Das postmortale Persönlichkeitsrecht betrifft die Fortwirkung eines Persönlichkeitsschutzes über den Tod eines Menschen
Postmortales Persönlichkeitsrecht

Das postmortale Persönlichkeitsrecht betrifft die Fortwirkung eines Persönlichkeitsschutzes über den Tod eines Menschen hinaus (post mortem) in Deutschland. Als Personenrecht ist es gesetzlich nicht fixiert. In der Schweiz wird stattdessen die Theorie des Andenkensschutzes vertreten.
Geschichte
In Mittelalter und früher Neuzeit wurden die Toten in manchen Kontexten als eigenständige Rechtspersönlichkeiten angesehen, ihnen wurde also Rechtsfähigkeit zugesprochen. Zu diesem Thema hat der Göttinger Mediävist Otto Gerhard Oexle über Die Gegenwart der Toten abgehandelt. Ein Beispiel für mittelalterliche Auffassungen hierzu ist die Leichensynode.
Geltendes Recht
Bezüglich der Rechtswirkung ist zwischen Grundrechten und einfachen Gesetzen zu unterscheiden. Das (Grund-)Recht auf informationelle Selbstbestimmung wie auch die übrigen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes enden mit dem Tod eines Menschen. Auch einfach-gesetzliche Bestimmungen wie das Namensrecht oder der Datenschutz enden grundsätzlich mit dem Tod eines Menschen.
Der Gesetzgeber kann in einfachen Gesetzen bestimmen, dass besondere Persönlichkeitsrechte auch über den Tod hinaus wirken. Dies hat er beispielsweise im Urheberrechtsgesetz in Bezug auf das Urheberpersönlichkeitsrecht getan, wobei auch die kommerzielle Verwertung über den Tod des Urhebers hinaus für eine bestimmte Zeit geschützt bleibt.
Über § 189 StGB ist die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener untersagt.
Grundrechtlich ergibt sich ein postmortaler Persönlichkeitsschutz ausschließlich aus der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (weshalb die Bezeichnung postmortales Persönlichkeitsrecht diesbezüglich irreführend ist): Der Wert- und Achtungsanspruch besteht zunächst fort, verblasst jedoch mit der Zeit.
In einer Entscheidung bezüglich des Malers Emil Nolde – es ging um zwei gefälschte, mit Noldes angeblicher Signatur versehene Aquarelle im Besitz eines Sammlers, die die Nolde-Stiftung nach Begutachtung nicht wieder herausgeben wollte – formulierte der Bundesgerichtshof 1989:
„Das Schutzbedürfnis schwindet in dem Maße, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblasst und im Laufe der Zeit auch das Interesse an der Nichtverfälschung des Lebensbildes abnimmt (vgl. BGHZ 50, 133 (140 f.) = NJW 1968, 1773 = LM Art. 2 GG Nr. 40 und Art. 5 GG Nr. 27 – Mephisto; BVerfGE 30, 173 (196) = NJW 1971, 1645 – Mephisto). Anders als bei einem ausübenden Künstler, der z. B. als Theaterschauspieler oder -regisseur in der Regel nur seinen Zeitgenossen in Erinnerung bleiben wird, kann das künstlerische Ansehen und die künstlerische Wertschätzung bei einem bildenden Künstler, der seiner Nachwelt ein bleibendes Werk hinterlässt, noch Jahrzehnte nach dem Tode fortbestehen, ohne dass der erforderliche Bezug zur Person des Verstorbenen verlorengeht. Bei einem Maler, der – wie Emil Nolde – zu den namhaften Vertretern des deutschen Expressionismus zählt, ist auch rd. 3 Jahrzehnte nach dem Tode noch ein fortbestehendes Schutzbedürfnis anzuerkennen.“
Gegen die Verletzung des ideellen Anteils am postmortalen Persönlichkeitsrecht können nur nahestehende Angehörige vorgehen (Aktivlegitimation), in der Regel sind dies die Totensorgepflichtigen oder Wahrnehmungsberechtigte, die der Betroffene zu Lebzeiten dazu berufen hat (dies kann unter Umständen auch eine Institution sein). Ein Anspruch auf Geldentschädigung ist dabei ausgeschlossen, weil dessen Genugtuungsfunktion nach dem Tode des Betroffenen ins Leere ginge. Bei Verletzung des vermögenswerten Aspektes des postmortalen Persönlichkeitsrechts stehen den Erben jedoch sowohl Abwehr- als auch Schadensersatzansprüche zu.
