl er von allen anderen Parteien bekampft wurde Die Behorden furchteten dass Bockels aggressive Wahlkampffeldzuge der sozialdemokratischen Landagitation Vorschub leisten wurden Deshalb forderten sie die Grundung von der Bockel Bewegung unabhangiger Selbsthilfe Organisationen nach dem Raiffeisen Prinzip Politischer Niedergang Ein Skandal um ein uneheliches Kind und die Zweckentfremdung von Geldern des Mitteldeutschen Bauernvereins fur Wahlkampfagitation fuhrten dazu dass Bockel 1894 Marburg verlassen musste Als sein Versuch die Vereinigung seiner Deutschen Reformpartei mit der Deutschsozialen Partei zu verhindern scheiterte trat Bockel aus Partei und Fraktion aus Er kritisierte die Nahe der neuen Deutschsozialen Reformpartei zu den Konservativen und zum Bund der Landwirte welche er in Hessen als politische Gegner bekampft hatte Die Wiederbelebung der Antisemitischen Volkspartei gemeinsam mit Hermann Ahlwardt scheiterte klaglich 1903 verlor Bockel seinen Marburger Wahlkreis ausgerechnet an den Linksliberalen und ehemaligen Antisemiten Hellmut von Gerlach Die antisemitische Bewegung in Hessen war mittlerweile aufgrund der Erfolge der Raiffeisen Bewegung abgeflaut und vom Bund der Landwirte absorbiert worden fur den schliesslich auch Bockel von 1897 bis 1899 als Agitator tatig wurde Alle Versuche Bockels in der antisemitischen Bewegung wieder Fuss zu fassen scheiterten Der gemeinsam mit Paul Forster und gegrundete blieb bedeutungslos und ein Comeback in seinem Marburger Wahlkreis bei der Reichstagswahl von 1912 scheiterte klaglich Nachwirkungen Otto Bockel starb im Alter von 64 Jahren in Michendorf Die Nationalsozialisten stilisierten ihn zu einem Wegbereiter ihres Gedankenguts Fuhrende hessische Nationalsozialisten wie der spatere Staatsprasident Ferdinand Werner waren in ihrer Jugend in der Bockel Bewegung tatig Fred H Richards hat 1967 die Nachwirkungen von Bockels 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Klein Der preussisch deutsche Konservatismus und die Entstehung des politischen Antisemitismus in Hessen Kassel 1866 1893 Ein Beitrag zur hessischen Parteiengeschichte Veroffentlichungen der Historischen Kommission fur Hessen 59 Elwert Marburg 1995 ISBN 3 7708 1057 0 Rudiger Mack Otto Bockel und die antisemitische Bauernbewegung in Hessen 1887 1894 In Wetterauer Geschichtsblatter 16 1967 ISSN 0508 6213 S 113 147 George L Mosse Ein Volk ein Reich ein Fuhrer Die volkischen Ursprunge des Nationalsozialismus Athenaum Konigstein Taunus 1979 ISBN 3 7610 8056 5 passim 8 Nennungen David Peal Anti Semitism and Rural Transformation in Kurhessen The Rise and Fall of the Bockel Movement University Microfilms International Ann Arbor MI 1985 New York NY Columbia Univ Diss 1985 David Peal Jewish Reactions to German Antisemitism The case of the Bockel Movement 1887 1894 In Jewish Social Studies 48 1986 ISSN 0021 6704 S 269 282 David Peal Antisemitism by other means The Rural Cooperative Movement in late 19th century Germany In Herbert A Strauss Hrsg Hostages of Modernization Studies on Modern Antisemitism 1870 1933 39 Band 1 3 1 Germany Great Britain France de Gruyter Berlin u a 1993 ISBN 3 11 010776 7 S 128 149 Armin Pfahl Traughber Antisemitismus Populismus und Sozialprotest Eine Fallstudie zur Agitation von Otto Bockel dem ersten Antisemiten im Deutschen Reichstag In Aschkenas Zeitschrift fur Geschichte und Kultur der Juden 10 