In einem bekannt gewordenen Fall klagten die Witwe von Klaus Kinski und der Sohn Nikolai Kinski 2008 unter Berufung auf das postmortale Persönlichkeitsrecht gegen die Veröffentlichung von Krankenakten Klaus Kinskis. Die Psychiatrieakten aus dem Jahre 1950 waren von Vivantes gemeinsam mit 100.000 weiteren Akten für die Forschung an das Berliner Landesarchiv übergeben worden. Durch das Bekanntwerden waren die informellen Persönlichkeitsrechte des 18 Jahre zuvor Verstorbenen verletzt worden. Der Rechtsstreit des Sohnes mit dem Landesarchiv endete mit einem Vergleich. Der Gerichtspräsident verwies auf die „unheimlich schwierige Rechtsfrage“, das Persönlichkeits- gegen das Informationsrecht abzuwägen.
Der Schutz des vermögenswerten Bestandteils des postmortalen Persönlichkeitsrechtes endet zehn Jahre nach dem Tod der Person. Die ideellen Bestandteile können dagegen auch nach Ablauf von zehn Jahren geschützt sein. Das Recht am eigenen Bild kann von den Angehörigen bis zu zehn Jahre nach dem Tod geltend gemacht werden (§ 22 KunstUrhG). Archivische Sperrfristen tragen dem postmortalen Persönlichkeitsrecht Rechnung, indem sie die Einsicht in personenbezogenes Archivgut – neben der allgemeinen Sperrfrist (meist 30 Jahre) – erst nach einer zusätzlichen Sperrfrist zulassen (in Niedersachsen z. B. 10 Jahre nach dem Tod der betroffenen Person oder 100 Jahre nach der Geburt). Bei entsprechender Situation, wie dem Bezug von Provisionen aus Kunstwerken zu Lebzeiten, kann durchaus ein überragendes Interesse an einer Erhaltung eines Rechtes der verstorbenen Person bestehen.
Literatur
- Mario Martini: Der digitale Nachlass und die Herausforderung postmortalen Persönlichkeitsschutzes im Internet. In: Juristen-Zeitung, 2012, Heft 23, S. 1145–1156.
Weblinks
- BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2022, Az. 1 BvR 19/22 – Kohl-Protokolle I
- BVerfG, Beschluss der ersten Kammer des Ersten Senats vom 25. August 2000, Az. 1 BvR 2707/95 = NJW 2001, 594.
- BGH: Ansprüche der Erben bei Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch ein Double (‚Der blaue Engel‘)
- BGH, Urteil vom 8. Juni 1989, Az. I ZR 135/87 – Emil Nolde
- Ausführungen in einem Anwaltschriftsatz (PDF; 722 kB)
Einzelnachweise
- In: Herman Braet, W. Verbeke (Hrsg.): Death in the Middle Ages. Leuven University Press, Leuven 1983, (Mediaevalia Lovaniensia. Ser. 1, Studia 9, ZDB-ID 186089-6), S. 19–77.
- Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Urheberpersönlichkeitsrecht, S. 2 (PDF; 104 kB).
- BGH, Urteil vom 8. Juni 1989 – I ZR 135/87 –, NJW 1990, 1986 (1988) [vgl. auch auf dejure.org.
- Rechtsstreit um Kinskis Krankenakte beendet, in: Berliner Morgenpost, 30. April 2009.
- BGH, Urteil vom 5. Oktober 2006, 1 ZR 277/03-kinski.klaus.de
- Forbes-Liste: Die Top-Verdiener unter den Toten, auf: Spiegel Online, 15. Oktober 2014.
Autor: www.NiNa.Az
Veröffentlichungsdatum:
wikipedia, wiki, deutsches, deutschland, buch, bücher, bibliothek artikel lesen, herunterladen kostenlos kostenloser herunterladen, MP3, Video, MP4, 3GP, JPG, JPEG, GIF, PNG, Bild, Musik, Lied, Film, Buch, Spiel, Spiele, Mobiltelefon, Mobil, Telefon, android, ios, apple, samsung, iphone, xiomi, xiaomi, redmi, honor, oppo, nokia, sonya, mi, pc, web, computer, komputer, Informationen zu Postmortales Persönlichkeitsrecht, Was ist Postmortales Persönlichkeitsrecht? Was bedeutet Postmortales Persönlichkeitsrecht?
Das postmortale Personlichkeitsrecht betrifft die Fortwirkung eines Personlichkeitsschutzes uber den Tod eines Menschen hinaus post mortem in Deutschland Als Personenrecht ist es gesetzlich nicht fixiert In der Schweiz wird stattdessen die Theorie des Andenkensschutzes vertreten GeschichteIn Mittelalter und fruher Neuzeit wurden die Toten in manchen Kontexten als eigenstandige Rechtspersonlichkeiten angesehen ihnen wurde also Rechtsfahigkeit zugesprochen Zu diesem Thema hat der Gottinger Mediavist Otto Gerhard Oexle uber Die Gegenwart der Toten abgehandelt Ein Beispiel fur mittelalterliche Auffassungen hierzu ist die Leichensynode Geltendes RechtBezuglich der Rechtswirkung ist zwischen Grundrechten und einfachen Gesetzen zu unterscheiden Das Grund Recht auf informationelle Selbstbestimmung wie auch die ubrigen Auspragungen des allgemeinen Personlichkeitsrechts aus Art 2 Abs 1 in Verbindung mit Art 1 Abs 1 des Grundgesetzes enden mit dem Tod eines Menschen Auch einfach gesetzliche Bestimmungen wie das Namensrecht oder der Datenschutz enden grundsatzlich mit dem Tod eines Menschen Der Gesetzgeber kann in einfachen Gesetzen bestimmen dass besondere Personlichkeitsrechte auch uber den Tod hinaus wirken Dies hat er beispielsweise im Urheberrechtsgesetz in Bezug auf das Urheberpersonlichkeitsrecht getan wobei auch die kommerzielle Verwertung uber den Tod des Urhebers hinaus fur eine bestimmte Zeit geschutzt bleibt Uber 189 StGB ist die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener untersagt Grundrechtlich ergibt sich ein postmortaler Personlichkeitsschutz ausschliesslich aus der Menschenwurde nach Art 1 Abs 1 des Grundgesetzes weshalb die Bezeichnung postmortales Personlichkeitsrecht diesbezuglich irrefuhrend ist Der Wert und Achtungsanspruch besteht zunachst fort verblasst jedoch mit der Zeit In einer Entscheidung bezuglich des Malers Emil Nolde es ging um zwei gefalschte mit Noldes angeblicher Signatur versehene Aquarelle im Besitz eines Sammlers die die Nolde Stiftung nach Begutachtung nicht wieder herausgeben wollte formulierte der Bundesgerichtshof 1989 Das Schutzbedurfnis schwindet in dem Masse in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblasst und im Laufe der Zeit auch das Interesse an der Nichtverfalschung des Lebensbildes abnimmt vgl BGHZ 50 133 140 f NJW 1968 1773 LM Art 2 GG Nr 40 und Art 5 GG Nr 27 Mephisto BVerfGE 30 173 196 NJW 1971 1645 Mephisto Anders als bei einem ausubenden Kunstler der z B als Theaterschauspieler oder regisseur in der Regel nur seinen Zeitgenossen in Erinnerung bleiben wird kann das kunstlerische Ansehen und die kunstlerische Wertschatzung bei einem bildenden Kunstler der seiner Nachwelt ein bleibendes Werk hinterlasst noch Jahrzehnte nach dem Tode fortbestehen ohne dass der erforderliche Bezug zur Person des Verstorbenen verlorengeht Bei einem Maler der wie Emil Nolde zu den namhaften Vertretern