2000 ISSN 1016 4987 S 389 415 Eugen Schmahl Entwicklung der volkischen Bewegung Die antisemitische Bauernbewegung in Hessen von der Bockelzeit bis zum Nationalsozialismus Roth Giessen 1933 Peter Strassheim Die Reichstagswahlen im 1 Kurhessischen Reichstagswahlkreis Rinteln Hofgeismar Wolfhagen von 1866 bis 1914 Eine Wahlanalyse Europaische Hochschulschriften Reihe 3 Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 897 Lang Frankfurt am Main u a 2001 ISBN 3 631 37757 6 Zugleich Berlin Freie Univ Diss 2000 Arne Sudhoff Agitation und Mobilisierung landlicher Bevolkerung im ausgehenden 19 Jahrhundert Die kurhessische Zeitung Reichsherold im Schnittpunkt von Antisemitismus und Agrargesellschaft In Aschkenas Zeitschrift fur Geschichte und Kultur der Juden 11 2001 S 87 120 Jacob Toury Antisemitismus auf dem Lande Der Fall Hessen 1881 1895 In Monika Richarz Reinhard Rurup Hrsg Judisches Leben auf dem Lande Studien zur deutsch judischen Geschichte Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts 56 Mohr Siebeck Tubingen 1997 ISBN 3 16 146842 2 S 173 188 WeblinksCommons Otto Bockel Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Otto Bockel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Werke von und uber Otto Bockel in der Deutschen Digitalen Bibliothek Otto Bockel in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten Biografie von Otto Boeckel In Heinrich Best Datenbank der Abgeordneten der Reichstage des Kaiserreichs 1867 71 bis 1918 Biorab Kaiserreich Gabriel Eikenberg Otto Bockel Tabellarischer Lebenslauf im LeMO DHM und HdG Boeckel Georg Karl Otto Hessische Biografie Stand 2 Februar 2023 In Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen LAGIS Einzelnachweisezur Schreibweise Boeckel siehe Mosse Volk passim So Hellmut von Gerlach uber Otto Bockel zitiert in Hermann Greive Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1983 ISBN 3 534 08859 X S 69 Roland Demme Vom Pfarrhaus in die antisemitische Politik Agitation durch Friedrich Bindewald und sein Vorbild Dr Otto Bockel gegen die judische Bevolkerung in der Wilhelminischen Epoche und ihre Auswirkungen bis heute Kassel University Press Kassel 2015 S 125 Helge Dvorak Biografisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft Band I Politiker Teilband 1 A E Heidelberg 1996 S 109 Ulrich Sieg Deutschlands Prophet Paul de Lagarde und die Ursprunge des modernen Antisemitismus Munchen 2007 S 258 327 Hermann Greive Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1983 S 68 Fred H Richards Die NPD Alternative oder Wiederkehr Geschichte und Staat 121 Olzog Munchen 1967 S 151 158 Abgeordnete des Reichstagswahlkreises Regierungsbezirk Kassel 5 Wilhelm Jungermann 1867 Friedrich Nebelthau 1867 1871 Karl Grimm 1871 1874 Gottfried Fenner 1874 1877 August von Ende 1877 1881 Wilhelm Christoph Friedrich Arnold 1881 1884 Karl Grimm 1884 1887 Otto Bockel 1887 1903 Hellmut von Gerlach 1903 1907 Karl Bohme 1907 1912 Johann Rupp 1912 1918 Normdaten Person GND 118852337 lobid GND Explorer OGND AKS LCCN n84055867 VIAF 57412036 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Bockel OttoALTERNATIVNAMEN Boeckel Otto Capistrano Dr Pseudonym KURZBESCHREIBUNG deutscher Bibliothekar Volksliedforscher und PolitikerGEBURTSDATUM 2 Juli 1859GEBURTSORT Frankfurt am MainSTERBEDATUM 17 September 1923STERBEORT Michendorf

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