des deutschen Expressionismus zahlt ist auch rd 3 Jahrzehnte nach dem Tode noch ein fortbestehendes Schutzbedurfnis anzuerkennen Gegen die Verletzung des ideellen Anteils am postmortalen Personlichkeitsrecht konnen nur nahestehende Angehorige vorgehen Aktivlegitimation in der Regel sind dies die Totensorgepflichtigen oder Wahrnehmungsberechtigte die der Betroffene zu Lebzeiten dazu berufen hat dies kann unter Umstanden auch eine Institution sein Ein Anspruch auf Geldentschadigung ist dabei ausgeschlossen weil dessen Genugtuungsfunktion nach dem Tode des Betroffenen ins Leere ginge Bei Verletzung des vermogenswerten Aspektes des postmortalen Personlichkeitsrechts stehen den Erben jedoch sowohl Abwehr als auch Schadensersatzanspruche zu In einem bekannt gewordenen Fall klagten die Witwe von Klaus Kinski und der Sohn Nikolai Kinski 2008 unter Berufung auf das postmortale Personlichkeitsrecht gegen die Veroffentlichung von Krankenakten Klaus Kinskis Die Psychiatrieakten aus dem Jahre 1950 waren von Vivantes gemeinsam mit 100 000 weiteren Akten fur die Forschung an das Berliner Landesarchiv ubergeben worden Durch das Bekanntwerden waren die informellen Personlichkeitsrechte des 18 Jahre zuvor Verstorbenen verletzt worden Der Rechtsstreit des Sohnes mit dem Landesarchiv endete mit einem Vergleich Der Gerichtsprasident verwies auf die unheimlich schwierige Rechtsfrage das Personlichkeits gegen das Informationsrecht abzuwagen Der Schutz des vermogenswerten Bestandteils des postmortalen Personlichkeitsrechtes endet zehn Jahre nach dem Tod der Person Die ideellen Bestandteile konnen dagegen auch nach Ablauf von zehn Jahren geschutzt sein Das Recht am eigenen Bild kann von den Angehorigen bis zu zehn Jahre nach dem Tod geltend gemacht werden 22 KunstUrhG Archivische Sperrfristen tragen dem postmortalen Personlichkeitsrecht Rechnung indem sie die Einsicht in personenbezogenes Archivgut neben der allgemeinen Sperrfrist meist 30 Jahre erst nach einer zusatzlichen Sperrfrist zulassen in Niedersachsen z B 10 Jahre nach dem Tod der betroffenen Person oder 100 Jahre nach der Geburt Bei entsprechender Situation wie dem Bezug von Provisionen aus Kunstwerken zu Lebzeiten kann durchaus ein uberragendes Interesse an einer Erhaltung eines Rechtes der verstorbenen Person bestehen LiteraturMario Martini Der digitale Nachlass und die Herausforderung postmortalen Personlichkeitsschutzes im Internet In Juristen Zeitung 2012 Heft 23 S 1145 1156 WeblinksBVerfG Beschluss vom 24 Oktober 2022 Az 1 BvR 19 22 Kohl Protokolle I BVerfG Beschluss der ersten Kammer des Ersten Senats vom 25 August 2000 Az 1 BvR 2707 95 NJW 2001 594 BGH Anspruche der Erben bei Beeintrachtigung des Personlichkeitsrechts durch ein Double Der blaue Engel BGH Urteil vom 8 Juni 1989 Az I ZR 135 87 Emil Nolde Ausfuhrungen in einem Anwaltschriftsatz PDF 722 kB EinzelnachweiseIn Herman Braet W Verbeke Hrsg Death in the Middle Ages Leuven University Press Leuven 1983 Mediaevalia Lovaniensia Ser 1 Studia 9 ZDB ID 186089 6 S 19 77 Allgemeines Personlichkeitsrecht und Urheberpersonlichkeitsrecht S 2 PDF 104 kB BGH Urteil vom 8 Juni 1989 I ZR 135 87 NJW 1990 1986 1988 vgl auch auf dejure org Rechtsstreit um Kinskis Krankenakte beendet in Berliner Morgenpost 30 April 2009 BGH Urteil vom 5 Oktober 2006 1 ZR 277 03 kinski klaus de Forbes Liste Die Top Verdiener unter den Toten auf Spiegel Online 15 Oktober 2014 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten